Re: Nicolas Winding Refn

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HCN007 hat geschrieben:Die Diskussion, ob jetzt z.B. beim Gespann Gosling/Refn entweder "Drive" oder "Only God Forgives" der bessere Film ist, hängt wohl auch beim Zuschauer davon ab, mit welcher Gewichtung er an den Film herangeht.

"Drive" ist in der Substanz ein massenkompatibles Crimedrama, das nicht vollständig Refns Stil unterliegt.

"Only God Forgives" ist weniger massenkompatibel, aber für Hardcore-Cineasten durch den härter druchdringenden Stil Refns und der metaphorischen Symbolik, die in Drive wenn überhaupt nur oberflächlich vorhanden ist.

Ich habe in ergänzender Recherche zu "Only God Forgives" ja gelesen, dass er damals in Cannes ja richtig schlecht angekommen sein muss und auch sonst von Kritikerseite schlecht wegkommt, die zuvor "Drive" regelrecht abgefeiert haben. Journalisten scheinen ja richtig sprunghaft zu sein und auf jeden Zug aufzuspringen. Im ersten Moment die Freude über einen massenkompatiblen Film und dann die gleiche Erwartungshaltung bei einem weniger massenkompatiblen Film mit stärkerem künstlerischen Anspruch, die ja sonst eigentlich regelrecht abgefeiert werden. Das ist doch sehr inkonsequent !
Warum sollen die Kritiker sprunghaft sein? Sie mochten den Einen und den Anderen nicht, was aber auch nur auf eine teil zutrifft. Mehr muß da keiner rein deuten.
Kritiker freuen sich doch nicht wenn Filme massenkompatibel sind, da trifft doch wenn überhaupt eher das Gegenteil zu.

Und Drive ist nicht wirklich kommerzieller als OGF, vielleicht ein wenig zugänglicher, aber das hat nach meiner Meinung wenig damit zu tun daß Drive besser aufgenommen wurde.

Und warum Drive weniger Refn sein soll als andere Refn Filme erschließt sich mir auch nicht. Drive ist ein sehr individueller Film, der nicht nach irgendeiner Art von Kompromiß aussieht.

The Neon Demon, der ebenfalls extrem unterschiedlich beurteilt wurde, der aber auch von einer Minderheit als herausragend beschrieben wird, lief zu meiner Verblüffung hier gar nicht im Kino, muß also kommerziell total abgestürzt sein.
Aber ich kauf ihn bald.

Re: Nicolas Winding Refn

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Dieser Thread hat mich irgendwie neugierig gemacht.
Hab mir vor ein paar Tagen "Only God Forgives" angeschaut.
Konnte damit leider überhaupt nichts anfangen und habe eigentlich auch überhaupt nicht verstanden was uns hier eigentlich gesagt/gezeigt werden will.
Diese Art von Film ist wohl einfach nichts für mich.
Möchte ihn daher auch nicht bewerten.

Jetzt kommt gleich Drive in den Player.
"Erschießen Sie mich, da wohn ich lieber im Leichenschauhaus"
- Quantum of Solace (2008)

Re: Nicolas Winding Refn

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Only God Forgives (2013, Nicolas Winding Refn)

Im Rotlichtviertel von Bangkok entwickelt sich nach einem fatalen Fehler eines amerikanischen Drogenhändlers eine Kette aus Gewalt und Gegengewalt. Beide Seiten üben immer wieder Rache aus, noch brutaler, noch extremer, und schaffen wie in einer griechischen Tragödie einen Strudel, der immer tiefer in den Abgrund und ins Verderben führt und in dem es letzten Endes keine Gewinner sondern nur Verlierer zu geben scheint. Nicolas Winding Refn umgeht konventionelle und dialoglastige Erzählmechanismen, sondern ist vielmehr an einer fast ausschliesslich filmischen Art von Storytelling interessiert. Die Bilder sind dabei oftmals eher assoziativ-metaphorischer als konkret darstellender Natur und im gleichen Augenblick von einer betörenden, hypnotischen Schönheit, die in ihrem Gesamtbild einen der vielleicht visuell beeindruckendsten Filme der letzten Jahre ergibt. Ein sehr spannendes und ungewöhnliches Werk.

Wertung: 9 / 10
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Nicolas Winding Refn

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GoldenProjectile hat geschrieben:Only God Forgives (2013, Nicolas Winding Refn)

Im Rotlichtviertel von Bangkok entwickelt sich nach einem fatalen Fehler eines amerikanischen Drogenhändlers eine Kette aus Gewalt und Gegengewalt. Beide Seiten üben immer wieder Rache aus, noch brutaler, noch extremer, und schaffen wie in einer griechischen Tragödie einen Strudel, der immer tiefer in den Abgrund und ins Verderben führt und in dem es letzten Endes keine Gewinner sondern nur Verlierer zu geben scheint. Nicolas Winding Refn umgeht konventionelle und dialoglastige Erzählmechanismen, sondern ist vielmehr an einer fast ausschliesslich filmischen Art von Storytelling interessiert. Die Bilder sind dabei oftmals eher assoziativ-metaphorischer als konkret darstellender Natur und im gleichen Augenblick von einer betörenden, hypnotischen Schönheit, die in ihrem Gesamtbild einen der vielleicht visuell beeindruckendsten Filme der letzten Jahre ergibt. Ein sehr spannendes und ungewöhnliches Werk.

Wertung: 9 / 10
Ja, das ist durchaus einer der Höhepunkte der letzten Jahre.

Auch sein bislang letzter Film The Neon Demon hat diese hypnotischen Qualitäten, zeigt wie wunderschön Kino immer noch ist. Das sind so Filme die man sich sofort noch einmal ansehen möchte, auch um auf all das zu achten was beim ersten Mal noch entschlüpft ist.

Re: Nicolas Winding Refn

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Refns Filme werden generell gerne verrissen seitdem er mit Drive größere Anerkennung gefunden hat. Das liegt daran daß sie halt relativ extrem sind, sowohl ästhetisch als auch vom Inhalt her.

Mir hat bislang jeder seiner Filme gefallen. Und The Neon Demon ist, trotz viel Abneigung, halt ein Film der sicher nur ein kleines Publikum findet, einen Teil davon aber zu begeistern vermag.

Re: Nicolas Winding Refn

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Ja, extrem sind sie. "Drive" ist da noch einer der gefälligeren. Zu "Rising" habe ich keinen Zugang gefunden und mich zunehemnd gelangweilt. Mir war sein Ansatz zu artifiziell und unterkühlt. Die archaische Stimmung hat sich nicht übertragen und eher befremdet. Vielleicht war das auch seine Absicht, aber wenn man nach dem Film eher die Achseln zuckt, dann hat es irgendwie nicht funktioniert.
http://www.vodkasreviews.de

https://ssl.ofdb.de/view.php?page=poste ... Kat=Review

Re: Nicolas Winding Refn

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vodkamartini hat geschrieben:Ja, extrem sind sie. "Drive" ist da noch einer der gefälligeren. Zu "Rising" habe ich keinen Zugang gefunden und mich zunehemnd gelangweilt. Mir war sein Ansatz zu artifiziell und unterkühlt. Die archaische Stimmung hat sich nicht übertragen und eher befremdet. Vielleicht war das auch seine Absicht, aber wenn man nach dem Film eher die Achseln zuckt, dann hat es irgendwie nicht funktioniert.
Nicht "man", denn anderen macht das Spaß. Wir haben den damals zu dritt geschaut, bei einem Heinkinobeamer Abend, und da hat keiner mit den Achseln gezuckt.

Klar langweilen sich viele bei Refns Filmen, aber er findet sein Publikum, das sich davon auch gerne begeistern lässt.

Re: Nicolas Winding Refn

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Habe bisher lediglich "Bronson" gesehen. Durchaus kein einfacher Film, aber dafür ein intesiver. Prfoitiert natürlich von extrem starken Tom Hardy, doch auch die Inszenierung ist großenteils sehr gelungen. Ich glaube ich hab ihm damals 8/10 gegeben.
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: Nicolas Winding Refn

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iHaveCNit: Pusher 1-3 (1996, 2004, 2005)

Wenn es eines gibt, dass ich mir endlich mal ansehen wollte aus der Filmographie des dänischen Gewaltstilisten Nicolas Winding Refn, ist es die „Pusher-Trilogie“. Vor allem weil hier auch Mads Mikkelsen in einer seiner ersten Rollen überhaupt zu sehen ist und mit einem Fokus auf seine Figur im 2. Teil mitunter einen Grundstein dafür gelegt hat, als Bondgegner in „Casino Royale“ auftreten zu dürfen. Irgendwie scheint dieser Vergleich etwas zu hinken, aber ich möchte die „Pusher-Trilogie“ als den „Dänischen Godfather“ bezeichnen und es war es wert, mir die Box mit den 3 Filmen zu besorgen und zu sichten.

Im Grunde geht es bei der Pusher-Trilogie um 3 Charaktere – Frank (Kim Bodnia), Tonny (Mads Mikkelsen) und Milo (Zlatko Buric) – und um einschneidende Kapitel. Der erste Film ist Frank gewidmet und Tonny und Milo sind als Nebencharaktere zu sehen, denen am Ende im 2. und im 3. Teil eine eigene Geschichte gewidmet ist. Alle sind Teil des Untergrunds von Drogendealern im Kopenhagener Kiez und stehen neben persönlichen Problemen vor entsprechenden Drogendeals, die aus dem Ruder laufen und sie quasi an der Wand stehen und versuchen müssen, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Die Filme unterwerfen sich in Teilen den „Dogma95“-Regeln. Es wird fast dokumentarisch mit Handkamera, natürlicher Beleuchtung an richtigen Schauplätzen der Kopenhagener Kiez präsentiert. Bis auf seltene Ausnahmen wird auch auf für den Film produzierte Musik verzichtet und eher in Nachtclubs und Kneipen aus natürlicher Umgebung heraus in den Film integriert. Allein aus einem Teil dieser Regeln heraus und des Problems von Refns Farbenblindheit ist es erstaunlich, wie mit dieser Trilogie bereits der Grundstein seiner Neon-Stilistik aus z.B. „Drive“ ; „Only God Forgives“ und „The Neon Demon“ gelegt worden ist. Ebenso wird aus den im Film präsentierten Gewaltspiralen auch für die nachfolgenden Refns ein weiterer Pfeiler aufgestellt. Und die Darstellung von Gewalt ist schon extrem derbe und findet mit einer Sequenz im dritten Teil einen abgefahrenen, absurden Höhepunkt. Fast dokumentarisch wird hier gefilmt, aber auch die Auswahl von dänischen und serbokroatischen Darstellern sorgt für diese gewisse Autenthizität dieses Kopenhagener Kiez. Vom eigenen Standpunkt heraus fand ich Teil 1 und Teil 2 von der Trilogie am Besten, weil mir die Aufarbeitung der Charakter- und Milieustudie hier durch die Augen von Kim Bodnia und Mads Mikkelsen besser gefallen hat, weil die Probleme auch neben den Deals natürlich richtig gut integriert sind. Milo bzw. Zlatko Buric hat mir als schillernder Nebencharakter in Teil 1 und 2 besser gefallen als es die komplett auf ihn ausgelegte Story im Teil 3 hat.

Allgemein finde ich die „Pusher“-Trilogie richtig cool und auch ein perfekter Start von Refn, der zwischen Pusher 1 und 2 noch „Bleeder“ und „Fear X“ gefilmt hat, die ich noch sehen muss. Pusher 1-3 ist in gewisser Art und Weise spannend, hat seinen Charme und seinen Stil. Mir bleibt hier zu sagen, dass mir trotz allem Filme wie „Bronson“ mit Tom Hardy“ oder auch „Only God Forgives“ mit Ryan Gosling von Refns Filmographie am Besten gefallen. „Drive“ ist mit seiner Story auch eine Variation von „Pusher“, die mit Hollywood-Optik und dem Refn-Stil perfektioniert worden ist.

Aber Nicolas Winding Refn wird damit endgültig zu einem meiner Lieblingsregisseure.

Aufgesplittet:
„Pusher 1“ - 9/10 Punkte
„Pusher 2“ - 8/10 Punkte
„Pusher 3“ - 7/10 Punkte

„Pusher-Trilogie“ - My First Look – 8/10 Punkte
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Nicolas Winding Refn

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iHaveCNit: Walhalla Rising (2009)

Nachdem ich mich aktuell mit der „Pusher-Trilogie“ auseinandergesetzt habe, wollte ich mir zum 3. Mal seit letztem Dezember ein weiteres Werk von NWR ansehen: „Walhalla Rising“, die 4. Zusammenarbeit mit einem Mads Mikkelsen nach „Pusher 1-2“ und „Bleeder“. Bei den ersten beiden Malen war ich etwas abwesend und abgelenkt, so dass ein Fokus auf den Film nicht wirklich möglich war und ich zu den Zeitpunkten auch kein genaues Urteil fällen konnte. Der Film unterscheidet sich im Setting von den üblichen Filmen von NWR stark. Von neondurchfluteten Städten bei Nacht befinden wir uns im Zeitalter 1000 Jahre nach Christus in den Hochländern der Wikinger. Das wir es mitunter aber mit üblen Gesellen zu tun bekommen, die alle Dreck am Stecken haben und sich in einer Gewaltorgie wiederfinden, ist bereits wieder das klassische Milieu eines NWR. Mit dem aktuell besten Dänen, Mads Mikkelsen an Bord, kann da auch nicht viel schief gehen.

Wir begleiten den stummen Wikinger-Krieger Einauge, der sich aus der Gefangenschaft befreit und einen Trupp christlicher Wikinger auf den beschwerlichen Kreuzzügen ins heilige Land begleitet.

Der Film ist in 6 Kapitel aufgeteilt, die quasi alle bei der Lauflänge von ca. 90 Minuten einen gleichen Anteil vom Film einnehmen und den Film einen guten roten Faden und Aufbau verleihen, denn die eigentlich durch Dialoge stattfinden Narration ist nur lose bis gar nicht vorhanden. Sich einen Zugang zu diesem Film zu verschaffen ist da recht aufwendig und komplex. Ähnlich wie im 2013er „Only God Forgives“ ist natürlich auch eine Symbolik vorhanden, die dem Film noch zusätzliches intellektuelles Gewicht verleiht und auf die ich hier nicht näher eingehen möchte. Der Film ist grau und trist, aber in entsprechenden Momenten extrem licht- und farbdurchflutet. Die Optik und auch die Kameraführung, Schnitt und Musik hat vermutlich auch einen Einfluss auf Jed Kurzels „Macbeth“ aus 2015 gehabt, der für mich auch genauso extrem stark ist wie „Walhalla Rising“. Für NWR typisch wird Gewalt auch hier zelebriert und nicht zu knapp – Von mechanischen über organische Körperteile ist hier alles dabei. Der stärkste Faktor hier ist auch Mads Mikkelsen, dessen „Einauge“ in seinem Ausdruck ohne Dialogzeilen mehr Aussagekraft hat, als es jemand mit hunderten Dialogzeilen haben könnte. Dementsprechend gehört Mads zu meinen Lieblingsdarstellern, NWR zu meinen Lieblingsregisseuren und ein „Walhalla Rising“ in meine Top3 der Refn-Filme neben „Bronson“ und „Only God Forgives“

„Walhalla Rising“ - My Third Look – 9/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Nicolas Winding Refn

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GoldenProjectile hat geschrieben:Only God Forgives (2013, Nicolas Winding Refn)

Ein sehr spannendes und ungewöhnliches Werk.

Wertung: 9 / 10
Du solltest dringend Walhalla Rising schauen. Der ist mindestens so grandios, ein fantastischer Film. Und in Refns Werk OGF am ähnlichsten.
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.