WIe bewertet ihr mit etwas Abstand CR?

1 - miesester Film aller Zeiten
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (1%)
2
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (3%)
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Insgesamt abgegebene Stimmen: 6 (4%)
4
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (1%)
5 - durchschnittlicher Film
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (3%)
6
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (2%)
7
Insgesamt abgegebene Stimmen: 10 (7%)
8
Insgesamt abgegebene Stimmen: 20 (13%)
9
Insgesamt abgegebene Stimmen: 30 (20%)
10 - perfekter Film
Insgesamt abgegebene Stimmen: 73 (48%)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 152

Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1261
Ja, das ist eine von mehreren Szenen, in denen CR sich nicht traut, mal etwas unkonventioneller zu sein als andere Bonds und seinem Publikum auch mal ein wenig was zuzutrauen. Eine Szene, die sich für mich definitiv falsch anfühlt - da mangelt es aber nicht nur Purvis & Wade, sondern auch Campbell an erzählerischer Konsequenz.
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1263
Jaybee hat geschrieben: 17. März 2020 02:02 Manchmal kommt man sogar durch Wikipedia auf neue Aspekte. So wird hier darauf hingewiesen, dass in der Zug-Szene mit dem Dialog "I am the MONEY." und der Antwort „Every PENNY worth of it“ eine Art Hinweis auf den im Film nicht anwesenden Charakter der treuen Sekretärin gegeben wird. Mag so sein, ich glaube an Zufall.
Ja, das wurde 2006 natürlich auch gleich diskutiert.
Ich denke, der Dialog wurde bewusst mit Bezug auf den Namen Moneypenny (als Gag) geschrieben.
Kein Zufall.

Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1264
Habe den Film die Tage auch wieder gesehen im TV (lief er direkt 2 mal?? Peinlich übrigens, dass RTL die Verschiebung von NTTD verpasst hat und die Reihe schön weiter bis zum ehemaligen Aprilstart zeigt...)

Ich schäme mich fast zu sagen, dass ich bis heute jedes mal wieder hoffe, dass Vesper doch irgendwie von Bond gerettet wird
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1265
danielcc hat geschrieben: 19. März 2020 09:53 Habe den Film die Tage auch wieder gesehen im TV (lief er direkt 2 mal?? Peinlich übrigens, dass RTL die Verschiebung von NTTD verpasst hat und die Reihe schön weiter bis zum ehemaligen Aprilstart zeigt...)

Ich schäme mich fast zu sagen, dass ich bis heute jedes mal wieder hoffe, dass Vesper doch irgendwie von Bond gerettet wird
Ich auch! Und ich hab schon bei der ersten Sichtung auf meinen Nägeln gekaut. Das Drehbuch war so verblüffend eng an der Romanvorlage, daß ich den Ausgang der Liebesgeschichte ja schon ahnte, schon wußte. Hatte damals schon einen Kloß im Hals...
Aber das war der Moment, in dem sich die eindimensionale Bond-Filmreihe den großen Themen zuwandte und sich damit selbst aus dem Sumpf der Banalität und in eine sehenswerte Zukunft rettete. Ein hoher Preis, aber der war es wert. Ich bin damals aus dem Kino gestolpert und dachte benommen: „Ein tragischer Bondfilm? Wahnsinn!“ und es fühlte sich richtig an und zum ersten Mal in den letzten Jahren wußte ich, daß ab CR niemand mehr die Zukunft dieser Filmreihe ernsthaft anzweifeln wird.
PS ich glaube, es ist für RTL gar nicht so einfach den Sendeplan umzubasteln. Und ich find es ganz schön, die alten Schinken mal hintereinander serviert zu bekommen.

Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1267
Aufgrund der FSK-12/16-Diskussion im Thread "Wohin sollten 007s künftige Missionen noch führen?" (eigentlich komplett der falsche Thread) bin ich gerade über eine Merkwürdigkeit in Casino Royale gestoßen. Bond richtet Mollaka in der Botschaft von Nambutu hin. In den Nachrichten steht dann später "British government agent kills unarmed prisoner" , siehe Seite 6. Ich bin kein Muttersprachler, deshalb liege ich vielleicht falsch, aber "prisoner" bedeutet meines Wissens nach Strafgefangener/Häftling. Eine Botschaft ist wohl kaum ein Gefängnis. Wird der Begriff "prisoner" im Englischen allgemein für Straftäter gebraucht?

Vielleicht ist das aber auch ein typischer Fall von Fake News :)

Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1268
Strafgefangener/Häftling ist sicher richtig, in diesem Fall meint das Käseblatt aber wohl eher "Geisel" oder ganz allgemein "Gefangener" im Sinne von "von Bond gefangen" auch wenn's natürlich insofern etwas komplizierter war dass Jimbo den Terroristen schon wieder rüber geschubst ("freigelassen") hatte.
Henrik hat geschrieben: 10. Juni 2020 15:39 Vielleicht ist das aber auch ein typischer Fall von Fake News :)
Vielleicht auch das...
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1269
Casino Royale (2006, Martin Campbell)

"Arm yourself because no-one else here will save you. The odds will betray you, and I will replace you"
- Chris Cornell

Vielleicht war es die Abgrenzung von dem eine Spur zu weit gegangenen Plastikbond DAD, vielleicht auch nur der Wunsch der jungen Produzentengeneration, sich anders zu verwirklichen als Vater Albert, oder vielleicht kam zur richtigen Zeit und am richtigen Ort einfach alles zusammen. Auf jeden Fall stellt CR noch etwas mehr als einige seiner vielen Vorgänger einen modernisierenden Bruch innerhalb der langlebigen Bond-Chronik dar, in der Art wie der Film einige festgefahrene Strukturen auflöst zugunsten einer neuen Zuschauergeneration, der Wahl eines markanten und auf den ersten Blick sehr untypischen 007-Darstellers und dem Entschluss, inspiriert von Ian Flemings erstem Roman die lose Chronologie zurückzudrehen und ein inhaltlich und kontextuell alleinstehendes Bond-Abenteuer zu präsentieren.

So ist Daniel Craigs erste Mission in einigen Dingen gleich etwas anders strukturiert als viele frühere Filme. Nach OHMSS wird Flemings zweiter (bzw. chronologisch erster) Handlungsstrang um eine enttäuschende Liebe der Doppelnull aufgegriffen und die klassische Spionagemission in einer stärker von den figürlichen Konflikten geprägten Perspektive verpackt. Im Subtext wird Bonds gewohnt widerspenstige und eigenwillige Seite deutlicher betont um klarzustellen, dass die Doppelnull im Reboot-Sinne hier in ihren Anfängen agiert. Nicht zuletzt geht auch die Tempoverteilung des Films einige neue Wege: Nach einer actiongeladenen und zwischen exotischen Locations umherhüpfenden ersten Stunde wird die Handlung im Mittelteil relativ lange und für Bond relativ ungewohnt in eine Art Kammerspiel verlegt, nach dem vergleichsweise antiklimaktischen Ableben des Bösewichts folgt ein Schlussakt, der in ähnlicher Form wiederum höchstens in OHMSS zu sehen war, dieses Mal aber deutlich länger und handlungslastiger ausfällt. Das alles ist so gut es geht nach dem Grundgerüst und den zentralen Motiven von Flemings Roman aufgebaut, ist durch den krassen Wechsel in der geschichtlichen Epoche, der Ausformung zentraler Charaktere und einiger Handlungsstränge aber vielmehr eine Interpretation als eine tatsächliche Verfilmung des Romans.

Diese strukturellen Variationen sind auch gleichzeitig die grösste Stärke und Schwäche des Films. Eine Stärke, weil sie den Film ohne ein ganz so starres Missionsschema frisch und eigenständig wirken lassen, was zusätzlich durch Campbells Regie betont wird. CR wirkt in vielen Dingen sehr modern bzw. zeitlos und vor allem abwechslungsreich. Farbenfrohen und exotischen Bildern stellt Campbell auffallend harte und in ihrer Art düstere Momente gegenüber, wie die grausam kalt wirkende Kulisse der Folterszenen oder die visuellen Verfremdungen bei Bonds Vergiftung oder seinem späterem Delirium. Genau wie schon in GE beweist er ein gutes Auge für starke Einzelbilder und rasanten Actionschnitt und bricht den Blockbuster-Look immer wieder mit gelungenen Einstellungen und Perspektiven auf. Campbells Bebilderung wird nicht nur in Farben und Optik sondern auch in Bildkomposition und Schnitt auch in Zukunft wesentlich frischer und zeitloser wirken, als etwa die dramatisch barocke Inszenierung von Mendes.

Eine Schwäche ist es, weil es sich durch die späte Einführung der zentralen Vesper-Rolle und den ebenfalls späten Tempowechsel beim Pokern ein bisschen so anfühlt, als würde der Film nach einer Stunde noch einmal von vorne beginnen. CR zerfällt so ein wenig in zwei Hälften, die kausal zwar zusammengehören, gefühlt aber auseinanderstehen. Und tatsächlich ist die Beziehung zwischen Bond und Le Chiffre hier das verschenkte Potential, denn die Chiffre erfährt nie, dass Bond ihm durch die doppelte Sabotage seiner Anschlagspläne in Miami die Suppe von Anfang versalzen hat, und was noch schwerer wiegt, der Film scheint es selber zu vergessen, und die erste Hälfte verliert nachträglich etwas an Relevanz. Und damit nicht genug, durch die Ermordung von Obanno und den Deal mit Leiter lösen sich Le Chiffres Probleme und Bonds Mission quasi mittendrin in Luft auf, zumindest auf dem Papier. Auch das fällt dem Film nicht wirklich auf, der das Bedrohungselement für Le Chiffre, und damit indirekt für Bond, zugegebenermassen elegant da nicht wirklich auffallend auf den ominösen, aber nach der Erzählung der ersten Hälfte eigentlich komplett unbeteiligten White verschiebt. Nichts davon rückt wirklich störend in den Vordergrund, weil die Ausführung der Geschichte effizient und gelungen ist, aber es lässt CR bei genauerer dramaturgischer Betrachtung mittendrin gefühlt in einen anderen Film abdriften und ist nicht so logisch geschlossen und verblüffend stimmig wie es oft angepriesen wird und wie ich es zum Beispiel in LTK immer gesehen habe.

Daniel Craig fällt natürlich zumindest äusserlich stark aus dem typischen Bondschema heraus und war von Anfang an, aber durchaus auch über den Filmstart hinweg eine umstrittene Wahl. Unwürdige Fehlbesetzung, Rambo-Bond, der beste 007 aller Zeiten oder schauspielerischer Messias? Eigentlich ist er nichts davon, sondern halt ein eigenständiger Bonddarsteller, der in den Film ziemlich gut reinpasst und ihn zu tragen vermag. Dabei agiert Craig im Gesamtkontext des Films gar nicht mal so kalt und zerstörerisch, wie es ihm oft attestiert wird und wie es der Film auch in den Dialogen mit Judi Denchs M behauptet (die bei Craig mehr noch als bei Brosnan zwischen kalter Abneigung und Freizeitpsychologie pendelt). Vielmehr gibt er passend zur angepeilten Geschichte einen etwas modernisierten Bond, der aber vor allem durch kleine Gesten wie Blicke oder ein Schmunzeln, meist am Ende einer Szene, selbige gelungen kommentiert und damit dezent die Sympathien auf sich lenkt. Schauspielerisch fand ich Craig verglichen mit seinen Vorgängern nie so herausstechend, wie er oft gemacht wird, aber in CR liefert er durchaus seine beste darstellerische Leistung als Bond ab, in der Art wie er Actionheld, Womanizer und treffend gesetzte humorvolle Züge unter einen Hut bringt. Wenn die Rolle manchmal etwas inkonsistent wirkt, dann wie angetönt eher durch einige Reboot-Dialogzeilen über Schutzpanzer und stumpfe Instrumente, die eine Spur zu theatralisch daherkommen und mehr Abweichungen von Bond als Charakter behaupten, als der Film sowohl nötig hat als auch tatsächlich anbietet. Aber auch das kann Craig souverän vergessen lassen und leistet sich insgesamt einfach weniger Anlaufschwierigkeiten als sein direkter Vorgänger Brosnan.

Auf der Damenseite darf sich Eva Green mit Namen wie Rigg, Seymour, Lowell und Scorupco als eines der schauspielerisch überzeugendsten Bondgirls einreihen. Vesper Lynds toughes und selbstbewusstes Auftreten verkörpert sie ebenso mühelos wie die verletzlichen Seiten und dem aufgeklärten Fan bietet es sich an, kleine Gesten in Bezug auf ihre abschliessende Enthüllung zu suchen. Die Chemie zwischen Craig und Green stimmt ebenfalls, auch wenn ausgerechnet ihr sehr gelobtes erstes Aufeinandertreffen textlich etwas zu smart und gewieft daherkommt. In einem weniger untypischen Bondfilm wäre es womöglich trotzdem nicht ganz überzeugend gewesen, weshalb sich Bond schliesslich in Vesper verliebt und den Dienst quittieren möchte, obwohl die gewaltsamen gemeinsamen Erfahrungen mit Obanno und Le Chiffre da viel zur plötzlichen Verbundenheit beitragen. Aber da CR hier weitgehend für sich selber stehen will, kommt auch das sehr gut rüber. Was die Todesszene angeht so finde ich zwar OHMSS in aller Schlichtheit den emotional härteren und damit auch besseren Schlag, weil selbige bei Vesper durch die vorangehende Actionszene und die ausgefalleneren Todesumstände im Fahrstuhl etwas zu viele ablenkende Schnörkel hat, der letzte Moment zwischen den beiden, in gespenstischer Stimmung unter Wasser, ist aber dennoch sehr gelungen.

Das Figurenkarussell ist in CR dermassen umfangreich dass an dieser Stelle schon das Ende des Darstellerkapitels angepeilt werden muss, natürlich aber nicht, ohne vorher noch ein paar Worte zu Le Chiffre zu verlieren. Als Bondschurke ist er insofern interessant, dass er nach der ersten Hälfte kein antagonistisches Ziel mehr verfolgt im Sinne einer Bedrohung, sondern nur seine eigene Haut retten will. Mads Mikkelsen spielt ihn dabei wunderbar sinister und getrieben, auch wenn die Figur am meisten durch ihre Präsenz beeindruckt und er beinahe an Wirkung verliert, wenn er spricht. Mikkelsens darstellerischer Höhepunkt ist natürlich die Folterszene, in der seine manische Intensität noch einmal eine ganze Stufe nach oben klettert. Zuletzt überzeugt auch Giancarlo Giannini als ebenso charismatischer wie undurchsichtiger Mathis, hat aber eine insofern etwas undankbare Rolle dass er als roter Hering herhalten muss der erst im Folgefilm einigermassen aufgelöst wird und sich in CR damit ein wenig im Nirgendwo verliert.

Gemessen an der eigenen Laufzeit und verglichen mit den vorangehenden drei Brosnan-Abenteuern ist die Actiondichte des Films deutlich kleiner, aber auch CR kommt nicht ohne dreieinhalb grosse Actionszenen aus. Die sind allesamt gelungen, aber ähnlich wie zum Beispiel in TWINE kommen die meisten trotz dynamischer Gestaltung und gutem Handwerk nicht über das recht hohe Bond-Normalniveau hinaus. Der in letzter Sekunde verhinderte Terroranschlag am Flughafen wird rhythmisch stark eingeleitet und aufgelöst und bietet ein paar tolle Fahrsequenzen, der Zweikampf gegen Obanno bleibt in erster Linie durch seine Härte in Erinnerung. Abzüglich des Teils um Vesper und ihren unausweichlichen Tod ist die Schlacht in Venedig als finaler Showdown eigentlich relativ belanglos, trotz der originellen Idee um das in den Kanal stürzende Gebäude und das – wieder einmal – gute und von Campbell dynamisch arrangierte Actionhandwerk. Damit bleibt noch der African Rundown als absolutes Actionhighlight, welches im Gesamtkontext des Films trotz leichter Verspätung ungefähr die Rolle der üblichen PTS einnimmt. Die Stunts, die Parkour-Elemente und die prägnanten Settings rund um eine Baustelle in Madagaskar tragen viel dazu bei, doch sind es der energische Schnitt, die Variationen in Tempo und Höhepunkten und das Spiel mit Perspektiven und Einstellungsgrössen, die der Szene den letzten Schliff geben.

Obwohl die physische Komponente fehlt bildet das Pokertournier natürlich als Quasi-Ersatzactionszene den Hauptkonflikt im kammerspielartigen Mittelteil. Die einzige Szene bei Bond, die in ihrer Ausführlichkeit und Art einigermassen vergleichbar ist, dürfte das Golfspiel in GF sein, aber das Pokertournier geht hier noch einen Schritt weiter, da es sich in der Handlungszeit mit mehreren ereignisreichen Pausen über etwa zwei Abende erstrecken dürfte und deshalb wirklich diesen leichten Kammerspielcharakter im Sinne eines an Ort und Stelle verankerten Handlungsabschnitts vermittelt, wie es, auch ohne Spiel, OHMSS mit Bonds Undercover-Aufenthalt auf dem Piz getan hat. Capmbell gelingt, es das Pokern durchaus spannend zu verpacken, selbst wenn man die Tricks des Spiels nur rudimentär kennt. Einerseits, da er auf die Blickwechsel und das mimische Psychoduell zwischen Bond und Le Chiffre setzt, aber auch weil er sich auf sehr wenige ausgewählte Schlüsselrunden des Spiels konzentriert und rundherum Stimmungsbilder von weniger relevanten Spielabschnitten setzt, um die wichtigen Hände als Höhepunkte wirken zu lassen. Überhaupt ist der Teil in Montenegro durch sein Casino- und Hotelsetting und die Ruhe und Ausführlichkeit der Dramaturgie sehr stimmungsvoll und spielt seine sehr abwechslungsreichen Handlungsgeschehnisse, die um das Pokerspiel herum arrangiert sind, elegant aus.

Ob es wirklich notwendig war, für Bond Nummer 21 eine auf null gesetzte, eigene Kontinuitätsblase zu öffnen lässt sich vor allem in Bezug auf die fortsetzenden Craig-Filme und deren Zusammenhänge sicherlich diskutieren, für CR selber wirkt es aber durchaus sinnvoll und erfrischend, den Film sein eigenes Ding ohne Ballast durchziehen zu lassen, auch wenn einige der Reboot-Aspekte, in diesem Fall ein paar eher leere Dialoge über Bond als Anfänger inmitten seiner Origins-Geschichte, etwas aufgesetzt sind. Als eigenes Bond-Abenteuer funktioniert CR aber ausgesprochen gut und kurzweilig, was vor allem an Campbells gelungener Inszenierung und den starken Darstellern liegt, vor allem Craig und Green, die ihre Geschichte um Liebe und Verrat in diesem Film überzeugend verkaufen können. Mit einer abwechslungsreichen Handlung, die Action, Drama, Spannung, Konflikte, etwas Humor und bondtypisches Abenteuerflair umfasst kann CR gut auftrumpfen, auch wenn die komplizierte Hintergrundgeschichte nicht immer mit dem Gezeigten Hand in Hand gehen will und in der Filmmitte merkwürdig vergessen geht. CR war nie mein absolut liebster Bondfilm, er ist es nicht und er wird es wohl auch nie sein, aber er zieht als eigenständiger und ambitionierter Serienbeitrag sein Ding durch, und das meist auf hohem Niveau. Und dieses hohe Niveau ist es, was zählt, denn ob andere, spezifisch natürlich folgende Bondfilme nicht entweder konsequenter auf diesen Weg hätten aufspringen sollen oder umgekehrt, CR einen Einzelfall bleiben lassen, das ist eine ganz andere Baustelle.

Wertung: 8 / 10
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1270
Casino Royale ist ein Film, den ich über die Jahre immer weniger zu mögen begonnen habe und der trotz aller guten Ansätze für mich hinter seinen Möglichkeiten massiv darin zurückbleibt, die Bondformel zu modernisieren. Vermutlich gibt es keinen Bond, der so in zwei unterschiedliche Hälften zerteilt ist und das beginnt ganz direkt mit der Zugszene in Richtung Montenegro, da gibt es einen harten Schnitt und durch die Konzeptionierung des Drehbuchs beginnt dort eigentlich ein neuer Film. Den von mir bereits mehrfach hier im Forum genannten Punkt erwähnst jetzt auch du: Chiffre erfährt nie, dass Bond ihn in seine missliche Lage gebracht hat. Für mich ist dies ohne Untertreibung inhaltlich die größte verpasste Chance der Bondreihe. Und es fällt mir weiß Gott nicht ein, wieso man dieses Potenzial liegen gelassen hat.

Für mich ist das Kernproblem des Films, dass die erste Stunde so gut wie gar nicht mit dem Plot danach zusammenhängt. Die erste Stunde ist inhaltlich ein loser Aufhänger für viel Geballer, danach wird grob Flemings Groschenroman adaptiert. Wenn man so will ist alles bis zur Zugszene ein Weg, den wenig aufregenden Roman kinotauglich auf Spielfilm-Länge zu kriegen. Nur hat man es versäumt, einen wesentlichen Zusammenhang zwischen dem neu dazu erfundenen Teil und dem Fleming-Plot zu schaffen. In einem klassischen Bondfilm wären die Ereignisse der ersten 60 Minuten nur die PTS wert - und das mit Recht, da nichts davon letztlich später im Film noch Relevanz hat. Wenn man dann wie ich Campbells Actioninszenierung zwar in Ordnung, aber nicht grandios findet, bleibt da bis zu Vespers Auftritt kaum etwas. Übrigens ist gerade SF da in Ansätzen ähnlich, da auch der plotbezogen ganz anders beginnt und in der Mitte eine harte Drehung hinlegt. Da ist es aber mehr aus einem Guss und auch wenn der anfängliche Katalysator (die Liste...) peinlich schwach geschrieben beiseite gelegt wird, besteht immerhin ein thematischer und motivischer Zusammenhang zwischen allen Plot-Einheiten.
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1271
Mit sind beim Editieren einige Zitate und Ausführungen vor mir veloren gegangen, die ich noch mal nachgeschoben habe, deshalb kann es sin, dass die Zitate nicht ganz chronologisch sind. Fagen wir mal hinten an.
GoldenProjectile hat geschrieben: 27. September 2020 21:45 CR war nie mein absolut liebster Bondfilm, er ist es nicht und er wird es wohl auch nie sein, aber er zieht als eigenständiger und ambitionierter Serienbeitrag sein Ding durch, und das meist auf hohem Niveau. Und dieses hohe Niveau ist es, was zählt, denn ob andere, spezifisch natürlich folgende Bondfilme nicht entweder konsequenter auf diesen Weg hätten aufspringen sollen oder umgekehrt, CR einen Einzelfall bleiben lassen, das ist eine ganz andere Baustelle.

Wertung: 8 / 10
Hier muss ich dir schon mal zustimmen. Der Abschnitt könnte von mir kommen
GoldenProjectile hat geschrieben: 27. September 2020 21:45 Und tatsächlich ist die Beziehung zwischen Bond und Le Chiffre hier das verschenkte Potential, denn die Chiffre erfährt nie, dass Bond ihm durch die doppelte Sabotage seiner Anschlagspläne in Miami die Suppe von Anfang versalzen hat, und was noch schwerer wiegt, der Film scheint es selber zu vergessen, und die erste Hälfte verliert nachträglich etwas an Relevanz.
Verschenktes Potenzial, da bin ich ganz bei dir.
GoldenProjectile hat geschrieben: 27. September 2020 21:45 Und damit nicht genug, durch die Ermordung von Obanno und den Deal mit Leiter lösen sich Le Chiffres Probleme und Bonds Mission quasi mittendrin in Luft auf, zumindest auf dem Papier.
Ist das wirklich so? Später im Film wird doch immer noch davon gesprochen, dass man mit Le Chiffre Verhandlungen aufgenommen hat, wie es von Anfang an geplant war. Man gewährt ihm Schutz, er liefert die Informationen, die man braucht.

Außerdem ist Obanno doch nicht Le Chiffres einziges Problem. Das sieht man schon an dem, was Mr White mit ihm angestellt hat. Auch M bezeichnet Le Chiffre als "Privatbankier der Terroristen dieser Welt". Obanno wird kaum der einzige Kunde von Le Chiffre gewesen zu sein.
GoldenProjectile hat geschrieben: 27. September 2020 21:45Aber da CR hier weitgehend für sich selber stehen will, kommt auch das sehr gut rüber. Was die Todesszene angeht so finde ich zwar OHMSS in aller Schlichtheit den emotional härteren und damit auch besseren Schlag, weil selbige bei Vesper durch die vorangehende Actionszene und die ausgefalleneren Todesumstände im Fahrstuhl etwas zu viele ablenkende Schnörkel hat, der letzte Moment zwischen den beiden, in gespenstischer Stimmung unter Wasser, ist aber dennoch sehr gelungen.
Ich weiss nicht. In CR finde ich das, auch durch Arnolds Musik, deutlich emotionaler und ergreifender. In OHMSS wird die Szene durch den Bond-Theme für mich wieder etwas verharmlost. Hinzu kommt, dass Bond durch sein Verhalten am Anfang letztendlich selbst für Vespers Tod verantwortlich ist. Er war es, der das Haus zum Einsturz gebracht hat

GoldenProjectile hat geschrieben: 27. September 2020 21:45Damit bleibt noch der African Rundown als absolutes Actionhighlight, welches im Gesamtkontext des Films trotz leichter Verspätung ungefähr die Rolle der üblichen PTS einnimmt. Die Stunts, die Parkour-Elemente und die prägnanten Settings rund um eine Baustelle in Madagaskar tragen viel dazu bei, doch sind es der energische Schnitt, die Variationen in Tempo und Höhepunkten und das Spiel mit Perspektiven und Einstellungsgrössen, die der Szene den letzten Schliff geben.
Für mich auch das Highlight. Leider, muss man sagen, denn damit bleibt der Film im Gesamtbild etwas schwächer in Erinnerung. Beispielsweise in Skyfall ist mein diesbezügliches Highlight der Final Fight in Schottland. Dadurch wirkt der Film auf mich, rückblickend betrachtet, stärker als CR.
GoldenProjectile hat geschrieben: 27. September 2020 21:45Aber da CR hier weitgehend für sich selber stehen will, kommt auch das sehr gut rüber. Was die Todesszene angeht so finde ich zwar OHMSS in aller Schlichtheit den emotional härteren und damit auch besseren Schlag, weil selbige bei Vesper durch die vorangehende Actionszene und die ausgefalleneren Todesumstände im Fahrstuhl etwas zu viele ablenkende Schnörkel hat, der letzte Moment zwischen den beiden, in gespenstischer Stimmung unter Wasser, ist aber dennoch sehr gelungen.
Finde ich nicht. Für mich wirkt das Bond-Theme in OHMSS sehr unpassend und relativiert Tracys Tod schon fast wieder. Da ist Arnolds Score schon deutlich ergreifender.

Ohnehin fühlt sich das Bond-Theme in OHMSS wie ein Fremdkörper an. Schon bei der Erstürmung von Piz Gloria wundere ich mich immer, was sa auf einmal für komische Musik wirkt. Das OHMSS-Theme nimmt in diesem Film den Platz des Bond-Themes ein, wodurch das Bond-Theme für mich an vielen Stellen völlig deplatziert wirkt.
GoldenProjectile hat geschrieben: 27. September 2020 21:45 Obwohl die physische Komponente fehlt bildet das Pokertournier natürlich als Quasi-Ersatzactionszene den Hauptkonflikt im kammerspielartigen Mittelteil. Die einzige Szene bei Bond, die in ihrer Ausführlichkeit und Art einigermassen vergleichbar ist, dürfte das Golfspiel in GF sein,
Das finde ich nicht unbedingt vergleichbar. In CR geht es wirklich um etwas. In GF ist es doch völlig belanglos, wer am Ende gewinnt. Wobei: In einem Bondfilm muss natürlich am Ende immer Bond gewinnen. Auch wenn mir das Golfspiel beim Sehen durchaus Spaß macht, für die Handlung ist es völlig belanglos.
GoldenProjectile hat geschrieben: 27. September 2020 21:45Ob es wirklich notwendig war, für Bond Nummer 21 eine auf null gesetzte, eigene Kontinuitätsblase zu öffnen lässt sich vor allem in Bezug auf die fortsetzenden Craig-Filme und deren Zusammenhänge sicherlich diskutieren
Ja, war es :)
GoldenProjectile hat geschrieben: 27. September 2020 21:45 für CR selber wirkt es aber durchaus sinnvoll und erfrischend, den Film sein eigenes Ding ohne Ballast durchziehen zu lassen,
Nach DAD war es absolut notwendig, einiges an Ballast über Bord zu werfen. Dennoch hätte man damit etwas zurückhaltender umgehen können. Hätte ein kleiner Auftritt von Q wirklich geschadet? Der Sender, dem man Bond implantiert, ist doch nichts anderes als das Smart Blood aus SP. Und selbst ein viel belangloserer Sender wie in SF wird von Q übergeben. Zudem entspricht der Aston Martin auch nicht unbedingt der Serienausstattung. Ein Auftritt von Q hätte sicherlich nicht geschadet. Man muss es ja nicht so übertreiben wie in DAD. Explodierende Kugelschreiber, unsichtbare Autos und Raketenwerfer hinter dem Scheinwerfer fehlen in CR aber sicherlich nicht.

Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1272
Henrik hat geschrieben: 28. September 2020 08:00 Ist das wirklich so? Später im Film wird doch immer noch davon gesprochen, dass man mit Le Chiffre Verhandlungen aufgenommen hat, wie es von Anfang an geplant war. Man gewährt ihm Schutz, er liefert die Informationen, die man braucht.

Außerdem ist Obanno doch nicht Le Chiffres einziges Problem. Das sieht man schon an dem, was Mr White mit ihm angestellt hat. Auch M bezeichnet Le Chiffre als "Privatbankier der Terroristen dieser Welt". Obanno wird kaum der einzige Kunde von Le Chiffre gewesen zu sein.
Chiffre verzockt das von Obanno anvertraute Geld mit seinem Terroranschlag an der Börse. Vor Obanno muss er Angst haben, Obannos Geld muss er zurückgewinnen. Nun aber stirbt Obanno mitten im Film und nach Handlungslogik könnte Le Chiffre jetzt eigentlich erleichtert nach Hause gehen. Aber jetzt hat er Angst vor White und schuldet dem das Geld - obwohl White in Uganda klar als dritte Partei, als "Vermittlungsagentur" eingeführt wurde. CR macht das relativ geschickt, weil dieser riesige Brocken gar nicht auffällt. Hiding in plain sight. Sobald Obanno (der wahre Gläubiger) aus dem Film ist, werden all seine Ansprüche auf das Geld, eigentlich sein Platz in der geschäftlichen Konstellation, auf Mr. White übertragen. Den Mittelmann, die dritte Partei.

Klar kann man sich das irgendwie zurechtbiegen im Sinne von dass es White auch um Vertrauen geht und er Chiffre quasi als enttäuschenden Geschäftspartner eliminiert. Aber wie nach Obannos Tod das ursprüngliche Bedrohungselement fehlt, und wie alles plötzlich als wäre es selbstverständlich auf Mr. White abgewalzt wird (auf einmal ist es Whites Geld, das Chiffre wiederbeschaffen muss? Okay?!)

Und klar ist Obanno nicht Le Chiffres einziger Kunde, aber der einzige, dessen Geld Le Chiffre in die Flugzeugverschrottung gewettet hat. Zumindest geht das dramaturgisch so aus dem Film hervor, schlicht und einfach weil man nichts anderes hört, keinen anderen beteiligten Kunden sieht.

Zum anderen Teil: Die Zweckgemeinschaft mit Leiter hilft Bond seinen Auftrag zu erfüllen, aber eigentlich verhindert er damit seinen grösseren Auftrag, Chiffre zur Zusammenarbeit mit dem MI6 zu bewegen. Klar sind die Briten und Amis verbündet, aber dasselbe ist es dennoch nicht. Das ist ein bisschen so als hätte Bond in FRWL den BND angerufen und ihm mitgeteilt, sie können die Lektor gerne haben wenn sie ihm nur helfen, Grant loszuwerden.
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1274
Staiger hat geschrieben: 28. September 2020 10:11 Liege ich falsch?, aber erfährt Le Ciffre überhaupt etwas vom Ableben des Obanno? Natürlich wäre es wahrscheinlich, da es das Thema des Tages sein sollte, wenn 2 Leichen im Kofferraum vor dem Hotel auftauchen, aber gezeigt wird doch nichts dergleichen.
Klar erfährt er das, Mathis lässt die Leichen immerhin im Kofferraum von einem von Le Chiffres Leuten auftauchen. Das ist kein unschuldiger Tourist den er da verhaften lässt. :) Aber selbst wenn, Le Chiffre scheint in seinen letzten Worten vor seinem Ableben ja davon überzeugt zu sein dass er Whites Geld morgen beschaffen könne...
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1275
GoldenProjectile hat geschrieben: 28. September 2020 09:58 Und klar ist Obanno nicht Le Chiffres einziger Kunde, aber der einzige, dessen Geld Le Chiffre in die Flugzeugverschrottung gewettet hat. Zumindest geht das dramaturgisch so aus dem Film hervor, schlicht und einfach weil man nichts anderes hört, keinen anderen beteiligten Kunden sieht.
Joa, hmm, kann man so sehen. Ich hatte aber nie ein Problem damit, weil eben klar gesagt wird, dass Le Chiffre der "Privatbankier der Terroristen der Welt" ist. Ich habe die Uganda-Episode immer nur als "Randnotiz" wahrgenommen, damit wir wissen, in was für Geschäfte Le Chiffre verwickelt ist. Ich fand es auch überraschend, dass Obanno später wieder auftaucht. Klar, es macht Sinn, dass man dem Zuschauer später genau denjenigen von Le Chiffres Kunden vorsetzt, den der Zuschauer schon kennt, aber eigentlich hätte dort auch jeder andere Kunde auftauchen können.

Und woher wissen wir überhaupt, dass durch Le Chiffres Börsenspekulationen nur Obanno finanziell schlecht darsteht? Klar, wir kennen nur Obanno, aber das muss nichts heissen.
GoldenProjectile hat geschrieben: 28. September 2020 11:00 Klar erfährt er das, Mathis lässt die Leichen immerhin im Kofferraum von einem von Le Chiffres Leuten auftauchen. Das ist kein unschuldiger Tourist den er da verhaften lässt. :)
Mathis sagt auch etwas in die Richtung, dass man sich auch als Leiche noch nützlich machen kann. Also ganz klar ein Bösewicht, der da verhaftet wird.

Abgesehen davon: Wird nicht sogar deutlich gezeigt, dass Le Chiffre die Aktion durch sein Fenster beobachtet?