Erstbesetzung Bond 86: Brosnan oder Dalton?

1
Wie es der Titel schon sagt möchte ich diesen Thread dazu nutzen, um Klarheit in die Frage zu bekommen, ob nun Pierce Brosnan oder Timothy Dalton die erste Wahl für die Nachfolge von Roger Moore war. Wie wir wissen gab es damals eine Vielzahl an potenziellen Kandidaten und im Laufe der ersten Monate des Jahres 1986 wechselte das Ranking der Topkandidaten mehrfach (Neill, Wilson). Aber darum geht es mir hier nicht, sondern um die in der Bondfachliteratur durchaus unterschiedlich beantwortete Frage, ob nun Brosnan oder Dalton als erster die Rolle angeboten bekam.

Zur Verdeutlichung der Problematik möchte ich zunächst drei Quellen aus der Bondliteratur anführen, die dieses Thema unterschiedlich wiedergeben. Die „James Bond Archives“ schildern es beispielsweise so, dass Pierce Brosnan die Verantwortlichen mit seinem Screentest am 8.5.86 überzeugte und anschliessend die Rolle bekam. Daraus wurde dann nichts, weil die Option auf eine weitere Remington Steele-Staffel gezogen wurde und Brosnan daher nicht für Bond 15 zur Verfügung stand. Laut den Archives fasste die EON-Crew anschliessend Dalton ins Auge, der bereits seit 1968 mehrfach zur Disposition stand. Dalton bekam die Rolle, der Rest ist Geschichte. So weit die Archives, diese Version ist wohl auch diejenige, die am häufigsten genannt wird – Brosnan als Erstbesetzung, Dalton als „Lückenbüßer“.

Deutlich anders gibt aber „Die Legende von James Bond“ von Cork/Scivally die Geschichte wieder. Hier ist es Dalton, der auf den Hinweis von Dana Broccoli hin zunächst von Cubby die Rolle angeboten bekam. Dalton war auch sehr interessiert die Rolle zu übernehmen, konnte aber wegen bereits bestehender vertraglicher Verpflichtungen zu „Brenda Starr“ den Part nicht annehmen. Erst anschliessend entschieden sich die Produzenten für Brosnan, der auch hier wegen der neuen Steele-Staffel aber letztlich wieder passen musste. Nachdem nun sowohl Dalton als auch Brosnan aus dem Rennen waren änderten die EON-Jungs ihren Terminplan und ermöglichten so Dalton doch noch das Bond-Engagement. Laut der „Legende“ war also Dalton die Erstbesetzung und Brosnan die „zweite Geige“.

In Charles Helfensteins „The Making of The Living Daylights“ wiederum ist die Geschichte etwas kryptisch wiedergegeben. Hier wird auch zunächst das Rollenangebot an Brosnan erwähnt sowie die Tragik, dass er wegen des Steele-Dilemmas passen musste. Helfenstein geht erst danach intensiv auf Dalton ein, auf seine diversen früheren Kontakte mit der Serie sowie dem Umstand, dass er innerhalb des frühen Casting-Prozesses zu TLD die Rolle ablehnte wegen seiner vertraglichen Verplichtungen mit Brenda Starr. Der Rest stimmt wieder mit der „Legende“ überein, die Terminpläne von TLD wurden angepasst, Dalton übernahm den Job. Das Fazit zwischen den Zeilen ist also auch hier: Dalton first – Brosnan second, gleichwohl Helfenstein Brosnan zuerst erwähnt – was aber auch aufbautechnischen Gründen seines Kapitels geschuldet sein kann.

Ein Hinweis für Brosnan als "Erstkandidat" könnte die Tatsache sein, dass er deutlich jünger als Dalton ist und somit auch vom Alter wesentlich besser zu den restlichen Kandidaten die in Betracht gezogen wurden passte (Dalton war mit 40 hier der Nestor, die meisten Kandidaten bewegten sich von Ende 20 bis Mitte 30). Und ursprünglich war die Rolle im ersten Drehbuch-Entwurf ja auch für einen deutlich jüngeren Bond Ende 20 geschrieben worden - wobei davon dann allerdings beim fertigen Drehbuch nichts mehr übrig blieb und es somit auch keine zwingende Notwendigkeit bei der Besetzung der Rolle war. Ein Indiz pro Dalton ist jedoch die explizite Erwähnung der Terminprobleme um Brenda Starr. Es erscheint widersinnig, dass das Angebot an ihn, das Ablehnen ebendieses wegen der Terminprobleme sowie die Änderung des Drehplans von TLD um Dalton die Rolle zu ermöglichen alles direkt hintereinander erfolgte. Dagegen spricht, dass sich eine Großproduktion wie die Bondfilme normalerweise nicht von einem Darsteller ihre Terminplanung diktieren lässt. Wenn einem aber bereits zweimal der Wunschkandidat abhanden gekommen ist (Dalton wegen Brenda Starr, Brosnan wegen STeele) ist hier eine etwaige Änderung der Terminplanung eher vorstellbar.

Ich würde mich über fundierte Infos zu diesem Thema freuen, vielleicht können wir so etwas Klarheit in dieses unterschiedlich wiedergegebene Thema bringen. Und natürlich geht es mir hier nicht darum: seht her Darsteller B ist eben doch nur der Notnagel im Gegensatz zu Darsteller A sondern einzig um die Klärung dieses Sachverhaltes (für mich steht eh außer Frage, dass sowohl Dalton als auch Brosnan hervorragende Besetzungen für die Rolle waren).
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Erstbesetzung Bond 86: Brosnan oder Dalton?

2
Ich habe gerade einen Blick in meine „James Bond Enzyklopädie“ von Cork/Stutz geworfen und darin wird der Sachverhalt wie folgt dargestellt: Im Frühjahr 1986 wurde Dalton von den Produzenten für die Rolle angefragt, musste aber aufgrund seiner eigenen Theaterprojekte (Antonius und Kleopatra und Der widerspenstigen Zähmung) vorerst ablehnen. Da Brosnan bereits nach Octopussy in einer Publikumsumfrage gesiegt hatte und NBC das Ende von Remington Steele ankündigte, kamen die Produzenten auf Brosnan zu. Während der Optionszeit für eine Weiterführung der Serie wurde Brosnan in den Medien als neuer 007 gefeiert und gerade dadurch schnellten die Quoten für Wiederholungen von Steele derart in die Höhe, dass NBC die Serie fortsetzte. Eine parallele Produktion von Steele und Bond lehnte Broccoli ab, also kam er zurück auf Dalton. Jetzt lief aber die Produktion zu Brenda Starr, und Broccoli entschied sich, mit TLD zu warten, bis Dalton „frei“ war.

Trotzdem geht leider nicht ganz klar hervor, welcher der beiden für EON nun tatsächlich erste Priorität hatte. Nach diesem Sachverhalt ging EON zuerst auf Dalton zu, aber dass muss nicht heissen dass er Broccolis absoluter Favorit in der Rolle gewesen ist. Der Sachverhalt lässt sogar die Annahme zu, dass andere potentielle Darsteller nur deshalb „ausgeschlossen“ wurden, und die Produzenten auch nur deshalb bei Brenda auf Dalton gewartet haben, um, nach den Problemen mit Brosnan und NBC, welche bestimmt einige Zeit in Anspruch genommen haben, zumindest ganz sicher einen Darsteller zu haben, statt die Suche fortzusetzen und dabei vielleicht Dalton wieder an ein neues Projekt zu „verlieren“.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Erstbesetzung Bond 86: Brosnan oder Dalton?

3
Ich kann mir vorstellen, dass Brosnan (wäre er 1994 nicht unter Vertrag genommen worden) rückblickend nicht als erste Wahl 1986 dargestellt würde.

Allein die Tatsache, dass Dalton sowohl in den 60ern, 70ern sowie in den frühen 80ern immer wieder kontaktiert wurde, zeigt, dass der Begriff "zweite Wahl" nicht wirklich passt.

Auf Brosnan passt das auch nicht.

Wie gesagt: wäre Brosnan später nicht Bond geworden, würde er in den Rückblicken auf die 80er auch nicht so extrem erwähnt werden, denke ich. Durch die Brosnan-Geschichte mit Remington Steele wird in erster Linie der Spannungsbogen aufgebaut, der dann mit der Verpflichtung Brosnans 1994 ein Happy End findet. Nur dafür ist diese Geschichte gut.

Erstbesetzung Bond 86: "Pierce Brosnan oder Timothy Dalton"?

4
.

@AnatolGogol

Interessanter Weise läßt sich dieser Vorgang in meinen Augen ähnlich betrachten wie die Frage ob Roger Moore nach Sean Connerys Ausstieg nach "You only live twice" (1967) eigentlich als erster die Rolle des Geheimagenten James Bond übernehmen sollte - ... und was dann (stattdessen) passierte.


Ich sehe die Entwicklung für die Besetzung der Bond-Rolle in 1986 wie folgt:

Firmenpatriarch Albert R. Broccoli hatte primär über viele Jahre sein Interesse daran bekundet Timothy Dalton als Besetzung für die Hauptrolle immer wieder ernsthaft in Betracht zu ziehen. Während der walisischer Schauspieler am Anfang seiner Karriere 1968 sich persönlich als zu jung sah, nach „Moonraker“ (1979) die Art der Spaß-Filme nicht mittragen mochte, konnte er sich 1986 zwar vorstellen James Bond spielen zu wollen, war jedoch aufgrund terminlicher Verpflichtungen außen vor. Im Klartext: Timothy Dalton fiel schon im Vorfeld aus dem ganzen Coaching-Prozess heraus, da er zum eigentlich vorgesehenen Drehbeginn von „The living daylights“ schon für andere Projekte in Film und Theater unterschrieben hatte und diesen Verpflichtungen nachzukommen hatte. Somit fehlte auch erst einmal ein Screen-Test vor laufender Kamera und der Waliser befand sich somit gar nicht mehr in einem direkten Ausschlussverfahren mit anderen potentiellen Bewerbern.

Nach dem unter den ernstzunehmenden Kandidaten der in Irland geborene Sam Neill (39 Jahre) und Lambert Wilson (28) zu einem Screen-Test eingeladen worden waren und der Familien-Clan zu keinem eindeutigen Entschluss kam und man diesen beiden Schauspielern schließlich absagte, tauchte danach erst Pierce Brosnan zu Proben auf und wurde der einzige Konsenskandidat, der nach seinem Screen-Test schließlich sowohl die entscheidungsberechtigen Mitglieder der Familie Broccoli als auch die Manager des geldgebenden Verleihs überzeugte und damit einen Vertrag erhielt.
Als dieser Vertrag durch die Querelen mit NBC schließlich hinfällig wurde, brauchte Albert R. Broccoli einen neuen Hauptdarsteller, da die Rolle auf einmal schlagartig wieder vakant war und der Produzent aufgrund vertraglicher Terminvorgabe den anstehenden Bond-Film im Sommer 1987 in die Kinos zu bringen hatte.
Da verständlicherweise die abgesagten Bewerberkandidaten nicht mehr zur Disposition standen, konnte der Produzent sich nur auf Personen berufen, die für ihn schon immer von Interesse, aber noch nicht getestet worden waren und bei denen er erneut anfragen lassen konnte.
Natürlich weiß der Filmfan bei dieser folgenden Personaldiskussion nun nicht wen Debbie McWilliams alles noch kontaktiert hatte, jedoch ist das Endergebnis bekannt. Timothy Dalton konnte auf Grund der entsprechenden terminlichen Umdisponierung der anstehenden Bond-Dreharbeiten die Rolle im direkten Anschluss an seine Arbeit an Robert Millers „Brenda Starr“ mit Brooke Shields anschließen und wurde so der vierte Bond-Darsteller in der offiziellen Filmreihe.


Somit lässt sich aus meiner Wahrnehmung heraus folgendes rekapitulieren:

Ähnlich wie Roger Moore war Timothy Dalton von Seiten des hauptverantwortlichen Produzenten ein vorgesehener Aspirant für die Rolle, der aber durch anderweitige vertragliche Verpflichtungen bei der Neubesetzung der Bond-Rolle 1986 eigentlich nicht zur Verfügung stand. Gleiches galt übrigens für Roger Moore Ende 1968 und 1970. Es ist bekannt, dass Albert R. Broccoli – obwohl er Pierce Brosnan bei den Dreharbeiten zu „For your eyes only“ im Herbst 1981 privat schon kennengelernt hatte – man ihm nach Brosnans Screen-Test von Seiten der Familie noch gut zureden musste - bis er schließlich sein Einverständnis gab. Ob er Vorbehalte wegen Brosnans zu jugendlichem Aussehen hatte oder Probleme mit der artverwandten Remington Steele-Rolle weiß man jedoch nicht.


Um Deine Frage zu beantworten, Anatol:

Aus meinem Verständnis heraus war Pierce Brosnan rein rechtlich gesehen die Erstbesetzung 1986 - aber schon unter der Sichtung eines verspäteten Konsenskandidaten. Michael G. Wilson und Barbara Broccoli hätten sich für Sam Neill entschieden gegen den der ‚alte Albert‘ aber war, während dieser eine Zeitlang Lambert Wilson favorisiert hatte, der aber ansonsten kaum Rückhalt bei der restlichen Crew gefunden hatte. Auf Grund dieser Pattsituation brauchte man neue Bewerber. Da traf es sich gut, dass Pierce Brosnan als neuer Bewerber einen Test ablegen wollte.

Hätte Timothy Dalton generell schon bei der Vorauswahl des Castings im Wettbewerb mit anderen potentiellen Kandidaten zur Verfügung gestanden, ist dennoch aus der Rückschau schwer abschätzen ob er dann das Rennen auch für sich entschieden hätte. Gewisse Hinweise deuten aber darauf hin.
So ist eine Aussage von Drehbuchautor und Consultant Tom Mankiewicz verbrieft, in dem Albert R. Broccoli gemeinsam mit ihm irgendwann die TV-Folge „Fallen Angel“ aus der Reihe „Charlie’s Angel“ geschaut und ihn dann unverblümt gefragt hat, ob er sich Dalton - nach dem er ihn gerade als Womanizer und Einrecher Damien Roth sah - als Bond-Darsteller vorstellen könne. Mankiewicz war so verblüfft über die Frage, dass er erst einmal ehrlich meinte, sich Dalton eher als Bösewicht im Franchise vorstellen zu können und nicht verstand, dass die Romanfigur facettenreicher ausgelegt werden konnte, wie dies dann auch der Fall wurde.


Wie ein direkter Screen-Test-Vergleich zwischen Brosnan und Dalton ausgefallen wäre, lässt sich nicht ernsthaft prognostizieren, da Brosnan erst aufgetaucht ist, nach dem der eigentliche Besetzungsmarathon schon stattgefunden hatte und die Verantwortlichen sich nur nicht auf jemanden einvernehmlich hatten einigen können. Gleiches gilt aber auch für Dalton, der hinsichtlich seiner passsenden 'Verfügbarkeit' laut Charles Helfensteins Aussage in seinem „Making-of“-Buch schließlich bereit war, als erstes noch einen Screen-Test abzulegen, damit MGM/UA sich einen Eindruck von seiner Screen-Persona machen konnte und die Freigabe geben konnte, damit Dalton auch von ihrer Seite bestätigt war.
Da die Medien im Vorfeld von der Ursprungsbesetzung erfahren hatten, stellten eine Menge Journalisten, die Pierce Brosnan in der Rolle favorisierten, Timothy Dalton gerne als den Thronräuber dar, der den Iren um seine Rolle beraubt habe, so dass in Teilen der Bericht-Erstattung eine faire Beurteilung der Leistung Timothy Daltons als neuer James Bond systematisch untergraben wurde.
Ähnliches wiederholte sich bekanntermassen bei der Verpflichtung von Daniel Craig. Auch war lange Zeit eine faire und unparteiische Berichterstattung von großen Teilen der Yellow Press stark zu rügen.

Ich möchte nicht wissen, wie etwa "GoldenEye" (1995) oder "Casino Royale" (2006) abgeschnitten hätten, wenn diese sich im großen Sommerkonkurrenzkampf mit anderen Blockbusterproduktionen hätten behaupten müssen. Ob diese beiden Einstiegsfilme dann auch soviel Aufmerksamkeit und positiven Goodwill gegenüber dem neuen Hauptdarsteller eingefahren hätten, da die Spanne des Neuen dann weitaus kürzer gewesen wäre, lässt sich drüber streiten.



Off-topic:


Viel interessanter empfinde ich übrigens Fragen zu der Besetzung von James Brolin als James Bond in „Octopussy“ (1983).
Wann genau wurde der Kalifornier informiert, dass Roger Moore die Rolle doch noch einmal übernahmt, obwohl es hießt, dass Brolin einen unterschriebenen Vertrag gehabt haben soll?
Bekam Brolin, ähnlich wie sein Landsmann John Gavin nicht nur die Gage für die Bond-Rolle ausgezahlt, wie dies bei den anstehenden Dreharbeiten zu „Diamonds are forever“ 1971 der Fall war, sondern sieht Brolin auch etwa jedes Mal Tantiemen bei den weltweiten TV-Ausstrahlungen von „Octopussy“?
War der Grund seiner Demission die Angst vor der Rückkehr von Sean Connery als James Bond in der Konkurrenzproduktion „Never say never again“, die Brolin die Rolle gekostet hat, da man keine Verwirrung beim Massenpublikum hervorrufen wollte hinsichtlich der Frage welcher Schauspieler denn eigentlich zur offiziellen Reihe gehört?

In dieser Hinsicht bleibt beispielsweise auch der Verdacht im Raum stehen ob John Calley als Hauptverantwortlicher auf Seiten der finanzierenden Verleihgesellschaft MGM/UA Timothy Dalton hinsichtlich seiner vertraglichen Option für drei Bond-Filme schließlich 1994 herausgekauft hat und Dalton Geld für seine Nichtteilnahme an „GoldenEye“ bezahlt bekommen hat.
Ähnliches gilt für eine angesprochene Option für eine fünfte ausstehende Bond-Verpflichtung durch Pierce Brosnan nach „Die another day“ (2002), deren Problematik der Schauspieler schließlich irgendwann in die Öffentlichkeit trug. Auch hier muss die Frage im Raum stehen dürfen ob die entsprechenden Beteiligten hinter verschlossenen Türen sich schließlich zu einer finanziell gütlichen Einigung getroffen haben, da der Begriff „Option“ gewisse Rechtsansprüche darstellt.


_____________________________________________________________________________________________________________

Re: Erstbesetzung Bond 86: Brosnan oder Dalton?

5
Ich habe hier ein Buch mit dem Titel : Das Große James Bond Buch
In dem Buch sind alle Filme aufgelistet (Kritiken/Story/Budget/usw...).
Bilder hat es auch viele;)

Zitat von Seite 113
'' Die Vorbereitungen für den Film begannen im Februar 1986. Mitte des Jahres wurden die Hauptrollen besetzt. (......) Die Bewerber mussten 3 Szenen aus früheren James Bond Filme spielen. (.....) Schließlich blieben 2 Anwärter übrig: der Ire Pierce Brosnan, der durch die US TV Serie ''Remington Steel'' bekannt geworden war, und der Engländer Timothy Dalton, den Glen und Broccoli bereits nach ''In tödlicher Mission'' aufgesucht hatte, da damals unsicher war, ob Roger Moore weitermachen würde. Da Dalton aber für zu jung befunden wurde, entschied man sich für Pierce Brosnan und ließ Fotos anfertigen. Brosnan bei der Vertragsunterzeichnung neben John Glen, Broccoli und Wilson.
Brosnan vor der 007-Halle in Pinewood, mit der Filmklappe von ''The Living Daylights''.
Dann aber plante Mary Tyler Moore, Chefin von MTM Productions und Produzentin von ''Remington Steele'', neue Folgen der Serie, obwohl die zu dem Zeitpunkt in den USA schon nicht mehr zu den Toptiteln gehörte, und sie berharrte auf Brosnans Vertragserfüllung.
Am Mittwoch, dem 6. August 1986, stand die Entscheidung fest: Der vierte James Bond heisst Timothy Dalton. Kurz zuvor erschien Brocolli im Londoner Haymarket Theatre und sah sich Dalton an,(.....). Als die Entscheidung fiel, war er jedoch gerade außer Landes. (.....)
Die Zusage erhielt er telefonisch. Dalton bekam einen Vertrag für einen Film und eine Option auf zwei weitere Filme. Die Fotos mit Brosnan wurden nie veröffentlicht.''
"Erschießen Sie mich, da wohn ich lieber im Leichenschauhaus"
- Quantum of Solace (2008)

Tesche-Angaben

6
.

Das Problem bei dieser Art von Firmeninterna besteht oft darin, dass ihre Aufdeckung und Aufklärung oft erst über den Zeitraum von mehreren Jahren, bzw. Jahrzehnten zu umfassenderen Erkenntnissen führt und man manchmal auch lernen muss zwischen den Zeilen zu lesen.

Leider dürften die hier angeführten Ausführungen von Dr. Siegried Tesche vom Informationsstand von 1995 sein, da er seine weiteren Buchveröffentlichungen nur hinsichtlich nachfolgender Bond-Filmproduktionen noch auf Stand gebracht hat.

Übrigens:
"Die hier aus einem temporären Gesamtzusammenhang herausgerissene angeführte formulierte Begründung durch den zitierten Dr. Siegfriedd Tesche, vermittelt den Eindruck, dass ein 43 Jahre alter Timothy Dalton damals für zu jung befunden worden sei und man sich deshalb für (einen noch viel jüngeren) Pierce Brosnan entschieden habe, dürfte so beim manchem Leser zu schallendem Gelächter führen."


John Corks und Bruce Scivallys Ausführungen wurden 2002 veröffentlicht, während dagegen Charles Helfenstein als auch der verantwortliche Autor des Berichtes bei den "Bond Archives" mit Wissen aus dem letzten Jahr aufwarten können.

Unterscheiden sollte man als interessanter Leser zwischen den von EON verifizierten Publikationen wie etwa "James Bond: The legacy" (2002) oder "The James Bond Archives" (2012), die solche Aspekte unter einem positiv gestimmten Ton berichten, bzw. ausklammern, während unabhängige Berichterstattungen durch Autoren wie der Deutsche Dr. Siegried Tesche, sein US-amerikanisches Vorbild Steven Jay Rubin oder Charles Helfenstein diese Art von Fragen kritischer durchleuchten können, aber auch dafür Sorge tragen müssen, dass ihre Aussagen nachweislich der Wahrheit entsprechen, da die Gegenseite ansonsten für ein Veröffentlichungsverbot von Teilen oder des gesamten Buches versucht zu sorgen.


In der Hinsicht spricht etwa das Beispiel Bände, wie das Wirken des Prager Schauspielers Jan Werich in der Erstbesetzung als Ernst Stavro Blofeld in "You only live twice" (1967) im "Archives"-Buch präsentiert wird, während unabhängige Publikationen - wie die Autobiographie von Regissseur Lewis Gilbert - ein anderes Bild zu diesem Thema aufzeigen.


_____________________________________________________________________________________________

Re: Erstbesetzung Bond 86: Brosnan oder Dalton?

7
Zunächst ein mal ein Dank an alle die sich hier beteiligt haben, da sind echt tolle Beiträge und Gedankenanstösse mit dabei!

Ich denke, dass man hier vermutlich unter Anfrage und Angebot unterscheiden muss. Nach allen mir vorliegenden Informationen würde ich den Sachverhalt auch ganz ähnlich einschätzen wie photographer, nämlich dass Dalton von den Broccolis zuerst angefragt wurde, ob er die Rolle übernehmen würde und dieses prinzipiell 1986 auch bejahte, allerdings aufgrund seiner terminlichen Eingeschränktheit absagen musste. Ein konkretes Angebot im Sinne eines schriftlichen, unterschriftsbereiten Vertrages gab es sicherlich noch nicht wie wohl auch noch nicht oder höchstens oberflächlich über vertragliche Modalitäten wie Vertragsdauer oder Gehalt diskutiert worden ist – ganz einfach da Daltons terminliche Situation tiefergehende Verhandlungen wie auch einen Screentest eh erübrigten. Von daher ist wohl in der Tat Brosnan der erste, der einen Vertrag vorgelegt bekam und diesen dann ja auch unterschrieb – nur um knapp einen Monat später durch die gezogene Remington Steele-Option höchst unsanft wieder die Rolle zu verlieren (tatsächlich war es erst einige Zeit später, da es zwischenzeitlich noch Verhandlungen zwischen NBC und EON gab bezüglich einer gemeinsamen Nutzung von Brosnan als Steele und Bond). Während Dalton wohl zumindest der erste von den beiden war, der ernsthaft für die Rolle in Betracht gezogen wurde. Allerdings ist natürlich fraglich, ob Dalton in einem potenziellen Screentest (wenn er bei seiner ersten Anfrage nicht terminlich gebunden gewesen wäre) zu dem es mit Sicherheit gekommen wäre die Bondmacher hätte überzeugen können – wobei natürlich die Vermutung nahe liegt, dass er dies hätte können, da auch sein „echter“ Screentest nach seiner zweiten Anfrage letztlich die Verantwortlichen voll und ganz zufrieden gestellt hat.

Die These vom medial kolportierten „Thronräuber“ teile ich, es ist erstaunlich wie sich auch heute noch hartnäckig die Mär von der Daltonschen Zweitbesetzung hält. In gewisser Weise war diese Art der Berichterstattung über Dalton sogar noch verächtlicher als die gegenüber Craig bei dessen Rollenübernahme, da man nicht nur seine generelle Rolleneignung in Frage stellte (wie bei DC) sondern darüber hinaus ihn auch noch als „zweite Wahl“ bzw. „Notlösung“ darstellte.

Bezüglich der Brolin-Absage denke ich, dass die finanzielle Entschädigung sich vermutlich entscheidend nach dem Stand der Verhandlungen mit Brolin gerichtet haben. Im Gegensatz zu der ähnlichen Konstellation im Vorfeld zu DAF mit John Gavin ist mir nicht bekannt, dass bzw ob. Brolin bereits einen Vertrag für die Rolle unterschrieben hatte. Die Hintergrundliteratur äussert sich meines Wissens hier eher so, dass die Verantwortlichen nach einem überzeugenden Screentest zwar weit vorangeschritten waren, jedoch wird eine tatsächliche Vertragsunterschrift eigentlich nie erwähnt. Ich denke daher eher, dass Brolin wenn überhaupt eine Art kulante Entschädigung bekommen hat, die aber – aufgrund eines fehlenden Vertrages – wohl nicht allzu hoch ausgefallen sein sollte. Eventuelle Tantiemen dürften selbst bei einem abgeschlossenen Vertrag rechtlich schwierig durchsetzbar gewesen sein, da die Tantiemen ja auf eine vertragliche Leistung bzw. einen fertigen Film gemünzt wesen wären, der nie zustande kam. Der „echte“ OP war ja meinem rechtlichen Verständnis nach eine komplett neue Produktion im Gegensatz zu einem eventuell vertraglich festgehaltenen „Brolin-OP“, der durch dessen Nichtberücksichtigung so nie zustande kam. Auch denke ich, dass der Hauptgrund für das zeitweilige in Erwägung ziehen von Brolin als Bond in erster Linie an Moores hartnäckigem Verhandlungsgeschick lag, welches im Jahr 1982 die Verhandlungen über ein mögliches sechstes Engagement vorübergehend zum Stocken brachte. Moore war meinem Verständnis nach von Anfang an Broccolis erste und einzige Wahl für OP, da zum einen Moores vorangegangene drei Bondfilme ausnahmslos hervorragende Einspielergebnisse erzielen konnten und durch die frühzeitige Bekanntgabe der Connery-Konkurrenzproduktion Cubby den Bonddarsteller aufbieten wollte, der vom Publikum (nach Connery) am meisten akzeptiert wurde. Das Brolin-Intermezzo könnte also tatsächlich auch nur ein Verhandlungsschachzug Broccolis gewesen sein, um den widerspenstigen Moore doch noch zu für den Produzenten akzeptableren Modalitäten zu bewegen. Gerade der amerikanische Hintergrund Brolins lässt eine tatsächliche Berücksichtigung eher unwahrscheinlich erscheinen.

Dass Dalton 1994 aus seinem Vertrag ausgekauft wurde halte ich für möglich, in jedem Fall denke ich hat es eine für beiden Seiten gütliche Lösung gegeben – unabhängig ob hier nun tatsächlich Geld in Richtung des Walisers geflossen ist. Daltons enge Verbindung mit der Familie Broccoli sowie die gegenseitige Wertschätzung, die sich in vielen Aussagen und Gesten im Laufe der letzten Jahrzehnte wiederspiegelt und die auch nach seiner Rollendemission nie gelitten hat beweisen dies deutlich. Bei Brosnan denke ich jedoch nicht, dass es hier eine gütliche Einigung bzw. eine Entschädigungszahlung gegeben hat. Dafür hat sich der Ire in einigen Interviews nach seiner Demission allzu verbittert gezeigt. Sollte es eine Art Abfindungsvertrag gegeben haben, so hätte dieser sicherlich auch einen Passus enthalten, der es Brosnan unter Androhung einer Strafe verboten hätte sich negativ über seinen ehemaligen Arbeitgeber und dessen Produktionen zu äussern. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass Brosnan zuerst ein solches Papier unterschrieben hat um dann anschliessend darauf zu pfeifen und aus Frust verbittertes Gift zu verschiessen.

Die Passage über Jan Werich in den „Archives“ habe ich übrigens genauso so überrascht gelesen wie photographer anscheinend auch, da sich mir in diversen anderen Publikationen in der Vergangenheit ein ganz anderes Bild ergeben hatte. Das klingt doch sehr nach wohlwollender Geschichtsumschreibung.

Verwundert war ich auch schon bei Erscheinen Ende 1995, dass Herr Tesche mit der Begründung aufwartete Dalton sei optisch für zu jung für die Rolle befunden worden. Vermutlich handelte es sich hierbei aber um eine Verwechselung, da wie wir mittlerweile aus Helfensteins Buch wissen John Glen gewisse Vorbehalte gegenüber Brosnans sehr jugendliches Äusseres hatte, es aber eher unwahrscheinlich erscheint dass irgendjemand im EON-Entscheidungskreis den kernigen, reifen Dalton als für zu jung befunden hat. Vielleicht verdrehte Tesche aber auch den 1986er Sachverhalt mit dem von 1968 (man beachte die Jahreszahlen und ihre identischen Ziffern), da bei letzterem der gerade mal 22jährige Dalton von sich selbst und wohl auch von Seiten der Produzenten noch für zu jung für die Bondrolle befunden worden war.
Zuletzt geändert von AnatolGogol am 12. Januar 2013 18:40, insgesamt 2-mal geändert.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Erstbesetzung Bond 86: Brosnan oder Dalton?

9
Dingens hat geschrieben:Moin
da ich nur die Archives gelesen habe:
Was steht denn in den anderen Quellen über Werich?
Danke
Der Dingens
der Tenor lautet, dass Werich nach wenigen Tagen durch Pleasence ersetzt wurde, da er nicht bedrohlich genug gewirkt hat. Ein krankheitsbedingtes Ausscheiden Werichs wird zwar hier und da erwähnt (zb in Billy Kocians "Die James Bond Filme"), allerdings mit dem Verweis darauf, dass dies wohl nur ein vorgeschobenes Argument war und Werich vermutlich wegen seiner Rollenimkompatibilität aus seinem Vertrag ausbezahlt worden sei. Die Rollen sollte übrigens bereits vor Werich mit Helmut Qualtinger besetzt werden, der den Produzenten aber als zu klein erschien (tatsächlich aber nur wenige cm kleiner war als der letztlich verpflichtete Pleasence).
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Erstbesetzung Bond 86: Brosnan oder Dalton?

11
GoldenProjectile hat geschrieben:Rollenimkompatiblität?

An dieser Stelle mal ein absolut gerechtfertigtes Danke an Anatol für die ständige Weiterentwicklung und Bereicherung meines Wortschatzes! :wink:
naja, m und n liegen halt verdammt eng nebeneinander auf der Tastatur - vor allem wenn man so dicke Finger hat wie ich. :lol:
Es muss natürlich Rolleninkompatibilität heissen.

Aber trotzdem vielen Dank für die Blumen!
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Erstbesetzung Bond 86: Brosnan oder Dalton?

15
Dingens hat geschrieben:Moin
So hatte ich es allerdings in den Archives auch gelesen...muss ich nachher nochmal nachschauen...
Grüße
Der Dingens
Probleme mit Werich (Sprache, Arbeitstempo) werden zwar erwähnt, aber gleichzeitig wird auch Cubby zitiert, der auf alle Fälle mit ihm weiterfilmen wollte. Ein paar Passagen später sind es dann ausschliesslich die gesundheitlichen Probleme Werichs, die einen Darstellerwechsel unausweichlich machten. Aber wie photographer schon sagte: die Archives sind halt eine EON autorisierte Veröffentlichung und wie ich finde manchmal eben auch so etwas wie die EON-Geschichtsschreibung, dazu passt dann auch der etwas abgewandelte Castingprozess um Dalton/Brosnan.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"