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von KaiTheSpy
Agent
Ha! Ich hatte tatsächlich selbst in letzter Zeit mit dem Gedanken gespielt, hier mal einen solchen Thread zu starten. Für andere Foren habe ich bereits einiges an Comic-Rezensionen geschrieben, und das seit gut über fünf Jahren. Da kann ich ja mal was importieren, aber lieber nicht alles auf einmal, will euch ja auch nicht erschlagen.
Da Lesetipps gefragt sind, fange ich mal am besten mit solchen, einsteigerfreundlichen, Comics an.
Lex Luthor: Man of Steel
Autor: Brian Azzarello
Zeichnungen: Lee Bermejo
Kolorist: Dave Stewart
Lex Luthor ist der einzige Mensch der klar sieht: Superman ist ein Alien, eine Bedrohung, die sich herausnimmt, über den Menschen zu urteilen. Und Lex Luthor ist der einzige Mensch der sich geschworen hat, Superman mit allen Mitteln aufzuhalten.
Für seinen neuesten Plan braucht er Forschungsergebnisse von Wayne Enterprises. Bei einem gemeinsamen Essen macht Lex Bruce Wayne klar, wie gefährlich Superman werden könnte, wenn er es wollte. Anfangs ist Bruce nicht sonderlich angetan von der Idee, doch nach einer Konfrontation zwischen Batman und Superman sagt Wayne schließlich doch zu.
Nun kann Lex sein Werk beginnen: Die Erschaffung seiner eigenen Superheldin. Hope. Lex lernt gar, die künstliche Frau zu lieben, doch weiß er auch, dass er sie opfern muss, um seinen Plan zu verwirklichen.
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Etwa zeitgleich mit Brian Azzarellos Run bei "Superman" mit Jim Lee wurde diese fünf-teilige Miniserie veröffentlicht. Hierin erzählt der Autor, der ansonsten für düstere Noir-Comics bekannt ist, weniger eine Geschichte als eine Charakterstudie. Die Biografie von Lex Luthor interessiert ihn dabei weniger, sondern lediglich, wie er die Welt sieht, wie er sich selbst sieht und wie er Superman sieht.
In dieser Hinsicht ist der Comic ein echtes Meisterwerk. Azzarellos Luthor ist vielschichtig, widersprüchlich und aus der eigenen Sicht ein realistischer Heroe, ein Idealist mit Opferbereitschaft. Ein Extremist, der die Welt von seiner Sichtweise überzeugen will, und sei es mit trügerischen Mitteln.
Diese Darstellung wird durch Lee Bermejos großartige Bilder unterstützt. Die realistisch/düsteren Zeichnungen zeigen einen bedrohlichen Superman, der seinen Hitzeblick häufig einsetzt und auch ansonsten rot leuchtende Augen hat. Dabei kommt auch die in sehr dunklen Farben gehaltene Farbgebung von Dave Stewart der Atmosphäre zu Gute.
Die Bedrohung durch Superman wird dabei auch vor allem durch eine bestimmte Szene unterstützt: Der Kampf mit Batman. Der Leser erfährt nicht, warum Superman Batman angreift (nur das Kryptonit, das Batman bei sich hat gibt einen gewissen Aufschluss), und der Angriff ist an sich bereits völlig unbarmherzig. Batman hat gegen den übermächtigen Superman keine Chance, selbst das Kryptonit hilft ihm nicht großartig.
Der erfahrene Fan weiß natürlich, dass es in der Vergangenheit schon zu ein paar Kämpfen zwischen Superman und Batman gekommen ist, meist, wenn Superman von irgendeiner fremden Macht kontrolliert wurde. Doch da Superman und Batman in diesem Comic nur Nebenrollen spielen wird der Leser über die Hintergründe des Kampfes im Unklaren gelassen und so ergibt sich für den Leser eine gute Ahnung dessen, was Superman auch gegen die Menschen tun könnte.
Ein sehr guter Comic für erwachsene Leser, die gerne neue Sichtweisen auf altbekannte Charaktere sehen. Wer aber mehr wert auf Geschichte als auf Charakterzeichnung hat, dürfte von diesem Comic enttäuscht werden.
Wertung: 8/10
(Rezension vom 9. September 2010)
World's Finest
Autor: Dave Gibbons
Zeichner: Steve Rude
Tusche: Karl Kesel
Kolorist: Steve Oliff
Auf halber Bahnstrecke zwischen Gotham City und Metropolis wird das neue Midway-Waisenhaus eingeweiht. Unter den Gästen der Einweihungsfeier sind sowohl bekannte Gesichter des Daily Planets, wie auch Bruce Wayne mit Anhang Alfred Pennyworth (und keiner weiblichen Verabredung?) und James & Barbara Gordon.
Bei dem neuen Waisenhaus handelt es sich um eine Fusion zweier Waisenhäuser, welche zuvor in Gotham und Metropolis beheimatet waren. Die nun verlassenen Grundstücke in Gotham wollte sich eigentlich der heimliche Herrscher von Metropolis, Lex Luthor, unter den Nagel reißen, doch hat ein anderer Käufer den Zuschlag bekommen: Der Joker! Mit Luthor vereinbart er einen Verkauf der Grundstücke, wenn der Joker mit seinen beiden Gehilfen Tweedle-Dee & Tweedle-Dum "Urlaub" in Metropolis unter Luthors Schutz machen darf.
Während Luthor weiter Jagd auf Grundstücke in Gotham macht und dabei (wie gewohnt) auch vor einschüchternden und gewalttätigen Methoden nicht zurückschreckt, lässt der Joker Dee und Dum Verbrechen begehen, während er selbst vordergründig den Touristen gibt.
Natürlich kommen beide mit den Superhelden der jeweiligen Städte in Konflikt, doch Batman und Superman sehen sich der ungewohnten Methoden der ihnen fremden Gegner nicht so recht gewachsen. Und so entscheiden die beiden, ihre Städte kurzerhand zu tauschen. Bruce Wayne und Clark Kent reisen unter Vorwänden nach Metropolis, bzw. Gotham, um als Batman und Superman eingreifen zu können.
Doch als sie entdecken, dass Reverend Monks, Leiter des Midway-Waisenhauses, Geschäfte mit Luthor macht, gerät auch das Waisenhaus in den Fokus der beiden Helden. Denn hinter dem Gebäude, Monks und dem vorigen Leiter des Waisenhauses Byron Wilie steckt mehr, als es den Anschein hat. Und auch der Joker und Lex Luthor haben großes Interesse an dem Waisenhaus.
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Gleich vorweg: Wer einen hyperdynamischen, explosiven Comic-Stil á la Marvels Ultimate Comics erwartet, der sei gewarnt. Sowohl Dave Gibbons als auch Steve Rude sind offensichtlich Nostalgiker.
Für Gibbons, bekannt als Zeichner des legendären "Watchmen" und allerlei Beiträgen für das DC-Universum, stellt "World's Finest" eine seiner allerersten Werke als Autor dar, und so merkt man ihm seine Unerfahrenheit manches Mal noch an. Inhaltlich große Klasse, aber es stellt sich nicht wirklich eine durchgängige Spannungskurve ein. Von daher ist er davon abzuraten, den Band in einem Rutsch zu lesen. In Maßen gelesen macht der Comic aber erheblichen Spaß.
Zeichnerisch ist der Comic durchweg wunderbar gelungen. Steve Rude orientiert sich stark an den frühen Darstellungen der Hauptcharaktere, sein Superman ist sowohl Joe Shuster und den Fleischer-Cartoons nachempfunden, sein Batman erinnert sehr an Bob Kanes frühe Comics. Rude besinnt sich dabei eines sehr ruhigen Stils, der sich mit der eher langsamen Erzählstruktur gut verträgt, zeigt aber ein besonderes Auge für Details. Seine Totalen sind sehr beeindruckend geraten, und auch wird ein schöner visueller Kontrast zwischen der düsteren Welt Batmans und dem klaren, schönen Weltbild Supermans und Metropolis' präsentiert.
Wer mit klassischen Comics nichts anfangen kann, dem sei von diesem Band eher abgeraten. Wer sich aber an nostalgischen Darstellungen der beiden Superhelden und langsam aber durchdacht erzählten Geschichten erfreuen kann, dem sei "World's Finest" wärmstens ans Herz gelegt.
Wertung: 8/10
(Rezension vom 28. September 2010)
Identity Crisis
Autor: Brad Meltzer
Zeichner: Rags Morales
Tusche: Mike Bair
Farben: Alex Sinclair
Covers von Michael Turner
Der Albtraum aller Superhelden ist geschehen: Die Ehefrau eines Superhelden ist ermordet worden. In einer eigentlich durch kryptonische, marsianische und thannagarianische Technologie einbruchsicheren Wohnung.
Die Trauer ist groß. Ebenso die Wut, der Wunsch nach Vergeltung. Erste Verdächtige sind schnell gefunden, doch eine kleine Gruppe von Helden um Green Arrow und Hawkman glaubt zu wissen, wer der Mörder ist. Denn mit diesem Schurken verbinden sie das wohl dunkelste Geheimnis der Justice League.
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Unter all den Universen bedrohenden Krisen und Crossovers erfrischte diese Miniserie von 2004 mit einer bodenständigen Krimi-Handlung.
Brad Meltzer, der bereits erfolgreich als Krimi-Autor arbeitete, bevor er zu DC Comics kam konnte sein Talent er in dieser Geschichte völlig entfalten. Mit jedem neuen Kapitel kommen neue Hinweise ans Licht, die Spannung baut sich Seite um Seite immer mehr auf, und die schließliche Auflösung in der letzten Ausgabe ist eine echte Überraschung.
Nebenbei brachte Meltzer ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheiten der Justice League ans Licht, das die Gemeinschaft der Superhelden in ihren Grundfesten erschüttern würde.
Erzählt wird die Geschichte aus den Blickwinkeln vieler verschiedener Charaktere mit massivem Einsatz von inneren Monologen. Am ehesten wäre Green Arrow als Hauptcharakter zu nennen, aber damit wird man dieser Geschichte auch nicht wirklich gerecht.
Es hilft freilich sehr, wenn man die Charaktere bereits kennt, doch auch Neulinge im DC-Universum dürften der Geschichte folgen können, allerdings büßen sie einen Teil der Spannung und Schockmomente ein.
Zeichnerisch tut sich Rags Morales dadurch hervor, dass er Bildabfolge und Emotionen beachtet und sich nie reißerisch gibt. Hierfür verzichtet er auch fast vollständig auf die sonst in Superhelden-Comics üblichen pupillenlosen Augen, diese sind hier nur Batman vergönnt.
Auch sehr gelungen sind die Covers des inzwischen leider verstorbenen Star-Zeichners Michael Turner. welche die Trauer, Verzweiflung, Scham und Wut der Charaktere sehr schön zum Ausdruck bringen.
Einer der besten Comics überhaupt, und eines der ungewöhnlichsten Crossover.
Wertung: 10/10
(Rezension vom 9. Mai 2011)
Ich denke, das reicht erstmal. Ich hoffe, dass du mit diesen Tipps etwas anfangen kannst, GoldenProjectile (und wer hier evtl. sonst noch aus Neugier mitliest), und ich freue mich schon auf Diskussionen mit dir und Casino Hille.