OP gehörte nie zu meinen Favoriten unter den Bondfilmen, im Gegenteil positionierte sich der Film von Anfang an im unteren Drittel meines persönlichen Rankings. Zu albern, zu altbacken, zu tempoarm, zu umständlich in Handlung und Storyentwicklung, zu krude und unstimmig in der Mixtur Ernst-Spass. Zudem empfand ich Indien als Schauplatz und vor allem die Art und Weise wie dieser in Szene gesetzt wurde als ermüdend und teilweise aufgrund der zahllosen Klischees sogar schon nervig. Hinzu kam ein schwacher Hauptschurke und ein Roger Moore, der mir in OP immer merkwürdig „hüftsteif“ vorkam. Diverse Pluspunkte wie sehenswerte Stunts, ein schöner Barryscore, eine tolle Hauptdarstellerin, diverse interessante Plotlines, ein spannend und weitgehend ernsthaft inszeniertes erstes Viertel, eine gelungene PTS sowie ein famoser Berkoff als irrer Russengeneral hielten den Film dann letztlich aber doch überdurchschnittlich und so pegelte sich der Film über die Jahre bei einer Wertung von ungefähr 6,5 auf der Richterskala ein.
Am Wochenende hab ich den Film nun mal wieder gesehen und war erstaunt wie ungewohnt kurzweilig ich ihn empfand. Viele meiner bisherigen Kritikpunkte würde ich zwar nach wie vor aufrecht erhalten wollen, aber einiges davon kam mir diesmal auch weit weniger problematisch vor bzw. ich konnte sogar herzlich drüber lachen. Gerade was die vielen Albernheiten des Films anbelangt sehe ich das mittlerweile deutlich entspannter und diverse Kalauer des Films haben es ja tatsächlich irgendwie zu Klassikern geschafft ( „Zisch ab!“ oder „Du gehörst in den Tank!“ – btw: versteht den letzteren Gag überhaupt noch jemand von den Fans unter 30?). Manches finde ich aber nach wie vor furchtbar, allen voran die Tarzanszene und die depperte Tenniseinlage von ATP-Pro Amritray mit unterlegten Ballgeräuschen, das empfinde ich immer noch als ähnlich deplaziert und schwach wie die Beach Boys-Szene in AVTAK. Dass der Film stilistisch doch recht altbacken daherkommt lässt sich auch nicht wirklich leugnen und auch Meister Barrys Soundtrack ist daran nicht ganz unschuldig, denn bei aller gewohnt majestätischer Erhabenheit und exotischen Exquisität bietet der Score auch wenig, was den über weite Strecken ohnehin in Tempo und Inszenierung eher bieder wirkenden Film „aufpeppen“ könnte. Gerade im direkten Vergleich zum beschwingten Soundtrack des Vorgängers – egal ob man ihn stilistisch nun mag oder nicht – fällt eine gewisse „Behäbigkeit“ in des Meisters musikalischer Untermalung schon recht deutlich auf. Aber das ist schon Klagen auf recht hohem Niveau, denn in Sachen Atmosphäre und Melodik machte kaum jemand Barry was vor, da ist auch seine Arbeit zu OP keine Ausnahme.
Die lang angelegte Indien-Passage des Films (Lean-Verweis erkannt?

) kam mir dieses Mal deutlich weniger ermüdend vor, klar die Stilisierung des Landes ganz im Sinne Kiplingscher Kolonial-Romantik ist schon etwas viel des Guten (musste gerade bei der Marktszene wirklich jedes Indien- und Fakirklischee bedient werden?), aber merwürdigerweise amüsierte mich das bunte Treiben dieses mal deutlich mehr als in der Vergangeneit. Amritraj entpuppt sich dabei wenn er nicht gerade ein Racket schwingt als sympathischer und launiger Sidekick, was seinem Ableben eine deutlich größere Dramatik verleiht (Parallele zu Ferrara). Schön auch, dass Q vergleichsweise viel Screentime zugestanden bekommt und ähnlich wie später in LTK (allerdings in geringerem Ausmaß) in die eigentliche Handlung integriert ist. Erstaunlich auch, dass mich die Darbietung von Louis Jourdan als Hauptgegenspieler dieses Mal deutlich mehr überzeugen konnte. Seine exzentrische Mimik („Mr. Bond ist ein besonders zäher Vogel. Man muss ihn erlegen und ausstopfen.“) hat mir schon immer viel Spass gemacht, bei der jüngsten Sichtung stimmte aber auch der Rest halbwegs – wenngleich ich ihn nach wie vor als einen der schwächsten Gegenspieler der Reihe ansehen würde. Aber der entscheidende Punkt ist: dieses Mal empfand ich ihn nicht als störend oder als Minuspunkt. Besonders viel Vergnügen bereitete mir jedoch die Vorstellung von Roger Moore. Ja, er wirkt schon etwas „hüftsteif“: vermutlich brachte er in OP soviel Gewicht in die Rolle mit wie nie zuvor und danach, was ihn hier und da etwas schwerfälliger wirken lässt (aber gleichzeitig auch kräftiger und kompakter). Aber dafür zieht er auch in diesem Film mal wieder alle Register seines Könnens und spielt den eleganten und gewitzten Gentleman-Spion wie kein zweiter. Gerade auch darstellerisch darf er in OP wieder etwas mehr bieten, so ist gerade sein Monolog über Octopussys Vater eine schöne Gelegenheit auch mal etwas „ernsthaftere“ Darstellkunst unter Beweis zu stellen (Parallele zur Szene in TSWLM, als er über das Leben eines Agenten sinniert). Ebenso darf er hier auch öfter mal seine härtere Seite zeigen. So schiesst er ohne zu Zögern bei der Konfrontation mit Orlov einem sowjetischen Wachsoldaten zwischen die Augen wie er auch generell wenig Skrupel hat, sowjetische Soldaten bei seiner Flucht „über die Klinge“ springen zu lassen. Und wir dürfen auch eine Neuaflage von Bond, dem Rächer erleben („Das ist die Rache für 009!“) – wiederum eine Parallele zu FYEO. Darüberhinaus sind es die vielen kleinen Momente, in denen Moores Spiel den Film merklich besser macht, etwa wenn er verzweifelt versucht zu telefonieren – und ihm eine nervige deutsche Passantin den Weg zur Telefonzelle versperrt. Moores Spiel von Genervtheit und anschliessend diesen kurzen Moment, als ihm der Einfall kommt einfach das Auto der Passantin zu schnappen, dieser grimmig-bösartige Blick ist einfach ein Genuss. Oder Moores angewiderter Blick, als Kamal das Hammelauge verdrückt: köstlich

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Ganz toll fand ich dieses mal die Handlungsentwicklung ab Karl-Marx-Stadt bis hin zur in letzter Sekunde verhinderten Bombendetonation. Das ist wirklich toll in Szene gesetzt gerade in Bezug auf den Spannungsaufbau und die kontinuierlich gesteigerte Dramatik. Tolle Momente wie Orlovs Konfrontation mit Bond oder Gogol wechseln sich ab mit großartiger Action auf dem Zugdach, die kurze aber effektive Verfolgung zu Fuss mit dem verbleibenden Zwilling (inklusive toller Auflösung) sowie der dann wirklich sehr spannend in Szene gesetzten Bombenentschärfung im Zirkus. Auch hier macht Moore wieder eine tolle Figur, trotz Clown-Makeups spielt er den Ernst der Situation sehr eindringlich. Überhaupt gefällt mir an diesem Teil des Films, dass Bond auf sich allein gestellt ist, ja geradezu abgeschnitten von jeglicher Möglichkeit der Kontaktaufnahme und Hilfe. Das hat man in Moorefilmen so nur sehr selten und es erhöht die Dramatik wie ich finde sehr effektiv. Auch so kleine Szenen, wie die bereits erwähnte mit der Telefonzelle oder als Bond von den Jugendlichen nicht mitgenommen wird sind zwar einerseits amüsant, erhöhen aber auch gleichzeitig die Dramatik, weil eben auf Bonds Hatz nach Feldstadt nicht alles glatt geht (a propos Feldstadt: lustig welche geographische Vorstellung die Briten von Deutschland haben, so zeigt die Strassenbeschilderung, dass Feldstadt ganz in der Nähe von Nürnberg, Hannover und Heidelberg liegen muss

). Zudem zeigt es einen Bond (gerade einen „Moore-Bond“), bei dem auch nicht immer alles glatt geht und der regelrecht zu kämpfen hat, seinen Auftrag zu erledigen. Ähnliches kann man auch bei Bonds Flucht durch den Dschungel erleben, gerade im letzten Teil dieser Flucht wirkt er sehr gehetzt und stolpert von einem Problem ins nächste. Leider wird die Dschungelszene in ihrer Wirkung deutlich gemindert durch die diversen Albernheiten, vor allem den bereits erwähnten Tarzanschrei. Ähnlich wie bei der Marktszene hätte man hier wohl besser nicht jedes Dschungelklischee bedient.
Das Finale weist mit der spektakulären Flugzeugszene dann zwar in Bezug auf Stunts noch einen echten Leckerbissen und Höhepunkt auf, allerdings mochte ich die Auflösung der Handlung und die Rückkehr nach Indien nie so wirklich und empfinde sie auch nach wie vor noch als nicht ideal. Das liegt sicherlich auch daran, dass die effektiv inszenierte Bombenentschärfung den eigentlichen Höhepunkt des Films darstellt und alles danach eher einem drangeklatschten Bonus gleicht, mit dem man dann eben die noch offenen Handlungsenden verknüpft. War dieses Mal aber auch halb so wild, denn es gibt mit Bond und Qs Ballonfahrt noch einen der lustigsten Momente des ganzen Films: auch hier wieder schön, dass Q in die Handlung integriert wird und seine Reaktion auf die begeisterten Octopussy-Girls ist dann richtig spassig. Auch die finale Szene mit dem „lädierten“ Bond auf Octopussys Barke ist spassig sowie eine schöne Variation des altbekannten Finalgags und bringt den Film elegant heim.
Alles in allem war OP dieses Mal – man kann es sicherlich meinen Zeilen entnehmen – ein großer Spass. Das ist viel mehr, als ich von dem Film noch erwartet hätte. In wiefern mein neugewonnener Spass damit zu tun hat, dass ich den Film dieses Mal auf einem besonders guten Fuss erwischt habe wird sich dann bei der nächsten Sichtung zeigen, jedenfalls ist zB TWINE nach erstaunlichem Zwischenhoch auch wieder „auf Normalmaß“ zusammengesunken. Aber bei einem Film, den ich so oft wie OP gesehen habe (sicherlich 30x+) ist das schon ungewöhnlich, TWINE habe ich vielleicht 5-6x gesehen, da sind solche „Auf und Abs“ schon noch eher mal drin. OP bietet viel Gutes und gerade in der zweiten Filmhälfte eine sehr effektive Inszenierung, ist in meinen Augen aber nach wievor was die Mixtur aus Spass und mehr Ernsthaftigkeit angeht nicht so stimmig wie sein Vorgänger FYEO. Das hat vermutlich weniger etwas mit den eigentlichen Elementen zu tun, denn auch FYEO hat genügend Albernheiten an Bord. Aber ich empfinde gerade bei OP diese immer noch nicht so stimmig untergebracht, gerade die langen Markt- und Dschungelszenen übertreiben es mir hier und hinterlassen nicht ganz zu Unrecht den oft angeführten Eindruck, dass OP wohl der albernste Bondfilm sei. Das ist er in Bezug auf seine Element wie gesagt nicht zwingend, aber in Bezug auf die Art und Weise wie diese oftmals in Szene gesetzt werden wie ich finde schon. Kleine Spässe wie Schatzi und Bubi fallen dagegen dann deutlich weniger ins Gewicht und sind eher willkommene Auflockerungen. In Punkten würde ich OP nach der jüngsten Jubel-Sichtung bei 7,5 Punkten sehen, was ihm einen Platz im gesicherten Mittelfeld beschert. Nach QOS (welchen ich aber ähnlich wie TWINE viel viel weniger häufig gesehen habe und der daher momentan noch „auf Bewährung“ steht) die nächste größere überraschende Veränderung in meiner Rangliste.