Was ist der beste Film von Stanley Kubrick?

Fear and Desire (Keine Stimmen)
Killer's Kiss (Keine Stimmen)
The Killing (Keine Stimmen)
Paths of Glory
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (4%)
Spartacus (Keine Stimmen)
Lolita
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (4%)
Dr. Strangelove
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (11%)
2001: A Space Odyssey
Insgesamt abgegebene Stimmen: 8 (29%)
A Clockwork Orange
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (14%)
Barry Lyndon
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (4%)
The Shining
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (11%)
Full Metal Jacket
Insgesamt abgegebene Stimmen: 7 (25%)
Eyes Wide Shut (Keine Stimmen)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 28

Re: Die Filme des Stanley Kubrick

122
Das ist ja mal wieder eine sehr seltsame Betrachtung.
danielcc hat geschrieben:
Das ärgerlichste was bei Regisseuren wie Stanley Kubrick passiert ist, dass mal an jeden Film gleich das Etikett "Meisterwerk" haften muss, oder aber ein solches vorab erwartet.
Was soll den daran ärgerlich sein daß man von einem Regisseur etwas erwartet? Und wer auf dieser Welt haftet ein "Meisterwerk" Etikett an nur aufgrund eines Namens oder einer Erwartung?
Das ist doch relativ absurd.
Das wird dann noch schlimmer, wenn man ein Mega-Star Pärchen wie Cruise/Kidman engagiert, wenn man eine erotisch-psychologische Novelle verfilmt, und wenn sich Dreharbeiten absurd lange hinauszögern.
Das ist dann noch seltsamer. Die Novelle wird kaum jemand gelesen haben der den Film kennt, ob die Dreharbeiten lang oder kurz waren wird wohl kaum jemanden dazu animieren deswegen gleich auch mehr zu erwarten, bzw jemenden dazu verleiten den Film schon vorab als Meisterwerk zu bezeichnen, als welches EWS sowieso nicht gilt.
Und Kidman/Cruise bringen bestenfalls bei der breiten Masse mehr Aufmerksamkeit, könnten aber ansonsten eher dazu führen weniger zu erwarten. Wegen Tom zumindest.
Nüchtern betrachtet ist Tom Cruise eine Fehlbesetzung. Für die Rolle des Normalo Arztes der staunend auf einen mehr oder weniger erotischen Extrem-Trip abdriftet hätte man jemanden anderen besetzen müssen. Cruise ist ein wundervoll charismatischer Leinwandheld, aber er ist viel zu selbstbewusst für eine so sensible Darstellung.
"Viel zu selbstbewusst für eine so sensible Darstellung", was soll denn das bedeuten?

Ob mir Cruise in der Rolle gefällt oder nicht, bzw. ob er gut ist, oder ob Kubrick besser einen ausdrucksfähigeren Schauspieler genommen hätte, dazu habe ich es bis heute nicht geschafft mir eine Meinung zu bilden.
Kubrick hat in einigen seiner Filme bewußt Schauspieler genommen die nicht oder kaum spielen sollten, die nur aus Oberfläche bestehen, und Cruise gehört in EWS eher in diese Kategorie. Als Kontrast hat er in anderen Filmen seinen Protagonisten hemmungslos chargieren lassen
Die Story ist dünn, das macht aber nichts. Kubrick geht es vielmehr um Atmosphäre und da liegt auch die Stärke des Films. Dreh-, Angel- und Höhepunkt des Films ist dabei klar der eine Besuch bei der erotischen Zeremonie in Geheimbund Manier mit anschließender Orgie. Allerdings plätschert der Film darum so vor sich hin. Ein bisserl Verfolgung, ein bisserl Ehe-Krise - viel mehr ist da nicht und das verteilt auf über zwei Stunden.
Die Story ist doch nicht dünn. Die ist doch sehr vielschichtig, nicht leicht zu erfassen, und kann zu vielfältigen Interpretationen einladen.

Wenn das dünn ist, welches Wort beschreibt dann das was noch unter dünn liegt, um damit den Großteil des Hollywood Mainstreams zu beschreiben? Was ist denn dünner als dünn?
Aufällig sind das sehr körnige Bild was wohl darauf zurückzuführen ist das der Film wohl in der Post Production aufgehellt werden musste,
Woher hast du das denn? Und vor allem wozu erwähnst du es? Welche Bedeutung hat das für den Film, bzw für den Genuß des Films?

Und der Film ist komplett in England gedreht worden (wie übrigens auch Full Metal Jacket), und auch die Straßenszenen sind tatsächlich teils im Studio entstanden. Nur sehen die nicht nach billig aus. Die sind wahrscheinlich absichtlich so wie sie sind, und wenn die Bilder körnig sind (sind die das?), dann kannst du davon ausgehen das sie körnig sind weil sie körnig sein sollen. Kubrick ist schon seit den 60ern in einer Position gewesen daß er machen konnte was er wollte, und da er ein Perfektionist war, ist es sehr wahrscheinlich daß der Film auch ziemlich genau so aussieht wie er aussehen sollte.

Re: Die Filme des Stanley Kubrick

123
Spartacus (1960) – Stanley Kubrick

Das 1960 entstandene Monumental-Epos Spartacus wird häuftig als eine Art Aussenseiter im Oevre von Stanley Kubrick angesehen, da er hier verglichen mit seinen folgenden Regiearbeiten weit weniger freie Hand bei der Verwirklichung des Projekts hatte und sich desöfteren den Wünschen und Anweisungen seines Hauptdarstellers und Produzenten Kirk Douglas fügen musste. Entsprechend unterscheidet sich der fertige Film dann auch in einigen Punkten recht deutlich vom übrigen Schaffen Kubricks, sei es in der Emotionalität der Liebesgeschichte, der eher konventionellen Mustern folgenden Narration oder der weitgehend Genre-regelkonformen Inszenierung.

Angesichts Kubricks Tendenz die von ihm bearbeiteten Genres quasi neuzuerfinden bzw. zu definieren mag es schon etwas überraschen, dass Spartacus sich nicht entscheidend von anderen Vertretern seines Genres unterscheidet (zumindest wenn man die Entstehungsgeschichte des Films nicht kennt bzw. außer Acht lässt). Wie in praktisch allen Monumentalfilmen steht auch hier die Größe des Spektakels im Zentrum und das kann sich hier auch wirklich sehen lassen. Eindrucksvolle Sets, phantasievolle Mattepaintings und detailverliebte Ausstattung müssen sich hinter den Genre-Maßstäben nicht verstecken und lassen so eine längst vergessene Epoche eindrucksvoll wiederauferstehen.

Auch wenn sich Spartacus betont etwas weltlicher und kritischer gibt als viele seiner klerikal angehauchten Genre-Kollegen, so erweisen sich die wenig verhüllten sozialistischen Untertöne der Sklaven-Thematik zuweilen als etwas all zu aufdringlich und naiv. Besonders schwer fällt dies aber zugegebenermaßen nicht ins Gewicht, da Trumbos Drehbuch das Intrigenspiel im römischen Senat allzu geschickt entwickeln lässt und mit jeder Menge starker Figuren aufwarten kann. Zumal letztere von der fabelhaften Besetzung nicht nur mit Leben erfüllt werden, sondern den Film zu einer darstellerischen Sternstunde veredeln. Vor allem Olivier, Laughton und Ustinov zelebrieren ihre Auftritte förmlich und sind es dann auch, die dem Film seinen eigentlichen Gehalt verleihen. Hinzu kommt mit Kirk Douglas ein breitwandfüllender Hauptdarsteller, dem es mühelos gelingt den Film auf seinen breiten Schultern zu stemmen.

Der Kubrick-Faktor kommt bei Spartacus in meinen Augen am ehesten in der oftmals ausgeklügelten und prächtigen Bildinszenierung zur Geltung. Besonders in den zahlreichen wide-angle shots gelingt es ihm eindrucksvoll Szenerie und Dramaturgie miteinander zu verbinden und den Bildinhalt oftmals in sehr ungewöhnlichen Einstellungen und Winkeln darzustellen (etwa in einer Passage des Sklaven-Marsches, in der das Sklavenheer eine Anhöhe erklimmt und Kubrick dabei durch die gleichzeitige Darstellung von Ebene, An- und Abstieg förmlich jegliche Regeln der Schwerkraft zu sprengen scheint). Einfallsreich zeigt sich die Inszenierung auch bei den Schlachtszenen, wenn bewusst Waffen, Arme oder gar ganze Statisten sich direkt vor der Kamera und dem eigentlichen Bildinhalt durchs Bild bewegen und somit die Unübersichtlichkeit und das Chaos des Kampfes effektiv betont werden. Die bei Kubrick oftmals anzutreffende eher distanzierte und kühle Art der Inszenierung findet sich in Spartacus eher in vermindertem Maße, wie bereits erwähnt spielt der Film hier zu sehr nach den Regeln des Genres.

Letzteres erweist sich aber ebenfalls nicht als Nachteil, da Handlung und Inzenierung dafür einfach zu kurzweilig und unterhaltsam sind. Trotz der genrekonformen Lauflänge von über drei Stunden stellen sich so gut wie nie Längen ein. Einzig die letzte knappe halbe Stunde nach der dramaturgisch als Höhepunkt des Films angelegten Entscheidungsschlacht hat einen etwas redundanten Touch (vor allem durch den „Crassus-will-Varinia“-Subplot), was dem Film bei mir in der Endabrechnung dann eine noch bessere Bewertung verwehrt. Aber auch so ist Spartacus ein sehr unterhaltsames, einfallsreich gefilmtes und erstklassig gespieltes Monumentalepos.
Wertung: 8,5 / 10




Barry Lyndon (1975) – Stanley Kubrick

Mit Barry Lyndon realisierte Kubrick anderthalb Jahrzehnte nach Spartacus ein weiteres Epos, allerdings könnten sich die Filme in ihrer Machart und Genrekonformität kaum mehr unterscheiden. Mit der zur Zeit des Siebenjährige Krieges spielenden Geschichte über den Aufstieg und Fall des irischen Taugenichts Redmond Barry gelang Kubrick ein wahrhaft einzigartiger Film, welcher sich nie wirklich auf ein Genre festlegt. Drama wechselt sich mit Abenteuer und Action wie auch mit komödiantischen Zügen ab, wahrt dabei aber dennoch immer einen erstaunlich homogenen Ansatz.

Barry Lyndon definiert sich letztlich auch weit mehr über die formale Gestaltung denn über seinen Inhalt oder dessen genretechnischer Umsetzung. Kubricks Regie ist dabei erstaunlich ruhig und bewegunsgarm und folgt durchgängig dem Ansatz die Bildinszenierung klassischen Gemälden nachzuempfinden. Es gibt in Barry Lyndon so etwas wie eine Standardeinstellung, die sich über den ganzen Film hinweg oftmals wiederfinden lässt: die Kamera beginnt mit einem Close-Up und zoomt anschliessend kontinuierlich aus dem Bild heraus bis hin zu einer Totalen. Durch die äusserst geringe Bewegung von Szenerie und Darsteller in solchen Einstellungen wird genau wie durch die bis ins letzte Detail ausgeklügelte Bildkomposition der Gemäldeartige Eindruck unterstrichen.

Die immer rythmische, aber eben auch betont langsame Inszenierung (auch in den spärlichen Actionszenen) erweckt zudem beim Zuschauer den Eindruck, dass er sich tatsächlich in einer anderen, langsameren Zeit befindet. Entsprechend ist ist auch eine der größten Stärken des Films, dass er seine portraitierte Epoche absolut glaubhaft reflektiert. Dazu tragen gleichermaßen die edle Ausstattung und das wunderbare Setdesign (Ken Adam) wie auch die einfallsreiche Ausleuchtung bei. Bei letzterer erweist es sich als goldrichtig, dass Kubrick viele Einstellungen überwiegend mit natürlicher Beleuchtung gedreht hat, besonders die zahlreichen Kerzenschein-Szenen erzeugen eine einzigartige Atmosphäre.

Obwohl das Drehbuch die Lebensgeschichte seines Titelhelden sehr episodenhaft erzählt ergeben die zahlreichen Einzelpassagen dennoch ein sehr stimmiges Gesamtbild und eine aussagekräftige Charakterisierung des Protagonisten. Erstaunlich ist dabei, wie schlecht die Titelfigur wegkommt und wie wenig er über weite Teile des Films als echte Identifikationsfigur taugt. Für echte Sympathie werden die Handlungen und der Charakter von Barry letztlich zu negativ in Szene gesetzt, im Idealfall kann man Verständnis für ihn aufgrund der unglücklichen Umstände aufbringen – oftmals aber noch nicht einmal das. Noch interessanter ist, dass alle anderen Figuren ebenfalls nicht sympathischer gezeichnet werden. Ein Film praktisch ohne Identifikationsfigur, auch wenn Barry diesen Part letztlich aufgrund seiner zentralen Stellung innerhalb der Dramaturgie dann doch übernimmt.

War es in diesem Zusammenhang nun ein äusserst bewusster Geniestreich Kubricks oder doch eher eine unglückliche Entscheidung mit Ryan O’Neal den kontur- und farblosesten Star seiner Zeit für die Hauptrolle zu verpflichten? So oder so, O’Neal bleibt den ganzen Film über blass und ohne echtes Charisma und gleicht darin seiner zu portraitierenden Figur. Noch augenscheinlicher wird dieser Mangel an darstellerischer Prägnanz in der weiblichen Hauptrolle, gespielt von Marisa Berenson. Schön wie ein Gemälde, aber ebenso stumm – um es mal mit Hitchcock zu sagen. Ausdruckslos und oftmals geradezu apathisch spielt sie ihre Rolle – aber auch hier wieder sehr passend zu ihrer Figur. In Punkto Rollenbesetzung wurde hier also eigentlich alles richtig gemacht, allerdings erweist sich das Fehlen eines interessanten Hauptdarstellers angesichts der beachtlichen Lauflänge von weit über drei Stunden dann doch zuweilen als kleineres Problem, was von der effektiven Inszenierung und der sich immer wieder unerwartet entwickelnden Geschichte aber weitgehend kaschiert wird.

Auch wenn die Lauflänge per se kein echtes Problem darstellt, so macht sie sich aufgrund des bereits erwähnten eindruckslosen Hauptdarstellers und der langsamen, Kubrick-typisch sehr distanzierten Inszenierung durchaus bemerkbar. Nicht wirklich negativ, aber eben auch alles andere als kurzweilig. Der Film hat sein Gewicht und ob man dies negativ empfindet hängt sicherlich auch damit zusammen, wie packend die erzählte Geschichte für den jeweiligen Zuschauer ist und wie sehr er sich für die prächtige Bildinsznierung begeistern kann. Für mich persönlich überwiegen hier die positiven Aspekte bei weitem die negativen und auch wenn ich mir einiges anders wünschen würde (die Auswahl an klassischen Musikstücken ist zwar sehr passend, aber aufgrund der überschaubaren Anzahl an verwendeten Stücken stellt sich besonders im letzte Filmdrittel auch ein repitativer Charakter ein), so fasziniert mich der Film dann nicht zuletzt aufgrund seiner Einzigartigkeit.
Wertung: 8 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Stanley Kubrick

124
Schön, dass du offenbar trotzdem auch am einen oder anderen Kubrick deine Freude hast und tolle Reviews! Ich muss beide noch sehen, ich liebe zwar alles, was ich von Kubrick kenne, aber die eine oder andere markante Lücke habe ich doch noch. Übrigens, dass Kubrick nicht die kontrollierende Kraft bei Spartacus war bekommt man auch im diesjährigen Trumbo-Biopic mit Bryan Cranston zu sehen, in dem Douglas sowohl Trumbo als auch Kubrick anheuert und die gesamte Produktion nach seiner Pfeife tanzt.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Die Filme des Stanley Kubrick

125
Kubrick wurde für Spartacus ja erst verpflichtet nachdem die Dreharbeiten schon begonnen hatten und mit Anthony Mann ein renommierter Regisseur nach wenigen Tagen von Douglas gefeuert worden war.

Aantol, was verstehst du denn bei Barry Lyndon unter einer überschaubaren Anzahl an verwendeten Musikstücken? Der enthält doch eine sehr reichhaltige Auswahl an Musik, die überwiegend auch aus der Zeit stammt. Und gilt als sehr komplexes Beispiel für die Verwendung von Filmmusik als miterzählender Bestandteil der Handlung.

Re: Die Filme des Stanley Kubrick

126
Es sind ja im fertigen Film sogar immer noch Szenen enthalten, die von Mann inszeniert wurden (die Anfangsszenen im Steinbruch).
Maibaum hat geschrieben:Aantol, was verstehst du denn bei Barry Lyndon unter einer überschaubaren Anzahl an verwendeten Musikstücken? Der enthält doch eine sehr reichhaltige Auswahl an Musik, die überwiegend auch aus der Zeit stammt. Und gilt als sehr komplexes Beispiel für die Verwendung von Filmmusik als miterzählender Bestandteil der Handlung.
Ja, es sind schon einige Stücke (ich schätze mal so ca. 8-9), aber es sind vor allem das Händel- und das Schubert-Stück, die immer wieder angespielt werden. Zuweilen in anderer Orchestrierung, aber eben immer klar als das erkennbar, was sie sind. Vor allem die Händel-Sarabande wird mir zu häufig genutzt, daher der repitative Charakter. Ich bin auch kein Freund davon, wenn prägnante musikalische Filmthemen immer und immer wieder gespielt werden, entsprechend empfand ich es vor allem in der zweiten Hälfte von Barry Lyndon durchaus als negativ ablenkend.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Stanley Kubrick

129
Wege zum Ruhm (1957) – Stanley Kubrick

Kubricks 1957 in München entstandener Kriegsfilm Wege zum Ruhm gilt vollkommen zu Recht als großer Klassiker des Genres, da es ihm gelingt die Mechanismen der Kriegsmaschinerie schonungslos aufzuzeigen. Der Film spielt im Stellungskrieg des Ersten Weltkrieges und thematisiert die Auswirkungen eines französischen Angriffsbefehls auf eine bedeutungslose von den Deutschen gehaltene Anhöhe. Von Anfang an lässt der Film dabei keinen Zweifel, wie aussichtslos und selbstmörderisch dieser Angriff ist, zeigt aber gleichzeitig auch wie nahezu selbstverständlich militärische Entscheidungsträger und auszuführende Organe ihre anfänglichen Zweifel angesichts dienstlichem Eifer und patriotischem Gefasel aufzugeben bereit sind und wie wenig sie im Anschluss ihre anfängliche Skepsis einräumen.

Wege zum Ruhm lässt sich grob in drei Teile untergliedern: Teil 1 behandelt den Angriffsbefehl sowie den Angriff selbst, Teil 2 schildert eine Militärgerichtsverhandlung im Anschluß an den erwartungsgemäß gescheiterten Sturm auf die Höhe, in welchem an drei willkürlich ausgewählten einfachen Soldaten ein Exempel für die angebliche Feigheit der Truppe statutiert werden soll, Teil 3 schildert die Nachwirkungen des Prozesses und die direkten Auswirkungen auf die Beteiligten. Vor allem dem als klassisches Gerichtsdrama angelegten Mittelteil gelingt es die Menschenverachtung der militärischen Führung sowie die Ohnmacht der Betroffenen so eindrucksvoll rüberzubringen wie wohl keinem anderen Kriegsfilm. Die Tatsache, dass die handelnden Figuren während des Filmes durchaus ihre Meinungen ändern (und damit nicht nur schwarz oder weiss geschildert werden) verleiht ihnen zusätzliche Tiefe. Das Darstellerensemble ist ausgezeichnet besetzt und vor allem die beiden Gegenspieler des Films Kirk Douglas und George Macready zeigen starke schauspielerische Leistungen.

Kubricks Inszenierung unterstützt mit einer Fülle von Ideen und Stilmitteln äußerst effektiv den behandelten Inhalt, etwa in dem er die Kluft zwischen Generalität und den einfachen Soldaten durch die Schauplätze der jeweiligen Szenen unterstreicht: während der französische Führungsstab in luxoriösen Schlössern Entscheidungen über Leben und Tod von Tausenden fällt kämpfen die Lander im Dreck des Schützengrabens um ihr Überleben. Die grobe schwarz-weiss-Fotografie trägt wie auch der durchgängige Einsatz von Rauch und Nebel viel zur bedrückenden Atmosphäre des Films bei. Wie in vielen seiner Filme perfektioniert Kubrick auch bereits in diesem Frühwerk das Spiel mit Licht und Schatten. In einer der eindringlichsten Szenen zeigt er in der Nacht vor dem Angriff das Schlachtfeld als friedlich-stille Landschaft im beruhigend-düsteren Mondlicht, nur um direkt im Anschluß die gleiche Einstellung – jetzt aufgrund einer abgeschossenen Leuchtkugel – voll beleuchtet und voller im Dreck liegender toter Soldaten zu zeigen. Eine Auszeit vom Krieg gibt nicht, der Tod lauert überall.

Besonders beeindruckend ist auch die finale Szene des Films (ein deutsches Mädchen, gespielt von Kubricks späterer Ehefrau Christiane, muss vor einer Kompanie gröhlender französischer Soldaten ein Lied singen), welcher nochmals komprimiert die Auswirkungen des Krieges auf den Menschen verdeutlicht: moralische und emotionale Verrohung – und dennoch steckt unter jedem schwer gezeichneten Soldaten immer auch noch ein Mensch. Wege zum Ruhm hat auch fast 60 Jahre nach seiner Entstehung nichts von seiner Aktualität und Nachhaltigkeit verloren und ist sowohl inhaltlich als auch stilistisch eine großartige Ausarbeitung zum Thema Krieg. Ähnlich wie in Michael Ciminos The Deer Hunter oder Oliver Stones Born on the 4th of July bedarf es auch bei Kubrick nur sehr wenig eigentlicher Kriegsszenen, um die Schrecken und die Auswirkungen des Krieges zu verdeutlichen. Im Gegenteil verstärkt die nahezu ausschliessliche Konzentration auf die Figuren die Wirkung sowie die Aussage des Filmes nur noch.
Wertung: 9 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Stanley Kubrick

131
GoldenProjectile hat geschrieben:Da kommt jemand auf den Kubrick-Geschmack... :)
Bisher sind ja auch erst die Film drangewesen, die ich von ihm eh schon immer gemocht habe. :wink:
Um es mit Rocky III zu sagen (eigentlich kann man zu jeder Lebenssituation einen Rocky-Film zitieren):
"Sie waren handverlesen!" :)
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Stanley Kubrick

133
GoldenProjectile hat geschrieben:"Handverlies" doch als nächstes Clockwork Orange :D
Bei Clockwork besteht durchaus die Gefahr, dass es mir bei einer weiteren Sichtung so ergeht wie Rocky im ersten Kampf mit Clubber. :lol:



Andererseits: das Rematch im Finale von Rocky III sollte mir wohl Mut machen. :)
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Stanley Kubrick

134
Clockwork Orange (1971) - Stanley Kubrick

CO ist - wie viele Filme Kubricks - ein einzigartiger Film und darüberhinaus ein Film, der polarisiert. Es scheint kaum möglich, dass man den Film "nur ganz gut" findet, zwischen extremer Begeisterung und grenzenloser Enttäuschung lässt der Film entsprechend wenig Spielraum. Für mich ist der Film in erster Linie eines: langweilig. Ein recht überschaubarer Inhalt wird von Kubrick in einer ebenfalls überschaubaren Anzahl an Szenen erzählt, von denen jede einzelne von ihm aufs äußerste gestreckt wird. Ein gewolltes Stilmittel, wodurch die inhaltlichen Elemente wie extreme Gewalteruptionen oder menschenunwürdige Konditionierungsversuche dem Zuschauer aufs Drastischste nahegebracht werden sollen. Wen die Geschichte um den jungen Gewalttäter Alex, der in die Mühle eines resozialisierenden (oder so etwas ähnlichem) Uhrwerk gerät nicht wirklich packt, für den zieht sich der FIlm vor allem ab dem 2. Drittel dadurch aber wie Kaugummi.

Um ehrlich zu sein fällt es mir schwer überhaupt etwas über den Film zu schreiben, da er mich so wenig erreichgen konnte - vor allem inhaltlich, aber auch stilistisch. McDowells overthetop-Performance funktioniert gut, das erste Drittel des Films bietet einige sehr schöne Szenen, etwa die einführende Sequenz in der Milchbar oder die Einführungsshot am Fluß mit den immer länger werdenden Schatten der Droogs. Die diversen Gewaltexzesse im ersten Filmdrittel sind zudem sehr gut in Szene gesetzt und vermitteln die Brutalität eindrucksvoll. Der hohe Skurrilitätsfaktor des Film empfand ich hingegen mit zunehmender Spielzeit immer aufdringlicher wie auch der Einsatz klassischer Musik (der gute alte Ludiwig Van...). Was soll ich sagen: CO ist ein absolut typischer Kubrick und nicht zuletzt deswegen nicht meine Baustelle. Klassischer KO in 135 Minuten, aber immerhin bin ich irgendwie über die Runden gekommen (so widersinnig diese Aussage auch ist).

Wertung: 4 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"