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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Habe gerade noch einmal Hannes Review gelesen und muss mich dem größenteils anschließen, aber lest selbst:
James Bond - 007 jagt Dr. No
9 Jahre war es gerade mal her, dass der britische Lebemann und Ex-Geheimdienstler Ian Fleming seinen ersten Kriminalroman "Casino Royale" veröffentlicht hatte, schon folgte die Adaption seines Romanhelden James Bond, Geheimagent im Auftrag der britischen Regierung mit der 00-Lizenz zum Töten, fürs Kino. Die Produzenten Albert R. Broccoli und Harry Saltzman taten sich zusammen, um mit den erworbenen Rechten Geld zu verdienen und erwählten den Roman "Dr. No" für ihre erste Verpfilmung des Materials. Wie viel es letzten Endes werden würde, konnten sie nicht ahnen, doch das eine Filmreihe aus "007 jagt Dr. No" werden sollte, dessen waren sie sich von Anfang an bewusst. Für die Verpflichtung eines der heute berühmtesten Protagonisten der Filmgeschichte wählte man nach einem langwierigen Casting den unbekannten und von Ian Fleming wenig favorisierten Schotten Sean Connery. Das er es ist, der aus diesem Film das großartige Meisterwerk der Filmgeschichte machte, als das es heute gilt, ist wohl die Ironie, die die Geschichte schreiben wollte.
Connerys kaltblütiger Gentleman-Agent 007 ist im Detail das Vorzeigemodell eines professionellen Killers, wenn auch im Auftrag der Regierung. Ohne moralische Bedenken verfolgt er eiskalt sein Ziel und nimmt sich auf dem Weg dorthin allerhöchstens mal kurz für einen Wodka Martini oder eine hübsche Dame Zeit. Wehrlose Gegner werden erschossen oder massakriert, weil das nun einmal so sein muss, der britische Weltenretter entpuppt sich als Pragmatiker. Doch trotz dieser Charakterzüge schaffen Connery und Regisseur Terence Young das Kunststück, uns diesen Mann nicht fremd werden zu lassen. Zwar vermeiden sie es auch, Bond als Charakter wirklich tief zu zeichnen, sondern stellen lieber ausführlich seinen verschwenderischen Lebensstil dar, doch das brauchen sie auch gar nicht, denn sein Hauptdarsteller füllt die Rolle auch ohne eine näher beleuchtete Persönlichkeit mit soviel Leben, dass es ein Vergnügen ist, ihm bei den Ermittlungen zuzuschauen.
Als zweiter Protagonist fungiert unter Youngs inszenatorischen Händen der Handlungsort Jamaika. Mit wundervollen und authentischen Landschaftsaufnahmen und einem gehörigen Schuss Exotik begeistern die ersten zwei Drittel des 100-minütigen Abenteuerkrimis und erzeugen eine angenehme Urlaubs-Atmosphäre, die der Spannung und der interessanten Detektiv-Geschichte aber nie im Weg zu stehen droht. Mit der Bezeichnung Abenteuerkrimi fasst man den Film ohnehin so passend zusammen, wie es nur möglich sein könnte. "007 jagt Dr. No" hat zwar auch eine Autoverfolgungsjagd und mehrere überzeugende Kampfszenen, doch die Stimmung des Filmes lässt zu keinem Zeitpunkt Actionfeeling aufkommen und auch die Erzählweise ist angenehm ruhig und dennoch bestimmt. Mit Jack Lord als Felix Leiter von der CIA bekommt Bond dann auch relativ früh einen angemessenen Nebenpart zugeteilt, der ihn an Coolness zwar etwas nachsteht, aber der Handlung einen weiteren wichtigen Impuls verleiht. Positiv hervorzuheben ist außerdem auf jeden Fall der ikonische Score, der zu Recht als Meisterstück der Filmmusik gilt. Passend zu den atemberaubenden Bildern und der jamaikanischen Kulisse unterstreicht er hervorragend das Geschehen und bekommt die Mischung aus bedrohlich, geheimnisvoll und ausgelassen beinahe perfekt in Griff.
Nach den ersten fast unschlagbaren 60 Minuten verliert das Abenteuer allerdings ein wenig an Fokus. Mit Ursula Andress als schönen, aber naiven Kampfamazone und dem stark aufspielenden Joseph Wiseman als größenwahnsinniger Dr. No kommen zwei für das Finale des Filmes ungeheuer wichtige Nebencharaktere deutlich zu spät und schaffen es so nie, im Film richtig anzukommen. Außerdem entscheidet sich Young, mit der Gefangenschaft von Bonds in der letzten halben Stunde auch den Zuschauer von der Außenwelt abzukapseln. Dieser Kniff hat sowohl positive als auch negative Seiten. Positiv an diesem Umstand ist, dass die Bedrohlichkeit der Situation für unseren Helden spürbar wird und wir uns umso mehr in ihn hineinversetzen können. Leider aber geht dabei auch viel von der Atmosphäre und dem Flair verloren, den man vorher so lieb gewonnen hatte. Strand, Sonne, Party und Karibik - das alles verliert sich, wenn es in Dr. Nos Festung geht und ein wenig zu sehr sehnt man sich diese Eigenschaften zurück, während der Film schon unaufhaltsam seinem Ende entgegen rast. Zwar ebbt auch hier durch Wisemans und Connerys geniale Darstellungen sowie die beeindruckenden Sets von Ken Adam das Interesse am großen Ganzen nie ab, doch insgesamt bleibt am Ende der Eindruck stehen, dass man den letzten Part zwangsläufig im Studio drehen musste, nach dem man die Außenaufnahmen abgefilmt hatte. Ob es tatsächlich finanzielle Hintergedanken hatte oder Youngs Plan schlussendlich einfach nicht ganz aufgegangen ist, lässt sich nur schwer feststellen, doch Gott sei dank ist "007 jagt Dr. No" ansonsten ein Film, der so gut ist, dass man ihm diese Schwächen gerne verzeihen mag.
Fazit: "007 jagt Dr. No" verspricht der Titel und diese Jagd ist mit Sicherheit ein Unikat ihrer Zeit. Gleichzeitig entführt sie ihre Zuschauer aber auch in eine vergangene Ära und mitten in die Stimmung der Kuba-Krise und anbrechenden Swinging-Sixties, welche auch heute noch faszinieren. Das allein erreicht schon die Schlichtheit und charmante Naivität von Bonds erstem großen Leinwandabenteuer. Doch ein solcher Film verlangt auch immer einen starken Gegenspieler und trotz der treffenden Besetzung von Joseph Wiseman bleibt dieser etwas steif und zurückgenommen und kann außer in dem kurzen, dafür aber genialen Dialog mit 007 nie so richtig seine Motivation klar machen. Schicke Sets, zynische Sprüche, ein eiskalter Held, exotische Drehorte und eine gut inszenierte Verfolgungsjagd. Mehr erwartet der Filmfan nicht und das alles bekommt er hier in Perfektion. Harry Saltzman und Albert R. Broccoli haben dennoch nie wirklich an einen Erfolg geglaubt und wurden von den mehr als zufrieden stellenden Einspielergebnissen erfreulicherweise überrascht. Von diesen euphorisiert und gestärkt machten sie sich schlagartig daran, weitere Romane von Fleming für den Kinoausflug vorzubereiten. James Bond, und damit eines der größten Kinofranchises aller Zeiten, war geboren!
9/10
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Let the sheep out, kid.