Casino Hille hat geschrieben: 17. September 2019 20:44
Nein, da muss ich jetzt Maibaums Formulierung benutzen. Rambo II ist in jeder Hinsicht ein Witz als Fortsetzung zu First Blood gesehen und in keinster Weise eine sinnige Fortführung. Das ist fast die Antithese zum Original, und macht das Zitat von Stallone weiter oben ohnehin vollkommen obsolet, denn wer von Verantwortung spricht, der hätte Rambo II so nicht gedreht.
Liebe Freunde, das kann man aber auch deutlich anders und differenzierter sehen! Ich sehe weder in der Figurenentwicklung von Rambo noch in der stilistischen Differenz der ersten beiden Filme einen echten Widerspruch. Natürlich weist beides z.T. starke Unterschiede auf, aber das ist nichts, was sich in meinen Augen wirklich widerspricht. Nehmen wir die Figur Rambo: Teil 1 endet doch sehr bewusst mit einer starken Katharsis, sprich dem Zusammenbruch der Figur bei der Rekapitulation seiner Erlebnisse während des Krieges UND danach. Dieser kathartische Moment wird ergänzt durch die finale Einstellung, in welcher Rambo zusammen mit Trautman das Gebäude verlässt – zwar gefesselt aber eben auch aufrecht. Von daher liegt die Interpretation dieser Szene, dass die Figur Rambo im Anschluss eine Chance hat sein Leben und sein Trauma wieder in den Griff zu bekommen, nicht völlig außerhalb des Vorstellbaren. Man könnte auch sagen: Trautman hat Rambo gerettet (auch vor sich selbst) und nun besteht die Hoffnung auf einen Neuanfang. In diesem Zusammenhang sollte man auch berücksichtigen, dass Rambos „Durchdrehen“ in Teil 1 zwar vordergründig durch seine Erlebnisse während des Krieges ausgelöst wurde (also dem Flashback zu seiner Folter), sich sein Trauma aber erst durch seine Erlebnisse in den Staaten richtig entfaltet hat. Das wird im abschliessenden Monolog ja auch eindeutig thematisiert. Rambos Problem ist in erster Linie, dass er keinen Platz mehr in der Welt findet und sich wertlos fühlt. Rambo ist ja auch in Teil 1 kein völlig gebrochener Charakter, was dadurch verdeutlicht wird, dass sobald er sich auf vertrautem Terrain bewegt – also in seinem Kleinkrieg gegen Teasle und desse Leute – er perfekt „funktioniert“. Hier weiß er genau was zu tun ist, hier hat er die Kontrolle über alles – während er im „normalen Leben“ ziel- und orientierungslos umherirrt (auch das verdeutlicht der Film in den Anfangsszenen eindringlich).
Springen wir zum Anfang von Teil 2: Trautman besucht Rambo im Knast und bedauert, dass er ihn nicht früher aus „dieser Hölle“ rausgeholt hat. Rambo entgegenet, dass er hier wenigstens weiß, wo er ist. Er hat seinen Platz, auch wenn es nicht gerade einer ist, welchen man sich gemeinhin wünschen würde, aber dennoch sieht er es als Verbesserung gegenüber seiner Odyssee in Teil 1 (dieser Ansatz liegt auch vollständig auf Linie mit Rambos Ausgangssituation in den Teilen 3 und 4, in welchen er sich ebenfalls einen neuen Platz im Leben gesucht hat). Es liegt nahe zu vermuten, dass er auch seine Probleme mit seiner Zeit in Vietnam nach etlichen Jahren im Knast zumindest in Teilen bewältigen konnte. Oder zumindest hatten die dort erlittenen Wunden Zeit zu heilen, zu vernarben und liegen nicht mehr offen durch die permanente Zurückweisung der amerikanischen Gesellschaft, die er in Teil 1 (bzw. davor) erfahren musste. Zudem erhält er von Trautman die Chance sich wieder dort und bei dem zu beweisen, was er am besten kann und was seinem Naturell am meisten entspricht. Im Rest des Films funktioniert er auf eben diesem Gebiet wieder genau so perfekt wie in Teil 1, er ist an seinen angestammten Platz im Leben zurückgekehrt. Und dennoch: die angesprochenen Wunden mögen nicht mehr offen liegen, vergessen sind sie figürlich aber sicherlich nicht. Am deutlichsten wird dies im Dialog mit Co auf dem Boot und Rambos berühmter „expendable“-Rede. Unter der perfekt funktionierenden Oberfläche ist nämlich nach wie vor nicht alles perfekt, allein die Zeit hat Rambo offensichtlich etwas Abstand zu seinem vormaligen Leben und den daraus entstandenen Problemen gewinnen lassen.
Auch die These, dass Rambos Einsatz in Vietnam in Teil 2 – also genau dort, wo er sein Trauma aus Teil 1 erworben hat – und die Tatsache, dass er Kameraden, die ähnlich leiden mussten wie er weiteres Leid durch ihre Befreiung erspart ihm hilft, seine Problem weiter zu bewältigen (in dem er sich ihnen direkt stellt) ist in meinen Augen nicht gänzlich abwegig bzw. wird durch den Film gestützt. Rambo mag in der finalen Szene des Films seinen Platz scheinbar wieder verloren haben (da sein Einsatz wie auch seine Zeit im Gefängnis vorbei sind), dennoch ist die Ausschau auf sein weiteres Leben („Day by day“ – by the way: die deutsche Synchro „ich weiss es nicht“ ist hier eher unglücklich, da deutlich negativ konnotiert, gewählt) nicht völlig hoffnungsfrei. Auch hier wieder eine starke Parallel zum Ende von Teil 1, Rambo muss sich seinen Platz im Leben auch weiterhin suchen – aber er geht eher gestärkt aus Teil 2 hervor und man kann ihm durchaus zutrauen, dass er nicht sofort wieder in der nächsten Kleinstadt Amok laufen wird (wie uns Teil 3 ja dann auch beweist, als er stattdessen lieber aufgepumpte Thais mit Stöckchen vertrimmt
).
Von daher: bei allen Unterschieden ist für mich Rambo II durchaus eine stimmige Fortführung von Rambo I.
Casino Hille hat geschrieben: 17. September 2019 20:44
Und ja, der Roman, den ich auch gelesen habe, wurde hübsch adaptiert und massentauglich ins Kino gebracht.
Ich fand den Roman auch sehr sperrig und, dass die Figur des Rambo kaum was gemein hattte mit dem in der Filmversion von First Blood. Da bin ich bei vodka, dass vor allem die Tatsache, dass man Rambo im Film zum Sympathieträger gemacht hat, den Film erst richtig funktionieren lässt. Ich bedaure zwar etwas, dass der Konflikt zwischen den beiden Kriegsveteranen Rambo und Teasle im Film etwas untergeht (zumindest in der uns bekannten Fassung), aber ansonsten ist der Film dem Roman in jeder Beziehung überlegen – auch was das Ende angeht. Welches ich übrigens…
Casino Hille hat geschrieben: 17. September 2019 20:37
vodkamartini hat geschrieben: 17. September 2019 20:31
Nicht Franchise tauglich, darum ging es hier gar nicht. Das ist Unsinn.
Ist es überhaupt nicht und die Fortsetzung zeigt auch recht gut, wie sehr es die Beteiligten bzw. Stallone mit Verantwortung mit der Darstellung von Veteranen hatten.
Dass Stallone sich nicht hinstellt und das offen ausspricht, wundert mich aber wenig. Ich habe ja nie behauptet, dass das der einzige oder ausschlaggebende Grund war, aber das Stallone es nicht u.a. auch im Kopf hatte, kann mir keiner erzählen.
…nicht als Ausdruck eines potenziellen Franchise-Wunsches ansehe. Der Franchise-Gedanke war in den frühen 80ern innerhalb der Filmindustrie nicht besonders stark verbreitet. Ja, Rocky II hatte Stallones Karriere wieder etwas Fahrt gegeben und Rocky III hatte er kurz vor First Blood abgedreht – aber der Erfolg von letzterem stand da noch in den Sternen. Nach Rocky III und IV und vor allem auch Rambo II war bei Stallone fraglos der Appetit auf weitere Franchises geweckt – Cobra oder auch Tango & Cash sind da sicherlich gute Beispiele, aber wie gesagt denke ich nicht, dass dies bereits 1981 in Stallones Karrierplanung ein Thema war, Rocky wurde seinerzeit eher als glücklicher Sonderfall denn als Blaupause angsehen. Aber unabhängig davon ist der Rambo-Stoff auch viel viel zu sperrig, als sich sofort augenscheinlich für ein Franchise anzubieten (vor allem auch in der Version, die eigentlich vorgesehen war: also ein fast zweieinhalbstündiges Drama mit Actionszenen statt einem knackigen anderthalb stündigen Actioner mit Drama-Untergrund). First Blood war rein von der Ausgangssituation auch kein anderes Projekt als z.B. Nachtfalken oder Flucht oder Sieg, aufgrund des Materials vielleicht sogar eher noch weiter weg von einer möglichen Reihe. Ich halte daher Stallones Aussage bezüglich des veränderten Endes von First Blood für durchaus glaubwürdig, zumal sie in einer Linie mit seinen Aussagen über sein Anliegen in Rambo IV steht. Auch hier wurde ihm vorgeworfen, dass er den Bürgerkrieg in Birma ausgeschlachtet hat und sein Anliegen, den Film gedreht zu haben um genau darauf aufmerksam zu machen, nicht glaubwürdig sei. Das ist für mich aber eher die Projektion von eigenem Denken und Moralvorstellungen auf Stallone – etwas was nicht zwangsläufig deckungsgleich sein muss. Ich denke viel mehr, dass es für Stallone keinen Widerspruch darstellt einen splattrigen Actioner mit moralischer Botschaft zu drehen – zumal das Wort Splatter im Zusammenhang mit Rambo IV auch der falsche Begriff ist, da es impliziert, dass die Gewaltszenen nur um ihrer selbst Willen im Film sind. Das würde ich aber vor allem im Director’s Cut als für so nicht haltbar ansehen, da hier Stallones mehrfach in Interviews bekundete Absicht hinischtlich Themas und Figur sehr wohl deutlich wird und die extremen Gewaltszenen als durchaus passendes Stilmittel erscheinen. Kann man sicherlich auch anders sehen, aber – und das ist der springende Punkt – muss man nicht.
Casino Hille hat geschrieben: 17. September 2019 20:11
immerhin schrieb er bekanntermaßen das Drehbuch von James Cameron noch einmal völlig um, dieser sagte später: "Ich habe die Action geschrieben, und Stallone die Politik."
Dieses (leider) sehr bekannte Cameron-Zitat ist meiner Meinung nach ein ziemlich offensichtlicher Versuch sich selbst zu schmeicheln. Denn es impliziert unterschwellig, dass er für alles Gute im Film/Drehbuch verantwortlich ist (da Rambo II in erster Linie als Action-Spektakel filmische Bedeutung erlangt hat), während sich Stallone für den ganzen „Müll“ verantwortlich zeichnet (da Rambo II gerne auch als reaktionär und hirnlos dargestellt wird). Stallone braucht sich als Drehbuchautor sicherlich nicht vor Cameron verstecken, der für mein Empfinden ein deutlich besserer Regisseur und Ideenlieferant denn ein Dramaturg ist (oder zumindest war – womit ich nicht sagen will, dass er sich als Schreiber jetzt maßgeblich verbessert hat). Zu behaupten, die grandiose Action in Rambo II würde in erster Linie seinem genialen Drehbuch(-Teil) zu verdanken sein (denn genau dies will das Zitat ja aussagen) halte ich vorsichtig ausgedrückt für ziemlich diskutabel.