Henrik hat geschrieben: 20. August 2019 12:14
Casino Hille hat geschrieben: 20. August 2019 11:52Das ist ein Ausdruck für einen Heuchler, einen Betrüger, einen Hochstapler.
Wie jemand, der befördert wird und das feiert, indem er eine Botschaft zusammenschießt...
Das ist definitiv nullkommanull die Definition dieses Begriffs und entspricht auch keinesfalls dem englischen Slimy. Mal davon abgesehen sagt M das im Film zwar so, aber sie meint es definitiv nicht wortwörtlich. Natürlich hat Bond seine Beförderung nicht mit einem Amoklauf gefeiert, aber bewiesen, dass er noch nicht die Reife hat, die der Job in den Augen Ms benötigt. Die Szene vor der tot gequatschten Dimitrios Akten Sequenz in Ms Wohnung ist essentiell. M äußert 007 gegenüber, dass sein Verhalten dem Geheimdienst erheblichen Schaden zugefügt hat und sie ihm deshalb nicht mehr trauen kann, weil er in ihren Augen unkontrollierbar ist. Sie kann ihn nicht einschätzen und als seine Chefin, die ihm das Schicksal des Landes anvertraut, muss sie das können. Von seinen Fähigkeiten ist sie aber fraglos überzeugt. Er IST in ihr Haus eingebrochen, später knackt er mühelos ihr Passwort für das gesicherte Netzwerk. Bond ist ein hervorragender Agent und dafür respektiert sie ihn. Sie ist nur mit seinen Ego und seiner Kaltschnäuzigkeit nicht einverstanden. Wer wäre das im echten Leben schon?
Invincible hat vorhin sehr schön erklärt, wie Dialoge aufgebaut werden, besonders im betreffenden Fall der Dimitrios Szene. Methodisch/dramaturgisch analysiert heißt das:
M: What?
Villiers: He's in the Bahamas.
M: You woke me to share his holliday plans?
Ironischer Einstieg, denn natürlich überwacht der MI6 Bonds Aufenthalt. M muss nach der Szene in ihrem Haus (sie sieht den nicht ganz zugeklappten Laptop) wissen, dass Bonds Urlaubsziel nicht zufällig ausgewählt sein wird - und warum sollte sie sonst auch auf Anhieb wissen, dass Villiers Bond meint? "Er ist auf den Bahamas" kann zig Leute meinen, aber sie weiß sofort, dass es um 007 geht.
Villiers: He's logged into our secure website, using your name and password.
M: How damned hell does he know these things?
Villiers: I'll do my best to find out.
Hier erfüllt sich, was ich weiter oben ausgeführt habe. M kann Bond nicht einschätzen oder kontrollieren - und hier führt es 007 ihr erneut vor Augen: er hat ihren echten Namen UND ihr Passworts entschlüsselt, was nicht möglich sein dürfte. Es beweist zwar, dass Bond ein hervorragender Agent ist, aber es heißt auch, dass es tatsächlich möglich ist, diese Dinge in Erfahrung zu bringen. Deshalb sagt sie auch nichts von der Art "I'll need to stop him from doing that", sondern fragt die Q-ähnliche Figur Villiers, wie Bond das angestellt haben kann. Er verspricht, es zu ermitteln.
M: Who's he looking at?
Villiers: Alex Dimitrios
M: That slimy bugger.
M hält große Stücke auf Bonds Instinkt. Sie will umgehend wissen, wen Bond sich ansieht, da ihr klar ist, dass 007 sich nicht zum Spaß die Mühe gemacht hat, das gesicherte Netzwerk zu infiltrieren. Er muss auf etwas (jemanden) gestoßen sein, über den er zusätzliche Informationen benötigt, hat aber bislang nicht genug in der Hand, um M offiziell zu kontaktieren. Hier wenden die Autoren einen Trick an. Sie lassen M den Sucheintrag, in diesem Fall Dimitrios kommentieren, um uns erzählerisch etwas mitzuteilen: Bond hat sich an einen bekannten Kriminellen rangehängt, er muss auf der richtigen Spur sein. Hätte M keine Ahnung, wer Dimitrios ist, hätte sie Villiers direkt gefragt, wer das sein soll und warum er für Bond interessant sein könnte. Das tut sie aber nicht, sondern sie hat bereits etwas zu Dimitrios im Kopf. Und das verrät uns, dass mehr hinter Dimitrios stecken muss, dass er keine kleine Nummer ist und das Bond einer großen Sache auf der Spur ist.
Dramaturgisch ist das also eine expositionelle Szene, die Zusatzinformationen auf eine intelligente Weise vermittelt. Anstatt Bond laut Dimitrios Akte lesen zu lassen damit wir von seinen Verbindungen in die Unterwelt wissen, was weitaus konventioneller wäre, geht Casino Royale den komplizierteren Weg und baut diese Information über einen Umweg ein, der sich viel organischer anfühlt. Der gute alte "Show, don't tell" Trick. Anstatt uns durch Bond oder Villiers sagen zu lassen, dass Dimitrios eine große Nummer ist, zeigen uns die Macher an Ms Reaktion (Ihre verbale Beleidigung, Ihr mimischer Ausdruck) was wir über diese für uns neue Figur wissen müssen.
Erst wenn man davon ausgeht, Bond sei mit Ms Bemerkung gemeint, ergibt die Szene für den Film in der Tat keinen Sinn mehr. Da M sich bis zu Bonds Anruf in Miami nicht aktiv in den Film einmischt, bringt uns erzählerisch der Dialog gar nichts, wenn wir ihn nicht expositionell betrachten. Dass M auf Bond wütend ist, wissen wir schon. Es sie nochmal sagen zu lassen ist schlicht redundant.
Die Entscheidung ist also nicht: Dimitrios oder Bond?, sondern: Good writing or Lazy writing?