Re: Jean-Paul Belmondo

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Genosse Gogol hat mich schon lange dazu inspiriert, mich mit Belmondos Werk vertrauter zu machen. Jetzt bin ich auch endlich dazu gekommen. Ich habe mir einfach mal die beiden Filme angesehen, die hier mit am besten beurteilt worden sind.

Der Profi (1981, Georges Lautner)
Ich mochte es schon immer, wenn ein Film geschickt verschiedene Genre-Elemente ineinander verwebt. George Lautners „Profi“ ist in dieser Hinsicht ein Prachtstück. Vom Kriegsfilm über den Thriller, die Komödie und den Actionfilm bis hin zum Western ist alles enthalten. Das Grundgerüst des Films ist jedoch ein harter, zynischer Politthriller, und egal wie viele Sprüche Belmondo klopft und wie skurril manche Elemente sein mögen, der Grundton des Films bleibt düster und grimmig. Die Geschichte ist brutal, die Actionszenen ebenso knallhart wie begeisternd choreographiert, gefilmt und geschnitten. Da ist es umso erstaunlicher, dass der Humor in gewissen Szenen nicht deplatziert wirkt.

Ennio Morricones „Chi Mai“ ist nicht nur das Leitthema des Films, sondern sogar das einzige Stück des Soundtracks. Das hätte schnell langweilig werden können, aber Morricone ist bekanntlich ein grosser Meister und so ist die schwermütige Melodie ein aufregender Verweis auf die eigentliche Tragik des Films und für mich sogar eines seiner besten Lieder.
8,5 / 10

Angst über der Stadt (1975, Henri Verneuil)
Fast wie Meister Hitchcock einst in „Frenzy“ hetzt Verneuil einen geisteskranken Triebtäter auf die weibliche Bevölkerung einer europäischen Grossstadt - hier Paris - los, und Jean-Paul Belmondo tut alles, um ihn aufzuhalten (nachdem er zunächst einen anderen Fall mit einer für ihn persönlichen Bedeutung gelöst hat). Was „Angst über der Stadt“ zu einem so herausragenden Kriminalthriller macht sind die Actionszenen: Belmondos waghalsige Stunts über den Dächern von Paris wurden von Verneuil mit fast schon dokumentarischer Authentizität in einer gewissen Langsamkeit inszeniert, dass Spannung und Intensität in ebenso schwindelnde Höhen getrieben werden wie „Bebels“ Kletterpartien. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit kommt uns Belmondos Protagonist durch seinen herben Charme und kleinere Sprüche immer näher, und bald kann man mit dem Polizisten mitfiebern und dem Mörder von ganzem Herzen eine Niederlage wünschen. Die gesamte Inszenierung ist - wie von Verneuil gewohnt - flott und launig, schiesst von einem Höhepunkt auf das nächste Kabinettstückchen und ist mit kreativer Kameraarbeit verfeinert. Bleibt noch Morricone, der wieder einmal einen perfekten Score geschmiedet hat, um die Stimmung des Films musikalisch einzufangen.
9,5 / 10
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Re: Jean-Paul Belmondo

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Das freut mich jetzt wirklich, dass dir die Filme so gut gefallen haben! Die beiden Filme sind gute Beispiele dafür, mit welch unterschiedlichen Stilmitteln verglichen mit aktuellen Produktion Actionthriller in früheren Zeiten Wirkung erzielten. Ich empfinde es auch so, dass die Actionszenen in Verneuils Angst über der Stadt eher langsam geschnitten und inszeniert sind, aber dennoch sehr wirkungsvoll eine Atemlosigkeit und Gehetztheit vermitteln, ganz zu schweigen von der dadurch wesentlich intensiver wahrgenommenen Gefahr. Das steht in krassem Kontrast zu der üblichen Herangehensweise vieler aktueller Produktionen wie zB Forsters QOS, welcher sich ja bei seiner Siena-Dachverfolgung u.a. auch am Verneuil-Film orientiert haben soll. Die von ihm verwendeten Stilmittel sind aber dann doch ganz andere und er vertraut weitgehend aktueller Stakkatoschnitttechnik und Steadycamextravaganz. Ich würde mir ehrlich gesagt schon wünschen, dass sich zumindest einige Actionregisseure auch mal darauf besinnen würden, dass man den gleichen oder einen ähnlichen Effekt auch mit anderen Stilmitteln als nur immer „Schneller, schneller, schneller“ erzielen kann. Es würde die aktuelle Actionlandschaft in jedem Fall weniger monoton erscheinen lassen wie ich finde. Angst über der Stadt und Der Profi sind diesbezüglich wie ich finde gute Vorbilder.


Solltest du ihn nicht ohnehin schon kennen würde ich dir nachdem du großen Gefallen an Angst über der Stadt gefunden hast unbedingt noch Friedkins French Connection ans Herz legen, bei welchem sich Verneuil stilistisch unverkennbar angelehnt hat. Friedkins Film ist noch besser und für mich fraglos einer der besten Polizeithriller aller Zeiten.
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Re: Jean-Paul Belmondo

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Der Körper meines Feindes (1976, Henri Verneuil)

Ein weniger bekannter Film der Traumkombi aus Frankreichs Actionstar Jean-Paul Belmondo und Meisterregisseur Henri Verneuil. Und obwohl Der Körper meines Feindes stark auf seinen Hauptdarsteller zugeschnitten ist und auch unverkennbar die Handschrift seines Regisseurs trägt ist er irgendwie doch anders als vergleichbare Filme wie beispielsweise Angst über der Stadt. Zu Beginn kehrt Belmondos Charakter nach einer wie wir später erfahren siebenjährigen Haftstrafe in seine Heimatstadt zurück. Verneuil lässt einen zunächst über die Hintergründe der Handlung und die Motive des Protagonisten im Unklaren, erst nach und nach bringt er Licht ins Dunkel. Unzählige kompliziert ineinander verschachtelte Rückblenden puzzeln allmählich eine interessante Geschichte um politische, familiäre und geschäftliche Intrigen zusammen, die Gegenwartshandlung bildet hierbei nur einen knappen Rahmen. Entsprechend schwierig war es für mich in der ersten halben Stunde, dem Geschehen zu folgen und sämtliche Fragmente zu verbinden. Aber je mehr Verneuil den Figuren Leben einhaucht und Zusammenhänge in der Geschichte deutlich werden desto mehr begeisterte mich die Erzählweise und packte mich die Spannung des Films. Der Schlussakt ist besonders gut gelungen und irgendwie typisch Verneuil.

Wer anfängliche Längen und Verwirrungen übersteht, dem wird ein spannendes, enorm komplex erzähltes Thriller-Drama mit einem gewohnt grossartigen Belmondo geboten. Ich werde Der Körper meines Feindes auf jeden Fall im Hinterkopf behalten.

7,5 / 10

Ein richtiges Brett ist auch die Titelmelodie, die zwar dieses Mal nicht von Morricone stammt aber durchaus an des Meisters Arbeit für andere Belmondo-Filme erinnert!

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Re: Jean-Paul Belmondo

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Verneuil ist für mich nur ein gediegener Handwerker. Keiner seiner Filme ist wirklich gelungen, dazu fehlte ihm das Talent aus seinen Stoffen mehr zu machen als ihnen steckte. Teilweise hat er es nicht einmal geschafft das Potential seiner Stoffe überhaupt zu erreichen.

Re: Jean-Paul Belmondo

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Maibaum hat geschrieben:Verneuil ist für mich nur ein gediegener Handwerker. Keiner seiner Filme ist wirklich gelungen, dazu fehlte ihm das Talent aus seinen Stoffen mehr zu machen als ihnen steckte. Teilweise hat er es nicht einmal geschafft das Potential seiner Stoffe überhaupt zu erreichen.
Die Schlusseinstellung von I comme Icare ist doch absolut genial.
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Re: Jean-Paul Belmondo

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Aus gegebenem Anlass - heute abend läuft der Film auf RTL Nitro um Viertel Elf - mal eine Gegendarstellung zu den üblichen geistlosen Verrissen der ollen TV Spielfilm ("Nur noch peinlich: Belmondo als Schwulenfresser und Ausländerhasser - dumpf und rassistisch" :roll: :lol: ):

Der Aussenseiter (1983) – Jacques Deray

Der Aussenseiter ist vermutlich der kontroverseste Film im Schaffen von Belmondo. Bei seinen erstaunlich häufigen TV-Ausstrahlungen (was ein recht deutlicher Fingerzeig hinsichtlich der Beliebtheit des Filmes ist) erhält er mit schöner Regelmäßigkeit in „Fachzeitschriften“ wie der TV Spielfilm die negativsten Bewertungen, immer mit dem unvermeidlichen Hinweis um welch menschenverachtenden Schund es sich hierbei handle. Und es ist in der Tat nicht von der Hand zu weisen, dass es sich beim Aussenseiter um ein moralisch recht fragwürdiges Werk handelt, hauptsächlich aufgrund der Art wie hier brutale und nicht gesetzeskonforme Polizeiarbeit glorifiziert und gerechtfertigt wird nach dem Motto: erlaubt ist was zum Aus-dem-Verkehr-Ziehen eines Schurken taugt. Politisch korrekt ist entsprechend an diesem Film gar nix, andererseits: wo steht geschrieben, dass ein Film immer als moralisch taugliches Idealbild dienen muss? Letztlich hat gerade diese „ich scheiss auf alles“-Attitüde der von Belmondo verkörperten Hauptfigur einen ganz eigenen, rustikalen Reiz. In einem Punkt gehen die moralisch motivierten Verrisse des Filmes dann auch komplett am Thema vorbei, nämlich an der Tatsache, dass es sich beim Aussenseiter um einen handwerklich erstklassigen Actionfilm handelt. Und gerade deshalb lohnt sich ein genauerer Blick auf Belmondos 83er Output dann eben doch.

Belmondo spielt in Der Aussenseiter Kommissar Jordan vom Marseiller Drogendezernat, der mit allen Mitteln (wie bringt es Jordans Vorgesetzter so treffend-nichtssagend auf den Punkt: „Ihre Methoden sind die eines Aussenseiters, nicht die eines Polizisten!“) versucht den von Henry Silva gewohnt sinister und diabolisch verkörperten Drogenboss Mechacci zur Strecke zu bringen. Auch eine Versetzung ins Pariser Sittendezernat hält Jordan nicht davon ab Mechacci weiter zu jagen. Mehr Inhalt gibt es nicht, sieht man mal von einigen kleineren Subplots auf dem Weg zu Jordans Ziel ab. Mehr braucht der Film aber eigentlich auch nicht, da dies für Belmondos rüde Machoshow und das daraus resultierende furiose Stuntspektakel auch nicht nötig ist. Höhepunkt der teilweise sensationellen Actionszenen sind die Verfolgung eines Speedbootes via Helicopter (Belmondo springt vom Hubschrauber auf das fahrende Speedboot!) und die Autoverfolgung durch Paris. Dazu gibt es jede Menge knallharter Prügeleien und wilder Schiessereien, die allesamt enorm wirkungsvoll in Szene gesetzt sind. Belmondo wird im Aussenseiter mehr noch als in anderen Filmen der 80er als Alleskönner und Vorzeigemacho stilisiert, symptomatisch ist eine Szene zur Mitte des Films, in der Jordan sein Auto direkt vor dem Eingang eines halbseidenen Etablissements parkt. Der Türsteher macht Jordan darauf aufmerksam, dass er hier unmöglich seinen Wagen parken könne worauf der Kommissar antwortet: „Ich kann alles, ich bin der Größte!“. Belmondo stampft wie ein Bulldozer durch den Film und wird fast schon grotesk überzeichnet als ultimativer Superbulle idealisiert. Aber genau das macht dann letztlich auch einen Großteil des Spasses am Aussenseiter aus. Fazit: Der Aussenseiter mag ein dumpfes, moralisch fragwürdiges Machwerk sein, ist gleichzeitig als Actionfilm, Sprüchefestival und Belmondo-Ikoniserung aber auch heute noch ein echter Hingucker. Ein Film, der sich definitv besser goutieren lässt wenn man ihn nicht allzu ernst nimmt.
Wertung: 7,5 / 10

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Jean-Paul Belmondo

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Pierrot le fou (Elf Uhr Nachts) 1965

Nach einer Erstbetrachtung einen umfassenden Kommentar für dieses experimentelle Roadmovie von Jean-Luc Godard zu verfassen, erweist sich für mich als Überforderung, da dieser Film sich zu sehr gewohnten Erzählstrukturen verweigert und bewusst filmisch dekonstruiert, wodurch es aufgrund seiner Komplexität zu vieler Worte braucht, um auch nur einen Teil dessen trefflich ausudrücken.

Daher habe ich nach Rezensionen gesucht, die die frischen Stimmungen und Eindrücke dieses Seherlebnisses der aneinandergereihten Stimmungsbilder mit Jean-Paul Belmondo und Godards dänischer Ex-Muse Anna Karina in den Hauptrollen vielleicht am ehesten ausschnittsweise analytisch reflektieren:



http://www.filmzentrale.com/rezis2/elfuhrnachtsbl.htm
https://funkhundd.wordpress.com/2011/01 ... eich-1965/
http://www.dasmanifest.com/03/1680.php

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Zuletzt geändert von photographer am 3. Mai 2016 12:59, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Jean-Paul Belmondo

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Ich habe den gestern auch großteils noch mal geschaut, bin einfach drin hängengeblieben nachdem ich zufällig reingezappt hatte. Was mir so nebenbei auffiel war daß Belmondo ein absolut perfekter Bond gewesen wäre. Er hat ja auch ein paar bondähnliche Filme gemacht.

Re: Jean-Paul Belmondo

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Maibaum hat geschrieben:Was mir so nebenbei auffiel war daß Belmondo ein absolut perfekter Bond gewesen wäre. Er hat ja auch ein paar bondähnliche Filme gemacht.
Finde ich (wenig überraschend) auch. In den 70ern sogar noch mehr als in den 60ern. Das ist auch so ein Fall, wo ich mir ein Parallel-Universum wünschen würde. :)
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Re: Pierrot le fou

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„Pierrot le fou“ ist ein filmisches Paradoxon, welches bewusst das inhaltliche und formale Geschehen in vielerlei Hinsicht auf den Kopf stellt, wodurch der Film nicht verstandesgemäß gesehen, sondern emotional empfunden werden soll. 



Wenn man beispielsweise bei dem italienischen Regisseur Sergio Leone die Aussage treffen möchte, dass sein Film „Für eine Handvoll Dollar“ (1964) die Geburt des Spaghettiwesterns darstellt, so war „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968) die allumfassende Erweiterung und auch die zu Grabetragung dieses Subgenres. 
Sinngemäß verfährt Jean-Luc Godard mit seinem ersten farbigen Cinemascope-Film, der auch wie ein Weiterführung seines Erstlingswerks "Außer Atem" (1960) erscheint, aber weitaus komplexer, philosophischer, reifer, politischer und noch experimentierfreudiger daherkommt als sein erster Langfilm – vergleichbar mit Terrence Malicks "The tree of Life" (2011). Auch hier werden teils Szenen fragmentarisch gezeigt und existentielle Fragen aus dem Off unterlegt.


Gleich gelagert sieht es vermutlich auch mit einer notenartigen Wertung solch gearterter Filmbeiträge aus:
Während für den einen Zuschauer solch ein Werk über die gesamte Laufzeit sterbenslangweilig sein kann, ergeben sich für einen anderen Reflexionen zum Leben und der eigenen inneren Existenz, die eine erfahrende Bereicherung darstellen, die ein normales Filmepos nicht hervorrufen kann, und damit etwas außergewöhnliches darstellen. Somit hängt die Bewertung solcher Filme in ihrer Wahrnehmung und Betrachtung im Auge eines jeden Einzelnen von ihrem Wirkungsgrad ab und kann daher halt von der gesamten Bandbreite von Note 1 bis nach Note 10 ausfallen.


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Re: Jean-Paul Belmondo

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ich habe in letzter Zeit nicht mehr viel von ihm gehört.
Das verwundert, galt er doch in den 1960igern bis 1980igern neben Alain Delon als DER Superstar des französ. Kinos.
A. Delon muss jetzt selber sogar Rollen für die Asterix Filme annehmen, ist aber dennoch noch im Geschäft.
Aber Belmondo??
"There is sauerkraut in my lederhosen."
Bild

Re: Jean-Paul Belmondo

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NickRivers hat geschrieben:A. Delon muss jetzt selber sogar Rollen für die Asterix Filme annehmen, ist aber dennoch noch im Geschäft.
Delon muss gar nichts, der dreht nur noch das, was er auch drehen will.
https://filmduelle.de/

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