Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Maibaum hat geschrieben: 10. Februar 2020 10:34 Nein, das ist er nicht.

Es ist sicherlich auch kein Film, der an sich für den Oscar kaum in Frage käme, aber das hier wird ihm auch nicht gerecht.

Zumal ohnehin in den letzten Jahren mit No Country for Old Men, Birdman oder jetzt auch Parasite öfters mal eher Oscar-untypische filme gewonnen haben.
Übrigens ist Schippers Victoria, den ich gestern gesehen habe, in Bezug auf seine Drehtechnik eine logistische, planerische und ambitionierte Meisterleistung, neben der Mendes' getrickster One-Take nichts zu melden hat. Aber auch der eigentliche Film ist schlicht hervorragend mit der womöglich natürlichsten Schauspiel- und Dialogführung aller Zeiten (nicht verwunderlich, da einiges teilimprovisiert werden musste) und der faszinierenden Art, wie er typisches Genre in die unsrige Welt holt.

Sagen wir bei 1917 mal, dass mich die vielen Nominierungen keinen Millimeter überrascht haben.
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Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Maibaum hat geschrieben: 10. Februar 2020 10:34
Casino Hille hat geschrieben: 10. Februar 2020 08:35 "How To Win Awards" Musterexemplar von Sam Mendes. .
Nein, das ist er nicht.
Was denn sonst? Das ist das übliche Hollywood-Kriegsmärchen, wie es vor 50 Jahren schon hätte gedreht werden können und auch in 50 Jahren noch gedreht werden wird. Nur technisch eben auf eine besondere Art und Weise inszeniert. Alter Wein in neuen Schläuchen. Das war auch gar nicht als Herabwürdigung gemeint, auch solche Filme muss, darf und soll es geben. Aber es freut mich, wenn sie keine Awards gewinnen, sondern außergewöhnliche Filme wie Parasite. Der auch kein Stück mainstreamig ist, wer auch immer das gesagt hat, wenngleich er dem US-Kino zumindest in der Aufmachung näher ist als andere Meisterwerke aus Südkorea wie "Burning" oder "Die Taschendiebin".
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Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Casino Hille hat geschrieben: 10. Februar 2020 14:19

Was denn sonst? Das ist das übliche Hollywood-Kriegsmärchen, wie es vor 50 Jahren schon hätte gedreht werden können und auch in 50 Jahren noch gedreht werden wird. Nur technisch eben auf eine besondere Art und Weise inszeniert. Alter Wein in neuen Schläuchen. Das war auch gar nicht als Herabwürdigung gemeint, auch solche Filme muss, darf und soll es geben.
Und genau das ist eine (übliche) Herabwürdigung eines trotz allem ambitionierten Films.

Sicherlich, 1917 enthält auch konventionelle Elemente, da wäre qualitativ mehr drin gewesen, wenn Mendes kompromißloser gedreht hätte, aber das übliche Kriegskino-Märchen ist er deswegen auch noch nicht.

Und das er keine wirklich neue Geschichte über den Krieg, oder keine neue Sichtweise auf den Krieg bringt, was solls, kaum ein neuer Film vermag so etwas, dafür gibt es schon viel zu viel vorher. trotzdem wirkt er auf mich nicht ausgelutscht. Parasite ist der originellere Film, aber 1917 hat mir mehr Spaß gemacht. 8/10 für Beide

Re: Oscars / Golden Globes 2020

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GoldenProjectile hat geschrieben: 10. Februar 2020 13:25
Übrigens ist Schippers Victoria, den ich gestern gesehen habe, in Bezug auf seine Drehtechnik eine logistische, planerische und ambitionierte Meisterleistung, neben der Mendes' getrickster One-Take nichts zu melden hat. Aber auch der eigentliche Film ist schlicht hervorragend mit der womöglich natürlichsten Schauspiel- und Dialogführung aller Zeiten (nicht verwunderlich, da einiges teilimprovisiert werden musste) und der faszinierenden Art, wie er typisches Genre in die unsrige Welt holt.
Ich habe Victoria bislang nur einmal im Kino gesehen, ich finde allerdings nicht, daß da alles so gut funktioniert, da hatte ich mir auch etwas mehr von erhofft.

Mendes Film geht ganz andere Wege, von daher würde ich ihn in der Plansequenz-Hinsicht weniger mit Victoria vergleichen, als mit Birdman. Mit dem kommt er allerdings nicht mit ...

Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Maibaum hat geschrieben: 10. Februar 2020 15:18 Und genau das ist eine (übliche) Herabwürdigung eines trotz allem ambitionierten Films.
Okay. Dann ist es aber immer noch ganz genau, als was ich den Film sehe. Als ein Märchen, Hollywoods übliche Geschichtsstunde über Helden im Angesicht des schrecklichen Krieges. Ist doch nix verwerflich dran, und 1917 war auch ganz unterhaltsam, wenn auch etwas flach und auch manchmal ein bisschen blöd insgesamt (vor allem wenn die Deutschen wie die größten Kirmes-Säufer schießen und Soldat A zu Newmans Pathos-Mucke quer über das Schlachtfeld rennt). Aber während ich zum Beispiel bei Dunkirk, den ich viel weniger mochte als 1917, problemlos erkennen kann, warum der gewürdigt wird und warum der ungewöhnlich und anders ist, sehe ich das bei 1917 nicht. Der One Shot Trick, ja, das ist immer beeindruckend, aber darüber hinaus bleibt mir da nicht viel. Victoria war da zum Beispiel besser, obwohl ich den auch für überschätzt halte. Und von Birdman wollen wir gar nicht erst anfangen, der ist meilenweit über den zwei anderen.
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Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Maibaum hat geschrieben: 10. Februar 2020 15:20 Ich habe Victoria bislang nur einmal im Kino gesehen, ich finde allerdings nicht, daß da alles so gut funktioniert, da hatte ich mir auch etwas mehr von erhofft.

Mendes Film geht ganz andere Wege, von daher würde ich ihn in der Plansequenz-Hinsicht weniger mit Victoria vergleichen, als mit Birdman. Mit dem kommt er allerdings nicht mit ...
Da funktioniert so einiges wenn du mich fragst...

Klar kann man die schwer vergleichen, ich wollte auch nur darauf hinaus dass Victoria logistisch viel beeindruckender ist als 1917 und, wie man fairerweise sagen muss, auch als Birdman. Allerdings habe ich diesen wahnwitzigen Aufwand bei Victoria auch viel stärker bewusst wahrgenommen, bei den getricksten Birdman und 1917 dient es "nur" der Ästhetik.

Qualitativ liegt Birdman für mich wohl einen Hauch vor Victoria und beide eine Ecke vor dem ebenfalls guten Milleneufcentdixsept.
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Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Nein, als ein Märchen sehe ich 1917 absolut nicht, trotz einiger konventioneller Elemente, die beiden von dir genannten sind dabei (obwohl ich die "quer über das Schlachtfeld" Szene trotzdem beeindruckend und gelungen fand).

Es ist kein Film der den Krieg verherrlicht, auch keiner der ihn banalisiert, oder ihn verkitscht (ok ein wenig hier und da), und nur weil er mal etwas daneben greift, entwertet das nicht gleich den kompletten Film hin zur Märchenstunde. Das gilt übrigens auch für den ähnlich funktionierenden Saving Privat Ryan, bei dem das konventionellere Ende und die Sentimentalität am Ende auch nicht gleich alles kaputt macht was vorher war.
Ich hoffe mal du gehörst hier nicht zu denjenigen die dann A Bridge too Far gut finden, den finde ich nämlich in da weitaus mißlungener, und konventioneller, und kitschiger. Oder auch die Brücke am Kwai, und das ist z.b. viel eher der totale Oscar Film. .

Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Brücke am Kwai finde ich super, das ist auch in der Tat ein totaler Oscar-Film - was wie schon erwähnt nichts negatives sein muss. Und das das Ende von Saving Private Ryan nicht gleich den ganzen Film entwertet, sehen wohl verhältnismäßig viele so, ich im Übrigen auch (obwohl ein Ende sehr wohl einen kompletten Film entwerten kann). Aber wie erwähnt: Oscar-Film, Kriegs-Märchen, das ist alles nix schlechtes. Einige der Filme, die man so beschreiben würde, finde ich große Klasse. 1917 allerdings nicht. Es ging mir auch nur darum, dass ich 1917 für einen recht typischen Oscargewinner gehalten hätte und mich äußerst über einen Sieg für Parasite freue - obwohl der sicher auch noch größer gemacht wurde als er ist.
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Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Bei all dem Bohei um "Parasite" stellt sich aber natürlich die Frage, was dann die Kategorie "Bester internationaler Film" überhaupt noch bringen soll, wenn die "internationalen" Filme ja auch im Rennen um die "normalen" Oscars sind?

Dann könnte man sich diese Kategorie auch gleich sparen und dafür sinnvollere neue Kategorien einführen. Etwa "Best Stunt Coordinaton" oder "Best Voice Actor" / "Best Voice Actress".

Bei der Reform könnte man meiner Meinung nach auch gleich die beiden Sound-Kategorien zusammenlegen.
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Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Samedi hat geschrieben: 10. Februar 2020 16:27 Bei all dem Bohei um "Parasite" stellt sich aber natürlich die Frage, was dann die Kategorie "Bester internationaler Film" überhaupt noch bringen soll, wenn die "internationalen" Filme ja auch im Rennen um die "normalen" Oscars sind?
Na, weil Parasite nach über 90 Jahren der erste fremdsprachige Film ist, der in der Kategorie gewonnen hat.
Komisch das die Frage bei Roma letztes Jahr keiner gestellt hat...
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Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Casino Hille hat geschrieben: 10. Februar 2020 14:19 ... außergewöhnliche Filme wie Parasite. Der auch kein Stück mainstreamig ist, wer auch immer das gesagt hat, wenngleich er dem US-Kino zumindest in der Aufmachung näher ist als andere Meisterwerke aus Südkorea wie "Burning" oder "Die Taschendiebin".
Das hängt davon ab, wie der jeweilige Betrachter das Wort "Mainstream" definiert.

Um Parasite unterhaltsam zu finden und zu verstehen, muss man kein Cineast sein. Der Film ist für jederman leicht zugänglich.
Das ist für mich schonmal ein deutliches Zeichen von Mainstream.

Er ist geradlinig erzählt (ohne Rückblenden oder verwirrende Erzählstrukturen). Auch das ist ein Zeichen für Mainstream.

Er wagt auch visuell keine künstlerischen Tricks und beinhaltet auch keine Kunst-Sequenzen, die einen Mainstream-Zuschauer übel aufstoßen könnten.

Er hat ein hohes Erzähltempo.

Er hat in Südkorea die Massen ins Kino gelockt. Auch das ist ein Zeichen von Mainstream.

Dein "kein Stück mainstreamig" musst du erklären.

Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Casino Hille hat geschrieben: 10. Februar 2020 17:17 Komisch das die Frage bei Roma letztes Jahr keiner gestellt hat...
Also die Frage nach einer Reform der Oscar-Kategorien steht ja schon länger im Raum. Und wenn es mal dazu kommen sollte, dann wäre der "Beste internationale Film" eine der ersten Kategorien die ich abschaffen würde.

Für den internationalen Film gibt es sowieso auch andere Veranstaltungen. Z. B. Cannes, Venedig oder die Berlinale.

Wenn die Acadamy wie dieses Jahr einen internationalen bzw. nicht englischsprachigen Film auszeichnen will, kann sie das jederzeit tun. Dafür bedarf es aber keiner extra Kategorie.
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Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Invincible1958 hat geschrieben: 10. Februar 2020 17:24 Dein "kein Stück mainstreamig" musst du erklären.
Ein Film mit Sprachbarriere ist in den USA das Gegenteil von Mainstream. Und das bei den Oscars ein Film gewinnt, der die Amis zum Untertitel lesen zwingt, das ist schon sehr erstaunlich. Davon ab sehe ich in Parasite kein Stück Mainstream. Pulp Fiction war auch sehr erfolgreich und weit weg vom Mainstream und das gilt auch für genügend andere Filme. Er ist sicherlich kein Burning oder The Tree of Life, aber das macht ihn nicht zu einem üblichen massentauglichen Film. Gleichzeitig ist er aber auch definitiv kein Arthaus-Programmkino.
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Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Casino Hille hat geschrieben: 10. Februar 2020 17:35
Invincible1958 hat geschrieben: 10. Februar 2020 17:24 Dein "kein Stück mainstreamig" musst du erklären.
Ein Film mit Sprachbarriere ist in den USA das Gegenteil von Mainstream. Und das bei den Oscars ein Film gewinnt, der die Amis zum Untertitel lesen zwingt, das ist schon sehr erstaunlich. Davon ab sehe ich in Parasite kein Stück Mainstream. Pulp Fiction war auch sehr erfolgreich und weit weg vom Mainstream und das gilt auch für genügend andere Filme. Er ist sicherlich kein Burning oder The Tree of Life, aber das macht ihn nicht zu einem üblichen massentauglichen Film. Gleichzeitig ist er aber auch definitiv kein Arthaus-Programmkino.
Dass ein Film in einem Land mit Untertiteln läuft, macht einen Mainstreamfilm in meinen Augen nicht zum Nicht-Mainstreamfilm.

Wie gesagt: das ist eine Definitionssache.
Der Schuh des Manitu wird auch nicht um Arthouse, wenn er in den USA mit UT läuft. Auch wenn er da noch eine handvoll Zuschauer zusammenkratzen würde.

Genauso wären US-amerikanische Mainstream-Filme, die bei uns synchronisiert gezeigt werden, auch noch Mainstream, wenn sie in Zukunft nur noch mit Untertiteln in den deutschen Kinos laufen würden - und es keine Synchro mehr gäbe. "Bad Boys For Life" ist Mainstream - egal in welcher Sprach- oder UT-Fassung.

Warum du ihn generell nicht als massentauglich bezeichnest, frage ich mich immer noch.

Dass er außerhalb Südkoreas keinen Blockbuster-Status erreicht hat, liegt einfach daran, dass südkoreanische Filme außerhalb des eigenen Landes generell nicht den gleichen Ruf wie Hollywood haben.
Eine seichte Romantic Comedy aus Südkorea wäre auch Mainstream - auch wenn sie verglichen mit einer US-RomCom deutlich weniger Geld einspielen würde. Das ändert aber nichts an der Machart des Films.

Re: Oscars / Golden Globes 2020

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Invincible1958 hat geschrieben: 10. Februar 2020 17:48 Warum du ihn generell nicht als massentauglich bezeichnest, frage ich mich immer noch.
Ohne groß zu spoilern: Der Film ist in einem gesunden Maße artsy-fartsy, ohne gleich Lynch oder Malick zu sein. Er ist erstaunlich schwarzhumorig (eben keine seichte RomCom), er ist zum Ende hin auch ordentlich brutal, die Hauptfiguren sind allesamt gewissermaßen Zensiertlöcher etc. Klar kann man jetzt sagen: "Parasite muss massentauglich sein, er hat ja die Masse erreicht", aber das ist in meinen Augen ein Trugschluss. Das haben genug andere Filme auch, die auch nicht wirklich massentauglich waren. Dass Parasite kein Arthaus ist, habe ich schon gesagt, aber Mainstream? Mitnichten.

Eigentlich ist mir diese Definiererei aber zu mühselig, der Film ist für einen Oscarsieger wahnsinnig ungewöhnlich und nicht umsonst eine Überraschung gewesen, während 1917 und Once Upon a Time das nicht gewesen wären.
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