Das Quantum-Projekt in Kanada

1
Da könnte doch Quantum dahinterstecken ;-)


Schmutziger Sprit aus Ölsand

In Kanada lagern gigantische Ölvorkommen - oberirdisch, in Form von Teersand. Die Kraftstofferzeugung daraus gilt als eine der größten Umwelt-verschmutzungen der Welt. Die Europäische Kommission will den Import des Kraftstoffs deshalb erschweren. Doch ausgerechnet das Klimaschutz-Vorzeigeland Deutschland bremst.

Ein Hubschauberflug im Westen von Kanada. Die Landschaft zunächst so, wie man sie sich hier vorstellt. Wald und unberührte Natur soweit das Auge reicht.

Doch dann das. Rauchende Raffinerie-Schornsteine, gerodete Flächen, Bagger und Laster im 24 Stunden Einsatz – was man hier sieht, ist der Abbau von Öl. Denn nach dem kanadischen Öl wird nicht gebohrt, es muss in einem aufwendigen Verfahren aus dem lehmigen Sand gespült werden. Das kostet Unmengen an Energie, braucht viel Wasser und hinterlässt gigantische, hochgiftige Abwasserbecken, die schon jetzt insgesamt größer sind als der Chiemsee.

Wir sind in Calgary, Jennifer Grant vom unabhängigen Pembina Institut hat über Jahre Forschungsergebnisse zum Thema Teersand ausgewertet.

Jennifer Grant, Pembina Institut, Kanada: „Das Hauptthema, der eigentliche Knackpunkt sind die Treibhausgasemissionen. Die Universität Stanfort belegt in einer wissenschaftlichen Studie, dass der Durchschnitt der Treibhausgasemissionen beim Teersand um 23 Prozent höher ist als bei konventionellem Öl, das in Europa verwendet wird.“

Wir fahren weiter in die Provinzhauptstadt Edmonton. Hier, wo sich die Erdölraffinerien angesiedelt haben: Suncor, BP, Shell, Total, Enbridge. Jeder einzelne Konzern hat Milliarden investiert, um den schwarzen Schatz des Landes aus dem Boden zu pressen.

Sie bringen Arbeitsplätze. Kanada profitiert vom Ölboom.

Doch um welchen Preis!

Wir treffen den Greenpeace Aktivisten Mike Hudema. Er war für Protestaktionen schon mehrmals im 450 Kilometer entfernten Tagebau-Gebiet, kennt die Ausmaße.

Mike Hudema, Greenpeace Kanada: „Es ist das größte Energieprojekt auf der Welt. Wir sprechen hier von einer Fläche von 142 Tausend Quadratkilometern – das entspricht der Größe von England. Damit verschärfen wir den Klimawandel, ganze Wassersysteme und eines der artenreichsten Ökosysteme der Welt werden zerstört und alles, was darin lebt.“

Noch bis vor kurzem war der aufwändige Abbau von Teersand völlig unrentabel. Doch jetzt, wo der Ölpreis ständig steigt, jetzt sollen sich die Investitionen endlich auszahlen. Jetzt wollen die Ölkonzerne auch auf den lukrativen europäischen Markt.

Gibt es das schmutziges Öl bald auch in Deutschland? Wirtschaftsminister Philipp Rösler und Umweltminister Norbert Röttgen spielen bei dieser Frage eine entscheidende Rolle.

Doch zunächst nach Brüssel. Die EU-Kommission hat einen mutigen Vorschlag gemacht. Sie will im Rahmen einer neuen Kraftstoffrichtline die Einführung von klimaschädlichem Teersand nach Europa erschweren.

Doch nachdem die Kommission ihre Pläne veröffentlicht hatte, startete die kanadische Regierung eine gigantische Lobbykampagne. Der Umweltverband „friends of the earth“ hat sie dokumentiert.

Darek Urbaniok, Friends of the Earth Europe: „Was ich hier in meiner Hand habe ist unser Bericht. Wir nennen ihn: Das schmutzige Lobby-Tagebuch Kanadas, es zeigt die unterschiedlichen Einflussmethoden. Letztes Jahr haben die Kanadier mehr als 100 Treffen in europäischen Hauptstädten zusammen mit der Ölindustrie organisiert, um die europäischen Mitgliedsstaaten zu beeinflussen. Das ist mit nichts zu vergleichen, was es bisher gab.“

Gleiches hören wir aus Berlin.

Der Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer, für die Grünen Mitglied im Umweltausschuss, hat wie alle anderen Ausschussmitglieder Post vom Kanadischen Botschafter bekommen, im Anhang, Werbematerial pro Teersandabbau.

Oliver Krischer, Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Bundestages: „Die Botschaft insgesamt war: kanadische Ölsande sind sauber. Das zeigt, Kanada ist da ganz massiv aufgestellt. Der Botschafter will auch im Nachhinein jetzt noch mal mit mir reden, möchte also weiter offensichtlich da Lobbyarbeit machen. Und versucht nun unbedingt, das so darzustellen, dass Teersande ja doch gar nicht so klima- und umweltschädlich sind, wie wir behaupten.“

Der kanadische Botschafter, noch vor kurzem um Aufmerksamkeit bemüht, will sich dazu vor unserer Kamera nicht äußern. Wozu auch? Denn, kaum zu glauben aber wahr: Die kanadische Lobbyoffensive scheint in Deutschland gewirkt zu haben.

Im Bundestag wurde ein Antrag der Grünen zum Thema in letzter Sekunde von schwarz/gelb abgelehnt und in Brüssel hat sich Deutschland Ende Februar in einer entscheidenden Ausschusssitzung enthalten.

Wie kann das sein?

Zuständig sind Umweltminister Röttgen und Wirtschaftsminister Rösler. Wir wollen von beiden wissen, warum Deutschland in Sachen klimaschädliche Teersande nicht klar Position bezieht?

Mehrmals fragen wir beide Minister für ein Interview an. Zunächst erhalten wir keine Antwort.

Wir haken nach und informieren das Umweltministerium darüber, dass wir den Minister in Brüssel am Rande des Umweltrates befragen wollen.

Doch als Minister Röttgen ankommt, hat er für uns wieder einmal keine Zeit.

Aus dem Wirtschaftsministerium kommt wenigstens ein Statement, man sehe ein Risiko von Wettbewerbsnachteilen für Raffinerien. Das ist deutlich.

Wir zeigen das Schreiben Oliver Krischer aus dem Umweltausschuss des Bundestages.

Oliver Krischer, Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Bundestages: „Ich sag mal, das ist ein Tiefpunkt im Deutschen Klimaschutz, weil hier stellt sich erstmals auch international die Bundesrepublik auf die Seite von Ölförderländer, das war bis vor kurzem noch nicht vorstellbar, selbst unter schwarz/gelb.“

So sieht das sogar Josef Göppel von der CSU. Wir treffen den Bundestagsabgeordneten in seinem Wahlkreis in Franken, weit weg von Berlin, wo er sich über seine eigene Regierung in den vergangenen Wochen maßlos geärgert hat. Denn in Sachen Teersand gibt es für den gelernten Förster keine Diskussion.

Josef Göppel, CSU, Mitglied im Bundestag: „Die Landschaftsvernichtung in Kanada hat Ausmaße erreicht, die man sich in Europa gar nicht vorstellen kann. Wenn wir solche Dinge machen, wie die Einfuhr von Teersanden, dann können wir das Klimaschutzziel abschreiben.“

Es ist noch nicht zu spät. Die endgültige Abstimmung auf EU-Ebene ist im Juni. Bis dahin kann sich die Bundesregierung noch einmal Gedanken machen über ihre Haltung in Sachen Teersand aus Kanada.

http://www.br.de/fernsehen/das-erste/se ... nd102.html
#London2024

"Wo man lacht, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen lachen immer wieder."