Re: Die Filme des Guy Ritchie

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Revolver habe ich gerade geschaut.
Schwer zu sagen wie ich ihn fand. Er war gleichzeitig interessant und nicht so interessant. Wahrscheinlich müsste ich ihn gleich noch mal schauen um zu wissen in welche Richtung sich das Pendel bewegt.

Im wesentlichen sehe ich Ritchie als einer der vielen die tarantinoartiges Kino machen, ohne aber so vollendet zu sein wie dieser. Ok, das ist auch schwer weil QT einfach eine Klasse für sich ist (zumindest bislang). Ritchie besaß aber anfangs eine gewisse Originalität bei dieser Art von Kino, und hat dabei auch den Weg vom Rauen zum glatten hin beschritten. Mittlerweile ist er im Hollywood-Mainstream gelandet, wohl auch weil sein ambitionierter Revolver ein gewaltiger Flop war. Aber er hat denke ich auch im Mainstream noch eine eigene Handschrift.

Re: Die Filme des Guy Ritchie

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Ich wusste mit Revolver bei der Erstsichtung noch nicht viel anzufangen, danach wurde er immer besser. Ein visuelles Fest, das tief in die spannende, unergründliche Welt zwischen Schein und Sein vordringt. Die Fahrstuhlszene finde ich umwerfend, auch toll gespielt von Statham.
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Re: Die Filme des Guy Ritchie

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Gerade in der Heimkinoauswertung endlich "Codename U.N.C.L.E." nachgeholt. Betonung liegt auf "endlich".

Bin begeistert - vor allem, wie gut das Kinojahr 2015 im Bereich "Spionagefilm" aufgestellt ist und was für tolle, unterhaltsame Filme uns geliefert wurden - Kingsman, U.N.C.L.E. , MI5 und SPECTRE - Spy und Bridge of Spies kann ich hier noch nicht nennen, den ersteren von beiden lasse ich komplett aus, den letzteren hole ich im Heimkino nach.

Genauere Review kommt am Wochenende !!!
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Die Filme des Guy Ritchie

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Review zu „Codename U.N.C.L.E.“

Worum geht es in Codename U.N.C.L.E ?

In den 60ern zur Zeit des kalten Krieges müssen der CIA-Agent Napoleon Solo und der KGB-Agent Ilya Kuryakin gegen ein Syndikat ermitteln, das eine internationale Bedrohung plant. Dabei folgen beide der Spur eines verschwundenen deutschen Wissenschaftlers.

Was halte ich davon ?

Vorbelastet durch meine Liebe zu Spionagefilmen stehe ich Parodien und Komödien sehr kritisch gegenüber. Ich kann absolut nichts mit der Austin-Powers-Reihe anfangen und kam mir bei der 1967er-Fassung von Casino Royale vor wie im schlechten Film. Die beiden Teile von OSS117 mit Jean Dujardin waren cool, aber streckenweise sehr langatmig und Dujardin kam aus dem Dauergrinsen nicht heraus.

2015 ist mit seinen Agentenfilmen ein Top-Jahr geworden. Bond und Mission Impossible bleiben für mich dieses Jahr unerreicht (mit Ausnahme von Mad Max Fury Road), aber Kingsmen und Codename Uncle brauchen sich nicht zu verstecken.

„Bewerbungsvideo“ kam mir mehrfach in den Sinn ! - Zum einen für Henry Cavill, der mit seinem vielleicht leicht hölzernen, aber jedoch stolzem und charismatischem Auftreten des weltgewandten Lebemanns und Agenten Napoleon Solo den Eindruck macht, er würde hier schonmal proben, wenn er ein künftiger Bonddarsteller wird. Wie Guy Ritchie es hier schafft, diesen richtig coolen 60er-Jahre-Stil einzufangen und den Film auf moderne Art und Weise zu filmen (Montagen, gut eingesetzte Shaky-Cam, comicartige Splitscreens und das Verfolgen mehrerer Blickwinkel einer einzigen Szene). Es wäre zwar nach Mendes ein großer Stilbruch im Bonduniversum, aber ich würde Guy Ritchie als kommenden Bondregisseur befürworten, weil dieses coole, stylishe, Retrofeeling in Verbindung mit der Machart sehr erfrischend daher kommen könnte. Die Story selbst hätte auch als Bondfilm funktioniert.

Zu Henry Cavills schauspielerischer Leistung habe ich schon weiter oben meine Meinung abgegeben. Armie Hammer muss einfach nur die ganze Zeit seine Größe ausspielen und grimmig oder verduzt in die Kamera schauen. Seine beste Rolle war bisher die Winklevoss-Brüder in The Social Network – mit Lone Ranger hat er sich keinen Gefallen getan, hier ist er jedoch für seine Verhältnisse über dem Durchschnitt. Neben der Tatsache, dass es sich hier um eine Agentenkomödie handelt, war die Schwedin Alicia Vikander, die über mehrere nachgeholte Filme dieses Jahr zu einer meiner Lieblingsschauspielerinnen aufgestiegen ist und mir natürlich auch optisch sehr zusagt. Sie spielt hier Gaby Teller, über deren Rolle ich hier nichts verlieren möchte, aber Vikander meistert das mit Bravour und stiehlt hier ihren männlichen Co-Stars auch mal die Show. Auch toll, deutsche Schauspieler wie Sylvester Groth und Christian Berkel zu sehen.

Neben Hammer ist „Style over Substance“ Fluch und Segen des Films zugleich. Die Bad Guys sind ganz OK, die Story eben eine 08/15-Bedrohung der 60er, so dass der großteil des Films mehr durch den Style und witzigen Frotzeleien zwischen dem 3er-Gespann Cavill, Hammer und Vikander getragen wird und sehr unterhält.

Codename U.N.C.L.E. bekommt von mir 8/10 Punkte !
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Re: Die Filme des Guy Ritchie

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HCN007 hat geschrieben:Die beiden Teile von OSS117 mit Jean Dujardin waren cool, aber streckenweise sehr langatmig und Dujardin kam aus dem Dauergrinsen nicht heraus.
Ich liebe diesen dummdreisten Dauergrinsblick von Dujardin in den OSS 117 Filmen, und noch mehr in Kombination mit seiner dämlichen Lache.
Zuletzt geändert von Maibaum am 19. Dezember 2015 14:57, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Die Filme des Guy Ritchie

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Sehr schön. Freut mich, dass dir der Film auch gefallen hat. Ein Punkt mehr hätte aber nicht geschadet, und der Text liest sich für mich eigentlich auch eher nach 8 als nach 7.
vodkamartini hat geschrieben:Henry „Superman" Cavill spielt den amerikanischen Paradiesvogel mit einer schwungvollen Mischung aus tiefenentspannter Coolnness, süffisanter (Selbst-)Ironie und nonchalantem Charme, was die drängende Frage aufwirft, warum er in seinen bisherigen Blockbusterrollen so stocksteif und hölzern agierte.
Sehe ich haargenau wie du. UNCLE ist der schlagende Beweis dafür dass auch Cavill cool sein kann, dieser snobistische, elegante und charmante Agenten-Macho sitzt ihm wie angegossen und lässt seine farb- und lieblose Clark-Kent-Performance umso grässlicher erscheinen. Snyder ist aber halt auch kein Ritchie.
vodkamartini hat geschrieben:Dafür liefert Ritchie eye candy bis zum Überfluss. Ritchie und sein Kameramann schwelgen geradezu im grell-bunten Popart-Design der 60er-Jahre. Ob Autos, Interieurs, Accessoires, oder Kleider, alles ist perfekt aufeinander abgestimmt, platziert und inszeniert. Alicia Vikander und die nicht minder attraktive Australierin Elizabeth Debicki („The great Gatsby") wechseln für beinahe jede Szene ihre Garderobe und veranstalten eine sich genseitig überbietende, extravagante Modenschau.
...und trotzdem behält sich Ritchie einen eigenen Stil. Beim Stichwort bunte Pop-Art-Siexties-Retroshow drängt sich der Vergleich mit Vaughn - besonders Kingsman - ja förmlich auf, aber während Vaughn in seinen extravaganten Farb- und Schauwerten jeden Rahmen sprengt hält sich Ritchie vergleichsweise zurück und baut mehr auf stimmungsvolle Atmosphäre, auch wenn sein Werk sicherlich ebenfalls sehr bunt und launig daherkommt und den Zeitgeist immer bewusst betont.
vodkamartini hat geschrieben:Garniert wird diese fluffige Agentensause dann noch mit einem auf den Punkt ausgesuchten 60s-Score
Ich fand Pembertons Musik fantastisch und die folgende Suite ist für mich nicht nur eine der denkwürdigsten Filmmusik-Suiten der letzten Jahre sondern weckt auch stilistische und qualitative Erinnerungen an Grossmeister Morricone. Mehr Lob von mir geht nicht.

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Re: Die Filme des Guy Ritchie

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Ich konnte den Onkel jetzt auch sehen und war durchaus positiv überrascht. Ritchies visueller „Spieltrieb“ ist zwar hin und wieder etwas aufdringlich, funktioniert aber in den meisten Szenen gut. Ein paar Regieeinfälle sind wirklich sehr gut, am besten gefiel mir die Actionszene mit dem Motorboot (bzw. dem Sandwich). Der Film trifft auch filmisch den Stil der handlungstechnisch verarbeiteten 60er Jahre, einzig der unvermeidliche Gelbstich verdarb diesen gelungenen Eindruck zuweilen (türkiser Himmel etc.). Die Story ist sehr dünn, aber die Inszenierung macht das Beste daraus. Die Figurenkonstellation und die sich daraus entwickelnden „Kabbeleien“ sind launig, die Darsteller gut gewählt. Vor allem Cavill überrascht positiv und gibt einen schön snobistischen Retro-Agenten. Zudem ist Alicia Vikander ein einziger Augenschmaus und Sylvester Groth liefert einen gleichermaßen amüsanten wie denkwürdigen Gastauftritt. Alles in allem waren die knapp 2 Stunden zumeist ein amüsanter kleiner Spass, allerdings gleichzeitig auch sehr belanglos und inhaltlich praktisch luftleer. Irgendwie hat es sich etabliert, dass viele große Blockbuster aktuell nahezu ohne echte Handlung auszukommen meinen, der Onkel ist da auch keine Ausnahme. Schade, dann mit einer halbwegs interessanten und einfallsreichen Handlung wäre da noch einiges mehr drin gewesen angesichts der guten Regieeinfälle und der launig agierenden Besetzung. Aufgrund des praktisch völlig abgehenden Replay-Faktors (wenn ich diesen Begriff des geschätzten Mitforisten HCN mal entleihen darf) dann aber eben doch „nur“ 6,5 Punkte – damit für mich aber immerhin dennoch der beste und unterhaltsamste der vier großen Agentenfilme des Jahres 2015.
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Re: Die Filme des Guy Ritchie

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Immerhin, 6,5 Punkte hält mein schwaches Herz gerade noch aus, folglich kein Grund für mich, den Notarzt zu rufen. Dennoch schade dass du mit dem 2015er-Agentenfilmquartett nicht allzu viel anfangen konntest, für mich kriegt der schwächste der vier die 6,5 Punkte und nicht der beste (und ja, es ist unser Bond). Mit dem etwas dünnen Handlungsgerüst magst du recht haben, man merkt halt schon, dass Ritchie seine Drehbücher nicht mehr selber schreibt (wobei ich gerade erstaunt feststelle dass er am Script zu UNCLE mitgearbeitet hat). Trotzdem, diese wunderbare Symbiose aus komplexen, wendungsreichen Inhalten und stilvoller, stimmiger Umsetzung seiner früheren Werke erreicht er auch mit diesem Film nicht mehr. Ich finde, aber dass die Inszenierung, das regelmässige Aufgreifen vorheriger Details in einem anderen Kontext, die herrlichen Bildsequenzen und die alles tragenden Hauptdarsteller (hättest du mir vor einem Jahr erzählt, dass ich Cavill jemals dermassen loben werde, ich hätte dich für bekloppt erklärt) aus dem Onkel einen wirklich denkwürdigen Filmspass machen. Für mich ist er rückblickend der beste des Quartetts, noch vor Kingsman, und wird ganz bestimmt den Weg in meine Sammlung finden.

Was sagst du zu dem Soundtrack? (siehe meinen obigen Kommentar plus YouTube-Verlinkung)
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