Welcher Film von Christopher Nolan ist der Beste?

Following (1998) (Keine Stimmen)
Memento (2000)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 6 (24%)
Insomnia (2002) (Keine Stimmen)
Batman Begins (2005)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (4%)
Prestige (2006)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (12%)
The Dark Knight (2008)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (16%)
Inception (2010)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (8%)
The Dark Knight Rises (2012)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (4%)
Interstellar (2014)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (8%)
Dunkirk (2017)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (4%)
Tenet (2020)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (8%)
Oppenheimer (2023)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (12%)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 25

Re: Die Filme des Christopher Nolan

1532
Die älteren unter uns können sich vielleicht noch daran erinnern, als Bilder von Boris Beckers unehelicher Tochter erstmals durch die Presse geisterten und wohl jeder dabei dachte: die kann er nun wirklich nicht abstreiten. Und genau so ist es auch mit Tenet: den kann Chris Nolan nämlich unmöglich abstreiten, viel zu stark sind bei dem Film Nolands Handschrift und übliche Stilmittel zu erkennen. Das kann man mögen, muss man aber nicht. Ich persönlich werde wohl weder mit seiner betont langsam-hektischen Actioninszenierung, noch mit seinem inflationären Einsatz von anschwellenden Musiktapeten oder seiner aufs äusserste getreckten dramaturgischen Substanz wohl jemals wirklich warm werden. Ganz ordentlich geriet ihm für meinen Geschmack hingegen die in den ersten 80 Minuten dargebotene Spionage-Hommage, bei der die Action Nolan-typisch zwar auch immer wieder ausgebremst wurde (u.a. auch durch den weder inhaltlich noch stilistisch nachvollziehbaren permanenten Formatwechsel teilweise im Sekundentakt, durch den eine unangenehme Hektik entstand, die den Fluss einzelner Szenen in Teilen regelrecht aufbrach), die eher inhaltsarme, aber immerhin effektiv vorangetriebene Schnitzeljagd dagegen seinen Zuschauer auf ordentlichem Nivreau unterhielt, u.a. auch da die Chemie zwischen Washington und Pattinson stimmte.

Weit weniger - bzw. in meinen Augen eigentlich gar nicht - ist ihm hingegen der Rest des Film geglückt, in welchem er sich ganz seiner Zeitebenen-Spielerei hingibt. Das mag in der Theorie unterhaltsam klingen, ist in der Praxis aber in erster Linie verwirrend. Verwirrend nicht etwa aufgrund des behandelten Inhalts, welcher letztlich gar nicht so schwer zu verfolgen war, sondern aufgrund Nolans Inszenierung, welche in der langgestreckten Actionszene in der sowjetischen Geisterstadt ganz auf gesichtslose Massenszenen (selbst in 1:1 bzw. 2:1 Konfronationen) bzw. auf die immer wieder zum besten gegebene visuelle Kombination aus vorwärts und rückwärts ablaufenden Bildelementen setzt. Wer da jetzt mit oder gegen wen kämpft und wer aus welcher Zeitebene wie und warum eingreift: irgendwann habe ich aufgrund Nolans langatimiger Regie ganz einfach das Interesse verloren (und nicht mal das machte was, das Erklärbär Nolan am Ende ja dann allen weggebrochenen Zuschauern das Ganze nochmal aufdröselte).

Die in die Actionszene eingewobene Konfrontation zwischen Branagh (dem man seine Vergangenheit als gefeierter Nachfolger von Olivier und Burton angesichts seiner klischeebeladenen Vorstellung als Russen-Oligarch in Tenet nun auch nicht sofort anmerkt) und Elizabeth Debicki taugt als qualitative Aufbesserung leider auch nicht, da hier ein weiteres meiner Kardinalprobleme mit Tenet augenscheinlich wird: Nolan hat anscheinend keinerlei Interesse an seinen Figuren. Anders lässt sich eigentlich nicht erklären wie oberflächlich er mit seinen Schlüsselfiguren umgeht und wie wenig figürlichen Content er seinem Film verabreicht hat. Gutes Beispiel hiefür ist Debickis Figur, bei welcher ihre Mutterliebe immer wieder als ihre Kernmotivation angeführt wird, u.a. in einer der Schlüsselszenen des Films, in welchem Pattinson und Washington über das drohende Ende allen bisherigen Daseins lamentieren und Frau Oligarchin nichts anderes dazu einfällt als "und auch das Ende meines Sohnes". Ja, wir haben verstanden, sie will ihr geliebtes Kind retten. Dumm nur, dass der Film außer zwei, drei sekundelangen gemeinsamen Einstellungen keinerlei Anstalten macht die Beziehung der Mutter zu ihrem Kind dem Zuschauer auch zu zeigen und damit nahezubringen. So bleibt die Beziehung lediglich behauptet - und behauptet wird die Sorge der Mutter um ihr Kind in ermüdender Wiederkehr, nur leider bleibt das so halt unglaubwürdig, was für das Interesse des Zuschauers an den Seelenqualen der Mutter nicht gerade förderlich ist. Da sich dieses Muster leider ähnlich auch bei Washingtons Elite-Agenten und Branaghs Russen-Rakete findet bleibt da am Ende figürlich so ziemlich gar nichts hängen.

Nolan und ich, das will einfach nicht recht passen. Von daher ist meine hier vielleicht zwischen den Zeilen zu erahnende Frustration nach einem sehr zähen Nachmittag auch mindestens im gleichen Maße gegen mich selbst gerichtet wie gegen Nolans kreative Bemühungen. Ich hätte es nach diversen ähnlichen Begegnungen mit Nolans Oeuvre ja eigentlich besser wissen müssen, auch wenn mir im Gegensatz zu den Tenet-Burschen zeitverdrehende Reisen nicht möglich sind.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Christopher Nolan

1533
Ich glaube das Meiste sehe ich anders, positiver oder nicht als Problem des Films, aber die Schlußballerei bzw große Teile des Endes fand ich auch enttäuschend, das war oft langweilig, das war für mich inszenatorisch
nicht gelungen.

Aber ich könnte mir durchaus vorstellen daß Tenet beim Wiedersehen dazu gewinnt. An die Handlung hätte ich natürlich auch noch ein paar Verständnisfragen.

Re: Die Filme des Christopher Nolan

1534
Mein größtes Problem bei TENET ist und bleibt, dass einfach so viel geredet wird, was den Film zwischendrin einfach unverständlicher macht, obwohl am Ende ja sowieso (fast) alles aufgelöst wird.

Da hätte man nach dem guten alten Hille-Grundsatz vorgehen müssen: "Show, don´t tell!"
#London2024

"Wo man lacht, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen lachen immer wieder."

Re: Die Filme des Christopher Nolan

1535
Maibaum hat geschrieben: 15. Februar 2021 12:10 ...
Aber ich könnte mir durchaus vorstellen daß Tenet beim Wiedersehen dazu gewinnt. An die Handlung hätte ich natürlich auch noch ein paar Verständnisfragen.
Habe den jetzt auch endlich vor ca 1 Woche auf DVD gesehen.

Hat mir gut gefallen, ohne dass ich wirklich grau spezifizieren könnte warum. Auch weiß ich nicht, ob ich das alles intellektuell durchdrungen habe. (Meine Aufnahmefähigkeit bei solchen Filmen bei der Erstsichtung ist offensichtlich nicht so hoch wie bei anderen).

Ich überlege ob ich vor der Zweitsichtung nochmal ein Erklärvideo auf YouTube schaue.

Kennt da jemand ein gutes (Link wäre schön)?
❤️☮️🧘🏻‍♂️

Re: Die Filme des Christopher Nolan

1536
Samedi hat geschrieben: 15. Februar 2021 12:30 Mein größtes Problem bei TENET ist und bleibt, dass einfach so viel geredet wird, was den Film zwischendrin einfach unverständlicher macht, obwohl am Ende ja sowieso (fast) alles aufgelöst wird.

Da hätte man nach dem guten alten Hille-Grundsatz vorgehen müssen: "Show, don´t tell!"
Nein, das geht nicht, oder nur mit einem viel zu großen Zeitaufwand.

Filme wie Tenet oder Avatar oder auch andere, die in einer eigenen Welt spielen, kommen nicht darum herum deren Gesetzmäßigkeiten zumindest in Teilen über erklärende Dialoge zu beschreiben, aber die Frage bleibt immer wie viel man erklärt, und wieviel man dem Zuschauer überlässt auch so zu verstehen. In Tenet war das recht viel, aber es hat mich zumindest kaum gestört, während es mich in Inception eher genervt hat.
Auch 2001 kommt nicht ganz ohne erklärende Dialoge aus um die Handlung zu entwickeln, obwohl der trotzdem ein perfektes Beispiel dafür ist, wie man mit viel Risiko trotzdem den Jackpot holen kann.

Nolan, obwohl auch ein großer 2001 Fan, hat da deutlich mehr Angst den Zuschauer zu verlieren.

Und daß Tenet ohne diese Dialoge zwischendrin verständlicher geworden wäre, das glaube ich nun gar nicht. Und immerhin, es wird trotz vieler Erklärungen auch vieles nicht erklärt, da bleibt genug zum Interpretieren. Die Erklärungen sind für den Handlungsaufbau nötig, weniger zum Verständnis des Films. jedenfalls soweit ich mich jetzt noch daran erinnere.

Re: Die Filme des Christopher Nolan

1537
Um die zwei möglichen Herangehensweisen von TENET und ähnlichen Filmen mal zu erläutern, bringe ich hier einen Vergleich aus der Star Wars Saga:

ANH: Es wird so gut wie nichts erklärt, dadurch bekommt der Film und die darin gezeigte Welt (besser gesagt: das Universum) etwas magisches.

TPM (und die gesamte PT): Für alles wird eine Erklärung gesucht und die ist dann auch möglichst technokratisch (z. B. die Geschichte mit den "Midi-Chlorianern"). Dadurch verliert das ganze erheblich seine magische Aura.

Es gibt auch bestimmt noch viele andere mehr oder weniger vergleichbare Filme, in denen nicht so viel erklärt wird wie in TENET und auch in dem von dir erwähnten "Avatar" wurde zumindest gefühlt bei weitem nicht so viel erklärt.

Im Übrigen belegen die Diskussionen hier ja auch, dass die ganze Rumerklärerei in "TENET" nicht zum vermeintlichen Ziel des besseren Verständnisses, sondern eher zum Gegenteil geführt hat.
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Re: Die Filme des Christopher Nolan

1538
Nein, das belegen diese Diskussionen sicher nicht, das ist eine sehr seltsame Schlußfolgerung. Man könnte daraus eher folgern das er noch mehr hätte erklären müssen, damit es auch eindeutig jeder rafft ...

Tenet ist ja auch dafür konzipiert worden, daß die Leute nachher viel Zeit damit verbringen die Handlung zu analysieren, und sich den Film auch eventuell mehrfach anzuschauen, nur um zu verstehen. Was die Frage wieviel Erklärungen Tenet benötigt, um auch dafür zu funktionieren trotzdem immer noch offen lässt. Das aber so viele Leute sich gedanklich mit Tenet beschäftigen beweist mir daß das doch so halbwegs oder auch ganz funktioniert hat. Und das weiß ich für mich auch noch nicht.

Bei Star Bores ist die Handlung ja auch so simpel daß nicht viel erklärt werden muß, ob das bei der Prequel Trilogie zuviel war weiß ich nicht mehr, aber ich kann mich nicht daran erinnern daß da zuviel gelabert wurde. Und auch bei Avatar ist das je alles weitaus schlichter als bei Tenet, da muß man nur am Anfang die Gesetzmäßigkeiten erklären, und man hätte das sicher auch in Bildern lösen können, aber das kann dann zu großen Rhythmusproblemen führen. Da ist es manchmal eben doch vernünftiger so etwas über erklärende Dialoge zu machen, aber bei deiser Art von Erklärungen kommt es natürlich auch wieder stark darauf an, wie man das innerhalb der Handlung löst.

Und immerhin bei Star Wars habe ich nie irgend etwas "magisches" entdecken können, und das lag garantiert nicht an zu wenigen oder zu vielen Erklärungen.

Re: Die Filme des Christopher Nolan

1539
Wie gesagt, am Ende des Films wird meiner Meinung nach alles erklärt, wenn man nur gut aufpasst.

Eben deshalb hätte man vorher so manche "Erklärung" weglassen können, zumal dadurch zu dem Zeitpunkt des Films ohnehin eher mehr verwirrt wird.
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Re: Die Filme des Christopher Nolan

1540
Samedi hat geschrieben: 15. Februar 2021 13:46 Eben deshalb hätte man vorher so manche "Erklärung" weglassen können, zumal dadurch zu dem Zeitpunkt des Films ohnehin eher mehr verwirrt wird.
Samedi, offenbar wird "man" dadurch zu dem Zeitpunkt des Films nicht ohnehin mehr verwirrt. Du wirst zu dem Zeitpunkt mehr verwirrt, andere nicht. Es ist kein Problem, wenn du das anders siehst, aber so definieren oder bestimmen kannst du das nicht – und du hast manchmal die Tendenz, auf Gegenmeinungen einfach nur deinen Standpunkt als Fakt formuliert zu wiederholen. Ohne die vielen Erklärungen wäre "Tenet" für mich kein Film gewesen, der funktionieren kann. Ich sehe das genau wie Maibaum: Manchmal ist es vernünftiger, die Erklärungen in die Dialoge zu legen und "Tenet" ist ein Film, bei dem ich das absolut gebraucht habe.

Den "Star Wars"-Vergleich finde ich schlicht unpassend, immerhin ist auch da der erste Teil meines Erachtens voll von Erklärbär-Szenen. Am prägnantesten das Zusammensitzen von Obi-Wan und Luke auf Tattooine, in dem Obi-Wan dem jungen Skywalker die Macht und das Konzept hinter den Jedi erklärt. Und dann beginnen ausgerechnet die "Star Wars"-Filme allesamt mit einem Text, der die Ausgangsbasis der Handlung erklärt – was bis heute imo die langweiligste Art und Weise ist, Exposition in Filmen unterzubringen.
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Re: Die Filme des Christopher Nolan

1541
Casino Hille hat geschrieben: 15. Februar 2021 14:05 Den "Star Wars"-Vergleich finde ich schlicht unpassend, immerhin ist auch da der erste Teil meines Erachtens voll von Erklärbär-Szenen. Am prägnantesten das Zusammensitzen von Obi-Wan und Luke auf Tattooine, in dem Obi-Wan dem jungen Skywalker die Macht und das Konzept hinter den Jedi erklärt.
Den Star Wars Vergleich hab ich eben deshalb gebracht, weil es dort mit ANH und TPM zwei verschiedene Herangehnsweisen gibt.

In ANH bleibt die Macht größtenteils unerklärt. Es wird nur gesagt, dass es sie gibt und dass sie uns alle umfasst.

In TPM ist dann plötzlich von diesen Midi-Chlorianern die Rede, mit denen man die Macht "erklären" will, aber genau dadurch wird alles eher konfuser als es vorher ohne diese "Erklärung" gewesen wäre.

Denn in solchen Filmen ist es oft so, dass manch eine vermeintliche "Erklärung" eher mehr Fragen aufwirft, als dass sie sie beantwortet.
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Re: Die Filme des Christopher Nolan

1542
AnatolGogol hat geschrieben: 14. Februar 2021 20:12 bei der die Action Nolan-typisch zwar auch immer wieder ausgebremst wurde (u.a. auch durch den weder inhaltlich noch stilistisch nachvollziehbaren permanenten Formatwechsel teilweise im Sekundentakt, durch den eine unangenehme Hektik entstand, die den Fluss einzelner Szenen in Teilen regelrecht aufbrach)
Danke Anatol, ich habe heute mal in meine "Tenet"-Bluray reingeschaut und bei diesen ständigen, vollkommen unmotivierten Formatwechseln von Einstellung zu Einstellung wieder das kalte Kotzen bekommen. Nolans Filme sollte man wohl nur im Kino sehen, da fallen sie einem nämlich mit diesem Mist nicht auf die Nerven. :roll:
AnatolGogol hat geschrieben: 14. Februar 2021 20:12 Gutes Beispiel hiefür ist Debickis Figur, bei welcher ihre Mutterliebe immer wieder als ihre Kernmotivation angeführt wird, u.a. in einer der Schlüsselszenen des Films, in welchem Pattinson und Washington über das drohende Ende allen bisherigen Daseins lamentieren und Frau Oligarchin nichts anderes dazu einfällt als "und auch das Ende meines Sohnes". Ja, wir haben verstanden, sie will ihr geliebtes Kind retten. Dumm nur, dass der Film außer zwei, drei sekundelangen gemeinsamen Einstellungen keinerlei Anstalten macht die Beziehung der Mutter zu ihrem Kind dem Zuschauer auch zu zeigen und damit nahezubringen. So bleibt die Beziehung lediglich behauptet - und behauptet wird die Sorge der Mutter um ihr Kind in ermüdender Wiederkehr, nur leider bleibt das so halt unglaubwürdig, was für das Interesse des Zuschauers an den Seelenqualen der Mutter nicht gerade förderlich ist.
Hehe, ja, das ist für mich auch der eine große dumme Moment in einem Film, den ich ansonsten wirklich super finde. Der blöde Satz von der Debicki geht gar nicht. Wer würde sowas in solch einer Situation sagen? Wirkt auf mich fast, als denke Nolan, wir hätten mittlerweile vergessen, dass Debicki einen Sohn hat, um den es ihr geht. Da traut er seinen Zuschauern zu wenig zu – und grundsätzlich mag er mit dieser Attitüde oft recht haben, manchmal übertreibt er es dann aber doch. Sooooooo doof sind wir Zuschauer nun auch wieder nicht. :wink: Allerdings toppt in dieser Hinsicht nichts die legendäre Szene in "Interstellar", in der ein Astronaut nach mehrmonatiger Weltraumreise kurz vor dem Betreten eines Wurmloches seinen Kollegen fragt, was genau ein Wurmloch ist und wie es funktioniert – und es dann mit einem Blatt Papier und einen Bleistift erklärt bekommt. :mrgreen: Ich kenne keine Astronauten, aber etwas mehr Sachkompetenz würde ich ihnen dann wohl doch zumuten, erst recht auf der wichtigsten Mission in der Geschichte der Menschheit. Da war es in "Tenet" eleganter, einen Protagonisten zu wählen, der selbst noch nicht mit den Mitteln der Zeitreise erfahren ist und so naturgemäß Erklärungen braucht (und sucht), um sich in der Welt zu orientieren.

Nolan ist für mich ein spannender Fall, weil ich über die Jahre eine klare Entwicklung an mir feststellen kann, die sich sehr darauf auswirkt, wie ich seine Filme wahrnehme. Die große Begeisterung, die da vor langer Zeit mal war, ist längst abgeklungen, wie ich die letzten Wochen bei einer Sichtung all seiner Filme in chronologischer Reihenfolge festgestellt habe, auch seine allgemein als richtig großen Werke wahrgenommenen Sachen gefallen mir kaum noch oder nur mit starken Einschränkungen, einige halte ich sogar für ziemlich problematisch. Wirklich klasse finde ich nur noch "Prestige" und "Tenet" – und da letzter noch recht frisch ist, und sich meine Sichtweise auf die übrigen Nolan-Filme mächtig gewandelt hat, bin ich weiterhin vorsichtig skeptisch, ob "Tenet" den sehr positiven Eindruck halten kann über längere Zeit. Hattet ihr Filme oder ganze Regisseure, bei denen sich über die Jahre eure Ansichten stark gewandelt haben?

Und Anatol: Wie reiht sich Tenet bei dir in Nolans Gesamtwerk ein?
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Re: Die Filme des Christopher Nolan

1543
Kann ich so nicht fest stellen. Zu meinen großen Favoriten zählten schon sehr früh John Ford, Steven Spielberg und John Carpenter. Etwas später kamen dann noch Paul Verhoeven und Michael Mann. Die üblichen Verdächtigen wie Hitchcock, Kubrick und später Tarantino und Nolan gehörten nie zu meinen absoluten Lieblingen, obwohl ich bei einigen doch das Gros ihres Werkes sehr schätze (explizit Hitchcock und Tarantino).

Den schon etwas länger andauernden Nolan Hype konnte ich nie so ganz nachvollziehen, außer The Dark Knight (im Max in Los Angeles :)) hat mich keines seiner Werke bei der Erstsichtung so richtig umgehauen, manche fand und finde ich regelrecht dröge (The Dark Knight Rises, Interstellar, Dunkirk). Mit ihm habe ich ähnliche Schwierigkeiten wie mit Kubrick, der mich sehr oft sehr kalt lässt und es praktisch nie schafft, mich emotional zu berühren.

Bei Spielberg schätze ich generell seine Pre-Schindler-Phase mehr als die danach. Er wurde ernster, ambitionierter etc., aber diese typische, sogartige Magie ist ihm abhanden gekommen, auch in leichteren Werken wie Catch me ... oder Ready Player One. Nur habe ich das schon immer so gesehen.

Von Ford und Carpenter finde ich auch nicht jeden Film Weltklasse, aber immer noch dieselben grandios. Das gilt auch für Verhoeven und Mann.

Bei Filmen gibt es schon einige (z.B. Ben Hur, vieles von Louis de Funes), die bei mir ordentlich Federn lassen mussten, aber das wäre einen eigenen thread wert.
Zuletzt geändert von vodkamartini am 15. Juni 2021 14:17, insgesamt 1-mal geändert.
http://www.vodkasreviews.de

https://ssl.ofdb.de/view.php?page=poste ... Kat=Review

Re: Die Filme des Christopher Nolan

1544
Das ist sicher auch eine Typ-Sache, und eine Frage, wie sehr man sich generell verändert. Manch einer ist ja schon sehr früh sehr gefestigt in seinem Wesen, und gewinnt dann nur noch an Erfahrung dazu. Andere wandeln sich sehr deutlich, manchmal auch in kurzer Zeit, was auch das eigene filmische Gusto anbelangen dürfte. Schätze ich jedenfalls.

Nolan war so um die Jahre 2012-2014 herum für mich ein ganz Großer, seitdem habe ich vieles neu beurteilt, was ich früher gaaaanz anders gesehen habe. Vielleicht sind mir aber auch nur andere Dinge in Filmen wichtiger geworden. Man lebt sich halt auseinander. :wink: Dieses Jahr hatte ich deshalb große Lust, alle Nolans nochmal zu sehen, einige waren Jahre her – und bei wirklich fast jedem seiner Filme würde ich kräftige Abwertungen vornehmen (täte ich noch in unserem 10er-Notensystem denken).
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