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von AnatolGogol
Agent
Hab die neuen Sieger aus lauter Interesse gestern Abend dann doch noch kurzentschlossen vorgezogen. Die neue Fassung einzuordnen fällt mir sehr schwer, da ich die Kinofassung im Laufe der letzten 25 Jahre immer mehr liebgewonnen habe bis zu dem Punkt, dass sie für mich ein perfektes Meisterwerk darstellt. Und Perfektion kann man bekanntlich eigentlich ja nicht toppen, von daher ist der DC eigentlich eine Mission Impossible – zumindest in meinem speziellen Fall. Ich habe dennoch versucht so nüchtern und aufgeschlossen wie möglich der neuen Fassung entegegenzutreten.
Die Änderungen zur Kinofassung sind in erster Linie zusätzliche Szenen, insgesamt 6, mit einer Laufzeit von etwas über 10 Minuten. Zusätzlich hat Graf auch ein klein wenig von der bisherigen Fassung weggelassen (knapp ein halbe Minute in 3 Einstellungen), was aber fast vernachlässigbar ist (mehr dazu später). Der starke Qualitätsabfall der neuen Szenen reisst den Zuschauer zwangsläufig etwas (oder etwas mehr je nach persönlichem Empfinden) aus dem Fluß und stellt schon eine gewisse Bürde da, da der Film so einfach formal nicht mehr ganz homogen wirkt. Formal am besten funktionieren die kurzen Rückblenden der Bewerbungsgespräche der Sieger, weil hier der Qualitätsunterschied auch inhaltlich passt (da diese Szenen ja bewusst einen groben Videolook incl. Timecode anstreben). Die restlichen fünf Szenen hingegen ragen formal einfach heraus.
Inhaltlich bleibt festzuhalten, dass jede der sechs Ergänzungen den Film sinnvoll erweitert bzw. ihm sogar eine etwas andere Gewichtung verleiht. Insgesamt wirkt dadurch einiges inhaltlich runder, so erfährt man nun auch warum Simon plötzlich am Arm verletzt ist oder versteht, warum Graf Grigull in der Kinofassung die Geschichte von seinem sterbenden Vater erzählen lässt. Interessant ist, dass dadurch dass fünf der neuen Szenen das Verhältnis der SEK-Männer untereinander behandeln der Fokus des Films nicht mehr so stark auf dem Verhältnis zwischen Simon und Schäfer und dem daraus resultierenden Bruch des Vertrauens/der Freundschaft liegt sondern mehr in Richtung der titelgebenden Sieger. A propos Sieger, durch die finale Ergänzung um den sterbenden Grigull wird nun endlich auch klar, warum der Film seinen Titel trägt. Zurück zur Fokusverschiebung: diese ergibt auch insofern vollkommen Sinn, da die bereits in der Kinofassung eindringlich behandelten Kernthemen Freundschaft, Vertreuen und Verrat nun eben umfassender behandelt werden, da die Beziehung der SEKler zueinander tiefer beleuchtet wird und die Probleme zwischen Simon und Schäfer auf das Verhältnis aller Sieger übertragen werden. Rein vom dramaturgischen Ablauf kann man sicherlich streiten, ob die recht lange Szene nach dem Einsatz, in welchem Simon nochmals beteuert den vermeintlich toten Schäfer gesehen zu haben oder die kurze Szene auf dem Weg nach Mittenwald, als sich die Sieger reichhaltig bewaffnen den Film tatsächlich inhaltlich weiterbringen oder nicht eher ausbremsen. Rein figürlich ist das aber alles absolut stimmig und bereichernd.
Dennoch ergibt sich zumindest aus einer Ergänzung dann doch auch ein gewisses Problem, nämlich durch die Integrierung der Szene mit dem sterbenden Grigull. Trotz aller inhaltlichen Sinnhaftigkeit fühlt sich diese recht lange Ergänzung etwas antiklimaktisch an, da der Film seinen Höhepunkt mit dem Tod von Schäfer findet und alles danach eine Art Epilog darstellt. So gesehen funktioniert für mich das Ende der Kinofassung dann doch besser, da gerade der kurze stille Moment, wenn Simon im beginnenden Sonnenaufgang mit dem toten Schäfer auf der Wiese sitzt (was leider im DC teilweise zugunsten einer eher groben Alternativeinstellung geopfert wurde) sowie die direkt anschliessende Überblendung zu den Spinden der toten SEKler eine ungemeine filmische Power haben und der Film durch den kürzeren Epilog ohne die Grigull-Szene einfach runder und flüssiger zum Ende kommt.
Fazit: Der DC von Die Sieger ist toll und rundet den zuvor schon perfekten Film sogar noch ein bisschen mehr ab und macht ihn auch inhaltlich und figürlich noch stimmiger. Ob einem das veränderte Ende besser taugt ist sicherlich auch stark eine Geschmacksfrage, da beide Versionen hier in sich stimmig sind und bestens funktionieren. Bleibt halt nur der Qualitätsabfall (welcher sich wie ich finde übrigens durchaus auch im Ton bemerkbar macht, wenn natürlich auch nicht so stark wie im Bild), welcher wie schon gesagt eine Bürde für den DC darstellt. Auch deshalb, hauptsächlich aber wegen des mir lieberen Endes der altern Version, werde ich wohl auch künftig in erster Linie bei der formal homogeneren Kinofassung bleiben und den DC eher als Ergänzung ansehen.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"