GoldenProjectile hat geschrieben: 9. Dezember 2019 19:23
eine Neuinterpretation des Bondcharakters die mir gerade durch den Trailer auch wieder aufgefallen ist (um den Bogen zum Topic zu behalten) ist die Auslegung Bonds als eine Art Drifter-Typ, als Einzelgänger. Vielleicht hätte Craig eben doch lieber Jack Reacher spielen sollen... Vor allem in SF - und ein bisschen vermittelt mir das eben auch der Trailer, obwohl ich da noch keine definitiven Schlüsse ziehen will - wird Bond als einer dargestellt, der gerne auch mal ein längere Weile in der Türkei oder auf Jamaika fernab der Zivilisation herumsifft und desen Wohnung zu Hause in London einzurichten er sowieso keinen Bock hat. Das relativiert natürlich die Darstellung Bonds als Luxus- und Geniessertyp, mir gibt es das Gefühl, dass der Satz aus CR von wegen er nutze Smoking und Stil nur als Verkleidung auch nach fünf Filmen noch bierernst gemeint ist
Sehr schön geschrieben, lieber Eric. Genau hiermit fremdel ich auch. Und ich weiß, dass ich da mal einen langen Mammut-Beitrag zugeschrieben habe, wo es besonders um die Darstellung Bonds in seiner eigenen Wohnung in SP geht. "Drifter-Typ" ist eine gute Beschreibung, Bond wird hier als Heldenfigur an eine modernere Art von Filmprotagonist angepasst - und auch an eine modernere Vorstellung von Geheimagenten. Bzw. ähnelt seine Wohnung ja noch mehr einem Undercover-Polizisten (Fukunaga wird der Einrichtungsstil freuen - Rust Cohle, also der depressive, nihilistische antisoziale Cop in "True Detective" hat denselben Wohngeschmack wie Bond). Für mich ist das ein klarer, harter Schnitt in der bisher über vierzig Jahre geprägten Interpretation von Flemings Figur. Seit Dr. No wird Bond als Genießer etabliert, allerspätestens seit Goldfinger war Bond ein hedonistischer Weltenbummler, in erster Linie ein Lebemann. Bond ist als Figur (als Männerfantasie) in etwa das, was Bruce Wayne vorgibt zu sein, wenn er nicht als Batman unterwegs ist. Aber was bei Bruce Wayne Fassade ist, ist bei Bond ein wichtiger Teil seines Lebens. Er rettet die Welt für Krone und Vaterland - aber er will es sich dabei gut gehen lassen.
Dieses Heldenbild ist aber so nicht mehr zeitgemäß - und auch nicht mehr gewünscht. Andere Charaktere gelten jetzt als spannender - da braucht man nur Richtung Marvel, Bourne oder Fast & Furious schielen, um zu wissen, was stattdessen gefragt ist. Und genau in diese Richtung hat man auch Bond neu ausgerichtet: Als Held auf Augenhöhe mit dem Zuschauer, der ein einfaches Leben führt (oder zumindest führen will) und dabei eben seine Agenda (aka sein Heldendasein) verfolgt. Daraus folgt eben auch ein Wegfall seiner Genusstätigkeit, hin zum ewig getriebenen Doppel-Null-Agenten, der am liebsten aus diesem Leben aussteigen und an der Seite einer Frau um die Welt segeln möchte. NTTD führt diese Linie schon im Trailer konsequent fort - und mir missfällt das. Mich interessiert Bond nicht an der Seite einer Frau, noch weniger interessiert mich ein emotional verkrüppelter Ex-Lover, dem es schon beim Anblick seiner Ex-Freundin die Sprache verschlägt. Das passiert MIR vielleicht, wenn ich vor einer Ex stehe. Aber das passiert nicht dem James Bond, den ich auf der Leinwand sehen möchte. Wenn ich in Istanbul stranden würde, würde es mich vielleicht in schäbige Strandkneipen führen. Wenn ich in Marokko in einem Hotelzimmer absteige und mich besaufe, fange ich nachts an, mit einer Maus auf dem Boden zu reden. Wenn ich in Jamaika wohnen würde, würde ich mich in Nachtclubs aufhalten. Aber das bin ich, nicht Bond. Sorry, aber mein einziger Gedanke beim Trailer ist: #notmybond
danielcc hat geschrieben: 9. Dezember 2019 20:14
Aber streng genommen war Bond schon in den Romanen jemand der seinen Job nicht mochte und ständig mit dem Gedanken gespielt hat zu kündigen oder?
Demnach hätte man erst mal in den 60ern und dann vor allem bei Moore einen viel zu jovialen und unkritischen Bond kritisieren müssen.
Wieso? Die Bücher spielen doch keine Rolle, literaturgetreue Fleming-Verfilmungen hätten nie so einen Erfolg gehabt. Und der Filmbond hat sich über vierzig Jahre enorm von Ian Fleming emanzipiert. So weit, dass ich nicht sagen würde, die Romane müssten neute noch irgendeine Gültigkeit für die Filme haben. Auch wenn es sich fürs Marketing natürlich immer gut macht, wenn man in Interviews sagen kann, man würde sich wieder auf die Vorlagen berufen (eine Gelegenheit, die Broccoli und Wilson jederzeit nutzen).