Re: Der Kriegsfilm - Teil 1

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TTRL ist zusammen mit Days of Heaven mein Lieblings-Malick - was immer das auch heissen mag (bin kein so glühender Anhänger). Als "richtigen" Kriegsfilm habe ich ihn aber nie gesehen, eher als esoterische Meditation über das Leben an sich, die zufällig halt inmitten einer Schlacht stattfindet. Sehr bildgewaltig und ausserordentlich stark gespielt, aber auch mit dem Hang zur Länge. Jedenfalls hab ich ihn so in Erinnerung. Da die letzte Sichtung auch schon wieder rund anderthalb Jahrzehnte her ist, könnte ich mir aber gut vorstellen, dass mir der Film mittlerweile (noch) besser gefällt als damals (wie z.B. so geschehen bei Interiors und Last Temptation of Christ). Man reift halt doch irgendwie, auch in Bezug auf die filmische Auffassungsgabe (wenn man versteht was ich meine). Der Film liegt hier auch schon wieder ein gutes Jahr in blau rum, aber wie immer gilt auch hier der alte Stefan Raab-Spruch "wir haben doch keine Zeit". Kommt aber mittelfristig definitv an die Reihe.
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Re: Der Kriegsfilm - Teil 1

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kurzer Abriss der jüngsten beiden Kriegsfilm-Sichtungen:
letztes Wochenende hab ich dann doch endlich die Zeit gefunden Malicks schmalgratige dünne rote Linie mal wieder zu goutieren und das Resultat war genau, wie ich ihn in Erinnerung hatte: die ersten zwei Stunden waren richtig stark, mordsmäßig bildgewaltig, hochgradig emotional, darstellerisch auf hohem Niveau (der Nolte-Nick!) und sogar mit einigen beeindruckenden Actionmomenten (etwas, was man bei einem Malick jetzt nicht unbedingt erwarten würde). Leider baute der Film dann in der letzten Stunde doch deutlich ab, meänderte ziellos vor sich hin und zog sich hier für meinen Geschmack zu stark. In Summe dennoch gute 7,5 Punkte.

Dann heute der Knaller des Genres schlechthin: Bondarchuks Waterloo von 1970 ist einfach das Kronjuwel unter den Kriegsfilmen und vor allem auch ein absolut einzigartiger Film. Gerade wegen letzterem hatte ich vor etlichen Jahren bei Erstsichtung auch so meine Probleme mit ihm, da ich eigentlich was anderes erwartet hatte, vor allem konventionellere Dramaturgie. Doch gerade die konsequente Verweigerung dieser bzw. der Ersatz durch eine duchgetaktete Schlachtendramaturgie ermöglicht es einem tief in das Schlachtengeschehen einzutauchen, oft mutet Waterloo daher fast schon wie eine hochglänzende, aber dennoch schlamm- und blutverschmierte Quasi-Dokumentation an, näher kommt man einer althergebrachten großen Schlacht wohl nur wenn man selbst dabei ist (z.B. durch Flux-Kompensation :D ). Die Action ist beispiellos, vor allem angesichts des unfassbaren Aufwands (16.000 Rotarmisten in der Rolle der gegnerischen Heere!!) und der damit einhergehenden Koordination. Bondarchuks Film bannt dann auch extrem eindrucksvoll die Kombination aus Chaos und Kontrolle einer solchen Schlacht auf Film und gibt gleichzeitig durch immer wieder eingesetzte innere Monologe einen Einblick in die Gedankenwelt der beiden Schlachtenführer Napoleon und Wellington. Letzterer wird souverän von Christopher Plummer als immer den Konventionen treu bleibender Gentleman-Snob gespielt, während das korsische Schlachtengenie in einer Ausnahmedarstellung von Edelmime Rod Steiger gespielt wird. Ummantelt wird das bild- und tongewaltige Epos von einem großartigen Soundtrack von Nino Rota, der seinen Arbeiten zu den Paten-Filmen überhaupt nicht nachsteht. In Summe: der beste und eindrucksvollste Kriegsfilm von allen, muss ich die Punkte also extra noch nennen? :wink:



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Re: Der Kriegsfilm - Teil 1

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AnatolGogol hat geschrieben:letztes Wochenende hab ich dann doch endlich die Zeit gefunden Malicks schmalgratige dünne rote Linie mal wieder zu goutieren und das Resultat war genau, wie ich ihn in Erinnerung hatte: die ersten zwei Stunden waren richtig stark, mordsmäßig bildgewaltig, hochgradig emotional, darstellerisch auf hohem Niveau (der Nolte-Nick!) und sogar mit einigen beeindruckenden Actionmomenten (etwas, was man bei einem Malick jetzt nicht unbedingt erwarten würde). Leider baute der Film dann in der letzten Stunde doch deutlich ab, meänderte ziellos vor sich hin und zog sich hier für meinen Geschmack zu stark. In Summe dennoch gute 7,5 Punkte.
Sag ich doch. :) Was du sagst kann ich alles mit Ausrufezeichen unterschreiben (Bildgewaltig, emotional, Nolte-Nick, Action aus einer anderen Welt), der einzige Unterschied zwischen uns ist dass ich den spirituellen "Ausklang" in der letzten Stunde fast genauso stark fand und entsprechend noch ohne zu zögern 2,5 Punkte oben drauflege.
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Re: Der Kriegsfilm - Teil 1

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08/15 – 1.Teil (1954) – Paul May

Knapp ein Jahrzehnt nach Ende des Zweiten Weltkrieges begann die noch junge Bundesrepublik langsam damit dieses Kapitel auch filmisch aufzubereiten. Der Wille zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Kriegsschuld und Unrechtsregime war dabei durchaus vorhanden, allerdings nahm man auch Rücksicht auf die noch sehr frischen, vor allem durch den (verlorenen) Weltkrieg geschlagenen Wunden. Entsprechend zerrissen muten die deutschen Beiträge zum Kriegsfilmgenre der 50er Jahre aus heutiger Sicht zuweilen an in ihrer Mischung aus vorsichtiger kritischer Annäherung bei gleichzeitiger Bedienung typisch zeitgenössischer Sehgewohnheiten und Erwartungshaltungen.

Die 1954 unter der Regie von Paul May entstandene Verfilmung des ersten Teils von Hans Hellmut Kirsts Erfolgsroman 08/15 ist dabei nicht nur ein typischer Vertreter dieser Gattung, sondern gleichzeitig auch noch der erfolgreichste Beitrag. Der Film legt sein Augenmerk dabei auf die Grundausbildung junger Rekruten kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges und schildert anhand des Schicksals dreier sehr unterschiedlicher Soldaten die teilweise menschenverachtenden Auswüchse des Militarismus. Genau diesen Kritikpunkt schreibt sich der Film (wie auch der zugrundeliegende Roman) auf die Fahnen und bringt ihn durchaus auch eindrucksvoll auf den Punkt.

So widmet sich ein größerer Teil der Laufzeit dann auch den Schikanen des sich herrisch aufplusternden Unteroffizierstandes gegenüber den ihnen (scheinbar) ohnmächtig ausgelieferten Rekruten. Im Besonderen konzentriert sich der Film hier auf den Leidensweg des jungen Kanoniers Vierbein, der als zurückhaltender und musisch begabter junger Mensch ein einfaches Opfer für die Herren Wachtmeister ist („Immer dieser Vierbein!“ „Der Vierbein, dieser Gummihund – ganz krumm!“).Unerbittlicher Drill bis hin zum Zusammenbruch, permanentes psychisches Blossstellen, willkürliche Strafsanktionen – gerade in solchen Szenen zeigt sich Mays Film äusserst kritisch (vor allem wenn man die traditionell unterwürfige und respektvolle Beziehung der Deutschen gegenüber dem Militär im Kaiserreich und auch im Dritten Reich bedenkt) und zeigt auch klar die Konsequnzen von blindem Gehorsam bzw. blindem Schlucken der Schikanen auf. Dies geschieht dramaturgisch vor allem durch die unerwartete Wendung im letzten Viertel des Films, als der zuvor eher opportunistische Gefreite Asch (Blacky Fuchsberger in seiner ersten großen Rolle) sich gegen die Schikanen des Kommiss auflehnt, was durchaus als Anklage gegen Mitläufertum jedweder Art (aber eben im Speziellen im Rahmen des Dritten Reichs) verstanden werden kann.

08/15 bietet also durchaus eine ganze Menge an kritischen Ansätzen, scheut sich gleichzeitig aber auch nicht diese permanent mit launigen Passagen zu vermischen. Angesichts heutiger Sehgewohnheiten (kritische Filme haben gefälligst durchgängig kritisch zu sein! – jedenfalls gibt es mMn eine deutliche Tendenz in diese Richtung, auch hinsichtlich der zeitgenössischen Erwartungshaltung von Kritik und Publikum, gerade in Bezug auf das Kriegsfilmgenre) mag diese Vermengung merkwürdig, ja teilweise gar kontraproduktiv oder unangebracht wirken, ist sie aber nicht wirklich. Denn bei aller Launigkeit behält der Film dennoch auch immer seinen Fokus. Wenn beispielsweise der Gefreite Asch nach einer überraschend durch den Vater seiner Braut beendeten Liebesnacht im Hemde in die Kaserne zurückschleichen muss, so ist dies zwar einerseits ein billiger Lacher, verstärkt gleichzeitig aber auch die Charakterisierung der Figur als Mensch unter der Uniform (hier sogar wortwörtlich). Gleiches gilt für die Szenen, in denen der Unteroffiziersstand der Lächerlichkeit preisgegeben wird, sei es wenn dem Spiess durchgängig Hörner von seiner Frau aufgesetzt werden oder die versammelten Unteroffiziere sich willenlos dem gemeinschaftlichen Besäufnis hingeben („Trink aus das Ding da!“) – das geht zweifellos als derber Schenkelklopferhumor durch, unterstreicht aber eben auch den Eindruck des Zuschauers, um welch arme Würstchen es sich hier handelt, was wiederum ihre Geltungssucht und die daraus resultierenden Verhaltensmuster erst richtig verständlich macht.

Etwas einfach macht es sich der Film allerdings in seiner strikten Trennung zwischen Gut und weniger Gut, die simplerweise genau an der Grenze zwischen Mannschaften und Unteroffizieren verläuft. Alle Mannschaftsdienstgrade sind in erster Linie charakterlich integere Menschen, alle Uffze dagegen feiste, geltungssüchtige Militaristen (letzteres stimmt nicht so ganz, da zumindest die Figur des Unteroffiziers Lindenberg ein klein wenig differenzierter gezeigt wird, auch wenn dieser letztlich dann doch auch immer den gleichen Mustern folgt und in seiner Vorschriftshörigkeit auch nur ein Klischee darstellt). Mays Inszenierung unterstützt dies durch extreme Closeups von stark glänzenden und schwitzenden Gesichtern der Schleifer, was den Figuren eine regelrechte Manie verleiht. Differenzierung findet man dann am ehesten noch im Offiziersrang, bei welchem ein recht breites Spektrum an unterschiedlichen Charakteren gezeigt wird. Abgesehen davon ist die strikte figürliche schwarz-weiss-Malerei des Films zwar äusserst zweckdienlich hinsichtlich seiner gewünschten Aussage, verstärkt gleichzeitig aber auch den Eindruck einer etwas überspitzen Fallstudie (nach dem Motto: ganz so schlimm wie sie es zeigen war es dann ja doch nicht).

08/15 ist auch mehr als 60 Jahre nach seiner Veröffentlichung noch immer ein richtig guter Film, dessen Aussagen nichts an Bedeutung verloren haben. Man muss ihn als Kind seiner Zeit verstehen und machen wir uns nichts vor, er brach seinerzeit sicherlich nicht umsonst die Kassenrekorde – will sagen: ohne seinen launigen Schenkelklopferanteil wäre er sicher nicht so gut gelaufen, denn der Film bedient durchaus einen gewissen Nostalgiefaktor. Wohl jeder, der eine Zeitlang die Knobelbecher angehabt wird bestätigen können, dass die Zeit beim Kommiss mit einigen Jahren Abstand immer mehr verklärt. Und genau so funktioniert 08/15 dann bei aller Kritik auch, als „das waren noch Zeiten“-Nostalgie – auch weil ironischerweise ausgerechnet die „Schurken“ des Films die wohl erinnerungswürdigsten Charaktere sind. So stehlen die grossartig agierenden Hans-Christian Blech als Schleifer Platzek und Emmerich Schrenk als Spiess Schulz allen die Schau und verleihen trotz aller Bösartigkeiten ihren Figuren kraft ihrer Ausstrahlung auch immer noch sympathiewürdiges. Kritisch anmerken kann man neben der bereits angeführten figürlichen Schwarz-Weiss-Zeichnung einen Hang zur Episodenhaftigkeit und ein vergleichsweise gemütliches Erzähltempo. Dafür erweist sich Mays Inszenierung als sehr einfallsreich und verblüfft immer wieder mit unerwarteten Varianten (etwa wenn bei einem Dialog das Gesicht des Rekruten durch die Armbeuge eines Unteroffiziers gefilmt wird). Vor allem schafft 08/15 aber eines: er verbindet durchgängig Kritik mit Unterhaltungswert und ist nicht zuletzt daher auch fraglos ein Klassiker des deutschen Kriegsfilms.

Wertung: 7,5 / 10

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Re: Der Kriegsfilm - Teil 1

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vodkamartini hat geschrieben:Hab meine Zulassungsarbeit in Geschichtsdidaktik zum bundesdeutschen Kriegsfilm der 50er Jahre geschrieben. Muss ich mal wieder rauskramen.
weiss ich doch, deshalb würde mich auch interessieren wie du den ersten 08/15 siehst. :)
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Hot Property goes to War - Der Sauhaufen von Navarone

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Der wilde Haufen von Navarone (1978) - Guy Hamilton

Hot Property goes to War - Der Sauhaufen von Navarone

Das nenne ich mal "Hot Property Casting" vom feinsten: in den Hauptrollen der späten Pseudofortsetzung des Klassiker "Die Kanonen von Navarone" gaben sich 1978 die Stars vom weissen Hai (Robert Shaw), Star Wars (Harrison Ford), Rocky (Carl Weathers) und dem letzten Bondfilm TSWLM (Barbara Bach & Richard Kiel) die Klinke in die Hand, hinzu kamen noch der Schakal (Edward Fox) sowie Italiens grösster Filmstar (Franco Nero) und inszeniert wurde das ganze von keinem anderen als dem viermaligen Bondregisseur Guy Hamilton!

Dass "Der wilde Haufen von (bzw. im Original Force 10 from) Navarone" dennoch kein Genreglanzstück ist liegt vor allem an der häufig sehr holprigen Dramaturgie, die zuweilen sogar lachhaft unglaubwürdig ist. Daraus resultiert dann auch ein sehr "pulpiger" Charakter und es fällt dem Betrachter nicht selten schwer das Gesehen wirklich ernst zu nehmen. Dem Unterhaltungswert des kolportageartigen Weltkriegsabenteuers tut dies allerdings kaum einen Abbruch, auch weil Hamilton das Geschehen zumeist mit einem klar erkennbaren inszenatorischen Augenzwinkern in Szene setzt. Und um ganz ehrlich zu sein macht es durchaus auch Freude den immer wieder auftauchenden Unzulänglichkeiten zuzuschauen (etwa den vollkommen willkürlichen Szenen von Carl Weathers' Charakter, der wie ein in letzter Minute in den Film geschriebenes Anhängsel wirkt und keinerlei inhaltliche Relevanz hat). Zudem ist die Action ok, die Trickeffekte (allen voran die klimaktische Staudamm-Sprengung) können sich sehen lassen und Franco Nero liefert eine eindrucksvolle darstellerische Show ab und stiehlt der gesamten restlichen Besetzung aber sowas von die Schau.

Zugegeben, angesichts der Darbietungen der restlichen Bestzung ist das kein allzu großes Kunsstück: so schwankt Weathers zwischen lustigem und angefressenem Pausenaugust und Barbara Bachs Auftritt wird praktisch aufs allerwesentliche reduziert (also einem nackten Bad im Holzzuber). Erstaunlicher ist da schon, dass der sonst so verlässliche Shaw hier eine Performance im Schlafwagen-Modus gibt und man mehr als einmal befürchten muss, dass er gleich einschlafen wird. Den Vogel schiesst aber der hier mit frischem Star Wars-Ruhm im Rücken agierende Harrison Ford ab, bei dem man angesichts seiner gleichermaßen bierernsten wie stocksteifen Darbietung niemals vermuten würde, welch grossartige Karriere und überzeugende schauspielerische Leistungen er im Anschluss hinlegen sollte. Wie auch immer: Uns Franco ist trotzdem eine Wucht und es macht einfach Freude ihm zuzuschauen. :)

Da auch Ron Goodwins schwungvoll-schmissiger Soundtrack (der aber angesichts des visuell im 70er-Jahre-modernen Stil daherkommenden Films reichlich anachronistisch wirkt angesichts seines typischen 60er-Jahre-Charakters) ordentlich Laune macht und in den zwei Stunden kaum eine echte Länge aufkommt ist Hamiltons (wiederholter) Ausflug ins Kriegsfilm-Genre am Ende dann allen Unzulänglichkeiten zum Trotz dann halt doch noch ein veritabler Spass.

Wertung: 6,5 / 10


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Gott, hab Erbarmen mit solchen wie ihnen

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Verdammt in alle Ewigkeit

Im Mafiafilm-Meilenstein „Der Pate“ gibt es eine Szene, in der Johnny Fontane, der Patensohn des Verbrecherkönigs Don Vito, diesen um einen Gefallen bittet: Um eine Rolle in einem neuen Hollywood-Hit zu bekommen und so seine Gesangskarriere anzukurbeln, soll sein Pate den Filmproduzenten Woltz einschüchtern. Das Resultat dieser Bitte: Eines Morgens erwacht Woltz in seinem Bett, vollgeschmiert mit Blut – und findet vor sich liegend einen abgetrennten Pferdekopf. Mit dieser Szene schrieb „Der Pate“ einst Filmgeschichte. Die Idee dazu stammt selbst aus der Filmwelt: 1953 gelang Musiklegende Frank Sinatra nach mehreren Fehlschlägen ein berufliches Comeback, als er die Nebenrolle im Militärdrama „Verdammt in alle Ewigkeit“ erhielt. Bis heute halten sich hartnäckig die Gerüchte, er habe den Part, der bereits an Eli Wallach vergeben war, nur durch Kontakte zur Mafia bekommen.

Filmgeschichte schrieb „Verdammt in alle Ewigkeit“ selbst mit einer anderen Szene: Da liegen Burt Lancaster und Deborah Kerr, beide ihrerseits Schauspiel-Ikonen, am Strand und küssen sich leidenschaftlich, während die Wellen über sie preschen. Gerade so ging diese damals unerhörte Aufnahme durch die Zensur, den sogenannten Hays Code. Mit diesem geriet Regisseur Fred Zinnemann mehrfach in Konflikt, als er „Verdammt in alle Ewigkeit“, eine Verfilmung des 1951 erschienenen Bestsellers des Autoren James Jones, für die Leinwand adaptierte. Eine der Hauptfiguren des Buches ist die Prostituierte Lorene, welche im Film zur Gesellschaftsdame eines Nachtclubs abgeschwächt wird. Die andere weibliche Protagonistin ist Karen, die Ehebrecherin, die da in den Armen ihrer von Lancaster gespielten Affäre liegt. Bei Jones bekam sie durch ihre regelmäßige Untreue eine Geschlechtskrankheit, verlor so ihre Gebärmutter. Im Film ist ihr Hintergrund ein anderer: Sie erlitt eine Fehlgeburt, da ihr betrunkener, fremdgehender Mann nicht in der Lage war, ihr zu helfen.

Jones hatte in seinem literarischen Debüt eigene Erfahrungen verarbeitet. Er war 1941 während der japanischen Angriffe auf Pearl Harbor in den Schofield Barracks auf Hawaii stationiert. Genau hier und genau dann spielt auch der Film. Der Alltag der Soldaten in der Kaserne wird aus der Sicht verschiedener Figuren gezeigt: Sergeant Warden erledigt die Drecksarbeit für seinen Vorgesetzten, lässt sich zum Ausgleich aber auf das erwähnte Techtelmechtel mit dessen unglücklicher, promiskuitiven Gattin ein. Gefreiter Prewitt war einst ein Spitzenboxer, will aber nach einem traumatischen Vorfall nie wieder in den Ring – doch genau dafür will ihn der Captain auf Hawaii. Da er sich weigert, machen ihm die Soldaten der Boxstaffel das Leben zur Hölle. Trost findet er nur im Landurlaub bei der resoluten Lorene und seinem einzigen Kasernen-Freund, dem italoamerikanischen Maggio.

Nahezu alle großen Themen des amerikanischen Kinos stecken in der meisterhaften Charakterstudie: Pflicht, Gehorsam, Militärromantik, Vaterlandstreue und das Streben nach Freiheit. All diese Eigenschaften vereint der Gefreite Robert E. Lee Prewitt, benannt nach dem erfolgreichsten konföderierten General im amerikanischen Bürgerkrieg. Er erlebt eine Ungerechtigkeit nach der anderen, muss jede Schikane seiner Kompanie erdulden. Einmal gräbt er ein metertiefes Loch, nur um es danach wieder zuschütten zu müssen. Beim Marschieren muss er Sonderrunden einlegen, trotz seiner exzellenten Kenntnisse als Soldat und als Trompetenspieler wird er zum Putzdienst eingeteilt. Es ist dem meisterhaften Schauspiel des Ausnahme-Darstellers Montgomery Clift in dieser Rolle zu verdanken, dass im Angesicht dieser psychischen Misshandlung der Kampfgeist Prewitts immer in seinen Augen erkennbar wird: Er brennt für das Militär, er kann nicht gebrochen werden.

Zinnemann bewies das richtige Händchen für die Besetzung aller Rollen: Clift war in seiner eindrucksvollen Karriere nie besser, ihm Burt Lancaster als Kompanieleiter entgegen zu setzen ein genialer Schachzug. Er ist grandios in dem Part, gefangen zwischen der verbotenen Liebe für die Frau seines Vorgesetzten und seiner Verantwortung als Mann, als militärischer Vater für seine Truppe. Die Frauen im Leben dieser Kerle wurden gar ganz gegen ihr Image besetzt. Die Schottin Deborah Kerr wäre wohl niemandem sonst als notorisches Flittchen eingefallen, und der unschuldigen Schönheit Donna Reed war die desillusionierte Lorene kaum zuzutrauen. Der Clou ging auf: Beide verleihen ihren Figuren innere Stärke und Würde. Wie oft bei Zinnemann, der ein Jahr zuvor den Westernklassiker "Zwölf Uhr mittags" verantwortete, sind es die Frauenrollen, welche die wichtigsten Entscheidungen in ihrem Leben zu treffen haben: Wollen sie aktiv ihr Leben gestalten oder sich in die Verantwortung eines Mannes begeben?

Die Sensation in dem fantastischen Ensemble ist aber ‚The Voice‘, Frank Sinatra, der sich als vorlauter, meist alkoholisierter Maggio für ernste Charakterrollen empfahl. Obwohl Maggio nach außen ein Lebemann, ein Hedonist in Uniform zu sein scheint, ist er die tragischste Figur der Geschichte. Sein Plappermaul, sein Ungehorsam, seine sofortige Sympathie für den Pechvogel Prewitt, sie sind Ausdruck einer verborgenen, selbstzerstörerischen Natur, die ihm letztlich zum Verhängnis wird. Sein Abgang gehört zu den traurigsten Momenten, die das Kino hervorbrachte: Wie ein erschrockenes Kind stirbt er in den Armen von Clift. Dieser spielt daraufhin vor den Weiten des nächtlichen Kasernenhofs auf einer Trompete dessen letztes Geleit – mit dicken Tränen auf den Wangen. Er ist nun wieder allein, einsam. Ein vertrautes Gefühl. An einer Stelle sagt er zu Lorene: „Wenn jemand sagt, er wäre einsam, lügt er nie.“ Mehr muss er gar nicht sagen, um erahnen zu lassen, was er in der Vergangenheit durchgemacht hat.

„Verdammt in alle Ewigkeit“ ist ein Dialogfilm, erzählt sein menschliches Drama über lange Gespräche. Doch erreichte das ausgezeichnete Drehbuch des Autoren Daniel Taradash seine Langzeitwirkung erst durch die subtile Regie, die es vermied, dem damaligen Technicolor-Trend zu folgen. Statt stark gesättigten Farben gibt es so kühle Bilder in Schwarz-Weiß zu sehen, die eine konzentrierte Spannung für das Figurenkonglomerat erlauben. Die Kasernen-Atmosphäre ist schlicht einmalig, kam aber zu einem hohen Preis. Für die originalgetreue Szenerie bezog Harry Cohn, der Chef von Columbia Pictures, das US-Militär mit ein. Die verlangten dafür mehrere Änderungen am Script: Captain Holmes wird anders als im als ‚armeefeindlich‘ wahrgenommenen Roman nun für sein Fehlverhalten gegenüber Prewitt bestraft. Statt eines moralisch faulen Militärapparats verlagerte sich der Fokus auf die verdorbenen Äpfel, die missratenen Einzeltäter. Der zynischen Kraft der Buchvorlage wird das kaum gerecht.

Den Sprung zum Meisterwerk vollzieht der Film dennoch, nämlich im letzten Drittel, als der japanische Angriff auf Pearl Harbor beginnt. Historisch akkurat stehen die Uhren dabei auf 7:51 Uhr – just um die Zeit hatten die Flugzeuge die Schofield Barracks erreicht. Von nun an kann Zinnemann niemand stoppen: Das Bombardement inszeniert er als wahrgewordenen Albtraum, als apokalyptische Szenerie im Garten Eden von Hawaii. Insbesondere das Sound-Design ist verblüffend immersiv. Die Maschinengewehre und fallenden Bomben bilden eine beklemmende Tonkulisse, die nach Gehorsam schreienden Offiziere klingen verängstigt, hilflos. Orchestrale Töne der Komponisten Morris Stoloff und George Duning sind kaum zu vernehmen, im Vordergrund steht hörbares Entsetzen. Aufnahmen aus der Pearl-Harbor-Doku „Der 7. Dezember“ von John Ford kamen zum Einsatz, um das üppige Budget von 2 Millionen Dollar nicht zu überziehen.

Banal die Feststellung, dass der Aufwand sich bezahlt machte. „Verdammt in alle Ewigkeit“ dominierte die Kinosaison 1953, wurde vom Feuilleton mit Lobpreisungen überhäuft. Das epische, langsame Melodram hat bis heute nichts von seiner Wirkung verloren und bewies die Faszination und den Eros des alten Hollywood-Kinos – selbst für beharrliche Ablehner des Militärs. Zinnemann drehte keinen Kriegsfilm, sondern eine intime Geschichte über Loyalität und Integrität. Dabei ist beachtlich, wie bitter sein Werk trotz aller Einmischungen endet: All der Heldenmut und die Opferbereitschaft von Prewitt sind vergebens. Er kann seinem traurigen, sinnlosen Schicksal nicht entkommen. Der Originaltitel „From Here to Eternity“, übersetzt etwa „Von hier bis zur Ewigkeit“, entstammt einem Gedicht des Literaturnobelpreisträgers Rudyard Kipling, lässt aber ein Wort weg. Für das deutsche Publikum wurde die Zeile wieder vervollständigt, der Titel fasst so Prewitts Ausgang phänomenal zusammen: „Damned from here to eternity“, also „Verdammt in alle Ewigkeit“.

Bei insgesamt dreizehn Nominierungen gewann der Film acht Oscars, darunter in den Kategorien „Bester Film“ und „Beste Regie“. Er zog so mit „Vom Winde verweht“ gleich, wurde zum Überhit des 50er Jahre Kinos. James Jones verarbeitete eine weitere hautnah erlebte Kriegserfahrung, die Schlacht um Guadalcanal, in seinem Roman „Insel der Verdammten“, die später ebenfalls unter dem Titel „Der schmale Grat“ den Weg auf die Leinwand fand. Und Frank Sinatra hatte sich nicht nur aus seinem Karrieretief erholt, sondern wurde – genau wie Donna Reed – ebenfalls bei der Oscarverleihung auf die Bühne gebeten. Er erhielt eine Trophäe als „Bester Nebendarsteller“ und zementierte seinen Status als einer der beliebtesten Entertainer aller Zeiten.
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Re: Das Kriegsfilm-Genre: Empfehlungen, Geheimtipps und Reviews

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Wieso sollte man diese Filme bei Guilty Pleasures einordnen? Die Diskussion dort hat mich allerdings darauf gebracht mir die beiden mal anzuschauen

Die Kanonen von Navarone (1961) - 7/10
Schließe mich der Meinung einiger Reviews hier an: der Film hat bei seinen 2,5h doch einige Längen. Alles in allem unterhält er sehr gut. Peck und Niven gefallen, der Rest das Casts ist aus meiner Sicht eher blass. Wenn man die Story im Stile des Zweitlings etwas kompakter und dynamischer umgesetzt hätte, hätte ich 1-1,5 Punkte mehr vergeben.

Der wilde Haufen von Navarone (1978) - 7,5/10
Ein bisschen besser als der Erstling. Die wendungsreiche Geschichte und das ständige Improvisieren der Protagonisten macht ihn wirklich spannend und mitreißend. Der Cast ist auch toll. Einzig die Spencer / Hill-like Synchro passt nicht immer.

Als Ergänzung hierzu wollte ich mir auch noch die Genreverwandten „Agenten Sterben Einsam“ (hab ich als sehr gut in Erinnerung) und die „Wildgänse 1&2“ (weiß nicht mehr wie die so waren) anschauen.
❤️☮️🧘🏻‍♂️

Re: Das Kriegsfilm-Genre: Empfehlungen, Geheimtipps und Reviews

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Revoked hat geschrieben: 28. Juli 2021 13:13 Wieso sollte man diese Filme bei Guilty Pleasures einordnen? Die Diskussion dort hat mich allerdings darauf gebracht mir die beiden mal anzuschauen
Teil 1 würde ich auch nicht in die Kategorie stecken, dafür ist der viel zu renommiert und kompetent gemacht. Bei Teil 2 ist dann doch einiges unfreiwillig komisch/spassig und auch ziemlich exploitativ aufgezogen.
Revoked hat geschrieben: 28. Juli 2021 13:13 Als Ergänzung hierzu wollte ich mir auch noch die Genreverwandten „Agenten Sterben Einsam“ (hab ich als sehr gut in Erinnerung) und die „Wildgänse 1&2“ (weiß nicht mehr wie die so waren) anschauen.
Ich bin ja - genau wie mein Freund Maibaum - auch bekennender ASE-Fan, aber wenn wir über gewisse Längen sprechen, dann sehe ich die eher hier als bei den Kanonen. Wildgänse 1 ist Kult ohne Ende, ein Haufen alter verbrauchter Säcke auf Afrika-Tour mit ordentlich knalliger Action - immer wieder ein großer Spass. Das Sequel hab ich erst vor ein paar Wochen mal wieder geschaut und der ist auch schön knuffig, sehr ähnlich wie das Navarone-Sequel. Also ein Film, der ordentlich Spass macht trotz bzw. auch wegen seiner diversen Unzulänglichkeiten.

In punkten:
Kanonen 9 / 10
Sauhaufen 7 / 10
Agenten 8 / 10
Wildgans 1 8 / 10
Wildgans 2 7 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Das Kriegsfilm-Genre: Empfehlungen, Geheimtipps und Reviews

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Agenten sterben einsam ist Exploitation at its Best. Ein Film der immer noch ungemein schmissig und breitbeinig daher kommt. Die Burton-Szene mit dem Quadruple-Bluff-Twist ist ein Highlight, ohne Frage. Ich liebe aber auch Score und Location (Hohenwerfen).

Der erste Navarone kann dagegen nicht entfernt anstinken, sorry. :) Wildgänse schätze ich auch, bin aber kein so großer Söldner-Fan und noch weniger mag ich den Afrika-Schauplatz. Dennoch eine sehr launige Angelegenheit, der dem ähnlich angelegten zweiten Navarone um Lichtjahre überlegen ist.

Als Kriegsfilme würde ich die übrigens allesamt nicht sehen, das sind lupenreine Action-Abenteuer.
http://www.vodkasreviews.de

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