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von UNIVERSAL EXPORTS
Agent
Hier nun meine angekündigte Kritik zu Dr. No, in loser Reihenfolge zu erweitern.
Dr. No ist ein Film, der angenehm zu sehen ist. Man merkt ihm deutlich an, dass er am Anfang der Bond-Reihe steht. Viele Bestandteile der bekannten Bondformel sind noch nicht enthalten, noch nichts ist etabliert. Die Produzenten bemühen sich aber, bereits vieles wie feststehende Elemente aussehen zu lassen: Es wird deutlich, dass Bond gern trinkt, raucht, spielt, die Frauen und das Risiko mag, leichte Schwierigkeiten mit Autoritäten hat, gerne mal etwas auf eigene Faust tut und einfach ein „Mann von Welt“ ist, der schon vieles gesehen und erlebt hat (unter anderem sechs Monate Krankenhausaufenthalt beim letzten Auftrag). Das Geschäkere mit Moneypenny wirkt ebenfalls etabliert und dennoch frisch. Das feste Vorspanngerüst, ein eigener Titelsong und fancy Waffen fehlen zwar, aber sonst: eigentlich alles da!
Zudem wirkt Sean Connery fast noch jungenhaft, dennoch erfahren, schlagkräftig, viril und ziemlich abgebrüht. Das betont Lässige und Humorvolle, spätestens ab TB zu bewundern, fehlt vielleicht noch etwas. Die restlichen Schauspieler sind ebenfalls glänzend besetzt, besonders Joseph Wiseman als der titelgebende Bösewicht und Anthony Dawson als der verschlagene Professor Dent – zu bewundern übrigens auch als gedungener Mörder in Hitchcocks „Bei Anruf Mord“, in dem Grace Kelly ihm eine Schere in den Rücken rammt. Und natürlich: Babe Ursula Andress!
„James Bond jagt Dr. No“ (niedlicher Titel übrigens) versprüht eine Exotik, die sich heute vermutlich nicht mehr erzeugen lässt, weil jedes noch so kleine ehemals weiße Fleckchen Landkarte abfotografiert und jeder an fast jedem Punkt der Welt erreichbar ist. Damals war es anders. Das verleiht dem Film ein nostalgisches Flair, das auch durch das noch sehr moderate Erzähltempo (ich finde es angenehm langsam) verstärkt wird. Am liebsten sind mir die ersten zwei Drittel des Films, die Stimmung wechselt sehr schön zwischen Spannung und einer Art „Urlaubsfeeling“. Die Settings/Sets sind spektakulär, es ist erstaunlich, was sich damals für eine Million Dollar auf die Beine stellen ließ. Crab Key ist sensationell, diesem Setting wurde in TMWTGG vielleicht gehuldigt.
Ein paar Kleinigkeiten stören mich an dem Film aber doch: Das Bond-Thema kommt seeehr häufig zum Einsatz – und das teilweise sogar an Stellen, die jetzt nicht so spektakulär spannend sind, z.B. wenn Bond sein Hotelzimmer betritt. Und den Plan mit dem Toppling finde ich einfach sehr läppisch. Vor allem wenn man sich vorstellt, wie in aller Welt daraus irgendwann mal eine Weltherrschaft entstehen soll, da gibt es ja keinen noch so groben Plan. Eine bessere Ausarbeitung des Drehbuches wäre hier nötig gewesen, dann muss man eine Romanvorlage eben noch ein bisschen mehr anpassen. Die Action ist ein bisschen popelig, aber die karibische Atmosphäre umso besser eingefangen.
In die Debatte um Unwahrscheinlichkeiten und Unlogik werde ich nicht einsteigen. Ich habe einfach keine Lust dazu. Die Bondfilme sind ein eigenes Subgenre, in denen die Grenzen des theoretisch Möglichen immer wieder ausgelotet und verschoben wurden – vielfach wurde es kopiert. Das weltweite Actionkino sähe ohne Bond heute anders aus oder wäre noch nicht so weit. Daher nehme ich vieles in Kauf, solange Bond nicht gerade ohne fremde Hilfsmittel anfängt zu fliegen.
Fazit: Dr. No ist ein toller Konsum-Bond, den man sich wie andere alte Klassiker (Die Brücke am Kwai, Die Vögel, Indiana Jones) immer wieder anschauen kann. Junge Menschen unter 20 werden den Film aufgrund ihrer Sehgewohnheiten allerdings wohl zumeist todsterbenslangweilig finden. Von mir gibt’s aber 8 von 10 Punkten!
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