Um "True Lies" mit deutschem Ton auf Blu-ray schauen zu können (Arnie kann ich im O-Ton nicht ernstnehmen), musste ich mir jetzt ernsthaft eine spanische Scheibe anschaffen, auf der dann groß "MENTIRAS ARRIESGADES" steht … nun ja.
Irre, was für Action der Cameron da 1994 auf die Leinwand geballert hat. Die letzte halbe Stunde hat so durchgeknallte und spektakuläre Momente (insbesondere die Brückenszene und den Kampfjet-Ausflug nach Miami) an Bord, da hält keiner der Brosnan-Bonds mit. Das sprüht nahezu über von einer geradezu kindlichen Begeisterung am Zerstören. Unfassbar. Selbst im Cameron-internen Vergleich zu "Terminator 2" handelt es sich hierbei um ein ganz anderes Level an Aufwand und Spektakel. Der berüchtigte "You're fired"-Moment (was für ein blöder Spruch übrigens) ist so übertrieben drüber, so lächerlich überhöht, dass er selbst in einer Parodie herausstechen würde. Ich habe mich kringelig gelacht. DAS nenne ich mal einen Schurkenabgang!
Ansonsten ist "True Lies" ein Film, der mir viel Spaß macht, der mir Freude bereitet, den ich deshalb aber nicht unbedingt immer gelungen finde. Es ist einer dieser Filme, bei dem auch das Spaß macht, was nicht funktioniert, aber dann eher aus einer distanzierten und "darüber lachenden" Haltung heraus, als zwangsläufig aus einer wertschätzenden. Ein Beispiel: Wer sich bei den Roger-Moore-Bondfilmen hier im Forum gerne daran stört, dass das Stunt-Double des Bonddarstellers zu deutlich zu erkennen wäre, der muss "True Lies" hassen. Cameron gibt sich nicht mal ansatzweise die Mühe, in irgendeiner Actionszene die Illusion aufrechtzuerhalten. Arnies Stunt-Double ist so dermaßen oft klar zu erkennen (frontal ins Gesicht gefilmt), dass er gefühlt mindestens ein Viertel der gesamten Screentime von Schwarzenegger einnimmt.
Die Dreiteilung des Films ist zudem dramaturgisch eher missglückt. Die ersten vierzig Minuten ist "True Lies" eine durchaus launige James-Bond-Quasiparodie, mit dem schmissigen Tango-Auftakt, der sehr beeindruckenden "Pferd jagt Motorrad"-Verfolgungsjagd und der wohl besten Actionszene in James Camerons Karriere: einem kurzen Intermezzo auf einer Herrentoilette, in der Arnie zwei Terroristen ausschaltet und sich gegen einen dritten nur gerade so verteidigen kann. Absolut großartig inszeniert, schnell, hart, knackig und an der richtigen Stelle durch Humor aufgelockert. So geht das. Cameron at his best.
Danach kommt dann aber der eigentliche Teil, für den es den Film gibt, in dem der Superspion seine vermeintlich untreue Ehefrau beschatten lässt und sie in sein Agentenleben reinlotst und ab da wird "True Lies" weitgehend wenig überzeugend verknüpftes Stückwerk. Ich scherzte gestern, man merke den ganzen langen "Rettet die Ehe!"-Teil an, dass dies von einem Mann (nämlich James Cameron) geschrieben wurde, der in seinem Leben viermal geschieden wurde. Der ganze "Arnie lässt seine Frau fürs fast-Fremdgehen-mit-Bill-Paxton büßen"-Teil ist auf eine unangenehme und seltsame Weise sehr bösartig und gemein. "Mean spirited", sagt der Ami dazu. Gerade die Verhörszene mit Jamie Lee Curtis, die angedrohte Hinrichtung von Bill Paxton und die viel zitierte Striptease-Sequenz gehen in meinen Augen tonal daneben und sind nicht mehr charmant / witzig, sondern erzeugen bei mir beim Anschauen ein missliches Gefühl.
Vieles in diesem langen Teil macht Spaß (vor allem, wenn Arnie in einer Traumvorstellung mit einem Schlag Bill Paxton ins Jenseits kloppt), und Jamie Lee Curtis ist schlicht granatenstark in "True Lies", es dürfte locker der beste Schauspielauftritt ihrer Karriere sein. Dennoch passt da tonal etwas nicht und ich hatte mehr Spaß mit der James-Bond-Parodie im ersten Akt als mit dem langen Hauptteil. Besonders bizarr ist dann die Überleitung ins Finale: Auf einmal stürmen die Terroristen in das Hotelzimmer und nehmen Arnie / JLC gefangen und erinnern einen daran, dass sie ja vor über einer Stunde mal Teil des Films waren. Dann erfährt Curtis in drei Minuten die ganze Wahrheit über ihren Mann, beide befreien sich, sie wird zwei Minuten später wieder gefangengenommen und Arnie ballert sich eine halbe Stunde wüst durch die Terroristenhorden. Hä?
Das Drehbuch von Cameron ist da schlicht mehr als unausgegoren. Die eigentliche Prämisse des Films sollte eigentlich das sein, was im Mittelteil stattfindet. Aber Cameron setzt einen Quasi-James-Bond-Film an den Anfang und das Ende und gibt sich nullkommanull Mühe, diese "beiden Filme" irgendwie schlüssig zusammenzubringen. JLC spielt die ersten vierzig Minuten quasi gar keine Rolle, danach sind die Terroristen und die Atombomben für mehr als eine Stunde vergessen und dann wird JLC sofort wieder an den Rand verdrängt, damit Arnie seine übliche Stuntshow abspulen kann – nur mit mehr Gigantomanie. Die spektakuläre Zersprengung der Brücke erfolgt durch irgendwelche uns unbekannten Piloten, die uns unbekannte Terroristen wegbomben. Das Finale zeigt uns Arnie, der seine Tochter (die vorher nie eine Rolle spielte) retten muss, während JLC gar nicht mehr ins Bild kommt, ehe uns die Schlussszene verrät, dass sie irgendwann später dann off screen auch Agentin geworden ist. Hää?
Was für ein Film will "True Lies" sein? Ein Arnie-Actioner aus dem Lehrbuch? Eine Parodie auf James-Bond-Filme? Ein Ehedrama als Actionfilm? Eine Verwechslungskomödie? Ein Film, in dem die biedere Hausfrau durch ein Abenteuer mit ihrem Superagenten-Gatten ihre ungeahnten Fähigkeiten entdeckt? "True Lies" ist das alles, aber damit gleichzeitig auch nichts davon so richtig.
Nicht falsch verstehen: Ich hatte eine Mordsgaudi mit dem Film. Aber er ist seltsam schludrig inszeniert an vielen Stellen, tonal "all over the place", mal leichtfüßig, mal auf fast misogyne Weise gemein, mal vergleichsweise hart, super spektakulär am Anfang und am Ende, dazwischen aber fast schon betont zurückgenommen, und zudem inhaltlich nie schlüssig konzipiert. Und trotzdem macht er mir Laune, sieht an manchen Stellen fantastisch aus, stellt einem teilweise sensationelle Szenen hin und hat spektakuläre Bilder, wie sie nur Cameron kann! Was sagt das Forum zu diesem Film?