Re: Zuletzt gesehener Film

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Maibaum hat geschrieben: 24. Januar 2020 09:53 Immerhin gibt uns 1917 einen klaren Hinweis warum die Deutschen den Krieg verloren haben, sie sind wirklich miese Schützen ...
Na klar, wieder mal historische Fakten verdrehen! Dabei sind die Deutschen erwiesenermaßen herausragende Schützen, schliesslich war ich beim Bund damals auch ein reiner Schützenkönig! 8)
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Zuletzt gesehener Film

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Ich stimme Maibaum ansonsten zu, bin in Summe aber deutlich negativer. Die erste Hälfte fand ich richtig toll, aber nach dem einzigen sichtbaren Cut, der einen Zeitsprung einleitet, wurde es weniger toll. Das leicht surreale Element hat für mich nicht funktioniert und ab hier wird 1917 dann auch zu einem typischen Hollywood-Heldenmärchen, mit viel obligatorischem Pathos und einigen argen Klischees (Stichwort: Wasserfall). Davon ab sieht der Krieg hier etwas zu geleckt aus, selbst im Fluss schwimmende Leichen vermitteln irgendwie kein Grauen, sondern haben etwas präzises, gesetztes an sich. Ein interessanter Film, aber mitgerissen hat es mich nur die erste Stunde. Es aber gut sein, dass der Film bei der Zweitsichtung dazu gewinnt, da ich jetzt besser weiß, worauf ich mich insgesamt einstellen muss. Auf jeden Fall fand ich ihn sehr viel besser als Mendes Bondfilme und auch sehr viel besser als den prätentiösen Jarhead.

PS: Die Gastauftritte der versammelten britischen Schauspielgarde haben mich auch eher aus den Film gerissen - vor allem der Cumberbatch am Ende, der darstellerisch auch den schlechtesten Auftritt seiner Karriere hinlegt. Was bei 40 Sekunden Screentime eine kleine Meisterleistung ist.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9469
Le Gamin au Vélo (2011, Jean-Pierre & Luc Dardenne)

Ich wollte eigentlich einen anderen Film der Gebrüder Dardenne sehen (Deux jours, une nuit), der aber in der Schulvideothek nicht vorrätig war, und darum gab's als Ersatz diesen hier, über einen Jungen der von seinem Vater aufgegeben wird und sich zwingen muss, damit klarzukommen. Und es fing recht sperrig an, ausserdem nervte der Knirps wie sonst was und hätte ein paar hinter die Löffel verdient. Später wird es immer besser und funktioniert als eigenwilliger kleiner Selbstfindungstrip schliesslich doch noch richtig gut.

Wertung: 6 / 10
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Re: Zuletzt gesehener Film

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Maibaum hat geschrieben: 24. Januar 2020 09:53 Am Ende war 1917 dann doch ein Film der teils beeindrucken konnte.
Den sehen wir dann doch recht ähnlich, bis auf die Szene im Artilleriehagel vielleicht, mit Neumann-Toms meterdickem Krawallscore - wie Hille sagt, Hollywood-Märchen. Schwach inszeniert war für mich vor allem die Szene mit dem einstürzenden Tunnel, sehr gelungen dagegen fand ich
Spoiler
die Sterbeszene des jüngeren L/Cpl
und überhaupt diesen gesamten Abschnitt, weil da die Handlung auch eine Weile am Ort verharrt und daher viel mehr Perspektiven erlaubt als nur "nach vorne", so sieht man weit im Bildhintergrund den Obstgarten, durch den die beiden eine Viertelstunde zuvor marschiert ist, und das ohne sichtbaren Schnitt in der Zwischenzeit, was das Konzept der One-Take-Illusion und die räumlichen Dimensionen des Geschehens einfach noch mal eine ganze Ecke mehr entfaltet. Ah ja, die Szenen mit den brennenden Ruinen gefielen mir auch.
Maibaum hat geschrieben: 24. Januar 2020 09:53 Übrigens, zumindest auf einer Ebene macht das 2-Szenen System keinen Sinn, denn die Beiden sollen ja laut Dialog 6 - 8 Stunden benötigen, also müsste der Film auch so lange laufen, aber er dauert nur 2 Stunden. Bei Birdman sind zwar auch ohne Schnitt einige Tage vergangen, aber in 1917 soll die Illusion natürlich genau in der direkten Kontinuität bestehen.
Spoiler
Hierzu kann man natürlich noch anmerken, dass L/Cpl Dingsbums unvorhergesehen bei Mark Strong mitfahren darf, auch wenn das gefühlt nur 300 Meter sind, wie überhaupt einige der Schauplätze gefühlt viel zu nahe aneinander liegen. Ausserdem wird das wieder relativiert durch den Zeitverlust im einstürzenden Tunnel und in der brennenden Stadt, wo L/Cpl Dingsbums sich im Keller versteckt und der Frau seinen Zwipf verschenkt. Also ja, so ganz Sinn macht es nicht, wobei ich es mir einfach so vorstelle, dass ein Teil der Strecke in der Filmkontinuität trotzdem ein wenig verdichtet wurde.
Casino Hille hat geschrieben: 24. Januar 2020 11:51 PS: Die Gastauftritte der versammelten britischen Schauspielgarde haben mich auch eher aus den Film gerissen - vor allem der Cumberbatch am Ende, der darstellerisch auch den schlechtesten Auftritt seiner Karriere hinlegt. Was bei 40 Sekunden Screentime eine kleine Meisterleistung ist.
Stimmt, das "British Historical Drama Starter Package" ist ziemlich verheizt, nennenswerte Akzente setzen konnte nur Andrew Scotts Auftritt, dieser zynische, desillusionierte und desillusionierende und irgendwie trotzdem auch saucoole Schützengraben-Lefty blieb hängen. Viel besser als sein letzter Auftritt unter Mendes... Cumberbatch war tatsächlich eine komische Besetzung, zumal diesmal er die Blofeld-Narbe am Auge tragen musste. :lol: Wir haben übrigens im Abspann auch scherzhaft die Screentime der "grossen" Schauspieler aufgezählt und kamen bei Benedict auch auf rund 40 Sekunden.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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Warum genau fuhren da eigentlich Wagen entlang? Andrew Scott und Co. haben vom Rückzug der Deutschen keine Ahnung, genauso wenig wie das Batallion, zu dem unsere zwei Helden wollen, aber in dem eigentlich von Deutschen besetzten Gebiet fahren britische Militärwagen durch?
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Re: Zuletzt gesehener Film

9473
Das wäre noch mal ne andere Frage über Authentizität, all die vielen halb verwesten Leichen, ich glaube kaum daß man die tagelang hätte herum liegen lassen. Ist es nicht eher so, daß auch im schlimmsten Krieg die Toten stets nach einer Schlacht geborgen wurden? Auch im Niemandsland zwischen den Frontlinien?

Re: Zuletzt gesehener Film

9474
Casino Hille hat geschrieben: 24. Januar 2020 12:23 Warum genau fuhren da eigentlich Wagen entlang? Andrew Scott und Co. haben vom Rückzug der Deutschen keine Ahnung, genauso wenig wie das Batallion, zu dem unsere zwei Helden wollen, aber in dem eigentlich von Deutschen besetzten Gebiet fahren britische Militärwagen durch?
Ich denke die sind einfach von anderen Positionen nachgerückt in das unbesetzte Terrain.

Letztendlich ist das auch alles nicht so ganz logisch. Wenn der Auftrag der Beiden so bedeutsam war, dann hätte man da noch mehr unternehmen müssen und können. Z.b. noch mehr Leute losschicken, oder durch die Flieger Befehle abwerfen lassen. Auch waren Cumberbatchs Truppen zwar ohne Nachrichtenverbindung, aber auch nicht eingeschlossen, nicht hinter den feindlichen Linien, also sehr wohl auch zu Land erreichbar. Und da die Engländer ja wussten, daß die Deutschen ihre Stellungen aufgegeben haben, dann wären sie längst nachgerückt, und hätten diese Stellungen besetzt.
Außerdem hätte unser Held sich auch von Strongs Kompanie Hilfe erbeten können und müssen usw

In den kurzen Auftritten bekannter Schauspieler sehe ich dagegen überhaupt kein Problem. Ist doch egal ob die von Stars oder von sonstwem gespielt werden. Firth hätte ich übrigens nicht mal erkannt.

Re: Zuletzt gesehener Film

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Casino Hille hat geschrieben: 24. Januar 2020 11:57 Ja, der fällt im Direktvergleich mit Vorgänger und Nachfolger ziemlich ab, ist aber prächtig inszeniert.
Ich fand den recht normal inszeniert. Nichts allzu besonderes. Das schlichte Ende ist schön gemacht, aber im Grossen und Ganzen ist mir da wenig herausgestochen, obwohl der Film in Summe doch noch ziemlich gut war.
Maibaum hat geschrieben: 24. Januar 2020 13:03 In den kurzen Auftritten bekannter Schauspieler sehe ich dagegen überhaupt kein Problem. Ist doch egal ob die von Stars oder von sonstwem gespielt werden. Firth hätte ich übrigens nicht mal erkannt.
Insgesamt ist es eigentlich ziemlich egal, aber es fällt halt doch noch einmal auf wenn man weiss, dass ein grosser Star wie z.B. eben Cumberbatch mitspielt und man zwar schon erwartet, dass er eine recht belanglose Nebenrolle spielen wird, aber er dann sogar nur für ein paar Sekunden steif rumsteht. Okay, vielleicht liegt es auch an den Rollen. In Thin Red Line fand ich die ausufernde Starbesetzung (die der Film prinzipiell auch nicht nötig hat), bei der z.B. Clooney und Travolta nur kurz zu sehen sind ganz cool, in 1917 ist es ein wenig seltsam, weil der Film stark aus der Perspektive der beiden Normalos (ich kannte die zwei vorher auch gar nicht) erzählt wird und dann so bekannte Gesichter am Rande rumstehen. Firth habe ich übrigens so wie er auftritt (alt, fett und im Dunkeln) auch nur anhand der Stimme identifizieren können.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9476
Andrew Scott war klasse - und ja, prinzipiell ist mir das egal, aber es reißt mich tatsächlich raus, wenn die Soldaten zwei Stunden versuchen, zu diesem ominösen General oder was der war zu kommen, und das dann völlig unerwartet Benedict Cumberbatch (von dessen Beteiligung ich vorher nichts wusste) ist. In dem Moment sehe ich keinen Charakter, sondern einen hospitierenden Star und sowas kann ein Atmo-Breaker sein, muss es aber nicht. Bei ihm stört natürlich besonders, wie schlecht er in dieser kurzen Szene spielt - mit Blofeld-Narbe, Kurtz-Gegrummel und Meinungswechsel nach viereinhalb Sekunden und einem Stirnrunzler...
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Re: Zuletzt gesehener Film

9477
Sehe ich ähnlich. Mit den anderen Auftritten hatte ich kein Problem. Firth, Strong und vor allem Scott waren super, aber dass plötzlich Cumberbatch der gesuchte General war, hat mich auch rausgerissen...
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Re: Zuletzt gesehener Film

9478
iHaveCNit: Jojo Rabbit (2020)
24.01.2020

Was passiert, wenn ein Polynesier jüdischen Ursprungs eine Coming-Of-Age-Kriegssatire auf Grundlage des Buches „Caging Skies“ von Christine Leunens erschafft und diese mit sehr viel Witz und Humor anreichert ? „Jojo Rabbit“ ist dieses filmische Experiment, bei dem man sich die ganze Zeit fragen soll, ob man über Hitler und die damalige Zeit lachen darf und ob der Film den Spagat und die notwendige Balance zwischen Tragik und Komik hinbekommt. Für meinen persönlichen Geschmack nur bedingt.

Der 10-jährige Johannes Betzler, genannt Jojo, ist ein blühender Nazi mit schmächtiger Statur, der alles dafür tun würde, den Führer glücklich zu machen. In einem militärischen Jugendlager wird er bei einer Granatenübung verletzt und muss die Zeit zu Hause verbringen. Dabei macht er eines Tages die Entdeckung, dass seine Mutter in den Wänden des Hauses eine junge Jüdin namens Elsa versteckt hält, was in den folgenden Tagen und Monaten sein bisheriges Weltbild gehörig auf den Kopf stellen wird – und natürlich auch die Freundschaft zu seinem imaginären Freund Adolf Hitler.

Ich glaube dass es mir noch nie so schwer gefallen ist, ein Urteil über einen Film zu fällen als zum Beispiel bei diesem hier. Wir bekommen den Großteil des Films aus der Sicht eines 10-jährigen naiven, von Nazi-Propaganda geblendeten und nicht wirklich hellen Jungen präsentiert, was natürlich dazu führt, dass wir hier vieles sehr plakativ und oberflächlich gezeigt bekommen mit einer Intention das Gezeigte bitterbös aufzubrechen. Hier habe ich jedoch das Problem gehabt, dass das für mich nicht immer funktioniert hat, denn es ist hier ein schmaler Grat zwischen der vermutlichen Intention des Films und natürlich dem Punkt, an dem man sich hier wirklich darüber lustig macht und der Lächerlichkeit preisgibt nur als Mittel zum Zweck. Aber darüber hinaus als großer Fan des Coming-Of-Age-Sektors hat mir der Film in diesem Bereich am Besten gefallen. Und gerade hier im Kern natürlich die Beziehung des jungen Johannes Betzler zu seiner Mutter Rosie und auch die Verbindung zu der Jüdin Elsa. Hier haben mir die schauspielerischen Darstellungen des jungen Roman Griffin Davis aber vor allem von der jungen Thomasin McKenzie (die mir zuletzt auch sehr gut in „Leave No Trace“ an der Seite von Ben Foster gefallen hat) und natürlich auch Scarlett Johansson. Gerade in diesem Aspekt des Films gibt es die besten Szenen des Films ganz abseits des Humors, denn hier hat mich der Film emotional bekommen und gerührt. Vor allem auch, weil ich aus persönlicher Sicht ebenfalls einmal die Rolle des ältesten Manns im Haus übernehmen musste, als meine Mutter alleinerziehend war – und diese Verbindung von Jojo und Rosie das Ganze schon sehr gut trifft.

„Jojo Rabbit“ - My First Look – 8/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

9479
Naja, warum soll man sich über Hitler und den Zweiten Weltkrieg nicht lustig machen oder dies ins Lächerliche ziehen? Ich freu mich auf Jojo Rabbit und der urkomische Stil von Taika Waititi liegt mir ungemein, zumal er sogar schon beweisen konnte, dass er selbst bei einer großen Studioproduktion wie Thor 3 kompromisslos sein Ding durchzieht. Und in der Hinsicht ist in den letzten Jahren außer Rian Johnson weit und breit niemand in Sicht.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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Casino Hille hat geschrieben: 25. Januar 2020 11:59 dass er selbst bei einer großen Studioproduktion wie Thor 3 kompromisslos sein Ding durchzieht. Und in der Hinsicht ist in den letzten Jahren außer Rian Johnson weit und breit niemand in Sicht.
Da wäre noch Matthew Vaughn zu nennen, der seinen X-Men sehr individuell ausgestalten durfte (nicht zuletzt in der Art wie er seine Vorliebe für den klassischen Connery-/Gilbert-/Adam-Bond ausgelebt hat), bevor er angefangen hat seinen Kingsman-Film in Endlosschleife wiederzukäuen.
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