AnatolGogol hat geschrieben:
Das stimmt, die Frage ist doch aber: warum muss ein Kriegsfilm über Stalingrad zwingend auch den Vernichtungskrieg thematisieren?
Ein ganz klares JA, muss er! Der Russlandfeldzug war von Beginn an als Vernichtungskrieg konzipiert und geplant und zwar mit dem Wissen und der Zustimmung zahlreicher hochrangiger Militärs. Schon vor Beginn wurden an die Truppe entsprechende Befehle ausgegeben. Dass die im Einzelfall unterschiedlich ausgelegt wurden bzw. auch ignoriert wurden ist zwar richtig, aber sehr viele haben auch genau danach gehandelt. Man versteht den besonderen Charakter des Russlandfeldzuges und auch der Schlacht von Stalingrad nicht gänzlich, ohne dieses Wissen.
AnatolGogol hat geschrieben:
Sicherlich wäre es eine Möglichkeit, in einem Kriegsfilm über Stalingrad auch den Aspekt des Vernichtungskrieges zu thematisieren, meiner Ansicht nach ist aber genau so legitim diesen Aspekt nicht zu behandeln
Da würde ich energisch widersprechen, dafür ist er für die Thematik viel zu zentral.
AnatolGogol hat geschrieben:
Man muss nicht gezwungenermaßen jeden Aspekt eines Themas in einem Film behandeln, genauso könnte man dann auch argumentieren: warum hat Spielberg in Schindlers Liste nicht auch die Luftschlacht um England behandelt, gehört schliesslich auch zum Thema WW II dazu. Ich weiss, ein weit hergeholter Vergleich
Extrem weit hergeholt und imo unpassend.
Die enormen Grausamkeiten auf beiden Seiten in Stalingrad, das Kämpfen bis zur letzten Patrone und auch das Schicksal der Gefangenen sind eng mit dem besonderen Charakter des Vernichtungskriegs wie übrigens auch der entsprechenden sowjetischen Propaganda verknüpft.
AnatolGogol hat geschrieben:
Ich habe ja nicht bestritten, dass Hitlers halsstarrige Fehlentscheidungen der Ausgangspunkt der Katastrophe waren, da hast du mich wohl falsch verstanden, sondern dass die Wehrmacht als machtloses Opfer dieser Entscheidung durch den Film reingewaschen wird.
Das wird sie zu großen Teilen eben schon. Am Ende dess Films sagt ein Panzeroffizier: "Schuld ist jeder, der diesen Mist hätte verhindern können und trotzdem mitgemacht hat. Aber Sie meine Herren mit der großen Karriere, Sie haben die Schnauze gehalten. Sie haben gehorcht und haben Gehorsam verlangt." Die Masse dder Wehrmacht ist damit schon weitestgehend entschuldigt.
AnatolGogol hat geschrieben:
Und genau das ist nicht der Fall, denn - und da muss ich dir teilweise widersprechen - Paulus wird sehr wohl als verantwortlich gezeichnet nämlich dadurch, dass er von anderen hochrangigen Offizieren dazu aufgefordert wird den Führerbefehl zu ignorieren, was er jedoch kategorisch ablehnt.
Klar, Paulus wird nach Hitler zum zweiten großen Sündenbock gestempelt, übrigens hat Hitler selbst dies auch getan. Diese Meinung herrschte auch in der BRD der 50er Jahre vor, schließlich hatte sich Paulus nach seiner Gefangenschaft in der DDR niedergelassen und kommunistische Neigungen gezeigt. Nur greift das natürlich viel zu kurz, da gab es noch viele andere, die Paulus hätten aushebeln können. Genau das negiert der Film aber deutlich, denn alle vorkommenden hochrangigen Militärs widersprechen Paulus energisch (was historisch falsch ist).
AnatolGogol hat geschrieben:
Wie schon im terminatorthread geschrieben macht es sich der Film hier aber nicht einfach und spinnt eine Mär a la "wenn wir ausbrechen, dann wird alles gut", sondern es wird immer darauf hingewiesen, dass auch bei einem Ausbruchsversuch die Chancen schlecht stehen (etwa in dem Verweis auf die Benzinreserven, die nicht bis Hoths Panzern reichen), aber eben auch darauf dass Ausharren gleichbedeutend mit der Katastrophe ist. Und das entspricht ja zu 100% den Tatsachen.
Was Wisbar hier macht ist ein typischer Fall von Argumentation aus dem nachträglichen Wissen um den tatsächlichen Ausgang (in der Geschichtswissenschaft übrigens ein Kapitalfehler!). Und dem Ausbruchsversuch werden im Film schon halbwegs reelle Chancen eingeräumt, die er übrigens auch in der Realität gehabt hätte, bei schneller Entscheidung und entsprechender Reaktion.