Re: Zuletzt gesehener Film

9151
Ja, das ist dann wirklich rein akademisch. Das habe ich mir abgewöhnt. Ob die Macher aus Dummheit, oder intellektueller Verschränktheit ihr Publikum nicht erreichen, ist im Endergebnis Jacke wie Hose. Ein Film muss irgendwie Zugang finden (denn er ist für ein konsumierendes Publikum gemacht), sei es emotional (spannend, berührend, lustig), oder intellektuell (bringt zum Nachdenken und wirkt lange nach), wobei ich generell die erste Variante bevorzuge.
http://www.vodkasreviews.de

https://ssl.ofdb.de/view.php?page=poste ... Kat=Review

Re: Zuletzt gesehener Film

9153
iHaveCNit: Green Book (2019)
31.01.2019


Eine schöne Ausbeute gab es schon für „Green Book“ - 3 Golden Globes und 5 Oscarnominierungen mit guten Chancen, den ein oder anderen davon zu holen. Gerade in Anbetracht einiger Vorschusslorbeeren und auch diesem Erfolg war es klar, dass ich mir „Green Book“ auch im Kino ansehen werden. Und „Green Book“ konnte mich durchgehend so gut unterhalten und die Stimmung war auch blendend, so dass der Film bis jetzt der beste ist, den ich dieses Jahr sehen konnte.

Der Italo-Amerikaner Tony „Lip“ Vallelonga arbeitet als Türsteher in einem Nachtclub und schlägt sich mit Gelegenheitsjob rum, um seine Familie zu ernähren. In einer auftragsfreien Zeit kommt für den einfach gestrickten Mann aus der Arbeiterklasse ein interessantes Job-Angebot. Er soll den hoch angesehenen und virtousen Pianisten und Afroamerikaner Dr. Don Shirley auf einer Tour durch die Südstaaten als Fahrer begleiten. Der Trip wird für beide nicht einfach, denn wir befinden uns im Amerika des Jahres 1962 und Rassentrennung ist immer noch allgegenwärtig. Doch ein kleines grünes Buch ist in diesen Zeiten eine große Hilfe. Während des Trips entfaltet sich zwischen den beiden ungleichen Männern eine ganz spezielle Beziehung.

Das grüne Buch lautet eigentlich „The Negro Motorist Green Book“ und ist ein Reiseführer, der von den 30ern bis in die 60er hinein ein wichtiger Begleiter für Afroamerikaner war, um der Scham zu entgehen, Hotels, Restaurants und andere Etablissements aufzusuchen, die nur den Weißen vorbehalten waren. Diese harte Rassentrennung wird hier im Film sehr stark dargestellt, wenn z.B. Don Shirley in gewissen Etablissements einen Auftritt absolviert, aber dann dort nicht die richtige Toilette benutzen oder auch nicht in einem Restaurant dinieren darf. Solche Momente gibt es im Film immer wieder und er gibt sich auch nicht die Mühe, uns das subtil zu zeigen, sondern driftet dabei gerne mal ins Plakative ab. Das passt aber im Kontext zum gesamten Film. Zum Glück wurde im Jahre 1964 der Civil Rights Act von der Johnson-Administration veröffentlicht, der das Problem der Rassentrennung per Gesetz aufgehoben hat, auch wenn es bedingt durch Vorurteile natürlich heutzutage immer noch aktuell ist. Neben diesem Thema ist aber auch klar das Doppelpack aus Viggo Mortensen und Mahershala Ali die absolute Stärke des Films. Beide spielen ihre Charaktere wunderbar und die Chemie passt einfach richtig gut. Gerade der Kontrast des aus einfachen Verhältnissen stammenden Tony „Lip“ Vallelonga und des sehr eloquenten Dr. Don Shirley. Wobei es natürlich wie bei jedem Film auch die Frage ist, aus welcher Sicht sie erzählt wird. Der älteste Sohn von Tony hat die Geschichte geschrieben und dort ist ein Tony vielleicht etwas zu weichgespült und die Freundschaft etwas zu hochstilisiert worden. Das tut für mich jedoch keinen Abbruch. Auch wenn die Dialoge stellenweise etwas tragisch und dramatisch sind, so überwiegt der herrliche Humor des Films, der einen mit einem sehr tollen Gefühl aus dem Film verabschiedet. Gerade vor allem dieses sehr gefühlsbetonte Kino hat mich super unterhalten, emotional ergriffen und dazu gepaart mit einer wunderbaren Stimmung im Kinosaal den schönsten Kinobesuch in diesem Jahr beschert.

„Green Book“ - My First Look – 10/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9155
iHaveCNit: Plötzlich Familie (2019)
02.02.2019


Jolie, Cosmopolitan, Petra – diese Namen bekannter Printmedien für Frauen- und Lifestyle-Themen sind mir während dem Schauen des Trailers im Trailer entgegen gesprungen. Da war ich erst kritisch, ob die dort getroffenen Aussagen wirkliche Aussagekraft haben, aber ich habe mich ohnehin für den Film interessiert, so dass ich nun ins Kino gegangen bin. Der Film mit Mark Wahlberg und Rose Byrne basiert auf persönlichen Erfahrungen des Regisseurs Sean Anders und thematisiert Adoption auf sehr schöne ausdifferenzierte Art.

Peter und Eleonore Wagner sind ein Ehepaar, die gemeinsam mit der Restaurierung von Häusern beschäftigt sind. Während im Bekannten- und Familienkreis mittlerweile jeder Kinder hat, ist die Ehe von Peter und Ellie kinderlos geblieben. Doch eines Tages entscheiden sich beide an einem Adoptionsprogramm teilzunehmen und lernen dabei die junge Teenagerin Lizzy und ihre beiden Geschwister Juan und Lita kennen und entschließen sich, die 3 Kinder bei sich aufzunehmen. Als die Kinder bei ihnen einziehen und der Alltag beginnt, stellen beide fest, dass es doch nicht so einfach ist, wie sie gedacht haben und es tun sich diverse Konflikte auf.

„Plötzlich Familie“ ist eine tolle Mischung aus Drama und Kömodie. Für den ein oder anderen kann eine solche Mischung ein zweischneidiges Schwert sein. Für den einen ist das ausgewogen – für den anderen kann sich der Film nicht für eine Richtung entscheiden. Für mich ist der Film auf jeden Fall ausgewogen. Und sehr unterhaltsam und emotional. Schön, dass der Film auf persönlichen Erfahrungen des Regisseurs basiert und somit der Film sehr authentisch und ausdifferenziert rüber kommt. Es ist keine klassische Slapstick-Komödie, auch wenn es manchmal zu sehr hektischen, überdrehten und tollpatschigen Situationen kommt, die danach anmuten könnten. Der Film ist sehr leicht- und warmherzig – ein richtiger Wohlfühlfilm für die ganze Familie – und die Ereignisse des Films sind dann auch mal nicht unbedingt vorhersehbar und treffen einen dann auch mal sehr emotional. Mir hat vor allem die Chemie zwischen denen wie immer aufspielenden Mark Wahlberg und Rose Byrne gefallen und auch Isabela Moner, die hier die jugendliche, sich gerade in der Pubertät befindliche Lizzy spielt, liefert mit ihrer Figur eine richtig tolle Performance. Gerade ihr Charakter liefert eben einen noch weiteren interessanten Blick auf das Thema.

„Plötzlich Familie“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9156
Split, M. Night Shyamalan, 2017

Ich werde mich mal wieder an einer kleinen Rezension versuchen und da ich gestern Abend "Split" sah, der durch „Glass" gerade erst wieder an Bedeutung gewonnen hat, denke ich das das mal ein passender Anlass dafür ist. „Glass" (2019) habe ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesehen, genauso auch nicht „Unbreakable" (2000). Ich denke beide Filme werde ich in Zukunft noch sichten.

Nun aber zum Film: In den letzten Monaten und Jahren habe ich vor allem das Horror- und Psychogenre etwas für mich erschlossen, sowohl über alte Klassiker wie „The Shining" (1980), aber auch durch moderne Filme wie „Get Out“ (2017). Horror bietet immer wieder innovative und vor allem intellektuelle und cineastische Möglichkeiten, die meiner Meinung nach z. B. das Genre der Actionfilme nur stark eingeschränkt in Anspruch nehmen kann. Und mit einer dementsprechenden Erwartung ging ich an „Split“ heran, regulierte diese aber, das der Film von Shyamalan kommt (Stichwort „Die Legende von Aang, die Serie hab ich als Kind geliebt, sein Film war… naja…).

Aber größtenteils konnte der Film meine Erwartungen einholen, McAvoy spielt grandios, auch sonst der Cast weiß was er tut. Das Set, vor allem die Behausung von, nennen wir ihn zur Vereinfachung mal Kevin, war mir etwas zu stereotypisch gehalten, und drängt dadurch die Thematik in den Untergrund und verkapselt sie außerhalb unserer Welt. So war diese Setwahl nicht grottenschlecht, aber vielleicht etwas zu einfach und zu klischeehaft.
Die Dialoge sind mal durchschnittlich gehalten, manche Szenen stechen aber vor allem durch sie heraus. Hier schafft Shyamalan seine Botschaft und die Atmosphäre des Films zu transportieren, was vor allem in den letzten Szenen des Films deutlich klarer gelingt.
Immer wieder versucht der Film kafkaeske Ideen anzureißen. Ob das gelungen ist ist denke ich Geschmackssache, ich fand es gut.
Am Ende des Films kam ich, trotz teilweise etwas plumper Erzählweise und Stereotypisierung, zu der Meinung einen guten Horrorfilm gesehen zu haben, der über die reine Unterhaltung versuchte hinauszukommen und Botschaft und gesellschaftliche Problematik (eine Gesellschaft der Verschlossenen Gefühle und das Risiko dahinter) versuchte mit einzubinden. Und Shyamalan dachte sich: „Hold my Script“. Denn all das was man bis hierhin gesehen hatte, sollte in einem einzelnen Satz gebündelt werden, auf ihn zulaufen und einen sehr verblüffenden Twist verursachen. Wer wissen will, was für ein Twist das ist sollte sich „Split“ anschauen, empfehlenswert ist er auf jeden Fall.


Ich habe lange keine Rezension mehr geschrieben, deshalb würde ich mich sehr über Feedback freuen. Ich habe auch in diesem Fall bewusst eher kürzer geschrieben, da ich mich da erst einmal wieder rein finden muss.
Außerdem würde ich gerne wissen, wie ihr den Film fandet, falls ihr ihn schon gesehen habt.

Schönen Sonntag euch noch :)
Zuletzt geändert von Niklas am 4. Februar 2019 18:02, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Zuletzt gesehener Film

9157
Hey Niklas! Echt super, dass du wieder zurück bist! Habe Split noch nicht gesehen, aber grade deine Rezension gelesen und muss dir mal ein Kompliment aussprechen, sehr schön geschrieben! Scheint, als hättest du in der forenlosen Zeit kräftig geübt, ich fand‘s sehr viel besser zu lesen als deine früheren Kritiken. (Die ja aber natürlich auch nicht schlecht waren.) Ich müsste eigentlich auch mal wieder was längeres zu einem Film schreiben, ist schon ewig her...
"Hiermit kündige ich meine Mitgliedschaft!" - "Wir sind kein Countryclub, 007!"

Re: Zuletzt gesehener Film

9159
Nico hat geschrieben: 4. Februar 2019 00:46 Hey Niklas! Echt super, dass du wieder zurück bist! Habe Split noch nicht gesehen, aber grade deine Rezension gelesen und muss dir mal ein Kompliment aussprechen, sehr schön geschrieben! Scheint, als hättest du in der forenlosen Zeit kräftig geübt, ich fand‘s sehr viel besser zu lesen als deine früheren Kritiken. (Die ja aber natürlich auch nicht schlecht waren.) Ich müsste eigentlich auch mal wieder was längeres zu einem Film schreiben, ist schon ewig her...
Erstmal danke für dein Feedback :)
Ich muss auch gestehen, dass ich in der forenlosen Zeit mich trotzdem viel mit Filmen auseinandergesetzt habe und ich habe sehr viele Filme nachgeholt, bzw. bin nach wie vor am Nachholen alter Klassiker, alt oft in Anführungsstrichen. Man merkt einfach, dass man dann mit der Zeit ein ganz anderes Verständnis für Filme bekommt und noch mal ganz anders mit der Leidenschaft umgehen kann.
Ich denke mein Plan für die Zukunft ist folgender: Ich werde jetzt versuchen hier möglichst einmal die Woche eine Kritik hochzuladen, mit der Zeit dann vielleicht auch wieder längere. Und wenn ich dann merke, "jetzt bin ich auf dem Level was ich mir als Ziel gesetzt habe", werde ich mal schauen das ich mich an die Königsdisziplin der Bondrezensionen ran wage und vielleicht dann mal nach und nach meine alten Kritiken durch aktuelle ersetze.
Also wundert euch nicht, wenn ich jetzt hier immer mal wieder Rezensionen hochlade, mir hat es Spaß gemacht endlich mal wieder über einen Film zu schreiben :)

Re: Zuletzt gesehener Film

9160
Live by Night.

Ungefähr zwei Jahre nach seinem Kinostart, kam ich endlich dazu Ben Afflecks „Live by Night“ zu sehen. Und ich muss sagen, dass ich die Kritiker dieser Welt genauso wenig verstehen kann, wie das Publikum. Der Film wurde ein großer finanzieller Misserfolg und von Kritikern mittelmäßig bis schlecht aufgenommen. Beides kann ich nicht verstehen. Es handelt sich hier weder um einen experimentellen Arthpusestreifen, der aufgrund seiner Machart keine Zuschauermassen für sich begeistern könnte, noch ist er inhaltlich leer oder dämlich, sodass es Anlass für Kritiker gäbe zu meckern.
Stattdessen wird hier die Geschichte eines Gesetzlosen aus den späten 1920 und frühen 1930er Jahren erzählt, der kein Gangster sein will, es auf seine Art und Weise aber natürlich trotzdem ist. Es gibt kein bestimmtes Thema, dem der Film folgt, sondern es werden viele Themen angeschnitten und verknüpft. Es geht um Hass und Liebe, um Vergebung und Vergeltung um Aufstieg und Fall, Macht und Unterdrückung. Man könnte nun natürlich bemängeln, dass „Live by Night“ durch diese Vielzahl an Themen überfrachtet wäre, tatsächlich wirkt die Geschichte aber dadurch glaubhaft. Kaum einer lebt ein Leben, das nur von einem Thema bestimmt wird, stattdessen bewegen uns viele Dinge.
„Live by Night“ ist durchgehend interressant und schafft es zum Ende hin mehrfach den Zuschauer zu überraschen. Nicht mit übertriebenen Twists, die alles bisher gesehene ins Gegenteil verkehren, sondern mit Entwicklungen, die überraschen, Situationen, die sich plötzlich wandeln und dem plötzlichen anknüpfen an bereits lange zurückliegende Handlungsstränge. Der Film bietet einen gesunden Mix aus Spannung, Romantik, Action und Humor und präsentiert es in einem vollkommen unverbrauchten Setting. Es bräuchte mehr derartige Filme, doch leider ist dieses Segment der Mid-Budget Filme leider am Aussterben. Schade drum.

8/10
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: Zuletzt gesehener Film

9162
Ich fand den etwas bieder inszeniert mit viel Voice-Over, und Afflecks Darstellung hölzern, in Gone Girl und Accountant hat sein limitiertes Spiel viel besser reingepasst. Aber durchaus unterhaltsam und die grosse Schlussballerei war gut. 6/10

EDIT: Schönes Kurzreview von Nami, vor allem der Punkt mit den verschiedenen Themen ist etwas was ich oft in Filmen erlebe, wenn auch nicht unbedingt in Live by Night. Und das Setting ist wirklich cool, nicht zuletzt deshalb hat mich die Actionszene am Ende etwas an Klassiker wie Getaway, Bonnie & Clyde und The Untouchables erinnert.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

9163
Der kam doch beinahe noch zu gut weg und man muss sich schon fragen, wie Affleck nach Town und Argo so eine Gurke abliefern konnte, der es an nahezu allem fehlt: Atmosphäre, Raffinesse, Gefühl und vor allem Spannung. Sein eigenes Spiel ist derweil katastrophal blass - auch dies merkwürdig, da er in seinen anderen selbstgeführten Einsätzen auch hier eine gute Figur machte. Und dabei wäre ein großes Mafiaepos so ein schöner Farbtupfer in der derzeitigen Kinolandschaft... Schade um diese zweite vertane Chance (nach "Gangster Squad") in wenigen Jahren.
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.