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von HCN007
Agent
iHaveCNit: Bombshell (2020)
14.02.2020
Der #metoo ist in Hollywood seit dem Fall Harvey Weinstein nicht mehr wegzudenken und es ist wichtig darauf aufmerksam zu machen, dass sich sowohl Frauen als auch Männer untereinander im beruflichen Umfeld mit der notwendigen Distanz und Respekt behandeln und die entscheidungstragenden Chefetagen ihre Macht nicht für niedere Zwecke missbrauchen. Das Büro oder allgemein der Arbeitsplatz als Ort für niedere Zwecke sollte nur Bestandteil der Fiktion von Filmen der diskreten Erwachsenenunterhaltung sein – in der Realität hat das nichts zu suchen. Unabhängig von der Machtposition der Chefetagen hat #metoo gezeigt, dass sich auch die Misshandelten in einer Machtposition befinden. Es reicht den Mund aufzumachen und das Thema an die Öffentlichkeit zu bringen. Gesellschaftlich ist es auch wesentlich einfacher sich mit Opfern als mit Tätern zu solidarisieren. Klar gab es auch in der ganzen Welle von #metoo durchaus die ein oder andere falsche Beschuldigung und es wurde versucht aus unbedeutenden Kleinigkeiten Profit zu schlagen – wohin so etwas führen kann und wie es aussieht, wie das Leben eines Mannes in diesem Fall nachhaltig zerstört wird, zeigt der dänische Film „Jagten“ von Thomas Vinterberg“ mit Mads Mikkelsen. Aber sowohl im Falle von Weinstein als auch dem Film „Bombshell“ ist von falschen Beschuldigen nicht die Rede. Denn bevor es zum Fall von Weinstein gekommen ist, sah sich erst einmal der konservative, republikanische Schöpfer von FoxNews Roger Ailes einer Reihe von Anschuldigungen konfrontiert, die ihn schließlich zu Fall brachten, bevor er einige Zeit später verstorben ist.
Megyn Kelly ist das Gesicht von FoxNews. Als sie jedoch bei einer Debatte zum Vorwahlkampf der Republikaner den Kandidaten Donald Trump mit gezielten Fragen zu dessen niederen Ansichten über Frauen konfrontiert und öffentlich danach angeprangert wird, kann sie nicht auf die Unterstützung ihres Chefs Roger Ailes setzen, da dieser persönlich mit Trump gut vernetzt ist. Währenddessen sinkt der Stern der Journalistin Gretchen Carlson innerhalb von FoxNews, bis man sie letztendlich kalt stellt. Sie trifft die Entscheidung Roger Ailes zu verklagen weil sie sich dauerhafter sexueller Belästigung, Nötigung und Drohung gegenüber gesehen hat. Danach meldet sich eine Reihe Unterstützender, nur Megyn Kelly bleibt noch neutral – genau wie die junge aufstrebende Journalistin Kayla Pospisil, die nach einem Meeting hinter verschlossenen Türen bei Roger Ailes in der Gunst aufsteigt.
„Bombshell“ war bei der aktuellen Oscarverleihung in 3 Kategorien nominiert – Beste Hauptdarstellerin, Beste Nebendarstellerin und Bestes Make-Up/Hairstyling. In der letztgenannten Kategorie hat er dann auch gewonnen. Klar könnte man diskutieren, ob das nicht ein wenig oberflächlich und nicht gar vielleicht auch „sexistisch“ sein kann dass ein Film über Frauen auch in dieser Kategorie letztendlich ausgezeichnet wird, aber die Frage stellt sich für mich überhaupt nicht. Wenn die Mitglieder der Academy aus diesem Bereich der Meinung waren, dass hier ein guter Job gemacht worden und die Leistung am ehesten auszeichnungswürdig ist, dann ist das eben so. Und ich finde auch, dass man hier einen tollen Job gemacht hat. Am stärksten kommt das dann auch bei Charlize Theron rüber, die vollends in ihrer Rolle der Megyn Kelly verschmilzt und fast nicht als Charlize Theron zu erkennen ist. Die Frage ist natürlich wie viel hier bei Jon Lithgow in der Rolle von Roger Ailes notwendig war, es fühlt sich auf jeden Fall stimmiger an als zum Beispiel bei der Transformation eines Russell Crowe, der Ailes in der Serie „The Loudest Voice“ dargestellt hat. Bei der Performance jedoch nehmen sich beide gegenseitig nicht die Butter vom Brot, denn beide sind großartig in der sehr fiesen Darstellung von Ailes. Bei einem Charakter, der ebenfalls in der Serie als auch dem Film auftaucht und eine Schlüsselrolle einnimmt nehmen sich beide Darstellerinnen ebenfalls nicht die Butter vom Brot. Sowohl Naomi Watts als auch Nicole Kidman leisten Großartiges in der Rolle von Gretchen Carlson. Die Rolle der jungen aufstrebenden Journalistin Kayla Pospisil hingegen wurde für den Film frei erfunden und steht für eine Vielzahl junger Damen, die auf der Suche nach einer großen Karriere bei FoxNews waren und dafür Ailes ihre Loyalität beweisen mussten. Ihre Leistung in der Rolle hat mir von allen Darstellungen in diesem Fall am Besten gefallen. Interessant wäre es gewesen, hätte der Film auch noch den Platz für z.B. den Charakter von Laurie Luhn gefunden, die in „The Loudest Voice“ von Annabelle Wallis gespielt wird und hier in sehr harten Szenen ein extrem ambivalentes Bild des perfiden Systems aufzeigt, mit dem Ailes auch mit Frauen umgegangen ist und seine Macht hier eindeutig missbraucht hat. Aber auch so ist „Bombshell“ ein sehr nachhallender und eindringlicher Film geworden, der in einigen Szenen sehr unangenehm und hart ist. Dabei versucht der Film sehr ambivalent und möglichst ausdifferenziert das Thema zu behandeln, wobei vor allem berechtigte Fragen im Raum stehen, die die Frage stellen ob die Frauen nicht auch selbst die Entscheidungen zugunsten der Karriere getroffen haben und ob die Opferrolle, in die sich die Damen am Ende positionieren berechtigt ist – Bei einer Sache bin ich mir jedoch wie wohl jeder einig – Das Verhalten eines Roger Ailes – und in dieser Folge auch von Harvey Weinstein und Konsorten unentschuldbar, so dass man sich als Mann dafür schämt, dass es überhaupt solche Typen gibt, die sich gegenüber Frauen so verhalten. Aber ich bin grundsätzlich gegen eine pauschale Vorverurteilung von Männern, weil ich der Meinung bin, dass es sich bei einigen der Namen die im Rahmen von #metoo gefallen sind um extreme, individuelle Einzelfälle handelt und grundsätzlich kein gesamtgesellschaftlich strukturelles Problem vorliegt. Nur die Frage ist natürlich, ob der Film mit seiner Laufzeit nicht etwas zu kurz ist um allen Handlungssträngen und diskutablen Themen die notwendige Tiefe zu geben und ob der Film auch die etwas an Adam McKays „The Big Short“ erinnernde dynamische, schnelle, mit Informationen nur so erschlagende Inszenierung gebraucht hätte – oder ob dies dem Film ein wenig von seiner Kraft nimmt.
„Bombshell“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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