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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
OSS 117 - Der Spion, der sich liebte
Er ist sexy, er ist gefährlich, er ist charmant, er ist kultiviert und er ist Geheimagent im Auftrag seiner Regierung. Sein Name ist B... Bath. Hubert Bonisseur de la Bath. Ganz vier Jahre bevor der britische Schriftsteller Ian Fleming 1953 seinen Erfolgsroman "Casino Royale" veröffentlichte und damit die britische Ikone James Bond zum Leben erweckte, schuf bereits der französische Autor Jean Bruce einen Geheimagenten, der seinem berühmtem Kollegen in nichts nach steht und allein unter Bruces Feder als Protagonist in 88 Romanen seine Abenteuer erlebte. Doch die im Jahre 2006 veröffentlichte Verfilmung "OSS 117 - Der Spion, der sich liebte" mag zwar einige Parallelen zu Bruces Schriften aufweisen, ist im großen und ganzen dann aber doch vor allem vom ruhmreichen Idol des Nachbarlandes gezeichnet. Das Ergebnis ist nicht nur eine der lebendigsten und liebevollsten Agentenfilmparodien überhaupt, sondern auch eine Zeitreise in eine längst vergessene Epoche.
Das erste absolut begeisternswerte Element an "OSS 117" ist die Art und Weise, wie Michel Hazanavicius in Anlehnung an die Bondfilme der 60er Jahre, seinen 1955 spielenden Film stets so aussehen lässt, als wäre er tatsächlich ein Produkt dieser vergangen Zeit. Was bei den sehr liebevollen Kostümen, den einfallsreichen Sets, knalligen Farben und Oldie-Autos anfängt, bekommt aber auch filmisch seinen speziellen Reiz: Häufig setzt Hazanavicius auf ganz offensichtliche Rückprojektionen oder verwendet absichtlich schlechte Tricks, die er dann auch noch einmal ins absurde zu steigern weiß. Mit genüsslicher Treffsicherheit schafft er so einen Bezug zu den filmischen Vorbildern, der nicht nur durch die Ausstattung, sondern auch durch den Look des Filmes selbst bestimmt wird. Der von Ludovic Bource komponierte Soundtrack zeichnet sich ebenfalls dadurch aus, dieses Gefühl der Nostalgie und die Stimmung alter Agentenklassiker glaubhaft zu vermitteln und dennoch an den richtigen Stellen ins überdreht komische zu wechseln. So beweisen Regie und der restliche Cast hinter der Kamera bereits bei der technischen Ausführung des Films, dass sie wirklich verstanden haben, was eine Parodie auszeichnet: Eine gute Beobachtung und gekonnte Überspitzung klassischer Genrekonventionen. Selten sah man dies im Bereich der Bond-Parodien so selbstverständlich und konsequent wie hier.
Konsequenz ist eigentlich das Stichwort. Mit fast schon unerbitterlicher Gradlinigkeit verfolgen die kreativen Köpfe hinter "OSS 117" ihr Ziel, ihren Film nur als amüsante Parodie, sondern auch als würdigende Hommage an die Bondfilme von Terence Young oder Guy Hamilton zu verkaufen. So ist es auch inhaltlich beeindruckend, mit wie viel Maß an Respekt und einem dennoch hervorragendem Gespür für Komik es hier gelingt, die Atmosphäre des Filmes selbst nicht zu verletzen, die Vorbilder der 60er nicht ins lächerliche zu ziehen und dennoch einen Lachanfall nach dem anderen zu provozieren. Wenn OSS 117 am Anfang im Flughafen in Kairo ankommt, ist das nicht von ungefähr praktisch 1:1 einer identischen Szene im ersten 007-Film "Dr. No" nachempfunden und wird erst dadurch komisch, dass der französische Agent das "Codewort" ("Wie ist Ihr Frikassee?") der falschen Person mitteilt. Und so geht es im folgenden immer weiter: Die Actionszenen (unter anderem eine toll choreographierte Prügelei oder eine Verfolgungsjagd durchs nächtliche Kairo) sind trotz aller Komik höchst professionell und authentisch umgesetzt, die Einfälle an humoristischen Albernheiten schier grenzenlos. Die Dialoge sind dabei besonders zu loben, bieten sie doch rein sprachlich einen hohen Bezug zu Genreklassikern, offenbaren mit geschicktem Wortwitz aber immer wieder einen hohen Grad an politisch völlig inkorrekten Witzen, die hier oft auf Kosten der muslimischen Gläubigen geht (so ist das Zusammentreffen zwischen Hubert und einem Muezzin nicht nur eine sehr mutige, sondern auch urkomische Sequenz). Wobei betont werden muss, dass die Komik fast immer daraus resultiert, dass OSS 117 selbst der fremden Kultur mit völliger Ignoranz begegnet, worin dann sogar eine feinsinnig versteckte Aussage verborgen liegt, die das bunte Treiben umso sympathischer werden lässt.
Die Kirsche auf der Sahnetorte ist dann mit zwei Wörter zusammenzufassen: Jean Dujardin! Der französische Komiker ist als selbstverliebter intoleranter Gockel nicht nur wegen seiner optischen Ähnlichkeit zu Sean Connery eine perfekte Besetzung für OSS 117, viel mehr muss man festhalten, dass seine Mimik derartig fantastisch überzogen und bis in kleinste Detail genial durchdacht ausgeführt wirkt, dass man sich an ihm nicht satt sehen kann. Mit riesiger Freude scheint er in Fettnäpfchen nur so reinzuspringen (oder mit der Betätigung eines Lichtschalters schlafenden Hühnern auf den Keks zu gehen) und wirkt oft wie ein frühpubterierendes Kind, während sich aber seine Darstellung damit auszeichnen kann, eine mehr als intelligente satirische Nachahmung der ehemaligen Macho-Kultur zu sein. Die überaus bezaubernde Bérénice Bejo als ägyptische Partner-Agentin ist darstellerisch wie äußerlich ein Augenschmaus und eine notwendige Erdung für den überdrehten Möchtegern-Superhelden, in weiteren Nebenrollen glänzen Aure Atika als schöne Prinzessin, Richard Sammel als verschlagener Neonazi und der Belgier Francois Damiens in einem extrem absurdem Kurzauftritt. Etwas schade ist allerdings, dass ob der Fülle an Nebenfiguren und Running Gags einige Witze ins Leere laufen und besonders der Mittelteil die ein oder andere Länge aufzuweisen hat, immer dann, wenn Hazanavicius die gewollt blasse Geschichte vorantreiben muss, ansonsten gibt es hier nichts zu beklagen.
Fazit: James-Bond-Parodien gibts wie Sand am Meer. Doch erfreulicherweise ist OSS 117 kein weiterer Fachidiot vom Dienst, der als einzigen Eintrag im Lebenslauf seine pure Inkompetenz in allen Bereichen aufführen könnte, sondern durch seine Verachtung für fremde Kulturen und andere Religionen (und natürlich seiner grenzenlosen Selbstvernarrtheit) ein - nicht zuletzt durch die exzellente Interpretation des Hauptdarstellers - absolut liebenswertes Arschloch, der oft die Wirkung eines Autounfalls auf das Publikum hat: irgendwie will man nicht hinsehen, aber man muss. Abgerundet durch eine höchst einfallsreiche Regie und einen wundervoll stimmigen Soundtrack wird "Der Spion, der sich liebte" so zu einer mehr als eindrucksvollen Liebeserklärung, an der man bis auf wenige Feinheiten nichts auszusetzen hat und sich allerspätestens dann vor lachen nicht mehr halten kann, wenn 117 sich bei einer Undercoveraktion plötzlich vor Publikum als Gesangstalent behaupten darf. Charmanter als ihre Majestät erlaubt!
8,5/10
Zusätzliche Anmerkung: Ein großes Kompliment gilt insbesondere der deutschen Synchronisation aus der Feder von Oliver Kalkofe, der auch höchstpersönlich Dujardin übernahm. Selten sah man eine Komödie mit so viel Wertschätzung für den feinen Wortwitz und die vielen Feinheiten übersetzt und dann auch noch so nonchalant von den Sprechern interpretiert, dass man von einer nahezu gleichwertigen Version sprechen kann! Meine Hochachtung!
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Let the sheep out, kid.