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Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 6. Januar 2020 23:43
von Maibaum
Nee, das gilt schon für alle Nolan Filme außer den konventionellen Batmännern, also daß sie erzählerisch ungewöhnliche Wege gehen. Oder zu gehen versuchen. Jeder ist für sich ein Film der auffällt, selbst der enttäuschende Insomnia mit seinem EwigerTag Setting.

Mindfuck ist auch wieder so ein blöder Begriff, aber es trifft auf jeden Fall noch auf Prestige zu, in dem ja auch ein erzählerischer Trick nach dem anderen aus dem Ärmel gezaubert wird.

Sicher gehen da andere weiter, sicher ist er dabei kommerzieller als einer wie Lynch, aber Nolan steht trotzdem immer für das gesucht Ungewöhnliche, also für gelungene Plot Twists, ungewöhnliche Stoffe und ungewöhnliche Erzählperspektiven. Und er hat meist recht viel Erfolg damit.

Prestige hat mir übrigens jetzt deutlich besser gefallen als damals im Kino. Da bin ich jetzt bei 8/10

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 7. Januar 2020 00:03
von Casino Hille
Inwiefern geht Interstellar denn erzählerisch ungewöhnliche Wege? Der ist vollkommen linear erzählt und hat am Ende zwar einen Zeitreisetwist, der dann aber innerhalb dieses Genres kaum ungewöhnlich ist. Wo ist da die ungewöhnliche Erzählperspektive, wo der ungewöhnliche Stoff? Bei Inception mag ich das so halb akzeptieren, aber auch das ist simpel betrachtet ein Heist-Thriller, nur eben mit unterschiedlichen Traumebenen. Was zugegeben zumindest ungewöhnlicher als ein Bankraub ist.

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 7. Januar 2020 00:11
von Maibaum
Eben wegen diesem Zeitreisetwist. So etwas ist nun mal selten, wenn auch nicht vollkommen außergewöhnlich.

Letztendlich leben wir natürlich heute in Kinozeiten, in denen mehr als früher versucht wird, den Zuschauer zu foppen. Der breite Erfolg von Nolan trägt natürlich dazu bei, bzw verstärkt das noch mehr.

Und sicher war er da mit Memento (und Following) mehr seiner Zeit voraus als mit seinen späteren Filmen (und dafür auchbei weitem nicht so erfolgreich).
Immerhin dieses parallele Erzählen auf 3 Zeitebenen in Dünkirchen hat so noch keiner vor ihm gemacht, oder täusche ich mich da? Hmm, nachdenken, nachdenken ...

Inception kommt natürlich nach Matrix, der auch die weitaus bessere Action hat, aber ist trotzdem noch sehr eigenständig gegenüber diesem. Also schon mehr als eine billige Kopie.

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 7. Januar 2020 14:11
von dernamenlose
Casino Hille hat geschrieben: 6. Januar 2020 15:29 Inception ist doch strukturell derselbe Film wie Matrix - bzw im Writing fast schon eine Art seelenverwandtes Remake. Das müsstest du jetzt erstmal erklären, warum der eine in dieser Hinsicht konventioneller als der andere sein soll.
Wenn in "The Matrix" erst mal erklärt ist wie die Matrix funktioniert, ist der große Wow-Faktor eigentlich beendet. Der Film weiß in seiner ersten Hälfte immer wieder zu überraschen und lässt Neo beiespielsweise mehrfach hintereinander aufwachen und lässt so einige Zeit im unklaren was gerade eigentlich passiert, ob Neo wach ist oder nicht, etc. Nachdem Neo dann in der wirklichen Welt angekommen ist verzichtet der Film auf solche Spielereien und ist strukturell kaum komplexer wie ein anderer Film der an zwei Orten spielt.
Inception zeigt zu Beginn ebenfalls verschiedene Ebenen und lässt den Zuschauer im Unklaren was gerade eigentlich los ist. Im Gegensatz zu Matrix wird er danach aber nicht strukturell konventionell, sondern spielt auch später noch leicht mit diesem Element und baut seine wirklich ausergewöhliche Erzählweise über insgesamt fünf verschiedene Ebenen erst im letzten Drittel auf. Das ist fundamental anders als bei Matrix.
Casino Hille hat geschrieben: 6. Januar 2020 15:29 Dafür sind sie beide zu einfach zu verstehen. Was nicht heißen soll, dass sie leicht sind, aber große Zerrüttungen der Sehgewohnheiten kann und wollen diese Filme nicht leisten
Du schließt hier einfach viel zu sehr von dir auf andere. Jeder zweite, mit dem ich über Inception geredet habe sagte mir, dass er den Film beim ersten Mal schauen nur schwer folgen konnte oder ihn gar nicht wirklich verstanden hat. Ich kann das auch nicht wirklich verstehen, da bis auf ein, zwei kleine und recht unbedeutende Szenen wirklich alles klar und eindeutig ist, aber so scheint es nun mal angekommen zu sein. Und dass die Leute in meinem Umfeld nicht einfach nur dumm sind bestätigt sich, wenn ich mir die Kommentare im Internet zu dieser Thematik anschaue.
Casino Hille hat geschrieben: 7. Januar 2020 00:03 Bei Inception mag ich das so halb akzeptieren, aber auch das ist simpel betrachtet ein Heist-Thriller, nur eben mit unterschiedlichen Traumebenen. Was zugegeben zumindest ungewöhnlicher als ein Bankraub ist.
Auch das ist falsch. Inception wäre dann ein Heistfilm, wenn es bei der für Cobb üblichen "Extraktion" geblieben wäre. Aber es geht eben nicht darum etwas mitzunehmen, sondern eine Idee einzupflanzen. Und das ist etwas komplett anderes als ein Heist-Thriller, auch wenn er trotzdem oft mit den gleichen Elementen spielt.
Und dass die verschiedenen Traumebenen nicht nur als ungewöhnlich sondern als absolut außergewöhnlich wahrgenommen wurden zeigt schon alleine die Tatsache, dass danach der Wortzusatz "-ception" für verschachtelte Dinge in den Sprachgebrauch (Sowohl im deutschan als auch im englischen, wenn ich mich nicht irre) aufgenommen wurde. So einen Effekt habe ich ehrlich gesagt nur bei einem anderen Film mitbekommen, und das ist tatsächlich "Matrix" für der Redewendung "Fehler in der Matrix".

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 7. Januar 2020 14:33
von Casino Hille
dernamenlose hat geschrieben: 7. Januar 2020 14:11 Auch das ist falsch. Inception wäre dann ein Heistfilm, wenn es bei der für Cobb üblichen "Extraktion" geblieben wäre. Aber es geht eben nicht darum etwas mitzunehmen, sondern eine Idee einzupflanzen. Und das ist etwas komplett anderes als ein Heist-Thriller, auch wenn er trotzdem oft mit den gleichen Elementen spielt.
Nicht wirklich. Das ist trotzdem ein Heistfilm. Es geht immer noch um die minuziöse Planung eines "Überfalls", der im letzten Akt (bzw. hier schon ab dem B-Teil des zweiten Akts) ebenso minuziös ausgeführt wird. Das Resultat mag sich am Ende unterscheiden, aber wenn Cobb und die anderen in der Tresorraumszene auf der untersten Traumebene (im OHMSS-Moviepark) einfach etwas weggenommen hätten, statt Murphy am Bett von Papa heulen zu lassen, wäre Inception so gut wie genau derselbe Film.

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 8. Januar 2020 14:14
von dernamenlose
Nö. Ganz abgesehen davon, dass die vielen Ebenen dann nicht benötigt worden wären wäre auch das, was aber zweite Traumebene geschieht völlig anders gewesen, oder eben nicht mal vorhanden.
Und außerdem: Von der minutiösen Planung bekommt man relativ wenig mit. Ein oder zwei gemeinsame Sitzungen, ansonsten konzentriert sich der Film doch eher auf andere Dinge, in erster Linie natürlich Cobbs Trauma.
Casino Hille hat geschrieben: 7. Januar 2020 00:03 Was zugegeben zumindest ungewöhnlicher als ein Bankraub ist.
Es ist nicht nur ungewöhnlicher, es ermöglicht auch einen neuen Typus von Gegner, den du in einem klassischen Bankraubszenario niemals haben könntest. Ich glaube, dass auch die Idee bei vielen Tiefen Eindruck hinterlassen hat.

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 8. Januar 2020 14:37
von Casino Hille
Das ist mir zu sehr auf die Details geguckt. Damit sie in Inception letztlich etwas klauen statt etwas einzupflanzen müsste das Script nur minimal umgeschrieben werden. Und das würde den Film strukturell kaum verändern. Dann bräuchten sie, um an das Geheimnis in seinem Unterbewusstsein zu kommen, eben sein "Einverständnis", und würden die Scharade im Film deshalb abhalten. Tut mir leid, da kommen wir auf keinen Nenner. LTK und QOS sind auch beides Rachefilme, obwohl Bond sich in Letzterem gar nicht rächt.

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 8. Januar 2020 15:03
von Maibaum
Inception ist zwar kein klassischer Heist-Film, aber aufgrund seiner Struktur kann man ihn schon als solchen bezeichnen.

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 9. Januar 2020 00:33
von dernamenlose
Casino Hille hat geschrieben: 8. Januar 2020 14:37 LTK und QOS sind auch beides Rachefilme, obwohl Bond sich in Letzterem gar nicht rächt.
Nö, aber er hat es vor. Wäre doc langweilig wenn Rachefilme immer identisch enden würden. In Inception haben sie halt nie vor was zu klauen. Sicher, er hat viele strukturelle Ähnlichkeiten mit Heistfilmen, das macht ihn aber nicht zu einem solchen.
Aber für mich ist "Inglorious Basterds" eben auch kein Western, wie für manch anderen, auch wenn er es strukturell und stilistisch durchaus sein könnte.

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 10. Januar 2020 15:49
von Casino Hille
Für wen ist denn Inglourious Basterds ein Western? Kommen überhaupt Pferde vor? Ohne Pferde ist es auch kein Western.

Maibaum, schön das dir Prestige mittlerweile besser gefällt. Mir geht es ganz ähnlich mit Dunkirk, auch wenn sich nach wie vor keine Jubelstürme einstellen. In ein paar Jahren vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Prestige ist für mich auf alle Fälle der Über-Nolan, den ich wirklich jedes Mal völlig genieße und in dem ich immer noch etwas Neues entdecken kann.

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 16. Januar 2020 08:48
von AnatolGogol
Casino Hille hat geschrieben: 10. Januar 2020 15:49 Prestige ist für mich auf alle Fälle der Über-Nolan, den ich wirklich jedes Mal völlig genieße und in dem ich immer noch etwas Neues entdecken kann.
Wie empfindest du den die "Glaubwürdigkeit" des Twists um die Bale-Figur? Ich mag Prestige ja auch, ist vielleicht sogar mein Lieblings-Nolan, aber ganz ehrlich: der Bale-Twist ist sowas von vorhersehbar und das Verkleidungs-Possenspiel hat schon was von Jane March in Color of Night. :)

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 16. Januar 2020 11:48
von Maibaum
Ja, glaubwürdig war das nur wenig, und wenn man etwas nachdenkt auch noch sehr unlogisch.

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 16. Januar 2020 15:55
von Casino Hille
AnatolGogol hat geschrieben: 16. Januar 2020 08:48 Wie empfindest du den die "Glaubwürdigkeit" des Twists um die Bale-Figur?
Meinst du jetzt wirklich Bale oder doch eher Jackman? Bei dem Jackman Twist kann ich mir gut denken, dass der einige stört, weil hier sehr spät ein Sci-Fantasy-Element in einen vorher historischen Film eingebettet wird (andersrum: Wer sich daran stört, soll eben leise weinen).

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 16. Januar 2020 17:41
von AnatolGogol
Casino Hille hat geschrieben: 16. Januar 2020 15:55 Meinst du jetzt wirklich Bale oder doch eher Jackman?
Ich meine schon Bale bzw. die Tatsache, dass eigentlich nur ein Blinder nicht erkennen kann, dass
Spoiler
auch sein Helfer bzw. wie am Ende getwisted wird sein Bruder von ihm in mehr belustigender als verhüllender Verkleidung zum Besten gegeben wird.Daher der Vergleich mit Miss Marchens "Ri-Ri-Ritschiiii".
Spoiler
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Edit: hab jetzt mal vorsichtshalber alles verspoilert, wobei das in diesen beiden extremen Fällen eigentlich die berühmten Athener Eulen sind. :)

Re: Die Filme des Christopher Nolan

Verfasst: 16. Januar 2020 19:58
von Casino Hille
Uff, Anatol, ich habe dir selten so ungerne geantwort. Bisher hoffe ich ja, ein Mindestmaß an Respekt in deinen Augen zu genießen, aber das werde ich jetzt wohl völlig verlieren: Mir ist beim ersten Mal schauen von Prestige der von dir besagte Spoiler absolut nicht aufgefallen und ich war wirklich sehr verblüfft darüber. Und mal abgesehen davon, dass ich den Twist wirklich klug finde (weil er nicht nur inhaltlich, sondern auch thematisch den Film schön drastisch vollendet - eine Sache, die ich an Nolan als Geschichtenerzähler sehr wertschätze), kann ich zumindest nicht von mir behaupten, dass bis zum Moment der Enthüllung erkannt oder auch nur erahnt zu haben. Was sicher verwunderlich ist, da die Auflösung seines Zaubertricks unwahrscheinlich naheliegend ist.