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von GoldenProjectile
'Q Branch' - MODERATOR
Ich habe jetzt alle Fleming-Romane wieder gut auf den Schirm, habe jedes Buch in den letzten ungefähr zwei Jahren wiedergelesen, davon die meisten in den letzten paar Wochen. Wertungstechnisch ist vieles beim Alten geblieben, vieles hat sich verändert.
Casino Royale - 7 / 10
Der Erstling (und wie wohl bei vielen mein erster literarischer Bond überhaupt) gehört nicht unbedingt zu meinen Favoriten. Zuerst einmal fällt auf, dass es sich am stärksten um den grimmigen, bodenständigen Bond handelt, der Fleming oft (und manchmal vielleicht etwas zu Unrecht) attestiert wird, ist CR doch fast schon ein kleines, hausbackenes Nachkriegs-Spionagedrama. Die Geschichte ist sehr überschaubar, aber gut ausgeformt. Erinnert manchmal eher etwas an eine grössere Kurzgeschichte und ist in vielen Dingen noch etwas ungeschliffen, aber schon eine solide Vorlage für was noch kommt.
Live And Let Die - 6 / 10
Bereits der zweite Roman legt eine merkliche Schippe an Abenteuer, Exotik und fantastischen Elementen zu. Mein grösstes Problem mit dem Buch ist dass die Stationen von Bonds Ermittlungen - Harlem, Tampa, Jamaika in dieser Reihenfolge - von Anfang an festgelegt sind, so dass die Geschehnisse und Gefahren nicht wirklich viel Einfluss auf die Handlung nehmen können. Das Buch wird dadurch eher eine Abfolge von Episoden, und die einzelnen Episoden sind teils richtig gut mit ihrem abenteuerlichen Flair, spannenden Bedrohungsszenarien, stilvollen Tauchszenen und der zweitbesten Bond-Leiter-Beziehung der Romane. Mr. Big und Solitaire sind vom Ansatz gut gedacht aber nicht besonders interessant ausgestaltet und die Gesamtstruktur des zu langen Buches lässt eben etwas zu wünschen übrig.
Moonraker - 9 / 10
Mit MR konnte ich früher gar nichts anfangen, erst seit der letzten Lektüre kann ich in den allgemein positiven Tenor mit einstimmen. Eine konsequente Geschichte, die Bond von jeglichem Ballast befreit und mit Blick auf das Wesentliche alles erfüllt, was man von einem ausbalancierten 007-Abenteuer erwartet. MR ist die perfekte Balance aus Larger-than-Life und bodenständiger Mission und Drax womöglich der stärkste und zweckdienlichste Schurke der gesamten Romanreihe.
Diamonds Are Forever - 5 / 10
Nicht einmal Bond ist wirklich überzeugt von diesem Roman und lamentiert pausenlos über seine Mission und die US-Schauplätze. DAF ist viel zu lang (in meinen Heyne-Ausgaben noch vor LALD das dickste von fünf Büchern) für die gebotene Prämisse und kann sich bis zuletzt nicht ganz dazu entschliessen ob Bond bzw. der Roman an sich die Bedrohung durch die Gangster und Schmuggler jetzt ernst nehmen soll oder nicht. Immerhin ist Tiffany Case klar eines der besseren Bondgirls und der Teil in dem Bond von einem bösen Cowboy in eine Wildweststadt in Nevada verschleppt wird und auf einer Draisine entkommt während ihm der Schuft auf einer alten Dampflokomotive hinterherjagt das Highlight. Davon hätte ich mir mehr gewünscht, als ein 007 der sich beim Pferderennen gelangweilt die Füsse in den Bauch steht.
From Russia With Love - 8,5 / 10
FRWL kann natürlich die Geschmäcker spalten, besonders durch den ausführlichen Eröffnungsakt über die sowjetischen Pläne und das offene Ende, weniger bezogen auf Bonds Schicksal als auf das abrupte Ende der Geschichte. Ich finde es sehr stark, vor allem die intensive Auseinandersetzung mit Red Grants Geschichte und der SMERSH-Administration. Die Passagen im Orient-Express sind exzellent (und schlagen die lange Zugfahrt in LALD um Längen) ebenso die Zigeunerszenen. Plus Darko Kerim Bey, eine von Flemings besten Nebenfiguren und genau wie der Film profitiert auch der Roman von ihm.
Dr. No - 9 / 10
Interessant ist, dass der Film eher noch etwas klein und brav wahrgenommen wird, der Roman aber einer der "extremsten" und ausgefallensten in Flemings Oeuvre, und das obwohl sich Film und Buch weitgehend decken. In DN spürt man förmlich die Hitze, den Dreck und das wilde, jamaikanische Abenteuer, ganz besonders wenn es auf Crab Key geht, ganz besonders wenn Dr. No wie ein mystisches Wesen auftritt, der vielleicht erste wirkliche Superschurke im Bond-Kosmos. Das fulminante Ende ist für mich mittlerweile der halbwegs ähnlichen aber dennoch anderen Filmversion überlegen und die Szene mit dem Riesenkalmar brennt sich mehr ins Gedächtnis als jede andere ausserhalb von YOLT.
Goldfinger - 7,5 / 10
GF ist nicht nur inhaltlich in vielen Dingen dem Film ähnlich. Auch das Buch profitiert massiv von dem sehr gelungenen Bösewicht (der noch einmal seinen letzten Schliff erhält, wenn man sich Fröbe vorstellen kann) und auch das Buch wirkt unmittelbar nach DN und FRWL etwas unglamourös und schmucklos. Aber das "Grüne" der eher unspektakulären Schauplätze gefällt mir im Buch womöglich durch den ausführlichen Verfolgungs-Roadtrip sogar noch etwas besser. Für mich die grösste Schwäche dieses weitgehend unterhaltsamen Bond-Abenteuers ist das Golfspiel, das sich wie totales Chinesisch liest in meinen Augen. Bridge und Baccarat gehen noch, aber hier kann ich mir überwiegend einfach rein gar nichts vorstellen. Im Ausgleich zum grossen Auric sind hier die Frauenrollen etwas schwächer, und Pussys sexuelle "Bekehrung" läuft zwar anders ab als im Film, ist aber mindestens so bekloppt.
Thunderball - 7,5 / 10
TB ist ein unterhaltsamer Roman, und vor allem die Shrublands-Szenen sind herrlich. Als ich letztens den 1965er-Film wieder gesehen habe, habe ich die Gründe für Bonds Aufenthalt und seine Gedankengänge über bzw. seinen vehementen Protest gegen die Gesundheitsfarm und ihren Kräutergarten total vermisst. Weil sich diese Szenen und die Bomberentführung immer etwas wie ein prolog oder zumindest Handlungsauftakt anfühlen, halten sich die anschliessenden Geschehnisse auf den Bahamas erstaunlich kurz, sind aber immer noch sehr gelungen durch die nach LALD wieder sehr atmosphärischen Tauchszenen, die schöne Domino-Rolle und die beste Bond-Leiter-Paarung aller Romane.
The Spy Who Loved Me - 8 / 10
Love it or hate it - ich habe das Buch eigentlich sehr geschätzt. Klar muss man wissen oder zumindest akzeptieren, worauf man sich einlässt, aber dann wird man auch belohnt, mit einer schönen Mischung aus Lebensstudie und Thriller. Das ausführliche Schildern von figürlichen Hintergründen und Werdegängen war immer schon ein Steckenpferd Flemings und hier kann er es auf besonders ausführliche und sehr natürliche Art ausleben.
On Her Majesty's Secret Service - 8 / 10
Ein tolles Buch, und das einzige was es noch besser machen kann ist das visuelle Element in einer Verfilmung, was Hunt sei Dank dann ja auch auf grossartige Weise erfolgt ist. Aber - Ich besitze nur drei Romane in der Neuauflage, bin aber mit meinen Ausgaben von Heyne und Tosa grösstenteils sehr zufrieden, selbst wenn da das eine oder andere Detail gekürzt sein mag. Aber OHMSS besitze ich nur als zerfleddertes Taschenbuch aus einer Reihe mit dem vielversprechenden Namen "Superkrimi", und gehe davon aus dass es eine ziemlich verstümmelte Übersetzung ist. Mindestens ein Vergleich der ersten Seite mit der Cross-Cult-Leseprobe hat meinen Verdacht dann auch durch massiv gekürzte und vereinfachte Landschaftsbeschreibungen schmerzlich bestätigt. Keine Ahnung also, ob ich das Buch überhaupt einigermassen bewerten kann, aber ich gehe davon aus dass es etwas verliert.
You Only Live Twice - 10 / 10
Fleming auf der Höhe seiner Kunst in einem sehr gewagten und ungewöhnlichen Bond-Abenteuer, das mich jedoch von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat, gerade weil es weit geht in der Schilderung einer fremden Welt und eines sehr einzigartigen Abenteuers, welches das Komische und das Schreckliche ebenso verknüpft wie das Schöne und das Tragische.
The Man With The Golden Gun - 7 / 10
Merkwürdiger Epilog. Durch die Art wie es mit dem gewagten und aussergewöhnlichen Ende des Vorgängers umgeht (oder eben nicht), ebenso mit dem eigenen sehr gewagten Prolog (oder eben nicht), die symbolträchtige Rückkehr nach Jamaika, wie hausbacken und small-scale die Mission wirkt, die Pastiche-artige Rückkehr vertrauter Motive und Elemente der gesamten Reihe und vieler kleiner Details hat sich das Buch irgendwie unwirklich angefühlt, wie eine David-Lynch-mässige surreale Traumreflektion von Bonds Wirklichkeit und Erlebnissen. Ganz komischer Gedanke, ich weiss, aber tatsächlich eine Assoziation die sich bei mir immer wieder eingeschlichen hat. Und die Platzierung nach YOLT trägt viel dazu bei. Aber es ist kein schlechter Roman und vor allem die Schilderung des Schauplatzes Jamaika ist exzellent und übertrifft womöglich auch LALD und DN. Ich fühlte mich zumindest jederzeit auf der Insel.
We'll always have Marburg
Let the sheep out, kid.