Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Maibaum hat geschrieben:American Sniper

Ein dummer Propagandafilm mit starken rassistischen Untertönen. In den einzelnen Szenen durchaus überzeugend inszeniert, bleibt er jedoch als Ganzes ein dramaturgisches Stückwerk, und stolpert auch inhaltlich desorientiert herum. Ich musste lachen als Kyle nach 2 Stunden heroischen Tötens plötzlich, und wirklich ohne jegliche Vorbereitung, in einer Kneipe sitzt und ein "Problem" mit seinem bisherigem Job haben soll. Im Prinzip ein witziger Film der einigermaßen unterhält. 5/10
Sehe ich auch so. Handwerklich kompetent und mich hat besonders beeindruckt dass der greise und allmählich etwas senil angehauchte Clint noch solch aufwändige Filme dreht, aber als Drama und als Auseinandersetzung mit dem Stoff grösstenteils misslungen. In Angesicht seines Vorwerks bin ich der Überzeugung dass Eastwood seine Charaktere versteht und etwas über sie zu erzählen weiss, auch sein letzter Film Sully war in dieser Hinsicht wieder überzeugender, aber mit dem angeblich so treffsicheren Sniper hat er danebengeschossen.
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Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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GoldenProjectile hat geschrieben: dass der greise und allmählich etwas senil angehauchte Clint noch solch aufwändige Filme dreht
Wie kommst du zu dem Schluß, Clint sei etwas senil angehaucht? Wegen seines unglücklichen Gesprächs mit einem Stuhl? Wie ich Clint in den letzten Jahren wahrgenommen habe ist er immer noch absolut klar im Kopf, etwas was ja auch von seinem nachwievor beachtlichen Arbeitsnachweis gestützt wird.
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Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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AnatolGogol hat geschrieben:Wie kommst du zu dem Schluß, Clint sei etwas senil angehaucht? Wegen seines unglücklichen Gesprächs mit einem Stuhl? Wie ich Clint in den letzten Jahren wahrgenommen habe ist er immer noch absolut klar im Kopf, etwas was ja auch von seinem nachwievor beachtlichen Arbeitsnachweis gestützt wird.
Bei einigen seiner öffentlichen Auftritte, z.B. seine Oscar-Siege zu M$B und sogar schon Unforgiven, machte er für mich schon einen ziemlich tattrigen Eindruck und redete sehr umständlich als würde er oft die Worte nicht finden. Aber du hast schon recht dass sein Werk immer noch vom Gegenteil zeugt und ich habe jetzt auch noch in ein paar Interviews aus diesem Jahrzehnt reingeschaut wo er sehr vital und schlagfertig wirkt, vielleicht hängen die etwas unglücklichen Oscar-Auftritte nur mit dem grossen Publikum und dem "Siegesrausch" zusammen.
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Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Maibaum hat geschrieben:Ein dummer Propagandafilm mit starken rassistischen Untertönen.
Spoiler
Kann man auch völlig anders sehen, der Film nimmt ganz den Blickwinkel seines Protagonisten ein, der eben ein Rassist war und von seinem "Heldentum" unbedingt überzeugt gewesen ist. Dennoch gibt es genug Szenen, die die andere Seite zeigen. Etwa Kyles Treffen mit dessen Bruder, die oftmals entstellt gezeigten Veteranen (denen die ein oder andere Gliedmaße fehlt) usw. In einem Rekrutierungsfilm würde man diese Stellen wohl aussparen. Und die Tatsache, dass Kyle gerade dann ums Leben kommt (durch die Hand eines Veteranen), als es ihm langsam wieder gut geht, ist doch das Gegenteil von einer glorifizierenden Bejubelung der US-Außenpolitik (Politik wird im Film, analog zum Blickwinkel eines einfachen Soldaten, ja auch vollkommen ausgeblendet). Der Blickwinkel von Kyle wird vom Film dann selbst aufgebrochen, der American Way of Life, den er vorher gelebt hat, ist dahin. Michael Moore, der dem Film im Vorfeld Heldenverehrung und Propaganda vorwarf, musste dann nach dem er ihn gesehen hatte auch zugeben, ihn gemocht zu haben. Der Film ist kein patriotischer Film, sondern ein Film über Patriotismus.
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Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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GoldenProjectile hat geschrieben:vielleicht hängen die etwas unglücklichen Oscar-Auftritte nur mit dem grossen Publikum (...) zusammen.
genau das glaube ich nämlich, dazu passt auch sein merkwürdiger Wahlkampf-Auftritt mit dem leeren Stuhl. Es ist eben dann schon nochmal etwas anderes vor einem großen Live-Publikum aufzutreten, gerade auch für einen älteren Menschen, als gut vorbereitet vor oder hinter der Kamera zu agieren.

@Hille: obwohl ich AS auch nur knapp überdurchschnittlich finde und von ihm eher enttäuscht war verteidige ich Eastwoods Vorgehen ja auch schon seit längerer Zeit und der Vorwurf von purer Propaganda oder gar Rassismus greift mir da viel zu kurz. Aber dennoch glaube ich liegt die Wahrheit irgendwo zwischen den Vorwürfen und deiner Darstellung. Den pathosgeschwängerten Patriotismus, da glaube ich zB weniger, dass Eastwood denn nur als Stilmittel eingesetzt hat. Hier denke ich eher, dass dies Ausdruck des ureigenen amerikanischen Selbstvertändnisses ist. AS ist sicherlich auch ein Film über Patriotismus, er ist aber wie ich finde mindestens genau so sehr ein patriotischer Film.
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Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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AnatolGogol hat geschrieben:AS ist sicherlich auch ein Film über Patriotismus, er ist aber wie ich finde mindestens genau so sehr ein patriotischer Film.
Ja, das ist auch richtig, aber nicht verwerflich. Der Punkt ist, dass ein Propaganda Vorwurf schlicht an vielen Dingen scheitert, die der Film zeigt und das man ihm genauso leicht eine Anti-Kriegs Gesinnung zusprechen kann wie sie ihm vielerorts abgesprochen wird. Ich bin jetzt auch kein riesiger Fan des Films (er ist halt dramaturgisch nicht so wirklich gut und die Balance geht nicht immer auf), aber nur, weil er mal nicht in jeder Szene etliche Moralisierungen auskotzt und sicher nicht durchgehend Political Correctness Anforderungen erfüllt, ist er kein Propaganda-Film. Dafür ist es wie gesagt zu leicht, ihn genau andersrum auszulegen.

Davon ab: Lieber habe ich einen Film, der durch eine gewisse Offenheit zum kontroversen Diskurs anregt, als einen, der am Ende auf ein unspannendes "War is bad, mkay" hinausläuft.
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Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Casino Hille hat geschrieben:Ja, das ist auch richtig, aber nicht verwerflich. Der Punkt ist, dass ein Propaganda Vorwurf schlicht an vielen Dingen scheitert, die der Film zeigt und das man ihm genauso leicht eine Anti-Kriegs Gesinnung zusprechen kann wie sie ihm vielerorts abgesprochen wird. Ich bin jetzt auch kein riesiger Fan des Films (er ist halt dramaturgisch nicht so wirklich gut und die Balance geht nicht immer auf), aber nur, weil er mal nicht in jeder Szene etliche Moralisierungen auskotzt und sicher nicht durchgehend Political Correctness Anforderungen erfüllt, ist er kein Propaganda-Film. Dafür ist es wie gesagt zu leicht, ihn genau andersrum auszulegen.
Sehe ich sehr ähnlich. Der Propaganda-Vorwurf hängt denke ich teilweise auch damit zusammen, dass in Europa dieser typisch amerikanische pathosgeschwängerte Patriotismus eher misstrauisch beäugt wird und man diesen auch nicht so recht nachvollziehen kann. Gerade im Finale von AS mit all den Fahnen und rot-blauen Farben, da drückt Eastwood schon ordentlich auf die Pahostube, das hat er zB im thematisch verwandten Heartbreak Ridge trotz Fahnen und Marines-Hymne noch deutlich subtiler gelöst. Reine Propaganda ist AS aber meines Erachtens sicher nicht, wie gesagt liegt die Wahrheit irgendwo zwischen den Stühlen (mit den Stühlen hab ichs heut aber :D ).
Casino Hille hat geschrieben:Davon ab: Lieber habe ich einen Film, der durch eine gewisse Offenheit zum kontroversen Diskurs anregt, als einen, der am Ende auf ein unspannendes "War is bad, mkay" hinausläuft.
Absolut. Dafür ist Eastwood als Filmemacher und Person auch zu vielschichtig, als dass man sowas bei ihm befürchten müsste.
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Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Nein, das ist insgesamt eher Propaganda.

Natürlich zeigt er auch mal die andere Seite des Krieges, das tut doch jeder Kriegsfilm, auch Waynes The Green Berets ist bei weitem nicht so direkt kriegsverherrlichend wie sein Ruf es nahelegt, aber insgesamt geht es ganz klar um den "berechtigten" Kampf des unhinterfragt Guten gegen die stets hinterhältigen und grausamen Islamisten. Das wird ja durch die leidende Ehefrau und die paar eigenen Toten, und die Versehrten am Ende nur noch eindringlicher in der Schilderung der Pflichterfüllung.

Und das der Film den Standpunkt eines Rassisten einnimmt (ist Kyle überhaupt einer?) ist keine Entschuldigung. Denn das ließe sich ja dann über fast jeden rassistischen Film sagen, und das macht wenig Sinn für einen Film der differenzieren sollte, das aber weitgehend unterlässt.
Auch in Kolberg, einem Nazi-Durchahltefilm, lassen sich genügend Szenen finden die zeigen sollen daß Krieg kein Spaß ist, das er auch eigene Opfer fordert, denn gerade im Hinblick auf die eigenen Verluste wird ja das patriotische Opfer noch stärker überhöht.
Nee, das ist eine ganz eindeutige Sache in American Sniper. Man sieht das ja auch bestens in der Unterscheidung zwischen dem US Sniper, der Leben beschützt, und dem Islam Sniper der aus dem Hinterhalt mordet. Übrigens soll letzterer wenig überraschend eine Drehbucherfindung sein.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Maibaum hat geschrieben:Und das der Film den Standpunkt eines Rassisten einnimmt (ist Kyle überhaupt einer?) ist keine Entschuldigung. Denn das ließe sich ja dann über fast jeden rassistischen Film sagen, und das macht wenig Sinn für einen Film der differenzieren sollte, das aber weitgehend unterlässt.
Wo genau siehst du denn den von dir latent angesprochenen Rassismus? Am ehesten könnte ich das noch in der eindimensionalen Zeichnung der Antagonisten sehen – aber genau das ist dann wiederum sehr stimmig mit der Gesamtzeichnung des Protagonisten. Der Film wird ja aus dessen Perspektive erzählt und natürlich glaubt er, dass er richtig handelt und seine Mission richtig ist. Genauso, wie er sich wenig Gedanken über seine Gegenüber macht. Interessant ist doch, wie Eastwood den direkten Antagonisten des AS als ziemlich genaues Spiegelbild zeichnet, gerade durch die Szenen mit dessen Familie. Da greift mir der Rassismus-Vorwurf einfach viel zu kurz, wenn Eastwood wirklich auf diesem Trip wäre, dann hätte er die irakische Seite ganz anders zeichnen können.
Maibaum hat geschrieben:Auch in Kolberg, einem Nazi-Durchahltefilm, lassen sich genügend Szenen finden die zeigen sollen daß Krieg kein Spaß ist, das er auch eigene Opfer fordert, denn gerade im Hinblick auf die eigenen Verluste wird ja das patriotische Opfer noch stärker überhöht.
Das Beispiel finde ich unglücklich, da der eigentliche Zweck von Kolberg ja ist dem Zuschauer deutlich zu machen, dass eigene private Opfer unumgänglich sind um einer großen Idee bzw. dem Wohl aller zu dienen. Dass dann natürlich die Verluste und Opfer ausführlich thematisiert werden müssen liegt auf der Hand. A propos: die 4K-Restauration, die auf arte lief sah grossartig aus.
Maibaum hat geschrieben:Nee, das ist eine ganz eindeutige Sache in American Sniper. Man sieht das ja auch bestens in der Unterscheidung zwischen dem US Sniper, der Leben beschützt, und dem Islam Sniper der aus dem Hinterhalt mordet. Übrigens soll letzterer wenig überraschend eine Drehbucherfindung sein.
Wie gesagt, das greift mir zu kurz. Gerade weil er direkt zuvor noch im Kreis seiner Familie als zärtlicher Mensch gezeigt wird. Und natürlich mordet/tötet der irakische Sniper aus dem Hinterhalt, alles andere wäre ja genau das, was du dem Film in deinem letzten Satz vorwirfst. :wink:
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Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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AnatolGogol hat geschrieben:
Maibaum hat geschrieben:Auch in Kolberg, einem Nazi-Durchahltefilm, lassen sich genügend Szenen finden die zeigen sollen daß Krieg kein Spaß ist, das er auch eigene Opfer fordert, denn gerade im Hinblick auf die eigenen Verluste wird ja das patriotische Opfer noch stärker überhöht.
Das Beispiel finde ich unglücklich, da der eigentliche Zweck von Kolberg ja ist dem Zuschauer deutlich zu machen, dass eigene private Opfer unumgänglich sind um einer großen Idee bzw. dem Wohl aller zu dienen. Dass dann natürlich die Verluste und Opfer ausführlich thematisiert werden müssen liegt auf der Hand. A propos: die 4K-Restauration, die auf arte lief sah grossartig aus
Ja die sah größtenteils wirklich wie neu aus.

Jedoch "dass eigene private Opfer unumgänglich sind um einer großen Idee bzw. dem Wohl aller zu dienen" ist genau das was mir AS ebenfalls verkaufen will.

Hmm, wird der Islam Sniper im Kreis seiner Familie gezeigt? Wenn ja, dann habe ich da etwas verpasst.
Das würde allerdings dann der Behauptung widersprechen der Film zeige das Geschehen nur durch Kyles Auge, das wäre dann ein eklatanter Verstoß gegen die Erzählperspektive. Denn um als Film durchzugehen der nur aus Kyles Sicht erzählt wird dürfte er auch immer nur ihn zeigen bzw das was er gerade sieht, und das tut er glaube ich ohnehin nicht konsequent genug.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Maibaum hat geschrieben:Jedoch "dass eigene private Opfer unumgänglich sind um einer großen Idee bzw. dem Wohl aller zu dienen" ist genau das was mir AS ebenfalls verkaufen will.
So habe ich den Film nicht aufgefasst. Der Unterschied ist vor allem der, dass Kolberg auf eine kollektive Beteiligung ALLER am Krieg hinauswill, während AS den Alltag/das Schicksal eines Berufssoldaten zeigt. Die Naivität, mir der die Hauptfigur seine „Berufung“ antritt steht dann z.B. auch komplett im Widerspruch zu solch glühender Überzeugung von Figuren wie Nettelbeck oder Gneissenau. Wie gesagt, den Vergleich finde ich eher unglücklich, obwohl ich sehr gerne noch etwas über Kolberg diskutieren würde.
Maibaum hat geschrieben:Hmm, wird der Islam Sniper im Kreis seiner Familie gezeigt? Wenn ja, dann habe ich da etwas verpasst.
Das würde allerdings dann der Behauptung widersprechen der Film zeige das Geschehen nur durch Kyles Auge, das wäre dann ein eklatanter Verstoß gegen die Erzählperspektive. Denn um als Film durchzugehen der nur aus Kyles Sicht erzählt wird dürfte er auch immer nur ihn zeigen bzw das was er gerade sieht, und das tut er glaube ich ohnehin nicht konsequent genug.
Man kann sicher darüber streiten, ob AS nun exklusiv aus Kyles Perspektive gezeigt wird (was er wie du richtigerweise anführst zumindest nicht ausschliesslich tut), aber das ändert trotzdem nichts daran, dass der Film das Innenverhältnis der US-Armee zeigt.
Zuletzt geändert von AnatolGogol am 7. Dezember 2017 15:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Maibaum hat geschrieben:American Sniper

Ein dummer Propagandafilm mit starken rassistischen Untertönen. In den einzelnen Szenen durchaus überzeugend inszeniert, bleibt er jedoch als Ganzes ein dramaturgisches Stückwerk, und stolpert auch inhaltlich desorientiert herum. Ich musste lachen als Kyle nach 2 Stunden heroischen Tötens plötzlich, und wirklich ohne jegliche Vorbereitung, in einer Kneipe sitzt und ein "Problem" mit seinem bisherigem Job haben soll. Im Prinzip ein witziger Film der einigermaßen unterhält. 5/10
Etwas polemisch, aber im Prinzip recht treffend. Kann man so sehen. Mir war er zu oberflächlich, zu simpel, allerdings ist er sehr interessant im Hinblick auf die US-Seele hinsichtlich Irak-Krieg sowie generell der eigenen Rolle in den modernen Konflikten. Psychlogisch ist der Film natürlich ein arg wurmstichiger Holszhammer. Hab ihn sogar noch einen Punkt schlechter bewertet.

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