Re: Der Kriegsfilm - Teil 1

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Da es unser Geschichtsexperte vorgemacht hat, poste ich das ebenfalls hier:

Fury (2014, David Ayer)

Aldo der Apache, Indiana Jones Junior, Percy Jackson, Shane und ein Quotenmexikaner brechen gemeinsam im Panzer auf, um das Dritte Reich in die Knie zu zwingen. Klingt nach einem absurden Scherz, ist aber der neue Film von Regisseur David Ayer. Die Handlung ist in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs angesiedelt und schildert den Überlebenskampf einer fünfköpfigen amerikanischen Panzertruppe. Dem Glatteis des Genres kann sich auch dieser Kriegsfilm nicht ganz entziehen.

Wie viele vor - und bestimmt auch nach - ihm hat Ayer die Ambition, den Krieg in aller Grausamkeit und Brutalität ungeschönt auf die Leinwand zu bringen. Ein durchaus lobenswerter Vorsatz, wird er doch dem Sujet mit Sicherheit am meisten Gerecht. Und so ist Fury gerade ein seinen Kampfszenen, mit denen immerhin nicht gespart wird, ein schonungsloser Tritt ins Gesicht. Hier werden Körper zermalmt und zerfetzt, Kriegsgefangene erbarmungslos hingerichtet, wird geflucht und bleiben abgerissene Gesichter am Stahl der tonnenschweren Kampfmaschinen kleben: Die Panzerszenen sind in ihrer wuchtigen Brutalität aufregend und aufwühlend zugleich, und ausserdem temporeich und dynamisch in Szene gesetzt. Die Bilder bieten dem Zuschauer eine wahre Breitseite aus Flammen, Stahl, Schweiss, Blut und Tod und sind in der Verbindung aus den gezeigten Abgründen und dem überzeugenden Actionhandwerk durchaus beeindruckend. Aber genau hier liegt der erste gravierende Makel des Films: Ayer liefert ein blutrünstiges, dokumentarisches Dauerfeuer und scheint dabei zu vergessen, dass es für einen wirklich eindrücklichen, bewegenden und faszinierenden Beitrag zum Genre mehr benötigt, als Unmengen brachialer Kriegsbrutalität. Ayer ist eben kein Kubrick oder Stone, und Fury kein Paths of Glory oder Platoon. Der Film lässt eine dem rauen Kriegsalltag entgegengesetzte Ebene der filmischen Poesie und der zwischenmenschlichen Emotionalität vermissen, und wenn diese Ebene dann doch mal kommt, dann bleibt sie stumpf und unglaubwürdig. Hauptgrund dafür ist in erster Linie der sich immer wieder einmischende Pathos anstelle wirklicher Gefühle. Ausserdem bieten die Figuren kaum Identifikationspotential und sind die gleichen asozialen, stereotypischen, zweidimensionalen und dummen Affen wie in Ayers restlichen Filmen. Den Vogel darf Jon Bernthal abschiessen, der mit voller Hingabe ein wahres Trauerspiel nervtötender Plattheit verkörpert. Die Charaktere von Lerman und Pitt sind mit Abstand am differenziertesten gezeichnet, und sie sind es auch, die Fury zwischendurch immer wieder interessante Ansätze zuführen, welche aber leider meist viel zu früh wieder erstickt werden.

Nicht gerade mit Ruhm bekleckert ist die letzte halbe Stunde des Films, in der die fünf Männer eine taktisch wichtige Position tapfer gegen ein ganzes SS-Bataillon verteidigen. Zwar ist auch dieser Teil visuell sowie handwerklich wieder gut gelungen, ist aber gleichzeitig an heroischem und pathetischem Quatsch nur schwer zu überbieten, wenn die Panzertruppe zum heldenhaften Himmelfahrtskommando wird und zu zuckersüsser Musikuntermalung in ein wahres Fest aus Pseudo-Elegien verfallen, wobei auch die Bibelzitate nicht fehlen dürfen.

Fazit: Fury ist ein ambitionierter und zumindest partiell durchaus überzeugender Kriegsfilm geworden, der in erster Linie von seiner visuell beeindruckenden, ungeschönten Schilderung des grausamen Überlebenskampfes profitiert. Andererseits bringt Ayer das Thema der menschlichen Verrohung perspektivisch zu eindimensional und zu sehr mit dem Holzhammer statt mit Fingerspitzengefühl an den Mann. Sein mässiges Gespür für interessante Charaktere, emotionale Identifikation und gute Dialoge verschlimmbessert den Film nur, der zudem vermehrt mit pathetischem Schrott verwässert ist und sich spätestens mit dem unpassenden, pseudo-heroischen Ende selber ins Bein schiesst.

Wertung: 5 / 10
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Der Kriegsfilm - Teil 1

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Herz aus Stahl (2014) – David Ayer

Es ist schon ein Kreuz mit dem „neuen amerikanischen Kriegsfilm“, hat sich eben jener doch auf die Fahne geschrieben die Schrecken des Krieges sowie deren Einflüsse auf die beteiligten Menschen in den Mittelpnunkt zu stellen, um sich somit als „echte Anti-Kriegsfilme“ deutlich von den verpönten Genrebeiträgen früherer Epochen abzugrenzen – nur um am Ende dann doch wieder das Hauptaugenmerk auf reisserische Kriegsaction zu legen. David Ayers filmischer Panzer ist ein Paradebeispiel für dieses Subgenre und – um bei dem Vergleich zu bleiben – filmisch leider auch eher ein schrottreifer Sherman als ein Tiger in Glanz und Gloria.

Eigentlich wird schon in den ersten Minuten klar, dass der Film seine hehren Absichten sehr schnell zugunsten plakativer Action über Bord schmeisst, wenn nämlich der von Brad Pitt gespielte amerikanische Panzerkommandant im Stile eines chinesischen Martial Arts-Akrobaten von seinem Sherman auf einen berittenen deutschen Offizier hüpft und ihn mit dem Messer „vom hohen Ross holt“. Die Szene mit dem stimmungsvollen Nebel und Zwilicht und der Konfrontation zweier Feinde nach einer Schlacht ist unübersehbar eine dreiste Kopie der Anfangssequenz aus Sam Fullers Kriegsklassiker The Big Red One, nur eben ohne die inszenatorische Brillanz und den schockierenden Effekt des Originals auch nur annähernd zu erreichen. Ayer hält sich auch im Anschluss nicht lange mit Figuren- oder Storyeinführungen auf und lässt seinen Film einfach mal loslaufen – was leider ziemlich nach hinten losgeht, da gerade die erste Viertelstunde so richtig plump und orientierungslos wirkt. Der Film verzichtet ebenfalls auf eine durchgängige Story und orientiert sich in seiner Schilderung von einzelnen Kriegserlebnissen dramaturgisch eher an Filmen wie Platoon, Apocalypse Now oder eben dem bereits erwähnten The Big Red One – nur leider auch hier um Welten plumper und uninspirierter. Jede dieser handvoll Sequenzen ist ein Wiederkäuen altbekannter Genrestandards: der feindliche Kriegsgefangene, der den Zorn der gegnerischen Soldaten zu spüren bekommt, der Hinterhalt, der den jungen unerfahrenen Offizier das Leben kostet, die große Essensszene, in der sich die feindlichen Seiten begegnen und natürlich das Finale, in welchem sich die Protagonisten heldenhaft für den „gerechten Zweck“ opfern.

Genauso einfallslos wie die Dramaturgie ist leider auch Ayers Inszenierung, der es nie gelingt dem Film sowas wie einen roten Faden zu verleihen. Klar, so aufdringlich wie „die Schrecken des Krieges“ betont werden (in erster Linie durch reisserische Metzelszenen) bleibt auch dem letzten nicht verborgen, dass man deren Auswirkungen auf die Protagonisten zeigen will. Das könnte man als roten Faden dann schon durchgehen lassen, aber auch hier ist das Ganze wieder plump (man verzeihe mir den inflationären Gebrauch des Wortes, aber es trifft die Sache halt perfekt) und ungeschickt in Szene gesetzt. Offenbar wollte man sich besonders „ambitioniert“ geben, indem man die GIs so ambivalent wie nur irgendmöglich zeichnet. Da werden Kriegsverbrechen begangen und sich generell benommen wie die Axt im Walde, was aber dadurch wieder konterkariert wird, dass man letztlich erstens jedem dieser „Missetäter“ dann doch wieder eine oder mehrere charakterlich erlösende Eigenschaften und Szenen zugesteht und zweitens das ganze durch „den Kampf für die gerechte Sache“ zu legitimieren meint. Plump, wirklich nur plump. Wenn beispielsweise die Erschiessung von Pferden melodramatisch als Kriegstrauma verkauft wird, nachdem sich die Herren Bernthal und Pena wie die Obera.rschlöcher aufgespielt haben. Oder die platte Etablierung der SS als „das ultimativ Böse“ in zwei Szenen, nur damit im großen Finale dann der Kampf „Gut gegen Böse“ in der Konstellation unseres kleinen Panzertrupps gegen eine ganze SS-Kompanie effekthascherisch zelebriert werden kann. Den so oft propagierten Realismus des „neuen amerikanischen Kriegsfilms“ kann man gerade bei solchen Szenen dann auch getrost vergessen, das Finale ist in seiner übertriebenen und fast schon comichaften Ausprägung auch nix anderes als der Endkampf in Rambo III, wobei man fairerweise festhalten muss, dass der gute Johnny ja zumindest noch über einen fahrbaren Panzer verfügte.

Vom Drehbuch im Stich gelassen sehen folgerichtig auch die Darsteller nicht allzu gut aus (wobei das für einen sicher nicht gilt, doch dazu gleich mehr), zu glänzen vermag keiner, unangenehm auffällig sind hingegen schon einige. Speziell Jon Bernthal übertreibt seine Rolle als Ober-Kotzbrocken in oft nervigem Ausmaß. Klar, das liegt natürlich auch an seiner Rolle und wie sie konzipiert ist, aber man kann sowas auch anders spielen als immer nur den grummeligen Klischeeproleten, Nuancen findet man in seiner Darstellung jedenfalls keine. Und man kann über Brad Pitt ja sagen was man will (wie er in den Ruf ein besonders guter Darsteller zu sein gekommen ist werde ich zB nie verstehen), aber immerhin hat er in jedem seiner Film die Haare schön. So auch hier, da kann es noch so krachen und rumsen, die gegelte Locke sitzt und die hipp ausrasierte Frisur macht was her. Spass beiseite: Pitts Auftritt ist einfach schwach, schwach weil es ihm erstens hier nie gelingt aus seinem positiven Strahlemannimage auszubrechen, egal wie mies und übelgelaunt er sich vor allem in der ersten Filmhälfte auch gibt und zweitens, weil sein Versuch hier eine Art „Lee Marvin Gedächtnisvorstellung“ zum Besten zu geben in ihrer penetranten Grimmigkeit jederzeit aufgesetzt wirkt und bereits nach kurzer Zeit nur noch langweilt.

Herz aus Stahl ist ein unterdurchschnittlicher, überflüssiger The Big Red One-meets- Im Westen nichts Neues-Mischmasch im Gewand einer überlangen Band of Brothers-Episode, der lediglich in ein paar lichten Momenten mal kurz zu überzeugen weiss, über den Großteil der Laufzeit aber durch seinen plumpen Umgang mit Story, Figuren und Thematik einfach nur enttäuscht. Handwerklich ist der Film weitgehend im grünen Bereich (im wahrsten Sinne des Wortes, denn es wird erwartungsgemäß mal wieder auf den seit Private Ryan für Kriegsfilme scheinbar in Stein gemeiselten entsättigten Grün-Braun-Look gesetzt – wie langweilig), aber die Limitationen von Regie und Dramaturgie sind nur allzu offensichtlich. Was das Ganze noch ärgerlicher macht ist die Scheinheiligkeit, mit der solche Filme propagiert werden: Figuren und Schrecken des Krieges am Allerwertesten: letztenendes ist das ganze nur eine reisserische Metzelschau mit pseudoambivalenten Figuren und hippem Strahlemann auffem Panzer. Mit solchen Filmen gewinnt man jedenfalls keinen Krieg.
Wertung: 4 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Der Kriegsfilm - Teil 1

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@Anatol
Fury hast du ja sogar noch härter abgewatscht als ich :lol: , wenn wir auch zur selben Wertung kommen (4/10). Schön zorniges und durchaus treffendes Review. :)
Wieder einmal ist die Kritik - und da sind wir uns absolutig einig - nur angetäuscht, um dann doch wieder die Heroismus-Platte aufzulegen. Trotzdem halte ich "Ryan" für noch schlechter. Aber das sind Nuancen. Pitt hat sich übrigens zur Vorbereitung "Das Boot" und "Im Westen nichts Neues" angeschaut. Ist wohl wenig hängen geblieben. :lol:
http://www.vodkasreviews.de

https://ssl.ofdb.de/view.php?page=poste ... Kat=Review

Re: Der Kriegsfilm - Teil 1

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vodkamartini hat geschrieben:Pitt hat sich übrigens zur Vorbereitung "Das Boot" und "im Westen nichts Neues" angeschaut. Ist wohl wenig hängen geblieben. :lol:
Doch, etwas schon: "ich muss unbedingt eine schickere Frisur als Prochnow haben!" :lol:
Sorry für den Kalau, aber Pitts Eitelkeit in nahezu allen seiner Rollen nervt mich sowas von. Sozusagen der David Beckham der Filmwelt.

Private Ryan würde ich zumindest noch einen etwas höheren Unterhaltungswert zuschreiben und er hat mit der Landung auch eine Szene an Bord, die man in der Qualität bei Fury weit und breit nicht findet. Wobei die Actionszenen noch so ziemlich das beste am Ayer-Film sind, aber der Leerlauf dazwischen und der Pseudo-Anspruch, bäääh. Ich fand übrigens die von dir lobend erwähnte Szene mit den Frauen im Wohnzimmer auch nicht sonderlich gut, da auch das wieder nur ein Ideenklau aus Im Westen nix neues oder The Big Red One war und als solcher auch nicht sonderlich gut umgesetzt wurde. Pitts überlegene Grimmigkeit und Selbstsicherheit hat mich da mit am meisten gestört. "Lass sie, sie sind jung und leben", o Gott! Und ich schwöre: in dem Moment als ich das Klavier sah wusste ich, dass der junge Schreibtischhengst da drauf rumklimpern wird und so die Junge rumkriegt. Dass die dann aber auch noch anfängt im Falsett zu trällern, damit hab selbst ich nicht gerechnet. :lol:
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Re: Der Kriegsfilm - Teil 1

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Stimmt schon, war in der eigentlich gut gemeinten Szene dann wieder too much. Trotzdem ist die mir noch am ehesten im Gedächtnis geblieben - obwohl ich sie während des Films irgendwie seltsam aufgesetzt empfand - und deshalb habe ich sie dann auch heraus gehoben.
"Ryan" ist imo noch eine Spur subtiler verlogen und damit hinterhältiger. Ayer präsentiert die Verlogenheit quasi mit dem Holzhammer. Vergessen kann/sollte man natürlich beide.
http://www.vodkasreviews.de

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Re: Der Kriegsfilm - Teil 1

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vodkamartini hat geschrieben:"Ryan" ist imo noch eine Spur subtiler verlogen und damit hinterhältiger. Ayer präsentiert die Verlogenheit quasi mit dem Holzhammer. Vergessen kann/sollte man natürlich beide.
Dem stimme ich allerdings vorbehaltlos zu. Spielberg ist als Regisseur dann doch zu gut, als so plump (da ist es wieder, das schöne Wort) wie Ayer vorzugehen. Als Fan des Genres bin ich angesichts von so Filmen wie Fury oder letztes Jahr Monuments Men schon konsterniert, Anfang des neuen Jahrtausends sah es noch so aus, als ob eine kleine Welle richtig guter Kriegsfilme gestartet worden wäre, man denke an Black Hawk Down oder Wir waren Helden. Aber mittlerweile machen die Amis wieder einen auf Pseudoanspruch und "Antikriegsfilm". Deshalb mochte ich auch Lone Survivor ganz gern, denn der war zwar pathetisch ohne Ende, aber dafür wenigstens nicht so verlogen und bekannte sich auch dazu in erster Linie ein Actionfilm zu sein. Abgesehen davon, war er anspruchsvoller und subtiler darin als so Teile wie Fury, der sich gerade das ja auf die Fahnen geschreiben hat. Das sagt eine ganze Menge aus.
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Re: Der Kriegsfilm - Teil 1

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Black Hawk Down mochte ich, auch wenn das Endlosgeballer irgendwann auch eher abtörnte. Aber es war ein Film von dem ich dachte er könnte mir besser gefallen beim 2. Mal. Das Gefühl hatte ich bei The Counselor auch im Nachhinein, nur daß sich The Counselor dann für mich kaum verändert hat.

Wir waren Helden war dagegen ein Film zum sofort vergessen. Wenn auch hier das Geballer ebnfalls handwerklich funktionierte.