Welchen Film von Matthew Vaughn mögt ihr am liebsten?

Layer Cake (2004)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (25%)
Der Sternwanderer (2007)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (13%)
Kick-Ass (2010) (Keine Stimmen)
X-Men: Erste Entscheidung (2011)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (38%)
Kingsman: The Secret Service (2014)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (25%)
Kingsman: The Golden Circle (2017) (Keine Stimmen)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 8

Re: Matthew Vaughn

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Martin007 hat geschrieben:@GoldenProjectile: Hast du "Eine offene Rechnung" schon gesehen? Ist auf jeden Fall empfehlenswert. :)
Finde ich auch, ein richtig starker Thriller. Wusste bis vor kurzem gar nicht, das Vaughn da auch seine Finger im Spiel hatte.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Don’t Let Me Be Misunderstood

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Layer Cake

Ein guter Titel wird im Laufe der erzählten Geschichte zum Programm: "Layer Cake", das britische Regiedebüt Matthew Vaughns aus dem Jahre 2004, ist ein eben solcher Fall. Der düstere Thriller im Rauschgiftmilieu thematisiert nicht nur die sozialen, psychologischen und gesellschaftlichen Schichten innerhalb der Drogenszene, sondern ist selbst als wohlig schmeckender Layer Cake aufgebaut: Vaughn erzählt gegen alle Konventionen und ohne klare zeitliche Chronologie, baut ständig Rückblenden, Foreshadowing oder lange Hintergrunderzählungen ein und jongliert mit unzähligen Nebenhandlungen und Randfiguren, sprich tut alles, um es dem Zuschauer auf keinen Fall leicht zu machen. Wem dies nicht zu anstrengend ist, wer Spaß an ungewöhnlichen Erzählweisen hat und die nötige Geduld mitbringt, sich langsam seinen Weg durch die vielen Schichten zu graben, wird am Ende nicht nur stolz, sondern auch mit aufrechter Begeisterung den Abspann genießen. Doch fangen wir vorne an.

"Layer Cake" ist kein einfacher Film. An einer Stelle wagt er selbst sogar doch glatt den Vergleich mit Goethes "Faust" ("No wonder it took him 60 years to write it"). Selbstüberschätzung eines jungen Newcomer-Regisseurs? Vielleicht, doch wohl eher eine schöne Metapher für den namenlosen Protagonisten, dessen Hybris ihn immer tiefer in den Abgrund der britischen Unterwelt führt. Durch seine zunehmende Verzweifelung und bröckelnde Selbstsicherheit, die von Hauptdarsteller Daniel Craig bravorös umgesetzt wird, zeigt Vaughn anhand dieses Einzelschicksals, wie das Leben als Mitglied einer endlosen Kette an Verstrickungen in der Welt von Londons Abschaum die Menschlichkeit operativ aus den Seelen der Akteure saugt. So wird der Film selbst zum Spiegelbild dieser Entwicklung: Während anfangs elegante Stilmittel (insbesondere bei den Szenenübergängen) und einfallsreiche amüsante visuelle Spielereien die Inszenierung dominieren und die Kameraführung beinahe leichtfüßig erscheint, gestaltet sich der Bildaufbau später deutlich ruppiger, die Cuts werden härter, die Stimmungswechsel krasser und der Ton immer düsterer, schwarzhumoriger, was im Mittelteil in einen der stilisiertesten Mordversuche der Filmgeschichte gipfelt, bitterböse unterlegt mit Duran Durans Ordinary World. Die atmosphärische Gestaltung des Sumpfes aus Mord, Hass, Drogen und Verrat gelingt Vaughn wahrlich ausgezeichnet.

Vaughns Inszenierung und die Atmosphäre, die er aufbaut, sind dann auch (neben Craigs menschelndem Schauspiel) der eigentliche Inhalt der Erzählung. Und das zurecht, Vaughn beweist eine für ein Regiedebüt unglaubliche Versiertheit in nahezu allen möglichen Kniffen und Tricks, die den Zuschauer fesseln sollen. Vom Off-Kommentator über unzuverlässige Erzählungen bis hin zu ganzen absichtlichen chronologischen Verschiebungen oder gar Auslassungen ist alles vertreten, was so aufzubieten wäre, im letzten Drittel wird sogar eine kleine Verfolgungsjagd eingeschoben, die auf dem Papier nicht mehr als ein simples Hintereinanderlaufen wäre, durch Vaughns packende Inszenierung und den stimmigen Score aber echten Nervenkitzel heraus beschwört. Die Geschichte hingegen ist dafür erschreckend einfach und kommt ohne großen doppelten Boden oder einen besonders bemerkenswerten Twist daher, in Wahrheit ist es wohl eher so, dass die ganz großen Aha-Momente eigentlich zum Genrestandard zählen und bereits in vielen anderen Filmen zu sehen waren - wenngleich dafür noch nie so stilecht, stylisch und kompakt vereint. Wie erwähnt: Die Atmosphäre steht eben deutlich mehr im Vordergrund und besonders die Musikauswahl (unter anderem Joe Cocker, The Rolling Stones oder The Cult), die nicht selten auch mal kontraperspektivisch fast schon provozierend die Ohren des Zuschauers erreicht, trägt erheblich dazu bei, dass man Teil eines Geschäfts wird, aus dem es (wie XXXX noch schmerzlich erfahren wird) kein Entkommen gibt.

Auch wenn die Fokussierung des Filmes komplett auf Craigs Charakter liegt, so gibt es dennoch eine beträchtige Anzahl an Nebenfiguren, deren Besetzung durchweg souverän auftritt. Colm Meaney (in einer sehr ungewöhnlichen Typ-Besetzung), Jamie Foreman, Kenneth Graham, George Harris oder der starke Michael Gambon können in ihren jeweiligen Parts überzeugend agieren, während Sienna Miller, Ben Whishaw und Tom Hardy dafür in winzigen und insgesamt kaum relevanten Rollen ein wenig überflüssig verschenkt erscheinen - dass einer von ihnen in der letzten Szene durch einen finalen Twist aufgewertet werden soll, verstärkt diesen Eindruck sogar etwas ungünstig. Ein wenig könnte es dem ein oder anderen "Layer Cake" in den entscheidenden Stellen an Konsequenz mangeln, dies macht das starke auf einer Romanvorlage basierende Script dafür durch wunderschöne Dialogzeilen wieder wett, von denen einige Kult-verdächtig sein dürften und dennoch stets vom Ton her passend für das jeweilige Umfeld der Charaktere erscheinen. Ein letzter Kommentar gebührt der Härte und Gewaltdarstellung, die überraschend dezent und pointiert erscheint und erfreulichermaßen den jeweiligen Moment unterstützt, statt ihn allzu abgedroschen zu beherrschen. Dramaturgisch beweist Vaughns Debütpräsentation damit eine nicht unerhebliche Weitsicht und clever-effiziente Treffsicherheit, die zwar nicht unbedingt das Rad neu erfinden kann, aber die bekannten Inszenierungsarten und inhaltlichen Versatzstücke gelungen zu etwas eigenständigem zu kombinieren weiß.

Fazit: Erstlingswerk, Genreperle und Geheimtipp zugleich! Das Drama in "Layer Cake" wird erstaunlich oft als das betont, was es nun einmal in der Tat auch ist: Keine abgedroschene Studie über die Perspektivlosigkeit der unteren Mittelschicht des jungen vereinigten Königreichs im 21. Jahrhundert, kein zufälliger chaostheoretischer Unglücksprozess einer Horde Fausts, die ihrem Mephisto erliegen (müssen), sondern eine Geschichte über lebendige Menschen und ihre Schwächen und Verfehlungen. Von Sündern oder einfach schlicht Gangstern zu reden, wäre hier zu einfach gedacht, es gibt kein schwarz oder weiß in der Welt von "Layer Cake", die eben deshalb unserer trotz aller Stilisierungen sehr ähnlich erscheint. Toll besetzt und aufregend frech gegen alle Regeln inszeniert ist die spritzige Musikuntermalung die Kirsche auf dem Sahnekuchen, der "Layer Cake" ohne wenn und aber ist, weshalb es doch sehr passend ist, dass dieser Titel für Vaughns Werk gewählt wurde. "Layer Cake" zu genießen ist tatsächlich wie einen Kuchen zu verspeißen: Mit jeder Schicht noch ansprechender.

8/10
https://filmduelle.de/

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Re: Don’t Let Me Be Misunderstood

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Schön, dass dir der Film so gut gefallen hat, auch wenn ich selber noch 1,5 bis 2 Punkte drauflegen und ihn als eines der zehn besten Werke der 2000er-Jahre einstufen würde. Genau wie du bewundere ich den vielschichtigen und komplexen Erzählaufbau und die elegante Verzahnung der Handlungsebenen, wobei sich diese Aspekte zu keinem Moment unnatürlich "geplottet" anfühlen sondern die Geschichte vielmehr organisch zu wachsen scheint. Inhalt und Inszenierung gehen dabei Hand in Hand, im gesamten Film gibt es genau eine Einstellung die mir nicht gefällt, alles andere ist vom Farbenspiel (eine von Vaughns grössten Stärken) über den Bildaufbau bis hin zum durchgehend cleveren Einsatz von mal expliziteren, mal subtileren Match Cuts ein visuelles Fest. Neben den von dir hervorgehobenen Szenen - der Ordinary-World-"Mordversuch" (den ich nicht als solchen bezeichnen würde) und der Flucht aus dem Lagerhaus - möchte ich unbedingt noch den tatsächlichen Mord hervorheben. Selten hat eine inhaltlich vergleichbare Szene durch ihre Inszenierung eine solche Spannung und Intensität erreicht, selten war der Konflikt des Charakters glaubwürdiger.
Casino Hille hat geschrieben:Colm Meaney (in einer sehr ungewöhnlichen Typ-Besetzung), Jamie Foreman, Kenneth Graham, George Harris oder der starke Michael Gambon können in ihren jeweiligen Parts überzeugend agieren, während Sienna Miller, Ben Whishaw und Tom Hardy dafür in winzigen und insgesamt kaum relevanten Rollen ein wenig überflüssig verschenkt erscheinen
Etwas was mich an Layer Cake besonders beeindruckt ist die narrative Gleichberechtigung der Charaktere, die natürlich auch mit der dramaturgisch wertvollen Verknüpfung der Handlungsstränge zusammenhängt. Ein Colm Meaney, George Harris (beide absolut exzellent in ihren Rollen), Kenneth Cranham oder Michael Gambon mögen auf dem Cover prominenter erscheinen und haben mit Sicherheit auch mehr Screentime, aber ein Dexter Fletcher ("You, my friend, are the Earl of Oxford"), Stephen Walters ("They're lunatics! Think about it" - natürlich mit viel Lutscher-Gefuchtel) oder Ben Whishaw ("Are ya doing a Little Business with my uncle, the Duke?") tragen trotz kurzer Auftritte jeder auf seine Art dramaturgisch wichtiges zur Geschichte bei. Selbst die kleine Background-Geschichte um Jason Flemyngs Crazy Larry ("Fucking Females is for poofs!") wirkt wie ein Teil des Ganzen. Spontan fällt mir nur Hardys Rolle als entbehrlich ein, der hat eigentlich keinen wirklichen narrativen Mehrwert. Craig natürlich thront über allen und liefert eine bravouröse Vorstellung in seiner wohl besten Rolle. Und wenn er sich mit einem verschmitzten Lächeln direkt ans Publikum wendet und subtil darauf hinweist, dass man seinen Rollennamen den gesamten Film über nie erfahren hat, dann überrascht das beim ersten Mal sehen gehörig.
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Matthew Vaughn

21
Vaughn ist so ein bisschen überschätzt ... wobei er bestimmt einen sehr, sehr guten Bondfilm inszenieren könnte.

Layer Cake (2004) - 6,5/10
X-Men: Erste Entscheidung (2011) - 8,5/10
Kingsman: The Secret Service (2014) - 7/10
"Nelly, I'm about to get neck-ed back here. So: No peekin'! ... I said: No peekin'!"
(Joe Bang)

Re: Matthew Vaughn

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Den ersten Kingsman hab ich mittlerweile auch gesehen. Fand ich eigentlich ziemlich unterhaltsam, auch wenn mir der junge Hauptprotagonist nicht so ganz gefällt. Irgendwie fehlt dem Kerl das gewissen Etwas.
Ich würde da so 7/10 vergeben.
The name's Bond, James Bond.

Re: Matthew Vaughn

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Ich halte Matthew Vaughn für einen der spannendsten Regisseure der aktuellen Generation. Mit Kick-Ass & X-Men First Class hat er zwei der besten Comicverfilmungen gedreht und kultige Werke abgeliefert. Mit Layer Cake hat er einen schönen, kleinen Gangsterfilm gedreht, der es ebenfalls in sich hatte. Das er Bondfan ist, dürfte sicherlich kein Geheimnis sein und ähnlich wie bei First Class, gibt es auch hier sehr, sehr viele Paralellen, wenn nicht sogar noch mehr. Anspielungen auf Agentenfilme, extrem stark aufspielende Stars, verdammt gute Comedyeinlagen und cool inszenierte Action machen Kingsman zu einem ganz besonderen Kinoereignis.

'Eggsy' Unwin (Taron Egerton) ist vom rechten Weg abgekommen und verbringt seine Zeit mit Drogen, Autodiebstahl und anderen, kleinen Verbrechen. Als er einmal in großen Schwierigkeiten steckt, holt ihn Harry Hart (Colin Firth) aus dem Knast und bietet an, ihm dabei behilflich zu sein was aus seinem Leben zu machen. Der Junge hätte viel Potenzial und vor allem das Zeug zum `Kingsman'. Firth als einer von ihnen, ist Teil einer der Geheimorganisation, die so geheim ist, das sie praktisch über jedem Gesetz steht. Als er Eggsy als Nachfolger für den im Kampf getöteten 'Lancelot' empfiehlt, muss der junge Mann zeigen das er es wert ist, den Anzug zu tragen, der ihn zum Kingsman macht. Es geht am Ende nämlich um das Schicksal der Menschheit und der Erde, denn der skrupellose Millardär Valentine (Samuel L. Jackson), macht trotz seiner Gewaltablehnung vor nichts halt!

Vaughn bringt eine beinahe klassische Bondstory in den Film. Weltvernichtung/Herrschaft und dazu ein mehr oder weniger Wahnsinniger der diesen Plan umsetzen will. Dazu eine Reihe von 'Super-Agenten' die beinahe jeder Situation gewachsen sind und großartiger und übertriebener Action die so gut wie immer sitzt. Firth inszeniert hier ein wahres Prachtstück von Unterhaltungskino. Nicht nur das der Film äußerst stylisch gedreht und großartig gefilmt und geschnitten ist, trotz Wackelkamera hatte ich nie Probleme was die Übersicht anging und war sehr zufrieden. Auch die Darsteller die für diesen Film versammelt wurden können sich sehen lassen. So sind neben Colin Firth & Taron Egerton sowie Fießling Samuel L. Jackson auch noch Mark Hamill, Michael Caine, Mark Strong & Jack Davenport dabei. Fantastisch. Und jeder dieser Darsteller macht seine Sache wirklich gut.

*Großes Lob auch an die deutsche Synchro, die so gut wie alles richtig gemacht hat. Der lispelnde Sam Jackson war auch im deutschen ein Genuss. Danke an Engelbert von Nordhausen dafür.

Einige Handlungselemente mögen etwas an den Haaren herbeigezogen sein oder wirken am Ende nicht ganz schlüssig, was bei dieser Achterbahnfahrt jedoch kaum auffällt weil Vaughn zu jeder Zeit die Oberhand hat. Die Action ist wie gesagt stylisch und over the Top inszeniert. Der Gore-gehalt ist auch nicht gerade gering da es einige Kopfschüsse und abgetrennte Gliedmaßen gibt. Der Film ist sich zudem nie zu schade für ironische Sprüche, was das ganze Drumherum sehr lockert. Das Ganze wird nie zu ernst genommen und macht doch einen enormen Spaß. Agentenfilm-Fans werden sicherlich viel Spaß beim Entdecken der Paralellen und Anspielungen haben, die dieser Film bereit hält.

Klar hat der Film Storyschwächen, manche mögen sagen er verliert sich oftmals in zu viel visueller Gewalt oder übertreibt es hier und da. Nichts anderes habe ich aber erwartet. Der Film der auf dem Mark Millar Comic 'The Secret Service' basiert bietet eine Menge Spaß und gute Unterhaltung. Wer nichts gegen abgedrehte Action bestehend aus einem Mix zwischen Bond & Kick-Ass hat, zudem auf gute Darsteller und Humor steht, sollte einen Blick wagen. Kingsman ist eine der Filme des bisherigen Kinojahres. Spannend, spaßig, actionreich und einfach nur fantastisch. Danke für diesen Achterbahnritt, Matthew.

(ps. Ich würde den Mann immer noch zu gerne als Bond-Regisseur sehen)

8,5/10

Re: Matthew Vaughn

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Also ich finde Ritchie und Vaughn eigentlich genau identisch und kann da nicht wirklich einen Unterschied erkennen. Zumal beide ja auch noch sehr häufig gemeinsame Sache machen.
#London2024

"Wo man lacht, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen lachen immer wieder."

Re: Matthew Vaughn

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Vaughn, Ritchie und auch Edgar Wright kommen in vielerlei Hinsicht aus einer ähnlichen Ecke, aber jeder der drei hat seine eigenen Ausprägungen und Stärken. (Und - praise the lord - jeder der drei bringt dieses Jahr einen Film raus).
We'll always have Marburg

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