Der Schatz im Silbersee
Seine Reiseromane über den weisen Apachenhäuptling Winnetou erlangten schnell große Beliebtheit: Karl May, einer der berühmtesten deutschen Schriftsteller des Abenteuergenres, verstand es perfekt, den romantischen Hauch des wilden Westens in packende Geschichten einzubinden. 1962 waren die Bücher immer noch Bestseller und so wurden sie für den deutschen Film-Produzenten Horst Wendlandt interessant und er begann mit der Absicht, viele weitere Winnetou-Verfilmungen zu produzieren, mit der Arbeit an einem der bekanntesten Romane Mays. "Der Schatz im Silbersee" sollte das potenzielle Franchise begründen. Zwar erzählt eigentlich "Winnetou I" die Anfänge der Blutsbrüderschaft von Winnetou und dem Westmann Old Shatterhand, doch entschied man sich, den Zuschauern die beiden zuerst als Duo vorzustellen, bevor man später eventuell ihre Anfänge zeigen wollten. Das Ergebnis ist ein deutscher Western, der auch nach vielen Jahren nichts von seinem Esprit verloren hat.
Obwohl "Der Schatz im Silbersee" eben nicht die Anfangsgeschichte seiner Helden erzählt, gelingt es dem Regisseur Harald Reinl in einem wunderbar einfachen und kurzen Intro, die beiden Protagonisten sehr stimmig einzuführen. Im weiteren wird er aber noch mehr davon profitieren, die beiden brillant besetzt zu haben. Lex Barker ist eine charismatische und agile Personalie, der es mit spielerischer Leichtigkeit gelingt, den berühmten Träger des legendären Henrystutzen (sein "Zaubergewehr") innerhalb weniger Minuten zum Sympathieträger zu machen. Der Franzose Pierre Brice bekommt als Winnetou zwar deutlich weniger Screentime als sein Kollege und spricht nur wenig Text, wird von Reinl aber so würdevoll in Szene gesetzt, dass seine Rolle etwas beinahe mythisches enthält und ganz ohne weitere Aktionen hervorragend seinen Teil zur Wirkung des Filmes herbeiträgt. Übrigens gelingt Reinl die Besetzung sämtlicher Nebencharaktere ähnlich passend. Besonders Ralf Wolter als kauziger Sam Hawkins und Eddi Arent als Lord Castlepool, deren Aufgabe es ist, für die humorvollen Momente der Handlung zu sorgen, sind eine enorm bereichernde Auflockerung, denn obwohl es auf die beiden bezogen immer wieder zu Slapstick-Momenten kommt, sind gerade diese es, die es dem Zuschauer erleichtern, die stark idealisierte Geschichte Mays schnell zu akzeptieren und die überromantisierten Bilder des Westens bekommen beinahe eine Aura der Selbstironie verliehen.
Die Geschichte selbst ist mittlerweile wohl jedem bekannt, hat keine großen Überraschungen und wird sicher etwas zu lang erzählt. Den Vorwurf sollte sich Reinl durchaus gefallen lassen, denn wo er in der ersten Hälfte seines 106 Minuten langen Abenteuers noch die Handlung stetig auf ein konkretes Ziel hinfokussiert und die Ereignisse mit dem großen Angriff auf die Farm der Pattersons einen waschechten Actionhöhepunkt bekommen, dem man die aufwenigen Choreographien anmerkt und der sich vor vergleichbaren amerikanischen Filmen keinesfalls zu verstecken braucht, verliert die wirkliche Reise zum Silbersee in der zweiten Hälfte etwas diesen dichten Aufbau, weil man merkt, wie die Handlung durch die Einbeziehung der feindlichen Utahs merklich gestreckt wird. Zwar sind die Episoden und besonders der Kampf zwischen Shatterhand und dem Häuptling Großer Wolf spannend und atmosphärisch, lassen aber leider auch die Kerngeschichte etwas in den Hintergrund rücken. Und wenn dann später die Utahs sogar noch ein zweites Mal für eine zusätzliche Streckung verwendet werden, schaut man schon einmal auf die Uhr. Das hängt aber auch damit zusammen, dass eine echte Identifikationsperson, in diesem Fall der junge Fred Engel, toll verkörpert vom jungen Götz George, der in der ersten Stunde noch sehr aktiv und in die Geschehnisse einbezogen ist, im späteren Verlauf immer passiver wird und man teilweise glaubt, er sei von der Regie ein wenig vergessen worden.
Was jedoch konstant ganz stark ist, ist die Einbindung Jugoslawiens, welches hier die Vereinigten Staaten doubelt. Die Landschaftsaufnahmen Reinls sind prächtig und großzügig opulent eingefangen, ohne sich jemals zu sehr aufzudrängen. Ob nun die weiten Felder, die weißen Felsen oder das klare Wasser des Silbersees, die Regie beweist an allen Orten ein gutes Auge für schöne Einstellungen und elegante Kamerafahrten. Noch imposanter ist nur die Musik von Martin Böttcher. Das legendäre Thema ist ohnehin genial und kann heutzutage jedes Kind summen, aber auch so ist es besonders seine Arbeit, die den Film enorm aufwertet und gerade in den, wie bereits erwähnt, zu langen und zu langatmigen Mittelteil hin und wieder etwas Würze hineinbringt. Eine letzte Erwähnung gilt Herbert Lom als gierigem Colonel Brinkley, der wirkt, als habe man ihn direkt von einem Italo-Western-Dreh aus nach Jugoslawien einfliegen lassen. Er darf zwar nur den stereotypen Widersacher spielen, tut dies aber mit einer Aura der Gewissenlosigkeit, die ihn als Bösewicht sofort qualifiziert. Schade ist, dass seine Rolle wie die von George viel zu passiv ist und er ebenfalls in dem ewig gestreckten Utah-Part der Geschichte in Vergessenheit gerät. Sein Abgang ist allerdings erinnerungswürdig, wenn man sich vielleicht auch eher gewünscht hätte, die Abrechnung mit dem Schurken direkter durch Einfluss der Helden zu erfahren. Aber sei es drum, die bestehende Szene ist auch eine nette Idee und thematisch absolut passend.
Fazit: Die Action, besonders der ganz große Actionmoment zur Mitte des Filmes, ist wirklich beeindruckend und die Besetzung durchweg stark. Von der Geschichte des ersten Karl-May-Leinwand-Abenteuers, dass sich allerdings dann doch nur selten an die Romanvorlage hält, kann man das nicht unbedingt behaupten, dazu ist der Film ungefähr zwanzig Minuten zu lang. Dafür begeistern die Musik Böttchers, die tiefen Einblicke in die Natur Jugoslawiens und der lockere Humor, der sich auch traut, ruhig mal ein wenig ungezügelt auf Albernheiten zu setzen, die sich erstaunlich gut integrieren. Bei all dem spricht durchaus auch ein wenig Verklärung aus dem Zuschauer, denn "Der Schatz im Silbersee" ist sicherlich ein guter deutscher Western, dem es jedoch oft am sehr gutem oder grandiosem fehlt, dass ihn zu etwas Besonderem gemacht hätte. Ein verheißungsvoller Beginn war und ist er jedoch allemal.
7/10
Mayrathon - I
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Let the sheep out, kid.
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