Never change a running system. Unless you can make a reboot.

1
Casino Hille hat geschrieben:
AnatolGogol hat geschrieben: irgendwie schreit deine neue Signatur förmlich nach einer in die Tiefe gehenden Diskussion, sollen wir da nicht mal nen Thread für aufmachen?
Leg los, Anatol. Ich steige sehr gerne mit ein!
Dann will ich mal und stelle die Ausgangsfrage: funktionierte das Bond-Franchise vor dem Reboot tatsächlich noch?

Bereits vor längerem hatten wir hier über im Internet veröffentlichte Rentabilitätszahlen über die Bondfilme diskutiert, nach denen alle Brosnan-Filme mit Ausnahme von GE rote Zahlen schrieben aufgrund ihrer hohen Produktions- und Marketingbudgets.
viewtopic.php?f=35&t=4703&p=131587&#p131587

Nimmt man diese Zahlen als bare Münze (was keineswegs absurd ist, da die Aufstellung sehr plausibel erschien), dann funktionierte das System "Bondfranchise" in der auslaufenden Ära Brosnan zumindest aus wirtschaftlicher Sicht (wenn man mal nur die Erstverwertung als relevant heranzieht) nicht mehr wirklich. Persönlich würde ich hier noch hinzufügen, dass der enorme Abgang an jahrzehntelang bewährtem Talent in den 80ern und frühen 90ern (Adam, Barry, Binder, Maibaum, Glen und last not least Cubby) auch eindeutige qualitative und stilistische Spuren hinterlassen hatten (und haben).

Die nun federführende Barbara Broccoli und ihr coproduzierender Halbbruder Mike Wilson suchten ganz offensichtlich ihren eigenen Weg zwischen bewährten Elementen aus der Ära ihres Vaters (over-the-top, Kalau, Action) und ihren eigenen Vorstellungen (zeitgemäßerer Ansatz, ernsthaftere Charakterorientierung, Bond goes politcal correct). Da diese Mischung zwar umsatztträchtig, aber offenbar nicht gewinnträchtig war und gleichzeitig die Umsetzentwicklung bei grossen Blockbustern in den späten 90ern/frühen 00ern förmlich explodierte (die Milliardengrenze wurde langsam aber sicher eher die Regel denn die große Ausnahme) entschied man sich für den Reboot statt wie in der Vergangenheit einer mehr oder weniger leichten Kurskorrekur bei Beibehaltung einer zumindest halbwegs gewährleisteten inhaltlichen Kontinuität.

Da die Einspielergebnisse der ersten beiden Filme nach dem Reboot deutliche Umsatzsteigerungen gegenüber den Brosnan-Filmen aufwiesen ging die Rechnung wirtschaftlich auf, gleichwohl fällt auf, dass erst eine weitere Kurskorrektur beim Jubiläumsfilm SF das Bondfranchise in die Reihe der ganz erfolgreichen Filme brachte (die erwähnte Milliardengrenze). Und diese Kurskorrektur brachte ironischerweise ausgerechnet wieder diverse jener Elemente in die Serie zurück, die man beim Reboot (zunächst) bewusst geopfert hatte. Ebenfalls auffällig ist, wie wenig der eigentliche Reboot-Gedanke bereits zwei Filme später (also bei SF) noch eine Rolle spielte. Statt jungem Profi ist Bond urplötzlich ein abgewracktes Auslaufmodell - eine Grundprämisse die vor dem Reboot viel sinniger gewesen wäre.

Daher stellt sich die berechtigte Frage, was für einen Sinn der Reboot überhaupt hatte. Es ist keine allzu weit hergeholte Vermutung, das CR ohne "Bond begins" und mit einer mehr an der Vergangenheit orientierten Mixtur (siehe SF;SP) plus dem Bonus des neuen, interessanten und massenkompatiblen (da genau den zeitgenössischen Geschmack treffenden) Darstellers mindestens genaus so erfolgreich gewesen wäre wenn nicht sogar erfolgreicher (siehe SF; SP - auch wenn hier noch andere Komponenten wie Jubiläum, Olympia und ein extrem erfolgreicher Vorgänger mitspielten). Daher komme ich zu dem Schluss, dass der Reboot tatsächlich nur ein Gimmick und eine Marktingnummer war, die unnötigerweise die Kontinuität der Serie unterbrach und praktischerweise für die Macher die Tür offnete für diverse bequeme Quasi-Remake-Ideen (zB die Rückkehr von Spectre und Blofeld, stay tuned for more to come :wink: ).

Von daher und im Hinblick auf die Topic-gebende Signatur unseres "Mod der Herzen": nein, das System Bondfranchise funktionierte am Ende der Ära Brosnan aus den genannten Gründen nicht mehr richtig, die Serie wäre aber aus meiner Sicht fraglos auch ohne das Gimmick eines gerade im Trend liegenden Reboots wieder auf Kurs zu bringen gewesen. Wobei das letztlich unter dem aktuellen EON-Regime wohl so oder so keine wirklichen Auswirkungen auf die fertigen Filme gehabt hätte, da Stärken und vor allem Schwächen doch weit abseits dieser Idee angesiedelt sind.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Never change a Beteffzeile. Unless you can stift a Verwirrung.

4
AnatolGogol hat geschrieben:Daher komme ich zu dem Schluss, dass der Reboot tatsächlich nur ein Gimmick und eine Marktingnummer war, die unnötigerweise die Kontinuität der Serie unterbrach
So ist es auf jeden Fall zu sehen, Anatol. Tatsächlich profitiert CR vom sogenannten Reboot (der eh nur sehr halbherzig war) eigentlich gar nicht, viel eher verschwendet er sogar Erzählzeit dafür, uns Fans das Aufmachen einer neuen Kontinuität zu verkaufen, die in Folge keinerlei Auswirkung auf den eigentlichen Film haben wird. Absurd die PTS, die dann noch zwischen Tür und Angel (sprich: in der Titelsequenz) mal schnell mit dem Hinweis auf Bonds Beförderung versehen wird, während der vorherige Dialog über die benötigten zwei erfolgten Tötungen (wer schreibt so einen Quatsch eigentlich?) ja so beliebig austauschbar ist, dass es kaum wert ist, ihn als Reboot-Ansatz zu betiteln. Auch im Folgenden offenbart sich Campbells viel gefeierte Verfilmung von Flemings erstem Bond-Roman als ziemlich typischer Bondfilm mit vielleicht untypischer (aber immerhin eben aus den Romanen stammender) Liebesgeschichte, die eben einfach etwas reduzierter mit Gadgets und Moneypenny umgeht - also in etwa als das, was FYEO ja für viele nach den Gilbert Filmen ebenfalls markiert. Theoretisch hat Campbell dem Franchise hier den gleichen Dienst erwiesen, der eben auch Glens 80er Filmen gerne nachgesagt wird: er hat die Filmreihe um den extremen Bombast der Vorgänger entschlankt (obwohl es die üblichen Bondschen Absurditäten immer noch gibt: Elchtest, Kranweitsprung) und natürlich besonders nach DAD wieder auf handmade Action/Stunts gesetzt. Dass er hierfür kurz nach dem erfolgreichen Batman Begins das Reboot-Schema bedient schadet dem Film in meinem Augen eher, als dass es ihm gut tut, erst recht weil die ganze Situation rund um den "zu jugendlichen und zu früh beförderten Bond" doch etwas sehr krampfhaft konstruiert erscheint und typisch klischeehaftes Storywriting ist (sofern man das einem Bond natürlich vorwerfen darf).
AnatolGogol hat geschrieben:funktionierte das System "Bondfranchise" in der auslaufenden Ära Brosnan zumindest aus wirtschaftlicher Sicht (wenn man mal nur die Erstverwertung als relevant heranzieht) nicht mehr wirklich
Das ist richtig, war so aber in der Form wie ich es in meiner Signatur ausdrücken wollte nicht wirklich gemeint. Es stimmt schon, dass EON nach DAD vermutlich etwas ändern musste, dass man sich Gedanken machen musste und das vermutlich auch Brosnans Tage gezählt waren. Das bedeutete aber eben nicht, dass man dafür auf die Konventionen der Reihe völlig verzichten musste (womit ich aber weniger meine, dass man die Reihe nicht gerne etwas entschlanken durfte), sondern den absichtlichen und wie oben ausgeführt in meinen Augen völlig sinnlosen Bruch mit der "Kontinuität" der Reihe, auch wenn dies das völlig falsche Wort ist und zurecht vermutlich jetzt falsch verstanden werden wird. Ich sehe (oder habe immer) die Bondfilme gerne als ein geschlossenes Universum, als eine Art eskapistische Parallelwelt (was sie ja letztendlich auch immer erschaffen wollten), welches eine überschaubare homogene Masse an Filmen stellte und in sich ein organisches Gesamtbild ergab, dem der jeweils neue Film dann eben in kleinen Nuancen neues hinzufügen konnte (wie beispielsweise die von mir geliebten TB, LALD, TSWLM, MR, OP, TND oder TWINE). Und obwohl CR eben dann doch gar nicht so viel anders als seine Vorgänger ist, mag ich diesen unbedingten Willen zum anders sein nicht, weil ich auch nach unzähligen Sichtungen von DAD immer noch nicht feststelle, warum ein anders so unbedingt wichtig war. Klar, DAD hat sehr viele Probleme und ist insgesamt wohl eine qualitative Enttäuschung für das Franchise, aber warum dieser Wille, sich dringend davon abgrenzen zu wollen? Die Notwendigkeit erschließt sich mir nicht und ich empfinde es in Teilen durchaus als Verrat an der eigentlichen Reihe, was vermutlich von dir deshalb (so denke ich) anders gesehen wird, weil wir uns in zwei wesentlichen Punkten unterscheiden bei der Beurteilung der Prä-Craig-Ära.
AnatolGogol hat geschrieben:(Adam, Barry, Binder, Maibaum, Glen und last not least Cubby) [...] (zeitgemäßerer Ansatz, ernsthaftere Charakterorientierung, Bond goes politcal correct)
Ja, der Abgang der genannten Herren hat erhebliche qualitative Auswirkungen auf das Franchise gehabt, ich teile deine Ansicht da völlig. Ken Adam war (neben Sean Connery) vermutlich mit das beste was der Reihe jemals passiert ist und ohne einen John Barry oder einen Richard Maibaum (und zu vordererst ohne Cubby) wäre dieses Franchise nie das geworden, was es war. ABER: Ich sehe die Brosnan-Ära (besonders die 90er Jahre) weitaus (um nicht elementar zu sagen) unkritischer als du. Okay, das ist jetzt keine Überraschung, aber es hilft doch, um zu verstehen, was ich eigentlich aussagen wollte. Ich stimme dir zwar zu, dass auch die Faktoren der zweiten zitierten Klammer bereits in der Brosnan Zeit klar erkennbar waren und das es daher eigentlich inkonsequent meinerseits ist, dass ich sie den Craig-Filmen vorwerfe, aber den Vorgängern nicht. Jedoch finde ich zumindest die ersten beiden Elemente überhaupt nicht per se verwerflich, wenn sie denn konsequent umgesetzt werden und hier attestiere ich den Brosnans eine viel bessere und "bondigere" Art und Weise, dies zu handhaben als den blondgefärbten Nachfolgern. Theoretisch waren ja schon die ersten Bonds der 60er sehr zeitgenössische und aktuelle Filme, da sie eben die Kubakrise und die allumfassende Angst vor einem nuklearen Krieg selbstironisch und entschärfend für einen Unterhaltungsfilm gebrauchten. Und besonders in den 80ern machten Glen und sein Autorenduo Wilson/Maibaum ebenfalls deutlich, dass Bond immer ein Kind seiner Zeit war (bzw. ist!) und das die Filme sich auf die derzeitigen gesellschaftlichen und politischen Begebenheiten beruhen müssen, um aktuell und spannend zu bleiben (siehe etwa die Thematisierung von Silicon Valley im 85 erschienenen AVTAK und ultimativ die starke Einbindung der Mudschaheddin in den Plot von TLD). In dieser Hinsicht finde ich nicht, dass sich die Brosnans groß von ihren Vorgängern unterscheiden, ich finde sogar, es war der absolut richtige Weg, nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges diesen Weg zu gehen. Natürlich ist die große MG-Fixierung der Brosnans seit jeher kritisch gesehen worden, aber auch hier finde ich die Brosnans im Kontext der 90er noch überraschend dezent und in meinen Augen fand man ein gutes Mittelmaß zwischen zeitgemäßen Action-Dosierungen und klassischem Bondkino (in TND die Parkhausjagd, in TWINE die Ski-Szene).

Richtig ist, dass nun auch die Craigs hier auf dem Papier nicht groß anders sind (gut, QOS ist ja eh bei fast allen Verallgemeinerungen stehts außenvor, der hat sich neben OHMSS und LTK längst seinen Titel als dritter "Außenseiter" der Reihe erkämpft, obwohl ich ihn ganz persönlich als gar nicht so anders empfinde), jedoch ist für mich die Dosierung längt nicht mehr so geschickt wie bei Brosnan, die Balance völlig aus den Fugen geraten. SF empfinde ich inhaltlich als ziemlich konfus zerstückeltes Werk, welches diverse Retro-Einschübe in eine Handlung einbetten will, die ungelenk und ungeschickt ein aktuelles Thema (Whistleblowing, Stellung der Geheimdienste im 21. Jahrhundert) als Aufhänger für eine im Kern (zu) simple Rachestory nutzt, die mit der eigentlichen Themengebung gar nichts mehr zu tun hat und die Retro-Elemente erst recht überhaupt nicht rechtfertigt. Während ich in GE (der ja ebenfalls sehr viele Strichlistenpunkte abarbeitet) dies als gelungene Verschmelzung/Übertragung der Bondfilme in eine neue Zeit verstehe, gibt sich SF betont altmodisch, ohne damit am Ende eine Aussage zu fällen (doch, es gibt eine, die aber dann doch irgendwie entsetzlich doof ist). Genauso ist es SP, der mit seinem Nine Eyes Programm sehr schön die derzeitigen weltpolitischen Überwachungsentwicklungen hätte aufgreifen können, diese am Ende aber nur irgendein Vorwand für ein betont altmodisches Bondabenteuer ist. Ich mochte an den Brosnanfilmen aber gerade, dass sie dieses betont klassische nicht nötig hatten, dass sie nach vorne preschen wollten, dass sie gewillt waren, Bond zu sein und Bond zu bleiben und trotzdem die Entwicklung des Kinos und der Zeit nicht zu vergessen. Die Craigs machen für mich eine andere Entwicklung, in CR und QOS ein eindeutiges Verwurzeln im modernen Film mit "versteckter" Bond-DNA (zumindest versuchen sie es) und Mendes scheint dann eher zurück in die 60er zu den vermeintlichen Ursprüngen der Reihe gehen zu wollen. Falsch verstandener Fanservice macht für mich die Sache komplett. Zum Thema "ernsthaftere Charakterorientierung": Auch hier sehe ich die Brosnans als logische Folge auf die bereits deutlicher werdende Fokussierung auf die Nebencharaktere in der Glen-Zeit, siehe AVTAK, in dem Bond ganz alltäglich mit Bondine beim Backen gezeigt wird oder die Daltons, die das meiste bereits vorwegnehmen. Die Brosnans sind für mich da zu 100 Prozent Bond - naja, 95 Prozent so ohne Tabakkonsum, obwohl TND schön selbstironisch damit spielt :mrgreen: - und eben die Richtung, in die sich das Franchise unweigerlich entwickeln mussten, während ich in den Craigs zu viele Anbiederungen und offensichtliche Anleihen an vergleichbare Filme (The Dark Knight (Rises) beispielsweise) sehe, was mir außerordentlich missfällt.
AnatolGogol hat geschrieben:nein, das System Bondfranchise funktionierte am Ende der Ära Brosnan aus den genannten Gründen nicht mehr richtig
Hier würde ich dann doch sagen, dass man das differenzierter sehen muss, denn wenngleich es finanziell nicht mehr so lief, wie man es sich gewünscht hätte, finde ich auch nicht, dass man von einem Zusammenbruch oder einem Einbruch des Systems sprechen kann. Sicherlich, es gab da eindeutige Probleme (ungeachtet der qualitativen Einordnung der Werke in den Bond-Kosmos), doch nur weil ein System nicht optimal funktioniert, ist es ein Fehlschluss, es gleich zur Katastrophe zu verdammen (und imo befand sich das Bond-Franchise 1989 dann doch auf einem erheblich heftigerem Tiefpunkt als dies 2002 der Fall war). Ein etwas besser vermarkteter, klüger produzierter und wieder etwas anderen Wind atmender Bond (meinetwegen auch ohne Brosnan, den ich aber sehr mag in der Rolle --> weitaus mehr als Craig!) hätte ganz ohne Reboot, ganz ohne neue "Ideologie" der Reihe funktionieren können. Es hätte die Radikalität, die offen zur Schau gestellte Bond-Ablehnung seitens der eigentlichen Bond-Produzenten weiß Gott nicht gebraucht, zu dem Schluss bist du selbst dann ja auch gekommen. Ganz unabhängig von Bond herrscht aber denke ich definitiv Konsens darüber, dass es in der Filmwelt längst zur Regel geworden ist, von einem Reboot (oder Quasi-Reboot, bei dem nur Teile der bestehenden Reihe negiert werden) Gebrauch zu machen, sobald die eigentliche Maschinerie ein wenig ins Stocken geraten ist (Grüße gehen raus an Batman, Superman, Spider-Man, Star Trek, Fantastic Four, Alien, Terminator ... und eben unseren 007). :wink:
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Never change a running system. Unless you can make a reboot.

5
AnatolGogol hat geschrieben: Da die Einspielergebnisse der ersten beiden Filme nach dem Reboot deutliche Umsatzsteigerungen gegenüber den Brosnan-Filmen aufwiesen ging die Rechnung wirtschaftlich auf, gleichwohl fällt auf, dass erst eine weitere Kurskorrektur beim Jubiläumsfilm SF das Bondfranchise in die Reihe der ganz erfolgreichen Filme brachte (die erwähnte Milliardengrenze). Und diese Kurskorrektur brachte ironischerweise ausgerechnet wieder diverse jener Elemente in die Serie zurück, die man beim Reboot (zunächst) bewusst geopfert hatte. Ebenfalls auffällig ist, wie wenig der eigentliche Reboot-Gedanke bereits zwei Filme später (also bei SF) noch eine Rolle spielte. Statt jungem Profi ist Bond urplötzlich ein abgewracktes Auslaufmodell - eine Grundprämisse die vor dem Reboot viel sinniger gewesen wäre.

Daher stellt sich die berechtigte Frage, was für einen Sinn der Reboot überhaupt hatte. Es ist keine allzu weit hergeholte Vermutung, das CR ohne "Bond begins" und mit einer mehr an der Vergangenheit orientierten Mixtur (siehe SF;SP) plus dem Bonus des neuen, interessanten und massenkompatiblen (da genau den zeitgenössischen Geschmack treffenden) Darstellers mindestens genaus so erfolgreich gewesen wäre wenn nicht sogar erfolgreicher (siehe SF; SP - auch wenn hier noch andere Komponenten wie Jubiläum, Olympia und ein extrem erfolgreicher Vorgänger mitspielten). Daher komme ich zu dem Schluss, dass der Reboot tatsächlich nur ein Gimmick und eine Marktingnummer war, die unnötigerweise die Kontinuität der Serie unterbrach und praktischerweise für die Macher die Tür offnete für diverse bequeme Quasi-Remake-Ideen (zB die Rückkehr von Spectre und Blofeld, stay tuned for more to come :wink: ).
Ob CR ohne Reboot genauso erfolgreich oder noch erfolgreicher gewesen wäre ist letztendlich Spekulation. Es scheint aber so zu sein, dass die Verleihfirma ab CR nach langer Zeit wieder einen Gewinn eingefahren hat. Demnach scheint das Reboot erfolgreich gewesen zu sein. Es ist ja nicht so, dass sich für die Zuschauer besonders negative Folgen daraus ergeben. Natürlich ist es erst einmal nicht schön, wenn man den neuen Hauptdarsteller, usw. nicht mag, aber so etwas könnte auch ohne Reboot passieren.

Re: Never change a running system. Unless you can make a reboot.

6
Vielen Dank Hille für deine sehr ausführliche Antwort und deine vielen geteilten Gedanken zu diesem Thema!
Casino Hille hat geschrieben: Tatsächlich profitiert CR vom sogenannten Reboot (der eh nur sehr halbherzig war) eigentlich gar nicht, viel eher verschwendet er sogar Erzählzeit dafür, uns Fans das Aufmachen einer neuen Kontinuität zu verkaufen, die in Folge keinerlei Auswirkung auf den eigentlichen Film haben wird.
Man könnte (man beachte: Konjunktiv!) den Reboot als Notwendigkeit anführen, die Intention von Flemings Roman möglichst vorlagengetreu umzusetzen (junger Agent am Anfang seiner Karriere verfällt einer Frau, was einen Charakter und sein gesamtes künftiges Handeln prägt). Ich persönlich teile diese Ansicht aber nur sehr bedingt, da die romantische Komponente meines Erachtens auch mit Bond als erfahrenem Feldagenten funktioniert hätte, nur hätte man dann eben die Idee der Vorlage varieren müssen (z.B. in dem man Bonds Verlust von Tracy miteingebunden hätte nach dem Motto: Bond durchlebt die Liebe seines Lebens ein zweites Mal, nur dieses mal mit dem entscheidenden Unterschied, dass er von ihr verraten wird).

Casino Hille hat geschrieben: Theoretisch hat Campbell dem Franchise hier den gleichen Dienst erwiesen, der eben auch Glens 80er Filmen gerne nachgesagt wird: er hat die Filmreihe um den extremen Bombast der Vorgänger entschlankt (obwohl es die üblichen Bondschen Absurditäten immer noch gibt: Elchtest, Kranweitsprung) und natürlich besonders nach DAD wieder auf handmade Action/Stunts gesetzt.
Diese Parallele lässt sich fraglos ziehen.Der entscheidende Unterschied ist für mich, dass CR sich ganz offensichtlich selbst äusserst ernst nimmt (weswegen die von dir angeführten „Absurditäten“ dann auch zuweilen sehr merkwürdig anmuten, ich denke da vor allem an die Defibrilator-Szene, die genau so auch in DAD hätte vorkommen können), wohingegen ich bei den Filmen bis einschliesslich DAD trotz aller ernsthafter Elemente immer auch das filmische Augenzwinkern im Sinne von „wir nehmen uns und unseren Film nicht 100% ernst“ wahrnehme, was für mich eine unentbehrliche Komponente der Bondfilme darstellt. Bondfilme – so wie ich sie kennengelernt habe und verstehe – sollten in erster Linie Spass sein. Das schliesst nicht aus, dass nicht auch ernsthaftere Themen und Elemente verarbeitet werden können und in manchen (!) Filmen diese Elemente sogar sehr bestimmend für den Grunton des Films sein können (OHMSS; LTK). Dennoch weisen auch diese Filme genügend Elemente auf, die sie eindeutig in die Tradition der Serie setzen lassen (und ich rede natürlich nicht von so Oberflächlichkeiten wie Bond-Thema, Gun-Barrel oder Moneypenny-Szene) – nicht umsonst endet ausgerechnet der wohl härteste und brutalste aller Bondfilme mit einem augenzwinkernden Fisch. Und genau dieses Augenzwinkern fehlt mir in allen Filmen nach dem Reboot, weswegen man eben diesen dann durchaus als erkennbare und sehr bewusste Zäsur einstufen kann ungeachtet der Tatsache, dass die inhaltliche Tragweite eines „Neuanfangs“ praktisch unerheblich ist.

Casino Hille hat geschrieben: erst recht weil die ganze Situation rund um den "zu jugendlichen und zu früh beförderten Bond" doch etwas sehr krampfhaft konstruiert erscheint und typisch klischeehaftes Storywriting ist (sofern man das einem Bond natürlich vorwerfen darf).
Zumal die Ausgangssituation torpediert wird durch einen Hauptdarsteller, der auf der Leinwand nie (auch nicht in seinem ersten filmischen Ansatz) jünger als sein tatsächliches Alter rüberkommt und dem man von daher den „jungen“ und „grünen“ Agenten zumindest optisch nur mit sehr viel gutem Willen abnehmen kann.

Casino Hille hat geschrieben: Das bedeutete aber eben nicht, dass man dafür auf die Konventionen der Reihe völlig verzichten musste (…) sondern den absichtlichen und wie oben ausgeführt in meinen Augen völlig sinnlosen Bruch mit der "Kontinuität" der Reihe, auch wenn dies das völlig falsche Wort ist und zurecht vermutlich jetzt falsch verstanden werden wird. Ich sehe (oder habe immer) die Bondfilme gerne als ein geschlossenes Universum, als eine Art eskapistische Parallelwelt
Das sehe ich genau so. Ich habe die Bondfilme ebenfalls immer als zusammenhängend (ergo kontinuierlich) empfunden in der Form, dass alles in einem parallelen Universum spielt, obwohl jeder Film für sich selbst steht und nie zwangsläufig eine stringente Chronologie bestehen muss (YOLT/OHMSS/DAF).

Casino Hille hat geschrieben: welches eine überschaubare homogene Masse an Filmen stellte und in sich ein organisches Gesamtbild ergab, dem der jeweils neue Film dann eben in kleinen Nuancen neues hinzufügen konnte (wie beispielsweise die von mir geliebten TB, LALD, TSWLM, MR, OP, TND oder TWINE). Und obwohl CR eben dann doch gar nicht so viel anders als seine Vorgänger ist, mag ich diesen unbedingten Willen zum anders sein nicht,
Auch hier bin ich ganz bei dir. Kontinuität geht für mich ebenfalls über das rein inhaltliche hinaus, es ist in mindestens genau so wichtigem Maße eine Frage der stilistischen Herangehensweise an die Filme – womit wir wieder beim berühmten Augenzwinkern wären.Du hast das sehr schön als „unbedingten Wille anders zu sein“ bezeichnet, genau das charakterisiert für mich dann auch die Craig-Ära und grenzt sie sehr deutlich von ihren Vorgängern ab.

Casino Hille hat geschrieben: weil ich auch nach unzähligen Sichtungen von DAD immer noch nicht feststelle, warum ein anders so unbedingt wichtig war. Klar, DAD hat sehr viele Probleme und ist insgesamt wohl eine qualitative Enttäuschung für das Franchise, aber warum dieser Wille, sich dringend davon abgrenzen zu wollen? Die Notwendigkeit erschließt sich mir nicht und ich empfinde es in Teilen durchaus als Verrat an der eigentlichen Reihe, was vermutlich von dir deshalb (so denke ich) anders gesehen wird, weil wir uns in zwei wesentlichen Punkten unterscheiden bei der Beurteilung der Prä-Craig-Ära.
Grundsätzlich denke ich sollte man hier unterscheiden zwischen wirtschaftlichem und qualitativem Ansatz. Ersterer ist messbar (wenngleich für uns nur unter Vorbehalt in Ermangelung wirklich authentifizierter Zahlen), letzterer dagegen natürlich äusserst subjektiv und hängt wie du schon richtig schriebst nicht zuletzt davon ab, als wie gelungen man die vorangehende Ära Brosnan einstuft. Man kann den zweiten Ansatz allerdings auch etwas „objektivieren“, in dem man die qualitative Einstufung bewusst aussen vor lässt und stattdessen die stilistischen Merkmale und deren Hintergründe untersucht. Ich will einmal versuchen vor allem die Hintergründe, die zum Reboot und zur Ära Craig (mit dem fehlenden Augenzwinkern) führten aus meiner Sicht näher zu beleuchten.

Die weitgehende Homogenität der ersten 16 von EON produzierten Bondfilme basiert meiner Einschätzung nach auf einer weitgehend gleichbleibenden Führungscrew. Die Bondfilme waren zu jeder Zeit „Produzentenfilme“, da das letzte Wort bei niemand anderem lag als bei Cubby Broccoli und Harry Saltzman (stimmt nicht so ganz, da auch sie letztlich abhängig waren vom geldgebenden Studio, was die Intervention David Pickers bei der Reaktivierung Connerys für DAF sehr deutlich zeigt. Dennoch waren dies eher seltene Ausnahmefälle). Inhaltliche, stilistische und organisatorische Fragen wurden idR in einem vierköpfigen Kreis gefällt: Cubby, Harry, der jeweilige Drehbuchautor und Regisseur. Wenn man bedenkt, dass Richard Maibaum bei praktisch allen Bondfilmen beteiligt war (auch bei denen, in denen er letztlich keine Nennung erhielt) und EON in 28 Jahren mit gerade mal fünf Regisseuren auskam wird sehr deutlich, wie eingespielt und eingefahren diese Entscheidungshierarchie war.

Das Ausscheiden von Co-Produzent Harry Saltzman Mitte der 70er und die damit einhergehende sukzessive Einbindung von Michael G. Wilson stellt einen deutlich wahrnehmbaren Einschnitt in diese Entscheidungsriege dar. Dies macht sich vor allem durch die Verwendung von stärker in der Realität verwurzelten Handlungselementen bemerkbar wie auch in einer zunehmenden Anzahl an „charakterdefinierenden“ Momenten. Bond wurde mehr und mehr auch als Mensch gezeigt und nicht mehr nur als die unantastbare Comicfigur. In wie weit dies alles auf Wilson zurückzuführen ist lässt sich natürlich debattieren, belegbar ist jedoch, dass er zusammen mit Richard Maibaum in den 80er Jahren die treibende Kraft für Veränderungen war, was von seinem Stiefvater Cubby oftmals gebremst wurde. So sah die originäre Drehbuchidee für TLD vor die Anfänge von James Bond vor dessen Zeit als Doppelnull-Agent bzw. dessen Weg dorthin zu zeigen: nichts anderes also als ein Reboot knapp 2 Jahrzehnte vor CR. Cubby war jedoch strikt dagegen (mit der Begründung das Publikum wolle James Bond als das sehen, als was es ihn kenne und liebe, nämlich als mit allen Wassern gewaschenen Feldagenten), wie er gerade in den 80ern sehr strikt darauf achtete, dass die Filme trotz aller Veränderungen nie zu stark von der seit den frühen 60ern etablierten Erfolgsformel abwichen (Stichwort stilistische Kontinuität).

Springen wir in die 90er: Cubby konnte aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes bzw. seines Todes nicht mehr aktiv an den Filmen der Ära Brosnan mitwirken, für ihn übernahm seine Tochter Barbara. Eine weitere schwerwiegende Zäsur in der Entscheidungshierarchie, die zudem dadurch entscheidend verändert wurde, dass es bei Drehbuchautoren und vor allem den Regisseuren der 90er und frühen 00er nur wenig bis gar keine Kontinuität gab. Stilistisch wirken die Filme dieser Phase dabei wie eine Art Mixtur aus den Veränderungsversuchen der 80er (die man in Teilen durchaus noch weitervorantrieb: z.B. in Form der „ernsthafteren“ Beziehung Bonds zu Paris und Elektra) und reaktivierten Spektakelansätzen der 60er und 70er (z.B. in Form von utopischen Weltraumwaffen, überbordender Gadgeterie, das auf dem Spiel stehende Schichsal der Welt etc.).

Wie ich ihm letztren Post schon geschrieben hatte: ganz offensichtlich waren die beiden neuen entscheidenden Kräfte noch auf der Suche nach ihrem eigenen Stil und scheinbar war die jahrzehntelange Vorgabe ihres Vaters („spielt nicht mit der Formel herum!“) zu stark prägend, als dass man sich trotz aller Veränderungen wirklich vom Stil der ersten 16 Filme entfernen konnte oder wollte. So gesehen hätte Cubby ironischerweise also auch nach seinem Ausscheiden/Tod noch die Veränderungsvorstellungen seiner Kinder indirekt ausgebremst. Vier Filme lang bewegten sich Broccoli und Wilson so irgendwo zwischen den Stühlen und die Vermutung liegt nahe, dass der zunehmende wirtschaftliche Misserfolg (trotz sich auf gleichbleibendem bzw. leicht ansteigendem Niveau bewegenden Umsätzen, die aber mit deutlich steigenden Budget teuer „erkauft“ wurden) ihrer Filme sie zwangsläufig zum Umdenken bewegte.

Man kann sich gut vorstellen, wie die Stimmung nach DAD ausgesehen haben könnte: „Wenn der Kompromiss, welcher der jahrzehnte so erfolgreichen Formel Rechnung tragen sollte nicht mehr rentabel ist, warum dann nicht gleich komplett (oder sagen wir besser bewusst) mit der Vergangenheit brechen und endlich das machen, was man eh schon immer im Sinn hatte? Warum die TLD-Idee des Reboots nicht endlich in die Tat umsetzen? Warum Bond nicht „kritikerfreundlich“ machen, indem man Figuren und Handlung sehr erst nimmt? Warum das potenzielle Publikum nicht vergrössern, indem man Bonds Ecken und Kanten (noch weiter) abschleift und ihn vor allem dank gezeigter Gefühle für weibliche Zuschauer attraktiver macht? Vor diesem Hintergrund macht die Entscheidung für einen Reboot und damit einem stilistischen Bruch mit der eigenen Vergangenheit dann durchaus Sinn, denn ich bezweifle nicht, dass Broccoli und Wilson den Weg seit der Ära Craig nicht mit voller Überzeugung gegangen sind.


Casino Hille hat geschrieben: Jedoch finde ich zumindest die ersten beiden Elemente überhaupt nicht per se verwerflich, wenn sie denn konsequent umgesetzt werden und hier attestiere ich den Brosnans eine viel bessere und "bondigere" Art und Weise, dies zu handhaben als den blondgefärbten Nachfolgern.
Verwerflich sind sie auch nur insofern, als dass sie das „fehlende Augenzwinkern“ deutlich begünstigen. Aus den genannten Gründen steht die Brosnan-Ära deutlich erkennbarer in der Tradition ihrer Vorgänger als die sehr bewusst eigene Wege beschreitende Craig-Ära. Die von dir angesprochene Konsequenz ist dann aber schon etwas, was ich bei der Brosnan-Ära vermisse. Wenn man schon eine Figur aus Bonds Vergangenheit integriert, dann sollte dies etwas mehr Gewicht und Format haben als die eher schnell vergessene Paris-Episode. Bond in Gefangenschaft ist auch ein Thema, was in DAD sehr plakativ eingeführt und sehr schnell keine wirkliche Rolle mehr für Film und Figur spielt. Aber ich will eigentlich gar nicht zu sehr ins Detail gehen und nur anmerken, dass du vollkommen recht hast, wenn du sagst dass die „neuen“ Elemente nicht per se verwerflich sind, sondern ihre jeweilige Umsetzung und die Einbindung ins Gesamtbild des Filmes entscheidend sind.

Casino Hille hat geschrieben: Theoretisch waren ja schon die ersten Bonds der 60er sehr zeitgenössische und aktuelle Filme,
Hier hatte ich neben der inhaltlichen Komponente auch den stilistischen Ansatz im Sinn. Zwar hatten die Bondfilme zu allen Zeiten gerade trendige Kinoansätze übernommen, aber als ergänzende Elemente (etwas mehr Farbe durch die „Welt der Schwarzen“ in LALD, ein paar Karate-Elemente in TMWTGG, ein bisschen SciFi in Moonraker) und nie in der Form, dass sie den Ton und Stil des gesamten Films bestimmten. Auch hier stellt der Reboot (bzw. der Film, in dem zufällig auch ein Reboot stattfindet) die grosse Zäsur dar aus den bereits genannten Gründen (wieder einmal das fehlende Augenzwinkern, man nimmt sich absolut ernst). Man kann auch darüber sinnieren, ob Broccoli und Wilson sich nicht ganz gern in der neugewonnenen kritischen Anerkennung sonnen (die zunehmende Beteiligung von „renommierten“ Kräften wie Mendes, Logan, Deakins, Bardem etc. stützt diese Vermutung) und gerade auch deshalb ihre Werke so ernst wie nur möglich nehmen, selbst als man sich dazu durchrang Konzessionen hinsichtlich der eigenen Vergangenheit zu machen (M, Q, Moneypenny, Humor).

Casino Hille hat geschrieben: Ich mochte an den Brosnanfilmen aber gerade, dass sie dieses betont klassische nicht nötig hatten, dass sie nach vorne preschen wollten, dass sie gewillt waren, Bond zu sein und Bond zu bleiben und trotzdem die Entwicklung des Kinos und der Zeit nicht zu vergessen.
Das kann ich verstehen, jedoch sind die Brosnans für mich deutlich kompromissbehafteter als ihre Vorgänger und kommen mir vor wie ein Spagat, der es allen recht machen sollte (u.a. auch dem eigenen Anspruch). Auffällig finde ich zudem die immer stärker werdende Political Correctness (die gefühlt ihren Anfang nahm ab der Dalton-Ära (auch wenn hier wenigstens noch gepafft wurde), also just in dem Moment, als Barbara immer mehr Verantwortung übernahm. Zufall?).

Casino Hille hat geschrieben:Die Craigs machen für mich eine andere Entwicklung, in CR und QOS ein eindeutiges Verwurzeln im modernen Film mit "versteckter" Bond-DNA (zumindest versuchen sie es) und Mendes scheint dann eher zurück in die 60er zu den vermeintlichen Ursprüngen der Reihe gehen zu wollen. Falsch verstandener Fanservice macht für mich die Sache komplett.
So sehe ich das auch unabhängig von der subjektiv empfundenen Qualität der jeweiligen Filme. Man hat sich für meinen Geschmack zu weit von der eigenen Identität entfernt und ist nur noch eine grossangelegte Actionproduktion unter vielen. Man hat den Eindruck, dass der Verweis auf „handgemachte Action“ als Alleinstellungsmerkmal ausreicht. Den von dir angesprochene Fanservice sehe ich ebenfalls sehr kritisch, da man gerade die beiden letzten Filme mit diversen Elementen förmlich „vollstopfte“, ohne dass sie dadurch wirklich besser wurden (braucht es wirklich eine so ausgiebige Einbindung der MI6-Crew in einem „James-Bond-Film“?)

Casino Hille hat geschrieben: Hier würde ich dann doch sagen, dass man das differenzierter sehen muss, denn wenngleich es finanziell nicht mehr so lief, wie man es sich gewünscht hätte, finde ich auch nicht, dass man von einem Zusammenbruch oder einem Einbruch des Systems sprechen kann.
Zusammenbruch sicher noch nicht, aber glaubt man den erwähnten Zahlen, dann wurde jeder weitere Film der Brosnan-Ära deutlich unrentabler und – jetzt kommt der entscheidende Punkt – trotz deutlich steigendem Aufwand. Von daher bin ich zwiegespalten…

Casino Hille hat geschrieben:und imo befand sich das Bond-Franchise 1989 dann doch auf einem erheblich heftigerem Tiefpunkt als dies 2002 der Fall war). Ein etwas besser vermarkteter, klüger produzierter und wieder etwas anderen Wind atmender Bond (meinetwegen auch ohne Brosnan, den ich aber sehr mag in der Rolle --> weitaus mehr als Craig!) hätte ganz ohne Reboot, ganz ohne neue "Ideologie" der Reihe funktionieren können.
… das die Situation 1989 wirklich kritischer war als 2002. 1989 wurden einige sehr schwerwiegende Fehler begangen, die man im Anschluss sehr bewusst vermied und allein dadurch wirtschaftlich wieder deutlich besser dastand, nämlich vor allem keine Konkurrenz mehr mit den zahlreichen Sommerblockbustern sowie erheblich aufwändigere und professionellere Marketingkampagnen. Das in Kombination mit weiteren Faktoren (neuer, massenkompatibler Darsteller, lange Pause und dadurch wieder aufgefrischte Neugierde des Publikums, modernere Grundausrichtung, neuhinzugekommene Märkte) machten den Quantensprung auf Umsatzseite erst möglich. Und dennoch wurden die Filme von mal zu mal unrentabler. Gerade die Vermarktung der Brosnan-Filme würde ich schon als vorbildhaft ansehen (nicht zuletzt durch die umfangreiche Crosspromotion mit Firmen wie BMW, Ericsson, Smirnoff etc), die einen nicht zu unterschätzenden Anteil an den erzielten Umsätzen hatte.
Casino Hille hat geschrieben: Es hätte die Radikalität, die offen zur Schau gestellte Bond-Ablehnung seitens der eigentlichen Bond-Produzenten weiß Gott nicht gebraucht, zu dem Schluss bist du selbst dann ja auch gekommen.
Sicher nicht aus Sicht des Fans der „klassischen Filme“. Aufgrund der oben angeführten Gründe kann diese Radikalität aus Sicht der Macher aber schon notwendig gewesen sein, um der Serie ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Das ist ihnen auch fraglos gelungen, fragt sich nur wie nachhaltig erfolgreich diese drastische Veränderung der Grundrezeptur sein wird.


Henrik hat geschrieben: Ob CR ohne Reboot genauso erfolgreich oder noch erfolgreicher gewesen wäre ist letztendlich Spekulation. Es scheint aber so zu sein, dass die Verleihfirma ab CR nach langer Zeit wieder einen Gewinn eingefahren hat. Demnach scheint das Reboot erfolgreich gewesen zu sein.
Es ist aber genau so Spekulation, ob eine etwaige Rentabilität aufgrund des Reboots zustande kam. Dass CR eine deutliche Umsatzsteigerung aufweisen kann ist ja unbestritten, die Gründe dafür sind sicherlich vielfältig.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Never change a running system. Unless you can make a reboot.

12
Puh, schade, dass ich so selten im Forum bin denn der AusgangsPost von Anatol hatte Potenzial für eine spannende Diskussion.
Leider komme ich jetzt etwas spät und daher ist es kaum möglich auf alles einzugehen.

Dennoch mal kurz:
Ich finde viel von dem was der geschätzte Anatol geschrieben hat ist leider ziemlich an der Realität vorbei bzw. konstruiert oder unnötig verkompliziert.

a) Erfolg der Serie:
Ich kenne die AUsgangsdiskussion nicht aber soweit ich weiß war jeder Bondfilm ein Erfolg. Die allermeisten direkt im Kino, mit Zweitauswertung, Drittauswertung und Merchandising in jedem Fall. GE lad damals mit 350 Mio sogar über den Erwartungen - war ein großer Erfolg auch im Vergleich zu anderen Blockbustern. DAD knackte sogar die 400 Mio und galt auch als großer Bruttoerfolg. Ja die Kosten explodierten, aber beim Einspiel lag DAD mit über 400 Mio immer noch gut. Außnahmen waren nur absolute Event-Bomber wie Star Wars oder Lord of the Rings (oder Titanic). Das war aber wohl seit den 60ern immer so, dass es deutlich erfolgreichere Filme gab als Bond. Mit vergleichbare Filmen wie Die Hard 3, Austin Powers, True Lies, konnte Brosnan mit seinen Filmen noch mithalten - was viele nicht erwartet hatten.

b.) Abgang von Qualitäts-Garanten:
Auch Backe, hier muss ich vorsichtig sein...
Hier gibt es für mich Licht und Schatten. Ken Adam war ein Segen, John Barry auch (aber den hätte und hatte man schon vorher oft gut ersetzt). Richard Maibaum für mich vollkommen überschätzt. Die Drehbücher waren nie die ganz große Stärke der Serie. Von anderen muss man gar nicht reden. Bin aber der Meinung, dass die Serie nach dem Reboot eher hoherwertiges Personal hinter der Kamera hat als es davor der Fall war.

c.) Homogenität der Serie vor dem Reboot
Der größte Irrtum. Die Bondfilme haben sich schon immer stark voneinander unterschieden und auch die alten Recken Saltzman und Broccoli haben SEHR OFT variiert, oder um es deutlich zu sagen: Nach dem richtigen Weg gesucht. Action, Spionage, Sci-Fi, Klamauk, Kalter Krieg, Weltraum, Romanze, Krimi... Da sehe ich mindestens genau so viel Homogenität in der ersten Wilson/Babsi Zeit (95-2002).

d.) Notwendigkeit eines Reboots
War ein Reboot "nötig": Ja und nein so wie es jeder Reboot ist oder eben nicht. Aber bei Bond war es doch nach gefühl 100 Jahren und 20 Filmen der erste Reboot und das, obwohl die Serie bis dahin dem Zuschauer abenteuerliches zugemutet hat um eine Art "Kontinuität" vorzugaukeln. Oder anders ausgedrückt: Der konsequente Reboot war viel viel viel logischer als es die bis dato praktizierte Pseudo-Kontinuität war.
Außerdem wird hier impliziert, dass ein Reboot eine Art logische Begründung brauche, was natürlich falsch ist. Ein Reboot hat üblicherweise (immer?) 2 Gründe:
1. PR: Ein Reboot wird von den Medien und auch vom Publikum anders beachtet als "just another film in the serie...". Und genau das hat wunderbar funktioniert bei CR
2. Andere Wege gehen: Auch das hat wunderbar funktioniert. Vom Drehbuch über den Darsteller bis hin zur Inszenierung konnte man bei CR bewusst andere Wege gehen, die man einem normalen Film in der Serie - ohne bewusste Reboot-Ankündigung - nicht abgenommen hätte. Man vergleiche hier nur mal die bis dato unternommenen Versuche OHMSS, FYEO, LTK. Alle wurden vom Publikum mehr oder weniger zu seiner ZEit eher kritisch weil zu andersartig gesehen.

Ich finde es etwas amüsant, dass Anatol Craig eine zeitgenössische Massenkompatibilität attestiert, wo doch grade das so stark angezweifelt wurde vor dem Film. Nein, Craig funktioniert sicher vor allem im Zusammenhang mit dem Reboot Gedanken - und hier fällt wieder auf, dass viele Leute (auch und grade Fans) gar nicht verstehen, was der Reboot wirklich ist. Ein ganz neuer Ansatz, viele emotionalere Stories, ein verwundbarer Held mit Ecken und Kanten, eine gelungene Liebesbeziehung - schlicht der erste Bondfilm der die Publikumsgrenzen des Genres WIRKLICH durchbrochen hat und einen Film gleichsam für Männer und Frauen, jung und alt geschaffen hat.

Ergo: Der Reboot war eine geschickte Methode zur richtigen Zeit neue Wege zu gehen und damit sogar noch mehr Aufmerksamkeit zu erhalten. Mission completed.

e.) Langzeitwirkung des Reboots
Soll hier impliziert werden, dass ein Reboot ein für alle mal alles nachhaltig ändern muss? Wohl kaum (siehe Gründe für einen Reboot oben). Zunächst mal hat man mit dem Reboot Dinge geändert, die auch in allen bisherigen Nachfolgern beibehalten wurdenn (mehr Ernsthaftigkeit, ein menschlicherer Bond, mehr persönliche Stories, mehr Drama, weniger Klamauk, weniger Gadgets). Das ist überdeutlich. Auch hat man den "Ballast" von dem man sich befreit hat (Q, MP,...) erst sehr langsam wieder eingeführt. CR und QOS bilden eine erzählerische EInheit um einen jugen Agenten, der seiene Gefühle beherrschen muss.
SF ist für mich fast ein Ausnahmefilm. Ich habe es schon oft gesagt: SF ist für mich "der letzte Bond ever" - so ist er angelegt, so sollte er verstanden werden. Dazu passt natürlich nicht, dass erst hier wieder Q und MP eingeführt werden. Sicher, die Tatsache, dass der grade noch grüne Agent hier ein (zu) alter Hase ist, ist unstimmig. Aber dennoch bleibt viel vom Reboot Gedanken erhalten. Und selbst der dann doch stark mit Elementen der Pre-Reboot Serie spielende SP hat immer noch deutliche Züge des Reboots und es sei es nur den höheren Anspruch an Inszenieerung.
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Never change a running system. Unless you can make a reboot.

13
AnatolGogol hat geschrieben:Man könnte (man beachte: Konjunktiv!) den Reboot als Notwendigkeit anführen, die Intention von Flemings Roman möglichst vorlagengetreu umzusetzen
Ja, das wäre (bin da wie du aber im Konjunktiv beheimatet) eine mögliche Erklärung, die man vorweisen könnte. Aber natürlich scheitert diese Sicht daran, dass man in CR Flemings Vorlage sicher nicht originalgetreu angeht, bzw. macht es in CR (also in Campbells Film) wie bereits ausgeführt kaum einen Unterschied, ob Bond jung oder eher alt ist, es ist sogar für das erste Drittel eher kontraproduktiv und unglaubwürdig.
AnatolGogol hat geschrieben:Der entscheidende Unterschied ist für mich, dass CR sich ganz offensichtlich selbst äusserst ernst nimmt
Da bin ich bei dir. Ich finde auch, dass CR und später dann auch SF sich deutlich zu ernst nehmen für einen Bond-Film, während diese eigentlich durch ihr selbstironisches Brechen mit ihrer eigenen filmischen Realität sich selbst legitimierten. Jetzt könnte man einwerfen: "Was faselt der Hille da? Der wird doch senil!", schließlich kritisiere ich besonders TLD und LTK beide gerne dafür, ihre Ernsthaftigkeit nicht konsequent durchzuziehen und besonders der von dir erwähnte Zwinkerfisch ist mir stets ein Dorn im Auge. ABER: Hier geht es mir weniger darum, dass ich TLD und LTK WIRKLICH gerne als durch und durch ernste Bonds erlebt hätte, sondern mehr, dass die Filme sich zu ernst nehmen und dann in einzelnen Sequenzen nachgeschoben versuchen, eine Bond-Identität vorzugaukeln (bei LTK wird dann eben mal ein zwinkernder Fisch nachgeschaltet, bei TLD braucht es diese völlig abstruse Autoverfolgungsjagd). Die Kritik meinerseits muss also eigentlich andersrum verstanden werden, auch wenn ich positiv sagen würde, dass ein LTK sich wenigstens noch um eine Bond-Zugehörigkeit bemüht, während CR sich dafür beinahe gar nicht mehr interessiert (selbst der triumphale Schlussmoment "My Name Is Bond... James Bond" ist für mich nicht das, was er wohl gerne wäre, auch wenn er zweifellos funktioniert). Du wirst das alles jetzt vermutlich anders sehen, weil du besonders LTK sehr schätzt, ich will damit nur verdeutlichen, dass ich deine Ansicht durchaus teile und das CR trotz seiner in meinen Augen höheren Konsequenz eben der Schritt in die falsche Richtung ist. Die Defibrilator-Szene ist übrigens wirklich schwach und wird von mir irgendwie immer übersehen, wenn ich aus der Erinnerung heraus über CR spreche.
AnatolGogol hat geschrieben:Ich habe die Bondfilme ebenfalls immer als zusammenhängend (ergo kontinuierlich) empfunden in der Form, dass alles in einem parallelen Universum spielt
Genau, so ist das. Deshalb würde ich auch Danielccs Einwurf (übrigens cool, dass du dich hier als eine Art Gegenposition beteiligst!) insofern negieren, dass eine Kontinuität bei Bond eben in gewisser Hinsicht (die mit dem Ursprungsbegriff tatsächlich weniger zu tun hat) immer gegeben war und diese sogar durchaus glaubwürdiger als in der Craig-Ära, in der Grünschnabel Craig nach 2 Filmen zu Frührentner Craig wird und wir in spätestens 3-4 Filmen eigentlich einen neuen Reboot brauchen, um diese ebenfalls Pseudomäßig konstruierte Scheinkontinuität nicht ad absurdum zu führen (was bei den alten Filmen durch ihre Zeitlosigkeit nie möglich war, jetzt aber eigentlich schon seit SP, in dem Bonds Alter plötzlich keine Rolle mehr spielte, passiert ist!).
AnatolGogol hat geschrieben: Die von dir angesprochene Konsequenz ist dann aber schon etwas, was ich bei der Brosnan-Ära vermisse.
Wenn ich das kurz ausführen darf: Was DAD und Nordkorea/Bonds Inhaftierung angeht, da bin ich bei dir, das ist leider völlig daneben gegangen und hätte überhaupt nicht sein müssen, weil es eh nicht funktioniert hat und Tamahori daran wohl kein Interesse hatte (es ist regelrecht lächerlich, wenn Bond nach 60 Minuten klammheimlich seine Licence To Kill zurückerhält und schnell der Status Quo wiederhergestellt wird, als wenn es in der halben Stunde davor irgendeinen Unterschied gemacht hätte). Aber in GE-TWINE sehe ich eine sehr konsequente Linie. Ja, die Paris Episode kann man kritisieren, ich finde aber nicht, dass sie wirklich oberflächlicher ist als Melinas Rachegedanken in FYEO (bzw. Bonds Rache für Ferrara), Solitaires zwischen den Stühlen stehen im Falle Bond vs. Kananga etc. TND ist da in bester Bond-Tradition und macht mit und aus Paris das beste, zumal die Szene, in der sie Bond im Hotelzimmer aufsucht von dieser wundervollen Musik untermalt einfach ein echtes Highlight für mich ist, stimmungstechnisch. Im Vergleich mit Craigs Ära fällt aber doch auf, wie konsequent die Brosnans insgesamt doch waren. Bond kämpft gegen ehemalige Frauen, trifft ehemalige Geliebte, verliebt sich in eine am Stockholm-Syndrom leidende Weltzerstörerin, verletzt sich, wird von M und Moneypenny hinterfragt etc. und trotzdem bleiben er als Charakter und seine Filme Bond, Eskapismus, Action-Bombast. Das könnte man auch als fehlende Konsequenz bezeichnen, in Wahrheit ist es aber natürlich das absolute Gegenteil. In der Hinsicht ist QOS den Brosnans übrigens am ähnlichsten: Wenngleich er filmisch deutlich aus den Parametern der Reihe ausbricht, bleibt er im Kern immer ein Bond-Film über DEN Bond-Charakter mit all seinen Facetten. Ergänzt um persönliche Elemente, aber nie die wichtigen Eigenschaften der Serie vergessend: "ergänzende Elemente und nie in der Form, dass sie den Ton und Stil des gesamten Films bestimmten", wenn ich dich da zitieren darf (auch wenn du etwas anderes meintest, aber die Formulierung passt mir so gut für das, was ich meine).
AnatolGogol hat geschrieben:Auffällig finde ich zudem die immer stärker werdende Political Correctness
Gut, in der Brosnan-Zeit fällt das auf (obwohl in DAD wieder gepafft wurde, Anatol). Aber dennoch haben wir noch einen Bond, der eiskalt sein kann und darf (Alec, Elektra) und die ihre eigene PC sogar selbst etwas selbstironisch auf die Schippe nimmt ("Rauchen ist ungesund" ist doch ein TND-Highlight!). Wie gesagt, wirklich störend fällt mir das erst seit CR auf, erst recht, weil die Reihe zusätzlich zu diesem Punkt massentauglicher und ernster wurde, aber an Elementen wie der PG-13 Blutlosigkeit unelegant kleben blieb (während beispielsweise wieder der von mir geschätzte TND neben LTK einer der brutalsten Bonds von allen ist).
AnatolGogol hat geschrieben:braucht es wirklich eine so ausgiebige Einbindung der MI6-Crew in einem „James-Bond-Film“?
Ralph Fiennes? Ja. Naomie Harris und Ben Whishaw? Nein.
AnatolGogol hat geschrieben:Gerade die Vermarktung der Brosnan-Filme würde ich schon als vorbildhaft ansehen
Da kann ich dir nicht widersprechen. Obwohl der unbenutzte BMW in GE sich zumindest zu offensiv als Marketing präsentiert. Aber es stimmt natürlich dennoch, was du sagst, wenn man die Filme dabei selbst außenvor lässt, dann ist das Marketing der Brosnans mustergültig und stützt deine These enorm.
danielcc hat geschrieben: hier muss ich vorsichtig sein...
Ach was! Polemisch sein bitte, mach es ruhig reißerisch und direkt, das bringt Pfeffer in den Thread. Erst recht, wenn hier bereits störende Political Correctness diskutiert wird, solltest du kein Blatt vor den Mund nehmen müssen! :D
danielcc hat geschrieben: Richard Maibaum für mich vollkommen überschätzt. Die Drehbücher waren nie die ganz große Stärke der Serie.
Das ist schon richtig, aber ich finde nicht, dass sich das seit der Craig-Ära groß geändert hat. Wirklich intelligenter sind beispielsweise SF und SP nun wirklich nicht, mehr noch zeigen sie eklatante Schwächen, die sogar so groß sind, dass sie von Mendes Regie kaum aufgefangen werden können ---> ein Umstand, der in den 22 Filmen davor nur äußerst selten auftrat. Auch der nicht zu Ende gedachte und sehr unglaubwürdige Reboot-Ansatz in CR ist vor allem ein Script-Problem und die fehlende Konsequenz der Craig-Filme ist eindeutig den Autoren anzulasten. Ferner halte ich die Dialoge in CR oder SF nicht für cleverer als sie es früher waren. Ob Richard Maibaum stark überschätzt ist, weiß ich nicht (zumal ich nicht wüsste, wer ihn eigentlich überschätzen soll), ich halte die störenden Elemente der Glen Ära eher für ein Problem von Wilson (nicht zuletzt, weil er gleichzeitig mit diesen Elementen dazu kam). Von daher kann man das so sehen, ich finde aber nicht, dass es für den Vergleich "Prä-Reboot vs. Craig-Zeit" einen großen Unterschied macht.
danielcc hat geschrieben:Andere Wege gehen: Auch das hat wunderbar funktioniert. Vom Drehbuch über den Darsteller bis hin zur Inszenierung konnte man bei CR bewusst andere Wege gehen
Aber hier ist eben die Frage: Ist man wirklich groß andere Wege gegangen (im Sinne von ein Wagnis eingehen) oder hat man die Reihe nicht einfach bloß noch stärker Richtung Mainstream geöffnet, als es vorher je der Fall war. Nicht umsonst betonst ja auch du, dass man mit CR hauptsächlich auch das weibliche Publikum ins Boot geholt hat, jung und alt vereint etc. Damit ist Bond eben sehr wohl massentauglicher, massenkompatibler geworden. Das kann ich als Fan finanziell natürlich toll finden, aber qualitativ ist es für mich eine Verwässerung der Eigenschaften der Originalreihe (und das Babsi und Wilson diese ja absichtlich abstreifen wollten, ist das größte Problem dabei!).
danielcc hat geschrieben:den höheren Anspruch an Inszenieerung
Tut mir leid, den sehe ich aber beim besten Willen nicht. Zumal eine vertracktere stilisiertere Inszenierung eben nicht zwangsläufig einen höheren Anspruch hat. Und ich finde auch einen TB, LALD oder TSWLM fantastisch inszeniert, die schlagen jeden Craig-Film in dieser Hinsicht um Längen (und sie sind nicht die einzigen). Ich bin da auch etwas überrascht, dass gerade du das schreibst, anstatt Mendes beispielsweise seine zahlreichen Kunstkniffe vorzuwerfen, die du bei anderen Regisseuren viel eher bemängelst. Und gerade Mendes inszeniert doch eher mehr Richtung Masse und Allgemeinheit, als dass er einen höheren Anspruch wählt, weshalb seine Bonds auch deutlich geleckter und Blockbuster-artiger aussehen, als die sonst immer etwas eigenwilligeren Bonds zuvor.
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Never change a running system. Unless you can make a reboot.

14
danielcc hat geschrieben: a) Erfolg der Serie:
Ich kenne die AUsgangsdiskussion nicht aber soweit ich weiß war jeder Bondfilm ein Erfolg.
(...)
DAD knackte sogar die 400 Mio und galt auch als großer Bruttoerfolg.
Bei einem Produktions- und Marketingbudget von 200 Millionen sind die verlinkten Zahlen (du warst damals ja an der diesbezüglichen Diskussion auch dabei), nach denen drei von vier Brosnan-Bonds bei Kinoauswertung für das produzierende Studio negative Gewinne einfuhren nicht gänzlich unglaubwürdig. Der Knackpunkt ist hier nicht der Umsatz, der entsprechend deiner Argumentation durchaus als Erfolg zu werten ist, sondern die Tatsache, dass diese sehr teuer "erkauft" wurde. Von daher ist die Annahme, dass gerade DAD ähnlich unprofitabel war wie z.B. AVTAK oder LTK plausibel. Eine reine Umsatzeinschätzung daher hinsichtlich der Erfolges daher nur bedingt aussagekräftig.
danielcc hat geschrieben: c.) Homogenität der Serie vor dem Reboot
Der größte Irrtum. Die Bondfilme haben sich schon immer stark voneinander unterschieden und auch die alten Recken Saltzman und Broccoli haben SEHR OFT variiert, oder um es deutlich zu sagen: Nach dem richtigen Weg gesucht. Action, Spionage, Sci-Fi, Klamauk, Kalter Krieg, Weltraum, Romanze, Krimi... Da sehe ich mindestens genau so viel Homogenität in der ersten Wilson/Babsi Zeit (95-2002).
Das ist eine legitime Sichtweise. Wie du als langjähriger Bondfan weisst gibt es aber gerade in Fankreisen viele, die den Bruch nach 1989 als sehr markant empfinden, dazu gehöre ich auch. Das ist sicherlich ein Stückweit auch Ermessenssache, das sukzessive Wegbrechen eines Großteils der Produktionsgarde sowie die neue Verantwortlichkeit innerhalb der Produktion ist für mich in den fertigen Filmen sehr deutlich spür- und sichtbar, unabhängig von Qualitätsfragen. Aber wie gesagt, sicherlich Ermessenssache und nicht zuletzt davon abhängig was man genau als bedeutsam und wichtig für eine Serienhomogenität ansieht (stichwort Drehbuchautor).

danielcc hat geschrieben:d.) Notwendigkeit eines Reboots
War ein Reboot "nötig": Ja und nein so wie es jeder Reboot ist oder eben nicht. Aber bei Bond war es doch nach gefühl 100 Jahren und 20 Filmen der erste Reboot und das, obwohl die Serie bis dahin dem Zuschauer abenteuerliches zugemutet hat um eine Art "Kontinuität" vorzugaukeln. Oder anders ausgedrückt: Der konsequente Reboot war viel viel viel logischer als es die bis dato praktizierte Pseudo-Kontinuität war.
Außerdem wird hier impliziert, dass ein Reboot eine Art logische Begründung brauche, was natürlich falsch ist. Ein Reboot hat üblicherweise (immer?) 2 Gründe:
1. PR: Ein Reboot wird von den Medien und auch vom Publikum anders beachtet als "just another film in the serie...". Und genau das hat wunderbar funktioniert bei CR
2. Andere Wege gehen: Auch das hat wunderbar funktioniert. Vom Drehbuch über den Darsteller bis hin zur Inszenierung konnte man bei CR bewusst andere Wege gehen, die man einem normalen Film in der Serie - ohne bewusste Reboot-Ankündigung - nicht abgenommen hätte. Man vergleiche hier nur mal die bis dato unternommenen Versuche OHMSS, FYEO, LTK. Alle wurden vom Publikum mehr oder weniger zu seiner ZEit eher kritisch weil zu andersartig gesehen.
Auch das kann man so sehen, den wirtschaftlichen Erfolg des Reboots habe ich ja auch nicht in Frage gestellt. Allerdings bedeutet dieser im Umkehrschluss nicht automatisch, dass mit weniger drastischen Einschnitten und ohne das Stilmittel eines Reboots nicht ein ähnlicher Erfolg möglich gewesen wäre. Ich finde deinen Vergleich auf frühere "Serienausreisser" auch eher wenig zielführend, da die jeweiligen Ausgangssituationen doch sehr unterschiedlich und nur sehr schwer vergleichbar waren. Hätte ein CR mit Craig 69 oder 89 mehr Erfolg gehabt als OHMSS oder LTK? Kaum möglich, hier eine verlässliche Antwort zu geben.

danielcc hat geschrieben:Ich finde es etwas amüsant, dass Anatol Craig eine zeitgenössische Massenkompatibilität attestiert, wo doch grade das so stark angezweifelt wurde vor dem Film.
Hier verstehe ich dein Amüsement nicht, da du Craig doch eine Massenkompatibilität immer zugesprochen hast (gerade in Diskussionen Dalton betrffend).
danielcc hat geschrieben:Nein, Craig funktioniert sicher vor allem im Zusammenhang mit dem Reboot Gedanken - und hier fällt wieder auf, dass viele Leute (auch und grade Fans) gar nicht verstehen, was der Reboot wirklich ist. Ein ganz neuer Ansatz, viele emotionalere Stories, ein verwundbarer Held mit Ecken und Kanten, eine gelungene Liebesbeziehung - schlicht der erste Bondfilm der die Publikumsgrenzen des Genres WIRKLICH durchbrochen hat und einen Film gleichsam für Männer und Frauen, jung und alt geschaffen hat.
Ich verstehe durchaus was du mit dem "Reboot" meinst, allerdings hat das was du damit verbindest, ergo ". Ein ganz neuer Ansatz, viele emotionalere Stories, ein verwundbarer Held mit Ecken und Kanten, eine gelungene Liebesbeziehung" mit dem eigentlichen Reboot nicht viel zu tun. Sicher ist diskutabel, ob dieser neue Ansatz in einem nich gerebooteten Bonduniversum auch funktioniert hätte, aber das was du der Craig-Ära als eigentlichen Erfolg zuschreibst hat mit einem "auf 0 zurücksetzen" wenig zu tun. Das zeigen auch die beiden letzten Filme sehr deutlich, die alle von dir genannten Elemente vortrugen, aber inhaltlich auch genau so in der Pre-Craig-Ära hätten spielen können.
danielcc hat geschrieben: Ergo: Der Reboot war eine geschickte Methode zur richtigen Zeit neue Wege zu gehen und damit sogar noch mehr Aufmerksamkeit zu erhalten. Mission completed.
Das ist sicher ein Punkt, allerdings denke ich dennoch, dass Broccoli und Maibaum noch andere Motivationen jenseits von rein kommerziellen Überlegungen hatten. Dafür ist die Kehrtwendung hin zum "kritikerfreundlicheren" Film doch zu offensichtlich.
Casino Hille hat geschrieben:Ja, die Paris Episode kann man kritisieren, ich finde aber nicht, dass sie wirklich oberflächlicher ist als Melinas Rachegedanken in FYEO (bzw. Bonds Rache für Ferrara), Solitaires zwischen den Stühlen stehen im Falle Bond vs. Kananga etc.
Der Unterschied für mich ist, dass Paris Bedeutung für Bond lediglich behauptet wird während sowohl Melinas Rachegeschichte als auch Solitaires Dilemma innerhalb des Films auf- und ausgebaut wird. Man muss die so verkauften Geschichten nicht glaubwürdig finden, aber zumindest zaubert der Film seine Motivationen und Hintergründe nicht einfach aus dem Hut. Auch wenn ich meine Bondfilme am liebsten autonom und in Bezug auf die Handlung unabhängig von Vorgängern habe, so wäre in diesem speziellen Fall die Reaktivierung eines früheren Bondgirls (Natalya) sinnvoller und vor allem glaubwürdiger gewesen. Es ist weniger die Tatsache, dass ich eine wichtige Frau aus Bonds Vergangenheit nicht für glaubwürdig erachte, als mehr dass der FIlm kaum Anstalten macht diese Bedeutung wirklich herauszuarbeiten. Ein paar Worte von M und Dialoge zwischen Paris und Bond sind mir da einfach zu wenig.
Casino Hille hat geschrieben:Gut, in der Brosnan-Zeit fällt das auf (obwohl in DAD wieder gepafft wurde, Anatol).
Die eine Zigarre zählt da aber nicht so recht, auch weil das Cuba-Klischee so zielsicher bedient wurde (klar, DAD halt). Aber immerhin.

Die zunehmende PC macht sich wie ich finde sehr deutlich in der Beziehung Bond-Bondgirl bemerkbar. Alles ab FYEO ist diesbezüglich schon ein erkennbarer Bruch. In der Brosnan-Ära ist das dann durchgängig so, jedes Bondgirl muss Bond mindestens intellektuell ebenbürtig sein (was zu solch Kuriositäten wie Christmas Jones, pardon Dr. Christmas Jones, führt), am besten aber auch gleich noch physisch. Auch wenn ich mir hier als Chauvi oute, aber mir fehlen die blossen, nett anzuschauenden Anhängsel früherer Zeiten.
Casino Hille hat geschrieben:
AnatolGogol hat geschrieben:braucht es wirklich eine so ausgiebige Einbindung der MI6-Crew in einem „James-Bond-Film“?
Ralph Fiennes? Ja. Naomie Harris und Ben Whishaw? Nein.
Ich finde auch Fiennes braucht keine Screentime, die über das klassische Briefing, eine Szene während des Films und der obligatorischen Schlussszene hinausgeht. Das lenkt nur vom Kern des Ganzen, Bond, ab. Ich persönliche brauche keine MI6-Entourage, die ebenfalls beweisen muss, dass sie es als Feldagenten drauf haben.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Never change a running system. Unless you can make a reboot.

15
Casino Hille hat geschrieben:
danielcc hat geschrieben:den höheren Anspruch an Inszenieerung
Tut mir leid, den sehe ich aber beim besten Willen nicht. Zumal eine vertracktere stilisiertere Inszenierung eben nicht zwangsläufig einen höheren Anspruch hat. Und ich finde auch einen TB, LALD oder TSWLM fantastisch inszeniert, die schlagen jeden Craig-Film in dieser Hinsicht um Längen (und sie sind nicht die einzigen).
Aber jetzt echt nicht.

Leider fehlt mir die zeit um darauf genauer einzugehen.