Re: Zuletzt gesehener Film

9661
AnatolGogol hat geschrieben: 7. Oktober 2020 11:42 Ist bei mir auch schon ein Weilchen her, aber der Film zeigt den schwarzen Roy ja durchaus nicht immer nur als das unschuldige Opfer. Da gibt es die Szene, in welcher er das Treffen mit Brian Epstein platzen lässt, was der Film klar so darstellt, dass Roy selbst eben auch Mitschuld an seinem Schicksal und Niedergang hat. Auch sein Zaudern und Festhalten am zwar ungeliebten aber eben auch gewohnten Schlagertrott wird thematisiert (die Szene während der Bäder-Tour, als ihn Guntbert Warns bekniet endlich das musikalisch zu machen, was er eigentlich will). Man hätte die ganze Geschichte auch viel einfacher erzählen können nach dem Motto: guter Roy wird ausgenutzt vom Manager, muss dann Durststrecke durchmachen und hat am Ende doch wieder Erfolg, weil er immer an sich geglaubt hat und sich treu geblieben ist.
Ja, okay, Einspruch stattgegeben. Diese figürliche Tiefe (oder zumindest Mehrschichtigkeit) gesteht der Film aber eigentlich nur Roy Black selbst zu oder? Alle anderen Figuren erfüllen entweder lediglich ihre Funktion für die Geschichte (Mittel zum Zweck) oder sind verhältnismäßig eindimensional. Zumal ich mich frage, ob diese Zwischentöne wirklich das sind, was am Ende des Films eher hängen bleibt – oder ob das nicht doch die vielen Gesangsszenen sind, in denen Waltz die öffentliche Auftritte seiner Figur imitiert.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9662
Mr.Chrismas Jones hat geschrieben: 7. Oktober 2020 12:03 Man hätte aber vielleicht noch genauer erklären können, warum ihn seine Frau verlassen hat, denn das wurde mir nicht wirklich klar.
Letztlich war es eine Mixtur aus seiner Sauferei, der Erfolglosigkeit in den 80ern und seinem Frust, dass er immer noch der verhassten Schlager-Rolle nachkommen musste, um überhaupt noch im Geschäft zu bleiben welche seine Ehe gekillt hat. Müsste im Film aber drin sein wenn mir meine Erinnerung keinen Streich spielt.
Casino Hille hat geschrieben: 7. Oktober 2020 12:08 Ja, okay, Einspruch stattgegeben. Diese figürliche Tiefe (oder zumindest Mehrschichtigkeit) gesteht der Film aber eigentlich nur Roy Black selbst zu oder? Alle anderen Figuren erfüllen entweder lediglich ihre Funktion für die Geschichte (Mittel zum Zweck) oder sind verhältnismäßig eindimensional.
Das ist weitgehend so. Der Film hat abseits seiner titelgebenden zentralen Figur kein ernsthaftes Interesse an den restlichen Figuren. Wobei ich es immer etwas tragisch empfinde, dass Blacks 2. Manager, der mit ihm jahrelang durch die Lande getingelt ist und zu ihm gehalten hat dann als das Interesse an Roy wieder zunimmt ins 2. Glied zurück soll zu Gunsten seines Vorgängers.
Casino Hille hat geschrieben: 7. Oktober 2020 12:08 Zumal ich mich frage, ob diese Zwischentöne wirklich das sind, was am Ende des Films eher hängen bleibt – oder ob das nicht doch die vielen Gesangsszenen sind, in denen Waltz die öffentliche Auftritte seiner Figur imitiert.
Das hängt wohl nicht zuletzt auch von der Erwartungshaltung ab. Keine Frage, RTL hat den Film auch deshalb produziert, um den ganzen Schlager- und Wörthersee-Junkies ein bisschen filmisches Methadon zu verabreichen. Als der Film damals rauskam hab ich ihn genau deswegen auch überhaupt nicht ernst genommen, da ich davon ausging dass der Film sonst auch nichts anderes liefert als nachgespielte Nostalgie. Hab dann zufällig als er ein bisschen später in 3sat im Rahmen eines TV-Film-Wettbewerbs lief zufällig reingezappt und bin hängen geblieben. Da war die Überraschung, dass der Film dann doch wesentlich mehr zu bieten hatte, umso größer. Sicher kein Meilenstein, aber ganz ehrlich: mit dem so gehypten Bohemian Rhapsody kann er es allemal aufnehmen!
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Re: Zuletzt gesehener Film

9663
Er ist sogar mit Leichtigkeit besser als der vollkommen überhypte "Bohemian Rhapsody". :wink:

Ich kann deine Ansicht jetzt auch besser nachvollziehen, da sie unweigerlich mit der Erwartungshaltung und der damit einhergehenden positiven Überraschung im Zusammenhang steht. Ich hatte mir wohl auch wegen des guten Rufs des Films zu viel erwartet und letztlich abseits von Waltz nichts außergewöhnliches geboten bekommen.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9664
AnatolGogol hat geschrieben: 7. Oktober 2020 12:42
Mr.Chrismas Jones hat geschrieben: 7. Oktober 2020 12:03 Man hätte aber vielleicht noch genauer erklären können, warum ihn seine Frau verlassen hat, denn das wurde mir nicht wirklich klar.
Letztlich war es eine Mixtur aus seiner Sauferei, der Erfolglosigkeit in den 80ern und seinem Frust, dass er immer noch der verhassten Schlager-Rolle nachkommen musste, um überhaupt noch im Geschäft zu bleiben welche seine Ehe gekillt hat. Müsste im Film aber drin sein wenn mir meine Erinnerung keinen Streich spielt.
Nee, das war nicht wirklich drin. Das Einzige war, dass seine Frau in einer Szene so ihm meinte: "Du bist lächerlich." Ansonsten wurde darauf aber nicht so recht eingegangen.
Ihn mit "Bohemian Rhapsody" zu vergleichen finde ich aber echt hart, und dabei ist der auch nicht gerade mein Lieblings-Biopic, aber da sind deutlich bessere Schauspieler, und damit meine ich nicht nur Waltz sondern das gesamte Cast an miesen Laiendarstellern.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9665
iHaveCNit: On The Rocks (2020)
07.10.2020


Als nächsten Film habe ich mir Sofia Coppolas neuen Film „On The Rocks“ angesehen, der eine sehr unterhaltsame Tragikomödie mit Bill Murray und Rachida Jones in den Hauptrollen zu bieten hat.

Die Schriftstellerin Laura lebt bereits seit einigen Jahren mit ihrem Ehemann Dean und den beiden Kindern zusammen in New York. Doch aktuell befindet sie sich etwas in der Midlife-Crisis und einer Schreibblockade und auch die Ehe scheint etwas eingeschlafen, so dass sich Hinweise häufen sollen, dass ihr Mann scheinbar fremdgeht. So bekommt sie Hilfe von ihrem Vater, der ein erfahrener Schwerenöter, aber auch sehr gut vernetzter Kunsthändler ist.

„On The Rocks“ ist sehr unterhaltsam geworden. Vor allem die Unterhaltungen und Situationen zwischen Bill Murray und Rachida Jones sind großartig geworden. Wenn Bill Murray hier seine evolutionsbiologischen Theorien zu Geschlechterdynamiken und seine Eigenarten zum Besten gibt, dann sind das sehr witzige Momente geworden. In den Nebenrollen gibt es vor allem Marlon Wayans als Ehemann Dean und auch zum Beispiel Jenny Slate und Jessica Henwick. Der Verlauf des Films selbst kann eigentlich nur auf 2 unterschiedliche Wege enden, so dass der Film dadurch auch vielleicht ein wenig vorhersehbar sein kann. Ganz witzig fand ich am Rande, dass ein kleiner Meta-Kommentar eingebunden worden ist, wenn die Firma von Marlon Wayans Dean einen großen Deal mit A24 gesichert hat – die auch an der Produktion des Films mit beteiligt waren.

„On The Rocks“ - My First Look – 7/10 Punkte
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Re: Zuletzt gesehener Film

9666
iHaveCNit: Eine Frau mit berauschenden Talenten (2020)
08.10.2020


Auch wenn die Pandemie in vollem Gange ist, mangelt es für mich nicht an interessanten Filmen im Kino und das führt durchaus zu vollgepackten Kinowochenenden. In diesem Kinostartwochenende sind es gesamte 5 Filme. Den Anfang macht die französische Krimikomödie „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ von Jean-Paul Salome mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle.

Patience arbeitet bei der Kriminalpolizei in Paris als Dolmetscherin und übersetzt abgehörte Anrufe zwischen arabischen Drogendealern. Da sie den Pflegeplatz ihrer an Alzheimer erkrankten Mutter nicht bezahlen kann, kommt sie auf die Idee, mit den gewonnen Informationen aus ihrer Übersetzungsarbeit selbst Drogenlieferungen aufzuspüren und selbst damit das große Geld zu verdienen. Aber als Mitarbeiterin in der Polizei muss sie unheimlich vorsichtig sein, um nicht aufzufliegen.

Ich halte mich an dieser Stelle einfach mal etwas kürzer. Mir hat diese amüsante und unterhaltsame Krimikomödie auf jeden Fall gefallen. Der große Glücksgriff des Films ist Isabelle Huppert in der Hauptrolle und ihr nuanciertes Schauspiel ist vor allem auch in den ruhigeren Momenten des Films großartig. Desweiteren liefert der Film ein paar interessante und witzige Nebencharaktere, wie die chinesische Vermieterin. Aber der Film bleibt etwas harmlos und vorhersehbar und der Verlauf wirkt stellenweise etwas holprig.

„Eine Frau mit berauschenden Talenten“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9667
iHaveCNit: Es ist zu deinem Besten (2020)
09.10.2020


Film Nummer 2 aus einem vollgepackten Kinowochenende ist Marc Rothemunds Komödie „Es ist zu deinem Besten“, der eine witzige Idee, ein großartiges Ensemble und ein rundum unterhaltsames Kinoerlebnis bietet.

Der konservative Anwalt Arthur wünscht sich eigentlich, dass seine Tochter Antonia einen jungen Anwalt heiratet. Doch die Hochzeit platzt, als sie mit dem linken Hippie-Demonstranten Alex durchbrennt. Kurz darauf müssen auch Arthurs Kumpel Kalle und Yus feststellen, dass ihre jeweiligen Töchter Luna und Sophie etwas ungewöhnliche Partner haben. Während Luna mit einem Aktfotografen zusammen ist, der ein bekannter Frauenheld und ehemaliger Klassenkamerad Kalles ist, scheint Sophie durch die Beziehung zu Andi auf die schiefe Bahn zu geraten. Gemeinsam schmiedet das Trio einen Plan, diese Bindungen zu lösen.

Ich glaube soweit ich ich das in diesen Zeiten beurteilen kann, gehört „Es ist zu deinem Besten“ mit zu den Filmen in dieser Zeit, bei denen ein für knapp 200 Besucher ausgelegter Saal „ausverkauft“ und ordentlich gefüllt war. So möchte ich als Kinoliebhaber das gerne häufiger sehen. Denn viele aktuelle Filme haben es einfach verdient, gesehen und genossen zu werden. Wie auch „Es ist zu deinem Besten“ von Marc Rothemund, der vor allem bei einer Zuschauermenge, die Lust auf den Film hat und bei vielen Situationen einfach mitgeht, lacht und einfach gute Laune und Stimmung verbreitet, extrem aufgewertet wurde und eines der schönsten Kinoerlebnisse seit Wiedereröffnung der Kinos geboten hat. Der Film ist mit seiner kurzen Laufzeit von 91 Minuten relativ knackig, kompakt und rasant kurzweilig auf seinem Weg zum Ende hin und er wird zu keinem Zeitpunkt langweilig. Klar kann man hier vorhalten, dass bei der großen Menge an Darstellern in diesem Ensemble einige Figuren etwas oberflächlich und eindimensional bleiben, aber wenn es vor allem um das Trio der Väter geht, ist das natürlich herrlich aufgelegt und legt eine tolle Gruppendynamik an den Tag. Die Mischung aus dem konservativen Anwalt Arthur, dem Bauarbeiter mit Aggressionsproblemen Kalle und dem harmoniebedürftigen Yusuf in Form von Heiner Lauterbach, Jürgen Vogel und Hilmi Sözer ist großartig und es ist richtig witzig, dem Trio bei ihrem Treiben zuzuschauen – was mitunter zu vielen kuriosen und auch überzeichneten Situationen führt. Und die letztendliche Entwicklung von 3 Vätern, die mit der Zeit feststellen müssen, dass die Partnerwahl ihrer Töchter doch eigentlich ganz in Ordnung ist und sie einfach Vertrauen in ihre Töchter und deren Entscheidungen haben dürfen ist sehr charmant gelöst. Und bis auf wenige oberflächliche Spitzen in Dialogen, vor allem wenn der konservative Arthur mit dem linken Alex politische Diskussionen am Esstisch führt, bleibt der Film weitestgehend unpolitisch und harmlos – und mehr braucht es auch hier wirklich nicht.

„Es ist zu deinem Besten“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9668
GoldenProjectile hat geschrieben: 22. Januar 2020 11:27 Ihr werdet den Film doch sowieso sehen... :) Also sicher Anatol zumindest. (Obwohl ihr lieber mal Knives Out schauen solltet)
Erledigt und für nicht sonderlich gut befunden. Kann die Lobeshymnen nicht nachvollziehen, nach recht guter erster Hälfte zog sich die zweite zusehends wie auch die inhaltlichen Wendungen eher aufgesetzt wirkten. Ob das jetzt eine liebevolle Hommage an Agatha Christie (-Filme) oder eine schamlose Selbstbedienung im Oevre der Whodunit-Queen ist muss jeder für sich selbst entscheiden - vermutlich ist es nüchtern betrachtet irgendetwas dazwischen. Am meisten enttäuschten mich die drei Hauptrollen respektive Hauptdarsteller, von denen keine für mich echte Akzente setzen kann. Das ist um so mehr schade, da man eine ganze Reihe charismatischer Darsteller in farbigen (Neben-)Rollen an Bord hat, die man aber praktisch alle innerhalb der ersten Hälfte abfrühstückt und danach nur noch sporadisch hinzunimmt (während Craig, De Armas und Evans die Szenerie bestimmen).
Wertung: 6 / 10 hauptsächlich wegen der besseren ersten Hälfte und den guten Nebendarstellern
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Re: Zuletzt gesehener Film

9669
AnatolGogol hat geschrieben: 11. Oktober 2020 08:07 Erledigt und für nicht sonderlich gut befunden.
Mission trotzdem erfüllt, denn Kern der Aussage wahr ja dass Knives Out empfehlenswerter sei als 1917, was du mit einem halben Punkt mehr auch bestätigt hast. :lol: Auch wenn sich deine Worte eher nach weniger Punkten anhören.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9670
iHaveCNit: Milla Meets Moses (2020)
10.10.2020


Noch vor wenigen Tagen habe ich mir den deutschen Film „Gott, du kannst ein zensiert sein!“ angesehen, indem ein junges Mädchen das Leben nach einer Krebsdiagnose noch einmal genießt. Thematisch ähnlich, aber um einiges interessanter gestaltet sich hier das Krebs- und Coming-Of-Age-Drama „Milla Meets Moses“ bzw. „Babyteeth“ und Spielfilmdebüt der australischen Regisseurin Shannon Murphy, das mit einer interessanten und ungewöhnlichen Struktur und einem großartigen Cast daherkommt.

Auf einem Bahnsteig kommt es zur zufälligen Bekanntschaft zwischen der krebskranken Milla und dem Rumtreiber Moses. Während sie ihm mit ein wenig Kleingeld aushilft, hilft er ihr bei einem kleinen Schwächeanfall. Dafür darf er ihre Eltern – Ihr Vater ist ein gelassener Psychiater und ihre Mutter betäubt die Sorgen um die Tochter mit Tabletten - am gleichen Abend als ihr neuer Freund schocken. Nachdem Moses von ihren Eltern dabei erwischt wird, Medikamente zu stehlen, kommen ihre Eltern auf die Idee, ihn mit notwendigen Medikamenten zu versorgen, wenn er sich um Milla kümmert.

„Milla Meets Moses“ ist eine tolle Mischung aus Krebsdrama, Coming-Of-Age-Drama und auch eine Spur Liebesfilm. Die Struktur des Films und sein Aufbau ist auch sehr interessant und ungewöhnlich. Viele unterschiedliche Momente werden mit teils witzigen, passenden und auch konterkarierenden Überschriften eingeleitet und wie Kapitel eines Buches erzählt. Und die Schauspieler leisten hier einen unfassbar großartigen Job. Die junge Eliza Scanlen ist mir bereits in „Sharp Objects“ und „Little Women“ positiv aufgefallen und nun nutzt sie als Milla die große Chance perfekt, die Erfahrung einer Krebserkrankung und den Wunsch nach Spaß, einem erfüllten Leben und Glück in vielen großartigen Facetten und Nuancen darzustellen. Auch die Anziehung und Faszination, die sie gegenüber dem rumtreibenden Junkie Moses entwickelt ist spür- und nachvollziehbar und zu jeder Sekunde glaubhaft. Leider verpasst es der Film hier aber durchaus auch in vollem Maße die eigene Geschichte und die Hintergründe von Moses darzustellen, so dass der von Toby Wallace gespielte Moses dahingehend dann doch etwas blass gegenüber Scanlens Milla wirkt. Ein weiterer Pluspunkt sind Millas Eltern Henry und Anna. Der von Ben Mendelsohn großartig gespielte Psychiater Henry geht mit einer positiven Ruhe und Gelassenheit in die Situation, während die von Essie Davis gespielte Anna ihre Trauer mit Tabletten und Glücksgefühlen zu überspielen versucht. Dabei wechselt der Film spielend von Momenten des Glücks hin auch zu Momenten der Trauer mit einer Leichtigkeit und Bodenständigkeit, die großartig ist. Anders als in oben genanntem deutschen Beispiel verliert der Film jedoch bei all den lebensbejahenden Momenten nie die Schwere und Härte der Erkrankung aus den Augen, so dass hier eine starke emotionale Fallhöhe gegeben ist, die einen mindestens dann am Ende des Films bekommt und durchaus auch die ein oder andere Träne vergießen lässt.

„Milla Meets Moses“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9671
iHaveCNit: Vergiftete Wahrheit (2020)
12.10.2020

Kommen wir zu einem der brisantesten und besten Filme des Jahres. Mark Ruffalo ist vermutlich bekannt dafür, in Tatsachenthriller an der Aufdeckung von Problemen beteiligt zu sein. Sei es in David Finchers „Zodiac“ auf der Suche nach einem Killer, sei es in Tom McCarthys „Spotlight“ bei der Aufdeckung eines weltweiten Skandals innerhalb der katholischen Kirche und nun in Todd Haynes „Dark Waters“ bzw. „Vergiftete Wahrheit“, dessen Aufdeckungen uns alle angeht. In einer weiteren guten Rolle Ruffalos läuft er gerne grün an und wird unfassbar wütend, so dass er alles klein haut. Ein ähnliches Gefühl kann „Vergiftete Wahrheit“ auslösen. Nicht nur, dass die Thematik unfassbar wütend macht, die Auswirkungen auf die eigene Gesundheit könnte durchaus auch entsprechende Auswüchse haben.

Robert Bilott ist Firmenanwalt in Cincinnati, Ohio. Normalerweise vertritt die Kanzlei, in der er arbeitet, große Chemieunternehmen wie unter anderem DuPont. Bis ihn ein Farmer aus Parkersburg, West Virginia aufsucht, der vermutet, dass Chemieabfälle vom örtlichen Chemiewerk von DuPont an dem Tod von bis zu 200 Kühen seiner Farm verantwortlich sind. Trotz aller widrigen Umstände, die ihn an der Aufdeckung hindern verfällt Billott in einen regelrechten Ehrgeiz gegen den großen Chemiekonzern zu ermitteln und die riesigen Auswirkungen die die gesamte Menschheit betrifft, aufzudecken.

Todd Haynes Tatsachenthriller verläuft sehr nüchtern und chronologisch und fokussiert sich auf einige Schlüsselmomente, die für sich selbst genommen unglaublich wirkungsvoll sind. Dabei klärt der Film auf, mit welchen Methoden chemische Konzerne für Profit wissentlich Menschenleben in Kauf nehmen und mit welchen Methoden Verfahren jahre- und jahrzehntelang verschleppt werden. Gerade die Tatsache, dass bei der Abnutzung und der Produktion von Teflon bzw. Perflouroctansäure mit achtfach synthetisch hergestelltem Flourkohlenwasserstoff Partikel im Körper und dem gesamten Kreislauf verbleiben und sich dort nicht abbauen lassen bzw. sogar reproduzieren und bei einer sehr hohen Konzentration für Unfruchtbarkeiten, Krebs und viele weitere lebensgefährliche Erkrankungen sorgt ist ungemein brisant, gerade weil nahezu jeder Haushalt mit Teflon in Berührung gekommen ist und somit in 99 % der Weltbevölkerung bereits Partikel nachweisbar sind – und somit betrifft die Enthüllung des Films quasi uns alle. Und das verdeutlicht der Film zum einen sehr subtil und zum anderen sehr drastisch. In den Nebenrollen haben wir großartige Charaktere, die von Tim Robbins, Bill Pullman und einem sehr fiesen Victor Garber gespielt werden. Auch wenn erst Anne Hathaway als Ehefrau von Robert Bilott etwas zurückhaltend agiert, nimmt sie gegen Ende immer größeren Raum ein. Unglaublich stark war auch die Darstellung des Farmers Wilbur Tennant durch Bill Camp. Aber dieses Engangement von Mark Ruffalo und seine Darstellung von Robert Bilott haben mich am stärksten überzeugt. Stellenweise hat mich Ruffalo sogar an Russell Crowes Jeffrey Wigand in Michael Manns „The Insider“ erinnert, der zu meinen Lieblingsfilmen zählt. Visuell wirkt der Film zum einen sehr grau und trist und zum anderen sehr diffus, wenn vor allem die Beleuchtung und die Farben etwas überzeichnet zu sein scheinen, nahezu toxisch. Der nüchterne Aufbau, die eindringliche Thematik und der gesamte Verlauf mit den großartigen Darstellern und Momenten, die einen emotional schockieren und berühren, machen „Dark Waters“ bzw. „Vergiftete Wahrheit“ zu einem sehr großen Highlight meines Filmjahres 2020.

„Vergiftete Wahrheit“ - My First Look – 10/10 Punkte
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Re: Zuletzt gesehener Film

9672
Gestern Never Rarely Sometimes Always. HCN hat natürlich seither schon ein Dutzend andere gesehen. :wink:
HCN007 hat geschrieben: 3. Oktober 2020 12:26 Eine interessante Auswahl erst einmal optisch den Film auf 16 mm zu filmen
Sieh an, das wusste ich nicht, macht aber absolut Sinn und erklärt den etwas grobkörnigen Look. Mir hat's gefallen, wie es auch allgemein einer dieser Filme ist die wirken als wurde hier sehr frei mit der Kamera gearbeitet und in der Bildgestaltung grosser Wert auf eine Nähe zu den Akteuren, zu Mimik und Performances gelegt.

Männerhass konnte ich übrigens keinen entdecken und es wird auch keineswegs die feministische Keule geschwungen nur weil die Sorgen einer weiblichen Figur im Mittelpunkt stehen. Ich fand den Film unterhaltsam und Höhepunkt war natürlich die intensiv gespielte Szene um den Filmtitel. Ein Indie der Sorte, wie sie eigentlich immer mal zwischendurch gehen. Bei mir "nur" 7 Punkte, aber wir haben auch andere Wertungsskalen.

Dark Waters dann nächste Woche...
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Re: Zuletzt gesehener Film

9673
iHaveCNit: Peninsula (2020)
13.10.2020


Vor 4 Jahren war „Train To Busan“ ein großer Hit wenn man sich das Zombiegenre und das koreanische Kino ansieht. Es folgte ein animiertes Spin-Off mit „Seoul Station“ - und nun die Fortsetzung „Peninsula“ die 4 Jahre später ansetzt – und Oldschool-Action bietet.

Als die Zombiepandemie über die koreanische Halbinsel hereingebrochen ist, war Jung-Seok ein Soldat, der überleben und nach Hongkong flüchten konnte. Er wird für eine Mission angeheuert und muss zusammen mit ein paar weiteren Leuten einen Geldtransporter in Seoul ausfindig machen und nach Hongkong bringen. Dabei geraten er und das Team in den Hinterhalt einer Söldnertruppe. Jung-Seok kann fliehen und muss nun dafür sorgen, dass nicht nur sein Team wieder in Sicherheit gebracht wird, er muss auch mit den Horden an Zombies fertig werden.

War „Train To Busan“ noch ein „Snowpiercer“ mit Zombies und „Seoul Station“ ein relativ intimes Drama inmitten der Zombieapokalypse, handelt es sich wie oben erwähnt bei „Peninsula“ um Oldschool-Action inmitten eines postapokalyptischen Szenarios. Die Handlung und die gesamte Struktur des Films erinnerte mich ein wenig an John Carpenters „Escape from New York“ - nur mit Zombies als zusätzliche Bedrohung und Söldner, die mit Gefangenen eine Art „Battle Royal“ mit Zombies veranstalten. Das klingt auf den ersten Blick natürlich relativ „over the top“ im Gegensatz zu seinen noch bodenständigen Vorgängern, aber zum Glück gibt der Film sich Mühe, was die Charakterzeichnung, die Hintergründe und auch Bindungen untereinander angeht, so dass die Bodenhaftung nicht vollends verloren geht. Die Action kann sich sehen lassen, auch wenn vieles im Dunkeln stattfindet und auch die eher nicht so guten Spezialeffekte damit etwas kaschiert werden.

„Peninsula“ - My First Look – 7/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

9674
iHaveCNit: Astronaut (2020)
15.10.2020

Vor einigen Wochen habe ich erst einen Trailer zu „Astronaut“ im Kino gesehen und den Film im Anschluss auf die Liste gesetzt. Nun habe ich den Film gesehen und das war auf jeden Fall kein Fehler.

Angus Stewart ist 75 Jahre alt und ein pensionierter, verwitweter Straßenbauingenieur. Er hat in seinem Leben quasi alles erreicht, doch der Traum nach einer Raumfahrt ins All blieb ihm bis heute verwehrt. Bis er von einer Ausschreibung für die Teilnahme an einem Raumfahrtprogramm mitbekommt und sich selbst ins Teilnehmerfeld mogelt und zeitgleich durch seine Erfahrung ein Problem feststellt, dass den Start zu einem Desaster werden lassen könnte.

„Astronaut“ ist das Regiedebüt der Regisseurin Shelagh McLeod und liefert eine großartige Darstellung von Richard Dreyfuss. Der Film ist vor allem sehr gut, wenn er sich auf seine emotionale Seiten fokussiert und dabei ein paar großartige und auch wichtige Botschaften enthält. Zum einen die, dass Lebensträume kein Verfallsdatum haben und man auch noch im hohen Alter über sich hinaus wachsen kann trotz aller Umstände und hier ist er eine sehr emotionale Liebeserklärung. Auch ganz toll und wichtig ist die Botschaft, dass man durchaus von alten Männern halten kann, was man möchte, aber die Lebens- und Berufserfahrung ist durchaus immer noch sehr wichtig und kann wie im Fall von „Astronaut“ sogar das Zünglein an der Waage sein. Jedoch ist die Struktur des Films und auch der involvierte Plot um das Raumfahrtprogramm etwas klassisch und formelhaft geraten. Auch wenn der Verlauf vorhersehbar ist, hat mich der Film emotional bekommen und in seiner kompakten Kürze einen kurzweiligen und warmherzigen Filmabend beschert.

„Astronaut“ - My First Look – 7/10 Punkte
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Re: Zuletzt gesehener Film

9675
iHaveCNit: Der Bär in mir (2020)
17.10.2020


Es war mal wieder Zeit für einen Dokumentarfilm im Kino. Und da kam mir „Der Bär in mir“ gerade recht. Als jemand, der ganz oberflächlich im privaten Rahmen unter anderem Bären als Lieblingstiere bezeichnet, war diese Dokumentation auf jeden Fall Pflichtprogramm. Der Trailer und der Film als solcher ist mir auch erst vor wenigen Wochen auf den Radar gekommen und ich war sehr begeistert, dass ich den Film sehen wollte.

Der Dokumentarfilmer Roman Droux ist schon seit seiner Kindheit begeistert von Bären. Durch die Kontaktaufnahme mit dem Bärenforscher David Bittner schließt sich Roman David bei dessen jährlichen mehrwöchigen Aufenthalten in der unberührten Wildnis Alaskas in den Sommermonaten an, um das Verhalten und das Leben der dort lebenden Grizzlybären zu beobachten.

„Der Bär in mir“ ist ein wundervoller Dokumentarfilm geworden. Nicht nur großartige Aufnahmen von der Wildnis Alaskas bekommen wir hier geboten, der Film und auch Roman und David kommen den Grizzlybären unglaublich nah und man fokussiert sich auf den jährlichen Zyklus der Bären, die sich auf den harten Winter vorbereiten und entsprechend auf den jährlichen Fortpflanzungszyklus der Seelachse und deren Rückkehr wartet, um sich zu nähren. Dabei werden wir Zeuge von Bärenkämpfen, dem Großziehen des Nachwuchses und vielem mehr. Es mag sein, dass die sehr entspannten und trockenen Aussagen von David Bittner etwas Witz, Leichtigkeit und eine Glorifizierung und Verklärung der Bären stattfindet, aber der Film gibt sich natürlich die Mühe noch die Gefahr, die von dem eigentlich nicht vorgesehenen Kontakt zwischen Bären und Menschen ausgeht, darzustellen. Da Bittner die Bären in der Gegend bereits kennt, hat er ihnen auch bereits Namen gegeben. So hilft das durchaus auch eine dramaturgische Nähe zu den Tieren herzustellen, die auch allesamt ihre kleinen Geschichten durch den Dokumentarfilm tragen.

„Der Bär in mir“ - My First Look - Ohne Wertung
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