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von AnatolGogol
Agent
„He always runs while others walk“ – Ihr ahnt es schon heute nehme ich mir den guten alten TB vor. Also jenen Film der den Höhepunkt der Bondmanie in den 60ern markierte und derart stilprägend für viele folgende Bondfilme und Epigonen werden sollte. Unbestritten ein Klassiker innerhalb der Bondserie. Gleichzeitig aber auch ein gutes Beispiel dafür, dass ein Film auch trotz vieler Schwächen diesen Status erlangen kann.
Markierte bereits GF die Wende hin zu immer extravaganteren Abenteuern verglichen mit den so häufig als „bodenständige Spionagegeschichten“ bezeichneten beiden Erstlingen, so wurden mit TB endgültig die Weichen hin zum hochbudgetierten und überlebensgroßen Spektakel gestellt. Seinen unbestrittenen Klassikerstatus innerhalb der Serie hat TB folglich auch eher der Etablierung vieler später zum Standard werdender Elemente (Weltbedrohungsszenario, deutlich mehr exklusive Schauwerte, deutlich mehr Bondgirls, deutlich mehr Gadgets, deutlich mehr Albernheiten etc.) zu verdanken als seiner tatsächlichen filmischen Qualität.
An der Besetzung des Films gibt es eigentlich kaum etwas auszusetzen. Connery spielt die Rolle nach wie vor überzeugend und voller Schwung. Er wirkte schwerer als noch in den Vorgängerfilmen (und war es aufgrund des zunehmenden „süssen“ Lebens wohl auch), machte aber immer noch einen athletischen Eindruck, was bei den vielen Wasserszenen auch unbedingt erforderlich war. Adolfo Celli spielt den Mafiosi Emilio Largo eindrucksvoll, überzeugt vor allem auch physisch völlig in der Rolle. Die Szenen mit Connery geben ihm viel Gelegenheit, seiner Rolle Markanz zu verleihen. Dadurch dass seine Figur gleichermaßen physisch wie geistig stark angelegt ist (letzteres wird vor allem durch die Szene im Spectre-Hauptquartier unterstrichen) überzeugt er als ernstzunehmende Gefahr für Bond. Claudine Auger gibt ein rasantes Bondgirl ab, optisch ein Genuss und auch schauspielerisch für ihre Rolle ausreichend. Glücklicherweise hielten sich ihre schauspielerisch fordernden Szenen in Grenzen, da gerade die Strandszene mit Bond in der Beziehung nicht so wirklich überzeugend ist. Daher ist es eigentlich nicht weiter verwunderlich, dass Luciana Paluzzi als Spectre-Killerin Fiona Volpe den deutlich einprägsameren Eindruck hinterlässt. Sie überzeugt gänzlich in ihrer Rolle, sie manipuliert, tötet und liebt wie sie es will und ist so quasi das böse weibliche Gegenstück zu Bond.
TB ist von der Optik deutlich mondäner und edler als noch GF, vor allem durch die Wahl des Schauplatzes Bahamas kam deutlich mehr Exklusivität in die Bondserie. Die Story mit den entführten Atombomben wurde sowas wie die Blaupause vieler folgender Bondabenteuer. Erstmals in einem Bondfilm entwickelte sich dadurch ein Weltbedrohungsszenario, welches in den 60ern durch Kubakrise und Kalten Krieg einen erschreckend realen Hintergrund hatte. Die Idee mit dem Sanatoriumsaufenthalt, durch den Bond quasi versehentlich in die Geschichte hineingerät gefiel mir schon immer gut. Shrublands gibt Connery jede Menge Gelegenheit für alberne Scherze (wie auch die deutsche Synchro gerade hier zu Höchstform aufzulaufen versteht), bildet aber auch einen tollen Hintergrund für Bonds Spionagetätigkeit (gerade die Szene in Mr Angelos Zimmer ist sehr spannend gemacht). Die Entführung des Bombers ist für damalige Verhältnisse unglaublich realistisch und spektakulär gemacht. Hier zeigt sich jedoch bereits auch das große Manko des Films, nämlich dass die Unterwasserszenen deutlich das Tempo des Films verlangsamen.
Der große Konferenzraum ist sicherlich ein weiterer Höhepunkt in Ken Adams Arbeit, er verleiht dem Unternehmen Feuerball den gebührenden Rahmen. Ab dem Zeitpunkt, an dem die Handlung auf die Bahamas überwechselt verliert der Film merklich an Tempo und auch etwas an Pfiff. Zwar sind die ganzen Nachforschungen und das gegenseitige Belauern zwischen Bond und Largo schön in Szene gesetzt, aber dennoch passiert hier sehr wenig in recht langer Zeit. Wirklich problematisch empfand ich schon immer die Junkanoo-Szene, die mir persönlich zu lang und für eine Verfolgung auf Leben und Tod viel zu unspannend daher kommt. Auch die Auflösung mit Fionas Tod ist bis auf Bonds bissigen Kommentar auch eher enttäuschend. Leider ist auch der Rest des Films nicht wirklich besser, es folgt die schon angesprochene Strandszene mit Bond und Domino mit einer ziemlich chargierenden Claudine Auger (mit so Dialogperlen wie „Du bist verheiratet, hätte ich mir denken können“ oder „Versprich mir, Largo muss auch dran glauben“, für die die gute Claudine zwar nix konnte, die sie aber auch alles andere als glaubwürdig spielt) und die sich wie Kaugummi ziehende große Unterwasserschlacht. Letztere ist viel zu lang, teilweise viel zu unübersichtlich und auch reichlich spannungslos inszeniert. Hier wäre weniger mehr gewesen, aber man erlag der Versuchung eine nie dagewesene Unterwasserschlacht mit allem drum und dran zu bieten. Der finale Showdown auf der Disco Volante erinnert in seinen besten Momenten an die Schlägerei im Orientexpress, krankt aber enorm an den mehr als lächerlich wirkenden künstlich beschleunigten Aufnahmen der Disco.
Eine Beurteilung von TB ist letztlich keine so einfache Sache. Auf der einen Seite bietet der Film vieles nie Dagewesenes, überzeugt gerade im ersten Drittel als spannender Agententhriller, liefert teilweise unglaubliche Unterwasseraufnahmen und hat enorm exklusive Schauwerte. Ebenfalls überzeugen kann die Besetzung, wenn gleich sie in Summe nicht das ganz hohe Niveau des Vorgänger GF erreicht. Auf der anderen Seite krankt nahezu der halbe Film an einem enormen Tempoproblem. Zum einen dadurch, dass im zweiten Filmdrittel verhältnismäßig wenig passiert. Mehr aber noch dadurch, dass in der letzten halben Stunde die durchaus auch heute noch beeindruckenden Unterwasserszenen viel zu lange und auch deutlich zu spannungsarm in Szene gesetzt wurden. Wenn man bedenkt, dass der erste Rohschnitt noch weit über drei Stunden lang war kann man letztlich nur froh sein und Peter Hunt danken, dass der Film dennoch in der 2 Stundenversion über weite Strecken überzeugen kann. Es ist auch merkwürdig, dass ausgerechnet Terence Young für den „mäandernden“ TB verantwortlich ist, gerade die zweite Filmhälfte will so gar nicht zu den sehr straffen DN und FRWL passen. TB ist auch in meinen Augen der Film, mit dem die Zeit am wenigsten gnädig umgegangen ist. Was damals unfassbar spektakulär wirkte (vor allem natürlich die Unterwasseraction) wirkt heute eher unscheinbar und manchmal sogar langweilig oder im schlimmsten Fall gar peinlich (wie der „upspeed“ der fliehenden Disco). Insgesamt überwiegt für mich aber der positive Eindruck aufgrund der genannten Stärken, daher 7 / 10.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"