Also grundsätzlich muss man bei solchen Überlegungen natürlich bereit sein die Existenz einer Synchro zu akzeptieren. Ich habe IB ehrlich gesagt auch nur einmal in Synchro geschaut und das mehr oder weniger zwangsweise im Kino. Aber die Nicht-Eindeutschung der Französischen Passagen ergibt insofern durchaus Sinn, da dadurch (wie auch die italienischen Kurzpassagen) die Landa-Figur wesentlich charakterisiert wird (und indirekt dadurch auch die amerikanischen Figuren rund um Pitt). Hätte man also gleich alle nicht-deutschen Passagen synchronisiert (bzw. alles, da die deutschen Passagen ja auch synchrinisiert wurden), dann hätte man Landa eines seiner wesentlichen Charaktereigenschaften beraubt und der Film hätte eigentlich gar nicht mehr richtig funktioniert. Die englischen Passagen hingegen sind dahingehend nicht so wesentlich. Ich sage bewusst dahingehend, denn natürlich ist die mehrsprachigkeit elementar und ein vorgegebenes Konzept von Tarantino, das die Synchro durchbricht. Aber da sind wir wieder beim Ausgangspunkt: man muss die Existenz bzw. die Berechtigung einer deutschen Syncho akzeptiereren - auch als das was sie zwangsläufig ist, nämlich einen Eingriff ins Originalwerk.
GoldenProjectile hat geschrieben: 18. Januar 2020 15:08
Das ist mir komplett neu. Ist das vielleicht in der von mir seit zwei Zillionen Jahren nicht mehr gesehenen Synchronfassung der Fall? Ich zitiere mal wieder aus dem vierten Kapitel (gleich kommt Nico...
):
"Entschuldigen Sie, Herr Hauptsturmführer, Sie haben einen sehr ungewöhnlichen Akzent". (Fehling)
"Wie unser frischgebackener Vater hier habe auch ich ein sehr genaues Ohr für Akzente. Und wie er finde ich Ihren äusserst seltsam". (Diehl)
"Das ist der Grund für Ihren bizarren Akzent? Wie ungewöhnlich." (Diehl)
Das weist doch alles deutlich darauf hin dass es eben sein Akzent ist, der Verdacht erregt und nicht das Fehlen eines solchen. Das müsste man ja so verstehen, dass Fassbender eher zu gut deutsch spricht, zu glatt, so dass Diehl ihn nicht regional einordnen kann und daher misstrauisch wird. Ne, das wäre mir völlig neu und ergibt sich aus dem Dialog nicht.
Mit wortwörtlichen Zitaten kann ich leider nicht dienen (vielleicht kann Nico die ja nachreichen
), aber du hast Recht, dass Diehl tatsächlich einen Akzent bemängelt. Was ich meinte ist aber, dass er diesen Akzent so definiert, dass Fassbenders Sprache keinerlei Hinweis auf seine Herkunft gebe. Das macht in stutzig und das spricht er auch an, ich glaube er nennt ihn "Sturmbannführer Heimatlos" (weiss nicht, ob der Dienstgrad stimmt, habs wie gesagt nicht wortwörtlich im Kopf) und belegt das mit der Münchner Herkunft von Burkhard und der Frankfurter Herkunft von Schweiger (wo immer er die auch rausgehört haben mag). Und das passt dann nicht wirklich zusammen, denn entweder er hat einen Akzent (und den hat er ja auch, nämlich einen leichten Einschlag, der ihn als Brite bzw. Ire identifizierbar macht), dann kann man seine Herkunft darüber herleiten oder er hat keinen Akzent (also quasi hochdeutsch), dann ist das nicht möglich. Den hier aufgetischten Fantasie-Akzent, welcher keinerlei Anzeichen über die Herkunft geben soll (= praktisch Hochdeutsch) mag es vielleicht in Tarantinos Kopf geben (und damit berechtigterweise auch in seinem Universum), aber wenn wir hier von "in echt" sprechen, dann ist das Mumpitz.
GoldenProjectile hat geschrieben: 18. Januar 2020 15:08
Aber woher will denn jemand - ich, du, oder erst recht ein Gestapo-Mensch der 40er, auch wenn er gemeinhin als mit Akzenten vertraut gilt - wissen, wie dort gesprochen wird?
Du sagst es doch schon (und Diehl erst recht): er hat ein besonders gutes Ohr für Akzente.
GoldenProjectile hat geschrieben: 18. Januar 2020 15:08 Im näheren Umfeld des Piz Palü wird ja wohl entweder Italienisch, Rätoromanisch oder eine Variation des Bündnerdeutschen gesprochen, wobei Fassbenders notgedrungenes Lügenmärchen ja vermutlich auf letzteres abzielt. Er gibt also meiner Meinung nach gar nicht vor, dort auf dem Berg eben dieses schräge Hochdeutsch zu sprechen, sondern dass beim Wechsel ins Hochdeutsche dieser Akzent von seinem Dialekt übrig bleibt (eigentlich ähnlich wie bei einem gewissen Foristen, wenn er nach Marburg tuckert).
Das habe ich dann aber deutlich anders in Erinnerung. Fassbender meint doch sogar, dass ALLE in seinem ominösen schweizer Bergkaff so sprechen wie er. ALLE! Und das ohne erkennbaren schwyzerdütschen, italienischen oder ähnlichen Einschlag und stattdessen mit einem lupenreinen Quasi-Hochdeutsch? Auffem Berg in den Schweizer Alpen? Genau das ist es, was für mich dann nicht glaubhaft ist, wie auch die gesamte "Akzent-Geschichte" sehr sehr konstruiert und relatitätsfremd wirkt.
GoldenProjectile hat geschrieben: 18. Januar 2020 15:08Und ich muss dem Fassi noch zugute halten, dass seine Aussprache zwar nicht wirklich nach einem Deutschen klingt, aber eben auch nicht nach einem Briten.
Doch, ich finde man kann da eben doch einen leichten britischen Akzenz raushören oder nennen wir es lieber etwas, was von seiner britischen Sprache übrigbleibt.
GoldenProjectile hat geschrieben: 18. Januar 2020 15:08
Das stimmt aber nicht ganz, weil Hicox ja eben kein Deutscher sein soll sondern ein Brite mit sehr guten bis fliessenden, aber nicht ganz akzentfreien Deutschkenntnissen. Daher ist die Besetzung mit dem Flötenmichel (der durch seinen deutschen Vater und entsprechende Besuche bei Verwandten früh gutes Deutsch gelernt hat, es durch das Leben in Irland und die fehlende Übung aber nie wirklich auf das Niveau einer zweiten Muttersprache geschafft hat) wiederum sehr akkurat.
Das stimmt alles, aber der Knackpunkt ist doch, dass er als angeblich überzeugend den Deutschen geben kann. Das tut er aber eben nicht und von daher ist die Drei-Finger-Bestellung (welches die Krüger später nennt, mit dem er sich verraten hat) letztlich irrelevant, weil kein nativ Deutschsprachiger den Akzent von Fassbender überhören kann. Man kann die Szene höchstens so lesen, dass Diehl die ganze Zeit mit Fassbender & Co. spielt (was er in gewisser Weise ja auch fraglos tut), sich aber von Anfang an über dessen nichtdeutschen Hintergrund im Klaren ist. Wenn dem so wäre, dann wäre sein Handeln aber auch selten dämlich, denn es wäre vermutlich ein leichtes für ihn gewesen Verstärkung zu holen und den Laden hochzunehmen (irgendwo her muss er ja auch gekommen sein - wie auch die lustig zechenden Mannschaftsdienstgrade, d.h. es ist sicher nicht so, dass im Umkreis von zig Kilometern keine deutschen Einheiten sind). Aber auch das liese sich im Tarantino-Universum akzeptieren, nicht aber eben "in echt". Und wenn Tarantino schon auf den schlecht deutschsprechenden Figurend seiner Kriegsfilm-Vorväter rumreitet (übrigens völlig zurecht), dann hätte er hier es etwas besser machen sollen (oder den Schnabel halten und genau so wie die Vorväter fröhlich auf den "Realitätsbezug" pfeifen).
>> das ist alles aber schon sehr akademisch, weil ich mit all den genannten Punkten eigentlich gar keine Probleme habe und es den Film auch nicht beschädigt. Ich habe das Fass dennoch aufgemacht um zu zeigen, dass nicht nur die deutsche Synchro ihre Problemchen mit sich rumträgt, sondern durchaus auch die O-Fassung (die ich wie bereits erwähnt dennoch bevorzuge). Da ich ein heftiger Kriegsfilmfan bin, ist die Umsetzung von deutschsprechenden Soldaten im O-Ton für mich schon immer ein Dorn im Auge gewesen, da es selten bis nie überzeugend war und leider oftmals auch aus dem Filmgenuss etwas rausreisst. Und diesbezüglich macht es Tarantino zwar durchaus besser, aber er vermeidet meiner Ansicht nach eben auch nicht vollständig die alten Fehler.