Re: Die Craig Ära

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Agent 1770 hat geschrieben: 20. August 2019 12:24
Henrik hat geschrieben: 20. August 2019 12:14 Davon, dass die Szene eindeutig sei, kann aber keine Rede sein. Wäre dem so, hätte Agent 1770 die Diskussion sicherlich gar nicht erst entfacht.
Richtig. Und dass sich daraus eine solche Diskussion entwickelt, konnte ich auch nicht voraussehen.
Hätte ich auch nicht gedacht. Zumal in der Szene ja auch nichts weltbewegendes passiert.
Agent 1770 hat geschrieben: 20. August 2019 12:24 Ist ein Forum nicht eben dazu da?
Wo wenn nicht hier könnten wir sowas diskutieren? Klar werden wir das nicht final klären können, aber alleine die Diskussion belebt doch das Forum.
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"Wo man lacht, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen lachen immer wieder."

Re: Die Craig Ära

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Samedi hat geschrieben: 20. August 2019 12:32 Wo wenn nicht hier könnten wir sowas diskutieren? Klar werden wir das nicht final klären können, aber alleine die Diskussion belebt doch das Forum.
Stimmt, und es gab ja umgekehrt auch schon Zeiten, in denen es hieß, es sei zu wenig los im Forum :wink: .
You have this nasty habit of surviving

Re: Die Craig Ära

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Henrik hat geschrieben: 20. August 2019 12:14
Casino Hille hat geschrieben: 20. August 2019 11:52Das ist ein Ausdruck für einen Heuchler, einen Betrüger, einen Hochstapler.
Wie jemand, der befördert wird und das feiert, indem er eine Botschaft zusammenschießt...
Das ist definitiv nullkommanull die Definition dieses Begriffs und entspricht auch keinesfalls dem englischen Slimy. Mal davon abgesehen sagt M das im Film zwar so, aber sie meint es definitiv nicht wortwörtlich. Natürlich hat Bond seine Beförderung nicht mit einem Amoklauf gefeiert, aber bewiesen, dass er noch nicht die Reife hat, die der Job in den Augen Ms benötigt. Die Szene vor der tot gequatschten Dimitrios Akten Sequenz in Ms Wohnung ist essentiell. M äußert 007 gegenüber, dass sein Verhalten dem Geheimdienst erheblichen Schaden zugefügt hat und sie ihm deshalb nicht mehr trauen kann, weil er in ihren Augen unkontrollierbar ist. Sie kann ihn nicht einschätzen und als seine Chefin, die ihm das Schicksal des Landes anvertraut, muss sie das können. Von seinen Fähigkeiten ist sie aber fraglos überzeugt. Er IST in ihr Haus eingebrochen, später knackt er mühelos ihr Passwort für das gesicherte Netzwerk. Bond ist ein hervorragender Agent und dafür respektiert sie ihn. Sie ist nur mit seinen Ego und seiner Kaltschnäuzigkeit nicht einverstanden. Wer wäre das im echten Leben schon?

Invincible hat vorhin sehr schön erklärt, wie Dialoge aufgebaut werden, besonders im betreffenden Fall der Dimitrios Szene. Methodisch/dramaturgisch analysiert heißt das:

M: What?
Villiers: He's in the Bahamas.
M: You woke me to share his holliday plans?

Ironischer Einstieg, denn natürlich überwacht der MI6 Bonds Aufenthalt. M muss nach der Szene in ihrem Haus (sie sieht den nicht ganz zugeklappten Laptop) wissen, dass Bonds Urlaubsziel nicht zufällig ausgewählt sein wird - und warum sollte sie sonst auch auf Anhieb wissen, dass Villiers Bond meint? "Er ist auf den Bahamas" kann zig Leute meinen, aber sie weiß sofort, dass es um 007 geht.

Villiers: He's logged into our secure website, using your name and password.
M: How damned hell does he know these things?
Villiers: I'll do my best to find out.

Hier erfüllt sich, was ich weiter oben ausgeführt habe. M kann Bond nicht einschätzen oder kontrollieren - und hier führt es 007 ihr erneut vor Augen: er hat ihren echten Namen UND ihr Passworts entschlüsselt, was nicht möglich sein dürfte. Es beweist zwar, dass Bond ein hervorragender Agent ist, aber es heißt auch, dass es tatsächlich möglich ist, diese Dinge in Erfahrung zu bringen. Deshalb sagt sie auch nichts von der Art "I'll need to stop him from doing that", sondern fragt die Q-ähnliche Figur Villiers, wie Bond das angestellt haben kann. Er verspricht, es zu ermitteln.

M: Who's he looking at?
Villiers: Alex Dimitrios
M: That slimy bugger.

M hält große Stücke auf Bonds Instinkt. Sie will umgehend wissen, wen Bond sich ansieht, da ihr klar ist, dass 007 sich nicht zum Spaß die Mühe gemacht hat, das gesicherte Netzwerk zu infiltrieren. Er muss auf etwas (jemanden) gestoßen sein, über den er zusätzliche Informationen benötigt, hat aber bislang nicht genug in der Hand, um M offiziell zu kontaktieren. Hier wenden die Autoren einen Trick an. Sie lassen M den Sucheintrag, in diesem Fall Dimitrios kommentieren, um uns erzählerisch etwas mitzuteilen: Bond hat sich an einen bekannten Kriminellen rangehängt, er muss auf der richtigen Spur sein. Hätte M keine Ahnung, wer Dimitrios ist, hätte sie Villiers direkt gefragt, wer das sein soll und warum er für Bond interessant sein könnte. Das tut sie aber nicht, sondern sie hat bereits etwas zu Dimitrios im Kopf. Und das verrät uns, dass mehr hinter Dimitrios stecken muss, dass er keine kleine Nummer ist und das Bond einer großen Sache auf der Spur ist.

Dramaturgisch ist das also eine expositionelle Szene, die Zusatzinformationen auf eine intelligente Weise vermittelt. Anstatt Bond laut Dimitrios Akte lesen zu lassen damit wir von seinen Verbindungen in die Unterwelt wissen, was weitaus konventioneller wäre, geht Casino Royale den komplizierteren Weg und baut diese Information über einen Umweg ein, der sich viel organischer anfühlt. Der gute alte "Show, don't tell" Trick. Anstatt uns durch Bond oder Villiers sagen zu lassen, dass Dimitrios eine große Nummer ist, zeigen uns die Macher an Ms Reaktion (Ihre verbale Beleidigung, Ihr mimischer Ausdruck) was wir über diese für uns neue Figur wissen müssen.

Erst wenn man davon ausgeht, Bond sei mit Ms Bemerkung gemeint, ergibt die Szene für den Film in der Tat keinen Sinn mehr. Da M sich bis zu Bonds Anruf in Miami nicht aktiv in den Film einmischt, bringt uns erzählerisch der Dialog gar nichts, wenn wir ihn nicht expositionell betrachten. Dass M auf Bond wütend ist, wissen wir schon. Es sie nochmal sagen zu lassen ist schlicht redundant.

Die Entscheidung ist also nicht: Dimitrios oder Bond?, sondern: Good writing or Lazy writing?
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Die Craig Ära

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Casino Hille hat geschrieben: 20. August 2019 12:58
Die Entscheidung ist also nicht: Dimitrios oder Bond?, sondern: Good writing or Lazy writing?
Und du denkst, wenn Dimitrios gemeint ist, dann ist es "Good Writing"?
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Re: Die Craig Ära

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Ach Herrje, was ist denn hier los? Wieder mal eine vollkommen unnötig aufgeblasene Diskussion durch unseren Lieblingsforisten. I love it. Und natürlich ist Dimitrios gemeint, danke Hille.
"Hiermit kündige ich meine Mitgliedschaft!" - "Wir sind kein Countryclub, 007!"

Re: Die Craig Ära

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Casino Hille hat geschrieben: 20. August 2019 12:58<...>
Am liebsten hätte ich hier ein Komplettzitat gebracht, da sich Hille tatsächlich die Mühe gemacht und einen eigentlich vollkommen logischen und nicht missinterpretierbaren Dialog bis in Kleinste zerlegt und erklärt hat.
Leider wird das aber vergebliche Liebesmüh gewesen sein, da es eben Leute geben muss, die ein derart hartes Brett vor der Stirn haben, dass es unmöglich erscheint, da ein Loch zu bohren. Der eigene Standpunkt muss auf Gedeih und Verderb verteidigt werden und dafür ist jedes Argument willkommen, und sei es noch so weit hergeholt oder gar völlig indiskutabel. Der Himmel möge einen bewahren und man müsste zugeben, auf dem Holzweg zu sein. :roll:

Und ja, das ist 'Good Writing', sehr gutes Schreiben sogar. Wie Hille angemerkt hat, wird der Zuschauer auch ein Stück weit intellektuell mitgenommen, weil ihm nicht alles klein klein vorgekaut wird, sondern weil sich die Quintessenz aus dem Dialog völlig klar und eindeutig ergibt.

Aber, um das Ganze abzuschließen: Jeder, der Ms Schleimbeutelsager auf Bond bezieht - wunderbar.
Lieber in der Kaiserin als Imperator.

Re: Die Craig Ära

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DoppelNull hat geschrieben: 20. August 2019 14:44 Und ja, das ist 'Good Writing', sehr gutes Schreiben sogar.
Ich finde ja auch, dass CR sehr gut geschrieben ist. Nur macht sich das eben nicht an dieser einen Szene fest. Bzw. entscheidet es sich nicht durch diese eine Szene ob es "Good Writing" oder "Lazy Writing" ist.
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Re: Die Craig Ära

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Um mal das wichtigste (erneut) deutlich zu sagen: Ich habe es verstanden, Dimitrios ist das schleimige Subjekt.

Aber: Sehr gutes Schreiben kann man das (bezogen auf diese Szene) nicht nennen, dann hätten wir diese Diskussion nicht. Diese "Zusatzinformationen" konnte der Film mir bisher nicht vermitteln. Erst heute habe ich die Szene begriffen, obwohl ich den Film seit knapp 10 Jahren kenne. Dimitrios ist ein schleimiges Subjekt, das ist mir jetzt bekannt, aber das mir das bekannt ist verdanke ich nicht dem achso toll geschrieben Film. Und wie diese Diskussion zeigt ist das auch kein Problem, das nur ich mit dem Film habe.

EDIT: Filmlänge der Craig-Ära.

https://www.filmstarts.de/nachrichten/18538363.html
Zuletzt geändert von Henrik am 13. November 2021 09:47, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Die Craig Ära

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Henrik hat geschrieben: 20. August 2019 19:06 Um mal das wichtigste (erneut) deutlich zu sagen...
Auch ich möchte klarstellen, dass mein Beitrag keineswegs auf dich bezogen war, Henrik. Hier gibt es ja offensichtlich nur noch einen User, der nach all den Erläuterungen nach wie vor der Meinung ist, dass in der besagten Szene Bond gemeint war.

Übrigens, besten Dank, werter Hille, für deine bis ins letzte Detail ausgeführte Aufarbeitung dieses Dialogs. Umfangreicher, verständlicher und somit besser geht es nicht mehr. Wer es jetzt immer noch nicht versteht/verstehen will, ist eben der Überzeugung, Bond würde von M als Schleimbeutel bezeichnet werden. Ich zumindest habe damit kein Problem, weil es mir tatsächlich wurscht ist. :wink:
Lieber in der Kaiserin als Imperator.

Re: Die Craig Ära

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Samedi hat geschrieben: 20. August 2019 10:21
DonRedhorse hat geschrieben: 20. August 2019 10:15
Samedi hat geschrieben: 19. August 2019 23:47 Und welchen Sinn hätte es für M, in dieser Situation Dimitrios zu kommentieren?
Henrik hat geschrieben: 20. August 2019 07:50 Andererseits: Was bringt es, dass Dimitrios hier als M "slimy bugger" bezeichnet?
Weil M Dimitrios kennt.
Und deshalb muss sie Villiers erklären, was sie von Dimitrios hält oder wie?
Nein, nicht Villiers, sondern dem Zuschauer des Films.

Re: Die Craig Ära

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Samedi hat geschrieben: 20. August 2019 10:21
DonRedhorse hat geschrieben: 20. August 2019 10:15
Samedi hat geschrieben: 19. August 2019 23:47 Und welchen Sinn hätte es für M, in dieser Situation Dimitrios zu kommentieren?
Henrik hat geschrieben: 20. August 2019 07:50 Andererseits: Was bringt es, dass Dimitrios hier als M "slimy bugger" bezeichnet?
Weil M Dimitrios kennt.
Und deshalb muss sie Villiers erklären, was sie von Dimitrios hält oder wie?
100 Pro Dimitrios. Sie erklärt es nicht Villiers sondern dem Zuschauer. Damit ist klar, dass Bond es hier mit einem beim MI6 bekannten Schmierlappen zu tun hat
Casino Hille hat geschrieben: 20. August 2019 12:58 Der gute alte "Show, don't tell" Trick
Ich stimme dir in allen Punkten zu, aber das Gespräch ist eben "Tell and no show" Dass Dimitrios ein Schleimbeutel ist, erfahren wir auch aus der Handlung, z. B. daran, wie er seine Freundin behandelt. Hier soll eigentlich gezeigt werden, dass Bond unter Beobachtung steht, er sich also bewähren muss und das ist mbMn das Tolle an der Szene, nicht Ms Meinung über Dimitrios soll hier vermittelt werden, sondern, dass Bond womöglich nicht der überlegene Agent ist. Dadurch schafft man es, den Zuschauer auf Bonds Seite zu bringen, denn er ist hier der Underdog und da hier der Zuschauer mehr weiß als M, darf man sich überlegen fühlen und denken: "Bond wird das schon schaffen".
Letztlich schafft er es ja auch, jedoch wird er von Le Chiffre vorgeführt und muss sogar von Mr. White "gerettet" werden.
Von daher, ja, die Szene ist sehr gut geschrieben und hilft Bonds Charakter aufzubauen.
"Der Gestank nach Rauch und Schweiß ist in einem Casino um drei Uhr morgens äußerst widerlich."

Re: Die Craig Ära

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Das hab ich so nicht ganz geschrieben. Meine Show Don't Tell Argumentation bezog sich nicht darauf, ob Dimitrios schleimig ist oder nicht, sondern das anstelle uns Dimitrios Größe in der Unterwelt behauptet wird wir sie anhand von Ms Reaktion (der Tatsache, dass ihr Dimitrios überhaupt bekannt ist) erahnen können. Und ja, die Szene ist sehr gut geschrieben, das einige sie dennoch falsch verstehen ist sicher nicht die Schuld der Autoren.
https://filmduelle.de/

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Re: Die Craig Ära

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Casino Hille hat geschrieben: 23. August 2019 11:46 Das hab ich so nicht ganz geschrieben. Meine Show Don't Tell Argumentation bezog sich nicht darauf, ob Dimitrios schleimig ist oder nicht, sondern das anstelle uns Dimitrios Größe in der Unterwelt behauptet wird wir sie anhand von Ms Reaktion (der Tatsache, dass ihr Dimitrios überhaupt bekannt ist) erahnen können. Und ja, die Szene ist sehr gut geschrieben, das einige sie dennoch falsch verstehen ist sicher nicht die Schuld der Autoren.
Okay, ein klares Missverständnis, dann passt dein Argument natürlich.
"Der Gestank nach Rauch und Schweiß ist in einem Casino um drei Uhr morgens äußerst widerlich."

Re: Die Craig Ära

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Lol. Entdecke hier gerade diese Diskussion und hätte nicht gedacht dass es darum überhaupt eine Diskussion geben könnte.
Da hat man sich extra Mühe gegeben schon mit einem Foto mehr als deutlich zu machen, dass Dimitrios schleimig ist und dann verstehen es doch einige falsch???
"It's been a long time - and finally, here we are"