Re: Der Hitchcock Thread

572
Wow, 7/10, geht ja fast schon Richtung Verriss. ;)
HCN007 hat geschrieben:Dafür werden diverse psychologische Ansätze viel zu breitflächig und oberflächlich in Dialogen ausgebreitet.
Was meinst du damit?
Dass für Psychoanalysen Dialoge stattfinden müssen, liegt ja einfach an der psychoanalytischen Realität (einer der Gründe, weshalb ich psychoanalytische Filme auch nicht gerne sehe, Ausnahmen bestätigen aber natürlich die Regel).
HCN007 hat geschrieben:Dafür ist die Symbolik und die letzendliche Konklusion aus Marnies Vergangenheit viel zu vorhersehbar, gewöhnlich und zu einfach.
Gab es überhaupt foreshadowing oder irgendwas, was die Auflösung vorhersehbar macht? Ich meine mich nicht zu erinnern.
HCN007 hat geschrieben:Doch es gibt einige Szenen, deren Wirkung sich vielleicht damals zur Zeit, als dieser im Kino gesichtet werden konnte, zur Gänze entfalten und auch eine gewisse Form der Spannung aufbauen konnten.
Und natürlich ein paar klassische Hitchcock-Suspense-Szenen, die heute immer noch spannend sind.

Insgesamt fand ich Marnie übrigens eher gut als schlecht, wobei der Film im etwas drögen Mittelteil recht viel verliert.
It's the BIGGEST... It's the BEST
It's BOND

AND BEYOND

Re: Der Hitchcock Thread

573
Marnie rangiert bei mir bisher ganz unten in meinem Hitchcock-Ranking, habe aber viele Filme (inklusive Marnie) schon lange nicht mehr und einige seiner Klassiker vor 1950 noch gar nicht gesehen. Aus der Erinnerung finde ich die Erzählung von Marnie ziemlich schwach, der eiert ziellos vor sich hin und die abschliessende "Auflösung" hätte fast genauso gut schon nach zehn Minuten stattfinden können. Auch die "Beziehung" zwischen Connery und der eher schwach aufspielenden Hedren empfand ich als unglaubwürdig, wäre ich Sean, ich wäre der nervigen Ollen schon viel früher davongelaufen. Und Herrmanns Soundtrack gefiel mir auch nicht, der Mann hat sensationelle Scores zu vielen Hitchcöckern und anderen Filmen (Citizen Kane, Cape Fear, Taxi Driver) geschrieben, aber in Marnie fand ich es zu belanglos und auch viel zu penetrant und aufdringlich eingesetzt. Aus dem Kopf heraus vielleicht 5 Punkte.

Hitchcocks Meisterwerke sind Psycho, Rear Window, Vertigo. Ebenfalls sehr gut: Rope, Strangers on a Train, Frenzy, Family Plot, North by Northwest, The Birds und Man who knew too much (das Remake).
We'll always have Marburg

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Re: Der Hitchcock Thread

576
Es ist nicht ganz fair Hitchcocks Film vorzuwerfen, er sei bezüglich seiner Herangehensweise an das Thema (Traumata) "altbacken", handelt es sich letzten Endes um einen der ersten Spielfilme, die dieses Thema ernsthaft aufgreifen. Dass Hitchcock dann doch eher prüde im Umgang mit offen gezeigter Sexualität ist, zeigt sich besonders gut an "Frenzy".

Re: Der Hitchcock Thread

577
vodkamartini hat geschrieben:Auch das Fenster zum Hof ist mir inzwischen zu altbacken.
Darf ich fragen was daran altbacken sein soll? Der ist doch immer noch ziemlich fresh, auch visuell.

Habe ihn irgendwann im Sommer mal wieder angeschaut und er hat mich immer noch sehr beeindruckt und wahnsinnig viel Spass gemacht.
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Re: Der Hitchcock Thread

579
Maibaum hat geschrieben:
craigistheman hat geschrieben: Dass Hitchcock dann doch eher prüde im Umgang mit offen gezeigter Sexualität ist, zeigt sich besonders gut an "Frenzy".
Das sehe ich überhaupt nicht so.
Die Betonung liegt auf "offen gezeigt", mein Lieber. Natürlich spricht Hitchcock sehr häufig Sexualität an, ist ja auch einer der Vorreiter, wenn es um Psychoanalyse im Spielfilm geht. Nenne mir einen Hitchcock-Film, in dem auch nur eine Brustwarze oder eine Pobacke gezeigt wird, geschweige denn ein Genital (Frenzy zählt nicht). Da waren Polanski und Kubrick schon deutlich freizügiger.

Re: Der Hitchcock Thread

580
GoldenProjectile hat geschrieben:
vodkamartini hat geschrieben:Auch das Fenster zum Hof ist mir inzwischen zu altbacken.
Darf ich fragen was daran altbacken sein soll? Der ist doch immer noch ziemlich fresh, auch visuell.

Habe ihn irgendwann im Sommer mal wieder angeschaut und er hat mich immer noch sehr beeindruckt und wahnsinnig viel Spass gemacht.
Ich war nie ein großer Fan des Films, schon als Kind nicht (obgleich er mich da natürlich weit mehr gepackt hat als heute). Obgleich das Thema natürlich zeitlos ist und die Idee, das für einen Film mit stark begrenztem Setting aufzugreifen, ein gute. Mit "altbacken" meine ich das steife, hölzerne Spiel Stewarts - den ich allerdings zugegebenrmaßen nie sonderlich mag, auch in seinen Western nicht, aber da noch eher.
Dazu kommt:
Dialoge, Pacing, auch die Inszenierung wirken auf mich doch schon sehr angestaubt, was kein Problem sein muss, hier aber für mich eines ist. Die offenkundige Studiokulisse tut ein übriges, um mich ständig an ein altmodisches Theaterstück zu erinnern. Für mich ein eher schlecht gealterter Film. Ich bin aber eben auch der Grant-Hitchcock-Freund und weniger der Stewart-Hitchcock-Freund, wobei hier - wie oben ausgeführt - schon mehr im Argen liegt. Ich finde den Film nicht schlecht, aber für mich kein Meisterwerk und schon gar nicht ein Film, den ich mir oft ansehen möchte.
http://www.vodkasreviews.de

https://ssl.ofdb.de/view.php?page=poste ... Kat=Review

Re: Der Hitchcock Thread

581
vodkamartini hat geschrieben:Ich war nie ein großer Fan des Films, schon als Kind nicht (obgleich er mich da natürlich weit mehr gepackt hat als heute). Obgleich das Thema natürlich zeitlos ist und die Idee, das für einen Film mit stark begrenztem Setting aufzugreifen, ein gute. Mit "altbacken" meine ich das steife, hölzerne Spiel Stewarts - den ich allerdings zugegebenrmaßen nie sonderlich mag, auch in seinen Western nicht, aber da noch eher.
Dazu kommt:
Dialoge, Pacing, auch die Inszenierung wirken auf mich doch schon sehr angestaubt, was kein Problem sein muss, hier aber für mich eines ist. Die offenkundige Studiokulisse tut ein übriges, um mich ständig an ein altmodisches Theaterstück zu erinnern. Für mich ein eher schlecht gealterter Film. Ich bin aber eben auch der Grant-Hitchcock-Freund und weniger der Stewart-Hitchcock-Freund, wobei hier - wie oben ausgeführt - schon mehr im Argen liegt. Ich finde den Film nicht schlecht, aber für mich kein Meisterwerk und schon gar nicht ein Film, den ich mir oft ansehen möchte.
Das mit Stewart hatten wir ja schon, ich finde ihn authentisch und stark in der Rolle, und er harmoniert sehr gut mit Kelly. Mit Grant könnte ich mir das nicht vorstellen, ist aber Geschmackssache. Den Rest kann ich so gar nicht nachvollziehen. Die Dialoge sind doch eher die besten aller Zeiten, wahnsinnig intelligent und pointiert geschrieben, auch in der deutschen Fassung. Die Kulisse hat gerade in den Nachtszenen eine gewisse Künstlichkeit, riecht aber nie nach Theaterbühne, dafür ist sie zu aufwendig und wird auch zu dynamisch in Szene gesetzt. Und damit der letzte Punkt: gerade die Inszenierung ist doch auch toll, da gibt es Kamerafahrten die all die kleinen Lebensgeschichten im Innenhof erzählen und am Ende durch das Fenster in Stewarts Zimmer zurückkehren, und die finde ich grandios.
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Re: Der Hitchcock Thread

583
craigistheman hat geschrieben:Dass Hitchcock dann doch eher prüde im Umgang mit offen gezeigter Sexualität ist, zeigt sich besonders gut an "Frenzy".
Als "prüde" würde ich das nicht bezeichnen. Und Hitchcock ist ja gerade ein Meister darin, etwas nicht zu zeigen.
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"Wo man lacht, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen lachen immer wieder."

Re: Der Hitchcock Thread

584
craigistheman hat geschrieben:
Maibaum hat geschrieben:
craigistheman hat geschrieben: Dass Hitchcock dann doch eher prüde im Umgang mit offen gezeigter Sexualität ist, zeigt sich besonders gut an "Frenzy".
Das sehe ich überhaupt nicht so.
Die Betonung liegt auf "offen gezeigt", mein Lieber. Natürlich spricht Hitchcock sehr häufig Sexualität an, ist ja auch einer der Vorreiter, wenn es um Psychoanalyse im Spielfilm geht. Nenne mir einen Hitchcock-Film, in dem auch nur eine Brustwarze oder eine Pobacke gezeigt wird, geschweige denn ein Genital (Frenzy zählt nicht). Da waren Polanski und Kubrick schon deutlich freizügiger.
Außer Frenzy kommt da ja auch nur noch Family Plot in Frage, weil alle anderen Filme in einer Zeit entstanden sind wo das kaum möglich war, jedenfalls nicht in Hollywood, wo Hitch ja seit den 40ern überwiegend gedreht hat. Und Frenzy gibt ja bereits eine sehr gute Vorstellung davon wie Hitch Sex und Gewalt inszeniert hätte ohne die Fesseln der Zensur.

Bei Kubrick gab es vor Clockwork Orange auch keine wirkliche Nacktheit, und sein Lolita zeigt wie mir wie man so etwas auch nicht so gut machen kann, in den Zeiten als offenherzigeres kaum möglich war. Wobei natürlich in Europa auch in den 50ern da schon sehr viel mehr passiert ist. Und auch Polanski war da glaube ich nicht wirklich früher, kann mich zumindest nicht erinnern daß in seinen 60er Jahre Filmen schon eine Nackte weibliche Brust zu sehen gewesen wäre (oder doch?)

Und dann hat Hitch schon immer eine gutes Gefühl für Erotik gehabt, und auch immer wieder mal relativ geschmacklose, bzw gewagte Sachen gemacht, also in den Jahren in denen man schon mit Kleinigkeiten provozieren konnte.
Und die Duschszene in Psycho dürfte auch schon die Grenzen dessen ausloten was in 1960 möglich war (in Hollywood).

Nee, man kann vielleicht das alles psychologisch durchleuchten, und seine erotischen Fantasien als die eines im Kern prüden Geistes analysieren, aber prüde war zumindest sein Werk von Anfang an nicht.