Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Casino Hille hat geschrieben:Genauso muss ich mir die Uncut Version von Starship Troopers besorgen! Warum wusste ich davon nicht früher was? Seit wann gibt es die plötzlich?
International gibt es die schon seit längerem (hab selber die US).
GoldenProjectile hat geschrieben:Ich werde mich irgendwann auch nochmal an Verhoeven ran trauen und nacheinander Robocop, Total Recall, Black Book und Hollow Man sichten. Mal sehen, ob dabei noch etwas rauskommt....
Meine empfohlene Reihenfolge wäre: Black Book > Robocop > Recall > Hollow Man
Die Filme sind aber recht unterschiedlich, auch stilistisch. Obwohl Recall und Robocop gern in einem Atemzug genannt werden ist der blecherne Sheriff doch wesentlich zynischer und kompromissloser. Recall entspricht deutlich mehr dem damaligen Mainstream, was gerade auch beim Humor deutlich wird. Black Book ist denke ich als Ausgangspunkt ideal, auch weil er weit weniger zeitgenössisch ist als die 80er und 90er FIlme von Paul. Auch agiert die Inszenierung hier subtiler, Paul schwingt eher den Degen als das Breitschwert. :) (was er allerdings in Elle auch tat...)
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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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AnatolGogol hat geschrieben:International gibt es die schon seit längerem (hab selber die US).
Toll, Anatol. Toll. Wir beide müssen dringend an unserer Kommunikation arbeiten. :wink: :mrgreen:

Hab ich mir jetzt gleich mal bestellt. Frechheit, dass ich über solche Neuerscheinungen hierzulande nicht UMGEHEND durch das Forum informiert werde.
Oder frei nach Heinz Erhardt: Was denkt ihr euch eigentlich? :wink:

Harmonica hatte schon recht: "Verlass dich auf andere und du bist verlassen."
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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Casino Hille hat geschrieben:Toll, Anatol. Toll. Wir beide müssen dringend an unserer Kommunikation arbeiten. :mrgreen:

Hab ich mir jetzt gleich mal bestellt. Frechheit, dass ich über solche Neuerscheinungen hierzulande nicht UMGEHEND durch das Forum informiert werde.
Hmm, lass es mich diplomatisch ausdrücken: bezüglich der VÖ von Starship Troopers auf blau bist du deiner Zeit zumindest nicht voraus...ich verweise mal ganz charmant auf den VÖ-Termin meiner Scheibe :) :
http://www.blu-ray.com/movies/Starship- ... u-ray/192/

Casino Hille hat geschrieben:Harmonica hatte schon recht: "Verlass dich auf andere und du bist verlassen."
jaja, der gute alte Bernd Clüver :D
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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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AnatolGogol hat geschrieben:bezüglich der VÖ von Starship Troopers auf blau bist du deiner Zeit zumindest nicht voraus...
Aber ist der Film nicht gerade in Deutschland auf Scheibe zum ersten Mal uncut erschienen, weil nicht mehr auf dem Index stehend?
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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Darauf hatte ich mich bezogen.

Ich war da eh immer verwundert darüber, dass der Film hierzulande auf dem Index gelandet ist. Selbst wenn man ihn als pro-militaristischen Film missverstehen will: Heutzutage kann doch jeder Jugendliche sich mit einem Internet Zugang 7000 mal schlimmeres Zeug ansehen und durchlesen.
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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Ich hatte immer gedacht, dass die explizite Gewalt Schuld an der Indizierung sei. Vermutlich haben die vielen NS-Verweise aber auch nicht geholfen dies zu verhindern...doof war es so oder so, aber wenn man bedenkt, was alles auf den Index oder gar in den Giftschrank gepackt wurde ist ST in bester Gesellschaft.
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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (heute Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien) indizierte den Film 1999 aufgrund der Gewaltdarstellungen und des von ihr als pro-militaristisch interpretierten Inhalts. Nach Ansicht der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (die nicht von allen Kritikern geteilt wird) spielten die satirischen Elemente nur eine untergeordnete Rolle. Der Film sei daher verrohend und geeignet gewesen, Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren.
Schon krass, was für Deppen (ich entschuldige mich für den Ausdruck!) teilweise solche Entscheidungen fällen dürfen.
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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Wobei die Begründung nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist. Ich kann mich noch bestens an meine Erstsichtung im Kino erinnern, als vor allem im letzten Drittel des Films viele Zuschauer regelrecht gejohlt haben wenn den Bugs in den Hintern getreten wird. Verhoevens Kalkül die Wirksamkeit von Propaganda am lebenden Objekt zu demonstrieren ging voll auf, ich würde mal behaupten, dass der satirische Ansatz weit über die Köpfe eines nicht unerheblichen Teils des damaligen Publikums hinwegflog. Allerdings finde ich dennoch, dass Zensur (und nichts anderes ist eine Indizierung praktisch) so oder so nicht die Lösung hierfür ist.
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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Ja, mir scheinen Starship Troopers und Showgirls zwei Filme zu sein, die allgemein stark missverstanden wurden/werden. Was imo aber auch für Verhoeven spricht, der eben immer ein unkonventioneller Kopf war, dessen satirische Ader oft so stimmig und böse war, dass mancher sie glatt übersehen konnte. Auch wenn ich ganz persönlich die Troopers gegenüber den Showgirls noch mal ganz klar und deutlich bevorzuge.
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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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Casino Hille hat geschrieben:Ja, mir scheinen Starship Troopers und Showgirls zwei Filme zu sein, die allgemein stark missverstanden wurden/werden. Was imo aber auch für Verhoeven spricht, der eben immer ein unkonventioneller Kopf war, dessen satirische Ader oft so stimmig und böse war, dass mancher sie glatt übersehen konnte.
Ich habe gestern – auch inspiriert durch deinen Post – mir nach über einem Jahrzehnt mal wieder Showgirls zu Gemüte geführt. Der Film war immer das große Rätsel innerhalb Verhoevens Oevre für mich, da es mir nicht so recht gelingen wollte zu erkennen, auf was Paul hier eigentlich hinaus will. Die von dir angesprochene satirische Ader sehe ich zwar ebenfalls in einzelnen Szenen und Charakteren, allerdings vermag ich nicht einen durchgängigen satrischen Ansatz zu erkennen (wie z.B. in Robocop oder Starship Troopers).Wobei das natürlich auch daran liegen könnte, dass Las Vegas von Haus aus schon eine so überzeichnete Institution ist, dass weitere satirische Überzeichnung kaum noch ins Gewicht fällt. Aber auch unter Berücksichtigung dieses Aspekts wirkt Showgirls auf mich deutlich mehr „ernst gemeint“ denn satirisch überzeichnet.

Ich hatte es hier im Thread schon einmal angerissen gehabt, dass ich bei Showgirls durchaus Parallelen in der Konzeption erkenne zu Verhoevens früherem Werk Keetje Tippel, in welchem er den Werdegang eines armen Bauernmädchens im 19.Jahrhundert nachzeichnet. Ein Werdegang, welcher analog zu dem von Showgirl Nomi ebenfalls von männlicher Ausnutzung geprägt ist. Diese Parallele wird mMn noch verstärkt durch die bereits angesprochene „ernstgemeinte“ Grundstimmung (welche zwar auch in Keetje Tippel vom typisch Verhoevenschen derben Humor durchbrochen wird, aber eben ebenfalls nicht durchgängig). Natürlich ist Showgirls dabei der wesentlich plakativere und grellere Film (obwohl Keetje Tippel nun auch nicht gerade Polanskis Tess ist erscheint er im direkten Vergleich zu seinem 90er-Jahre-Pendant geradezu subtil), was aber in meinen Augen in erster Linie dem behandelten Sujet, also Las Vegas, geschuldet ist.

Und genau darin liegt meiner Ansicht nach auch die größte Stärke von Verhoevens vielleicht umstrittensten Film (zumindest wenn qualitative Aspekte diskutiert werden): ähnlich wie er in Starship Troopers die Mechanismen seines behandelten Stoffes anwendet und für seinen Film arbeiten lässt, so macht er dies auch hier. Showgirls ist genau so grell und (oftmals) oberflächlich, gleichzeitig faszinierend und widerlich wie das reale Las Vegas. Das Zockerparadies ist bei Verhoeven ein Erwachsenen-Disneyland auf Koks, was einen ganz erstaunlichen Kontrast zum nahezu zeitgleich entstandenen Säufermelodram Leaving Las Vegas darstellt, in welchem die Stadt durchgängig aus einem negativen Blickwinkel gezeigt wird. Auch wenn mMn Figgis der erheblich bessere Film gelungen ist, so erscheint mir Verhoevens Ansatz hier der erheblich ehrlichere und authentischere. Paul wertet nicht, sondern zeigt gleichermaßen die anziehenden wie die abstossenden Seiten. Seine Inszenierung ist dabei oftmals genauso ausbeutend, wie es Vegas gegenüber den Menschen ist. Am meisten fällt dies natürlich bei der „Fleischbeschau“ ins Auge, gilt aber in nicht geringerem Maße auch hinsichtlich der Charakterisierung. Gerade Hauptfigur Nomi kommt dabei in einem auffallend schlechten Licht weg, es wirkt beinahe so, als ob Verhoeven seinem Publikum zuruft: „seht her, ob Nomis Leben und Charakter auch gute Seiten bietet interessiert mich nicht. Mich interessieren nur die Seiten von ihr, die ich marktschreierisch ausbeuten kann: Nacktheit, Dummheit und Bösartigkeit“.

So gesehen liegt die Vermutung nahe, dass es Verhoevens Intention war mit Showgirls ein möglichst exaktes filmisches Äquivalent zum realen Las Vegas zu erschaffen. Ein Film, der Vegas nicht nur zeigt, sondern wie Vegas ist, sich wie Vegas benimmt und den Zuschauer ähnlich leer zurücklässt, wie die der Stadt wieder den Rücken kehrenden Besucher. Und obwohl Showgirls genau dies liefert, gelingt es dem Film nur bedingt zu überzeugen. Auch, weil die mutmaßlich bewusst oberflächlichen Figuren auch im fertigen Film unter der schillernden Oberfläche nur wenig zu bieten haben. Zwar gibt es durchaus einige interessante Ansätze, etwa wenn sich in der zweiten Hälfte ausgerechnet der von Robert Davi herrlich schmierig gespielte Stripschuppen-Betreiber als ernsthaft am Menschen Nomi interessiert zeigt oder auch die Episoden mit dem darbenden, aber immer noch ambitionierten Tänzer James (welcher allerdings am Ende dann doch folgerichtig „vom Leben“ bzw. von Vegas desillusioniert wird), aber so wirklich Tiefschürfendes wird nicht zu Tage gebracht. Vor allem das zentrale Figurengeflecht Nomi-Cristal-Zack bleibt merkwürdig nichtssagend gerade hinsichtlich der Motivation ihres Handelns. Das mag irgendwo dann vielleicht auch wieder extrem authentisch und nah an der Wirklichkeit sein, es funktioniert im Kontext des Films aber nicht richtig, da die Figuren einfach zu wenig greifbar sind. Letztlich erlaubt sich der Film auch zu viele typische Hollywood-Klischees, als dass der mutmaßliche „mein Film IST Las Vegas“-Ansatz wirklich durchgängig funktionieren würde (ganz extrem im letzten Drittel, etwa bei Nomis Rache am Schmusesänger oder ihrem finalen Abschied von der Stadt als wie uns der Film glauben machen will moralischeren Menschen).

Showgirls ist daher für mich auch kein wirklich guter Film, da zwar durchgängig unterhaltsam, was aber auch zu einem guten Teil seiner Skurrilität geschuldet ist. Dennoch ist der Film auch weit entfernt von der epochalen Gurke, als die er gerne angeführt wird. Denn dafür ist er schon handwerklich viel zu gut. So weiss vor allem die ausgetüftelte Bildgestaltung von Jost Vacano durch die Bank zu überzeugen, die viel zum stark eingefangenen Las Vegas-Feeling beiträgt. Auch wenn Showgirls sicherlich kein Schauspielerkino ist, so bietet der Film dennoch einige sehr ansprechende Darbietungen, so spielt vor allem Gina Gershon ihre Cristal mit wunderbarer Bösartigkeit. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Kontrast zu Elizabeth Berkleys Nomi. Der Film betont mehrfach, dass Cristal (Gershon) ein Star ist und Nomi (Berkley) sie daher nicht ersetzen kann. Entsprechend charismatisch trumpft Gershon auf, während Berkleys Darstellung oberflächlich und uncharismatisch bleibt. Gut möglich, dass auch dies Teil von Verhoevens Gesamtkonzept war – es erweist sich aber egal ob stimmig oder nicht als unglückliche Entscheidung eine uncharismatische Figur (Schauspielerin?) ins Zentrum des Film zu stellen.
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Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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AnatolGogol hat geschrieben:Wobei die Begründung nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist. Ich kann mich noch bestens an meine Erstsichtung im Kino erinnern, als vor allem im letzten Drittel des Films viele Zuschauer regelrecht gejohlt haben wenn den Bugs in den Hintern getreten wird. Verhoevens Kalkül die Wirksamkeit von Propaganda am lebenden Objekt zu demonstrieren ging voll auf, ich würde mal behaupten, dass der satirische Ansatz weit über die Köpfe eines nicht unerheblichen Teils des damaligen Publikums hinwegflog. Allerdings finde ich dennoch, dass Zensur (und nichts anderes ist eine Indizierung praktisch) so oder so nicht die Lösung hierfür ist.
Ja, kenne auch genug Leute, die dne Film bis heute nicht kapieren. :D Man muss aber auch zugestehen, dass die deutsche Synchro z.T. erheblich vom Original abweicht, v.a. bei der Lehrstunde zu Beginn.
http://www.vodkasreviews.de

https://ssl.ofdb.de/view.php?page=poste ... Kat=Review

Re: Die Filme von Paul Verhoeven

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AnatolGogol hat geschrieben:Die von dir angesprochene satirische Ader sehe ich zwar ebenfalls in einzelnen Szenen und Charakteren
Neben deinen (auch sprachlich) großartigen Ausführungen zu dem Film, möchte ich noch darauf verweisen, dass Showgirls definitiv (ob man das dann mag oder nicht, ist eine andere Frage!) als Satire auf sexuelle Objektifizierung zu sehen ist. Zentral dafür ist ein Dialog des Films, den ich daher kurz zitieren möchte:
Cristal Connors: You have great tits. They're really beautiful.
Nomi Malone: Thank you.
Cristal Connors: I like nice tits. I always have, how about you?
Nomi Malone: I like having nice tits.
Cristal Connors: How do you like having 'em?
Nomi Malone: What do you mean?
Cristal Connors: You know what I mean.
Nomi Malone: I like having them in a nice dress, or a tight top.
Cristal Connors: Mmmm. You like to show ‘em off.
Nomi Malone: I didn't like showing them off at the Cheetah.
Cristal Connors: Why not? I liked lookin' at 'em there. We ALL liked lookin' at 'em there!
Nomi Malone: It made me feel like a hooker.
Cristal Connors: You are a whore, darlin'.
Nomi Malone: No I'm not!
Cristal Connors: We all are. We take the cash, we cash the check, we show 'em what they wanna see.
Nomi Malone: Maybe YOU are a whore, Cristal, but I'm not.
Ich denke, dass dieser Dialog eine Schlüsselszene des Films ist und Verhoevens Absichten ziemlich gut herauskristallisiert. Dass die Inszenierung seines Films ein visuelles und strukturelles Äquivalent zu Las Vegas selbst sein soll, teile ich allerdings und wäre auch meine Erklärung für viele Eigenarten des Films. Gleichzeitig wird da natürlich auch der American Dream schön vorgeführt. Ich halte den Film für unterschätzt. Inszenatorisch (also in den Bereichen Cinematography, Editing, Production Design und Score) ist der Film fein gemacht und ansonsten oft pure Sexploitation. Die viel belachte Rape Szene ist in meinen Augen recht clever.

Anatol, vielleicht ist dieser Artikel was für dich?
http://birthmoviesdeath.com/2015/02/11/ ... es-a-whore
https://filmduelle.de/

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