Re: Zuletzt gesehener Film

9871
iHaveCNit: Curveball – Wir machen die Wahrheit (2021) – Johannes Naber – Filmwelt
Deutscher Kinostart: 09.09.2021
gesehen am 11.09.2021
Arthouse Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 1, Sitz 9 – 18:15 Uhr


Vor 20 Jahren hat sich ein historisches Ereignis in unser Gedächtnis eingebrannt als zwei gekaperte Flugzeuge in die Zwillingstürme des New Yorker World Trade Centers geflogen sind und diese zum Einsturz gebracht haben. Dieses Trauma, dass die USA noch bis heute ins Mark erschüttert hat ist mitunter ein großes politisches Ventil mit der Suche nach Genugtuung für die USA gewesen. Auch wenn es natürlich ein wenig diskussionswürdig und makaber sein kann, war dieses Jubiläum der für mich passende Tag für einen Kinobesuch – damit ich mir die deutsche von Johannes Naber inszenierte Produktion „Curveball – Wir machen die Wahrheit“ ansehe, deren Thema durchaus für den 11.09.2001 von essentieller Bedeutung ist.

Arndt Wolf ist Experte für Biowaffen beim BND. Seiner Überzeugung nach sind Saddam Hussein und der Irak im Besitz von Biowaffen, doch als er als Unterstützung der UN genau wie die UN vor Ort abgezogen wird, fristet er in seinem Labor sein Dasein. Überraschend wird Wolf von den BND-Vorgesetzten Tetzlaff und Schatz damit betraut den Iraker Rafid Halwan zu verhören und zu betreuen. Rafid Halwan gibt vor Informationen über Biowaffen zu haben, die im Besitz des Iraks und Saddam Hussein sein sollen. Je mehr Wolf das Vertrauen von Rafid gewinnt und an Informationen gelangt, umso mehr Interesse scheinen auch die Amerikaner an Rafids Informationen zu haben.

„Curveball“ zeichnet auf sehr vereinfachte und verdichtete Weise, welchen Einfluss der Bundesnachrichtendienst und die deutsche Regierung auf den von den USA initiierten Irak-Krieg hat. Statt auf einen Polit- und Agententhriller zu setzen, nutzt Regisseur Johannes Naber die Mittel einer Groteske, Komödie und Satire für die Aufarbeitung des Themas. Dabei mag er zwar sehr staubig und trocken wirken, aber unfassbar unterhaltsam. Diese Mischung und das Spannungsfeld aus Inkompetenz, Unwissenheit und Naivität, die vom BND in diesem Fall an den Tag gelegt wird sorgt für eine Situationskomik, die sowohl unfassbar witzig und unterhaltsam ist, aber auch gerade im Bezug auf das Thema dafür sorgen kann, dass einem das Lachen im Halse stecken bleiben könnte. Einen großen Anteil daran hat vor allem das Ensemble aus Sebastian Blomberg, Dar Salim, Virgina Kull, Thorsten Merten und Michael Wittenborn, der von Regisseur Naber komponierte Soundtrack und auch das gesamte Setdesign. Insgesamt hat mir der Film sehr gut gefallen.

„Curveball – Wir machen die Wahrheit “ - My First Look – 8/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

9872
iHaveCNit: Don´t Breathe 2 (2021) – Rodo Sayagues – Sony Pictures
Deutscher Kinostart: 09.09.2021
gesehen am 12.09.2021
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kinosaal 7 – Reihe 13, Platz 14 – 19:00 Uhr

2016 war Fede Alvarez „Don´t Breathe“ ein kleiner Hit im Horrorthriller-Bereich, so dass eine Fortsetzung durchaus klar gewesen ist. Diese Fortsetzung, in der Stephen Lang seine Rolle wieder aufnimmt, ist dieses mal vom Rodo Sayagues inszeniert worden, der beim Erstling am Drehbuch mit beteiligt war – und durchaus gibt es auch immer wieder Fälle von Fortsetzungen, die man am Ende nicht gebraucht hätte – und diese Frage ist hier bei diesem Film auf jeden Fall angemessen.

Einige Jahre nachdem Einbruch beim blinden, kampferprobten Kriegsveteran hat er ein junges Waisenmädchen bei sich aufgenommen und kümmert sich um die kleine Phoenix, die er größtenteils isoliert und abschirmt, bis es an einem Abend zu einem Einbruch in sein Haus kommt. Die Einbrecher haben es auf die kleine Phoenix abgesehen.

„Don´t Breathe 2“ funktioniert durchaus als harter, roher, Rachethriller mit einem physisch extrem präsenten Stephen Lang. Ob die durchaus mit einem hohen Gewaltgrad enthaltene und visuelle Brutalität angebracht ist, ist natürlich diskussionswürdig. Genau wie die Tatsache, dass ein „Antagonist“ nun im Kern als „Protagonist“ funktionieren soll. Insgesamt liefert der Film grundsätzlich kaum einen Raum für Sympathieträger und auch die grundsätzliche Idee und das Konzept des Erstlings wird hier nicht ausgespielt. Des Weiteren liefert der Film im letztendlichen Kern einen durchaus moralisch und ethisch fragwürdigen Konflikt.

„Don´t Breathe 2“ - My First Look – 6/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

9873
iHaveCNit: Je Suis Karl (2021) – Christian Schwochow – Pandora Film
Deutscher Kinostart: 16.09.2021
gesehen am 08.09.2021 in der Spotlight-Arthouse-Sneak der Arthouse-Kinos Frankfurt
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie - Parkett – Reihe 9 Platz 3 – 21:00 Uhr
gesehen am 16.09.2021
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kinosaal 11 – Reihe 16 Platz 15 – 20:15 Uhr

Kommen wir zu einem Film, den ich bereits im Rahmen der „Spotlight-Sneak“ der Arthouse Kinos Frankfurt gesehen habe und der auch in meinem regulären Kinokalender geplant war, nachdem mich sowohl der Trailer als auch Kinowerbeflyer und Aufsteller angesprochen hat. „Je Suis Karl“ ist aktuell für 4 Preise beim „Deutschen Filmpreis“ nominiert und war auch einer der Kandidaten, die Deutschland hätte einreichen können für die Kategorie „Best International Feature Film“ bei der nächsten Oscarverleihung, bevor man sich aktuell für Maria Schraders „Ich bin dein Mensch“ entschieden hat. Beide Filme sind großartig, nach aktuellem Stand ist jedoch „Je Suis Karl“ für mich der beste deutsche Film, den ich 2021 im Kino gesehen habe, da er durchaus ein wichtiges brisantes und aktuelles Thema auf interessante und provokative Art und Weise auf die Leinwand bringt.

Ein Bombenanschlag in Berlin reißt das Leben von Maxi und Alex aus den Fugen, weil die Mutter und Frau Ines als auch die Brüder/Söhne Hans und Franz damit aus dem Leben gerissen wird. In aller Wut und Trauer entfremden sich Tochter und Vater immer weiter voneinander. Auf der Suche nach Halt trifft Maxi auf den charismatischen Karl, der ihr nahelegt eine kommende Veranstaltung einer Gruppierung in Prag zu besuchen, bei der auch er vor Ort sein wird. Dort angekommen findet sie den Halt, eine Familie, ein Zuhause und die Liebe, die sie in ihrer Trauer so dringend benötigt – ohne erahnen zu können, was es mit dieser Gruppierung und Karl auf sich hat.

Der Film ist eine elektrisierende, spannende und in seinen Bann ziehende Mischung aus Familiendrama, Liebesgeschichte und auch Extremismusthriller, der mich sowohl bei der ersten, als auch der zweiten Sichtung begeistern konnte. Das liegt an Christian Schwochows moderner Inszenierung, der Filmmusik, die bei der Auswahl und Kreation der extra für den Film geschaffenen Songs in den passenden Situationen eingespielt wird und mit seinen Melodien und den Texten die Handlung perfekt unterfüttert. Und das liegt an den Schauspielern – allen voran an Luna Wedler, die hier die junge Maxi spielt und Jannis Niewöhners Karl. Natürlich lassen sich ein paar schmissige, moderne Oneliner und Plattitüden in den Dialogen nicht vermeiden, aber das ist für mich kein großes Problem gewesen. Das Thema des Films ist brisant, aktuell und natürlich sehr wichtig. In diesem Film setzt sich Christian Schwochow und der Drehbuchautor Thomas Wendrich mit dem Auftreten der neuen Rechten in Europa auseinander und wie sie mit modernen Mitteln des Internets, der sozialen Netzwerke und Events ihre Mitglieder erweitert und sogar einen Einfluss auf aktuelle politische Entscheidungen nehmen könnte – und eine große Bedrohung sein könnte. Natürlich ist der Plot in seiner Konstruktion an der ein oder anderen Stelle zu forciert konstruiert. Bei all dem wie der Film dies darstellt setzt man sich als Zuschauer einer direkten Selbstreflexion aus, die auch lange nach dem Film nachhallen kann. Dabei stellen sich Fragen, wie empfänglich man selbst für die Ideologien ist, aus welchem Blickwinkel man Nachrichten über Attentate betrachtet und in Folge von Manipulation, Propaganda, Verführung hinterfragt, was richtig und falsch ist. Und selbstverständlich zeigt der Film auf, mit welchen Mitteln unsere Gesellschaft gesamt aus ihren Fugen gerissen wird und sich Geschichte wiederholen könnte.

„Je Suis Karl“ - My Second Look – 9/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

9874
iHaveCNit: Ein Nasser Hund (2021) – Damir Lukacevic – Warner
Deutscher Kinostart: 09.09.2021
gesehen am 19.09.2021
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 1 Platz 90 – 20:15 Uhr


Aus den Kinostarts des 09.09.2021 habe ich mich auch noch für einen deutschen Genrebeitrag entschieden, der auch sehr sehenswert gewesen ist. Inspiriert durch das Buch „Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude“ des jüdischstämmigen Schriftstellers Arye Sharuz Shalikar und dessen persönlichen Erfahrungen hat Regisseur Damir Lukacevic eine authentische Charakter- und Milieustudie in Form eines Coming-Of-Age-Films geschaffen.

Der junge Iraner Soheil zieht mit seinen Eltern von Göttingen nach Berlin-Wedding. Relativ schnell findet er Anschluss im Freundeskreis des Türken Husseyn und auch mit der Mitschülerin Selma scheint er schnell eine gute Beziehung aufzubauen. Doch inmitten seines muslimischen Umfelds muss der sakulär lebende Jude seine Herkunft leugnen und verheimlichen, damit es zu keinen Konflikten kommt. Als es doch passiert und er selbst mit seiner Identität zu kämpfen hat, scheinen die Konflikte in seinem Umfeld endlos.

„Ein Nasser Hund“ verlegt so wie ich gesehen habe die Handlung des Buchs von den 90ern in unsere aktuelle Gegenwart, da die Probleme und Konflikte zwischen Muslimen und Juden quasi zeitlos und immer noch aktuell sind – genau wie ein grundsätzlich damit verbundener Antisemitismus und Rassismus. Der Film ist sehr authentisch inszeniert, erzählt und gespielt worden. Hier machen vor allem das Trio um Doguhan Kabadayi, Derya Dilber und Mohammad Eliraqui einen unfassbar tollen Job indem sie nicht nur die vielschichtigen Figuren selbst sondern auch die durchaus komplexen und vielschichtigen Beziehungen untereinander großartig spielen und dabei stets glaubwürdig sind – genau wie die Entwicklungen innerhalb des Films sowohl dahingehend als die damit entstehenden Konflikte, Probleme und Herausforderungen. Die Themen, die der Film hier anreißt bezüglich Identität, Rassismus, Antisemitismus, Ausgrenzung, Liebe, Freundschaft, Brüderlichkeit sind natürlich in ihrer Masse unfassbar groß für eine Lauflänge von 100 Minuten, aber der Film schafft wenn auch leicht oberflächlich diese Themen toll zu verdichten. Darüber hinaus liefert der Film auch zum Teil gut choreographierte Actionsequenzen, die von einer hektischen, unruhigen Wackelkamera aufgenommen worden sind. Im Film haben mir dann auch noch vor allem Kida Ramadan als Vater von Soheil gefallen.

„Ein Nasser Hund“ - My First Look – 8/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

9875
Den ersten Film in diesem Jahr, den ich ganze 3 Mal angesehen habe ist Florian Zellers "The Father", weil ich unbedingt mit 2 Familienangehörigen den Film sehen wollte, die auf der einen Seite beruflich, auf der anderen Seite privat direkt mit dem Thema des Films zu tun hatten. Beide waren vom perfekten Schauspiel Anthony Hopkins und der gesamten Umsetzung begeistert - und so hatte ich noch einmal ein ergänzendes Feedback von "Spezialisten" und einen tollen Kinoabend mit meiner Mutter und meiner Oma.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

9876
Sondervorstellungen
iHaveCNit: Spotlight – Die Arthouse-Sneak (08.09.2021) – Überraschungsfilm
Deutscher Kinostart: ???
gesehen am 08.09.2021 in OmU
Arthouse Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Parkett - Reihe 9, Sitz 3 – 21:00 Uhr

iHaveCNit: Spotlight – Die Arthouse-Sneak (22.09.2021) – Überraschungsfilm
Deutscher Kinostart: ???
gesehen am 22.09.2021 in OmU
Arthouse Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 1, Sitz 9 – 21:00 Uhr


Wer mir auf sozialen Medien wie Instagram folgt, weiß dass ich meine Kinobesuche immer dort poste. Da ich unter dem Besuch der letzten Spotlight-Sneak vom 25.08.2021 den Hashtat #spotlightsneak verwendet habe, habe ich zufällig an einem internen Gewinnspiel des Kinos für einen freien Besuch der nächsten Spotlight-Sneak vom 08.09.2021 gewonnen. Da war es klar für mich, dass ich selbstverständlich auch dieses Mal die Spotlight-Sneak besuche. Wie immer gibt es hier einen Überraschungsfilm zu sehen, den man am Ende benoten kann und das Kino ein eigenes Ranking aufstellt für die Filme, die hier gespielt werden. Das aktuelle Ranking sieht wie folgt aus:

1. The Father (1,4)
2. Promising Young Woman (1,9)
3. Minari (2,3)
1. Falling (2,5)

Für den Film gibt es im Vorfeld einen Hinweis auf den sozialen Netzwerken und dieser war wie folgt:

+++ Spotlight-Hinweis +++
Der heutige Überraschungsfilm wurde für die Auswahl des deutschen Beitrags bei der Oscarverleihung 2022 eingereicht. An Relevanz mangelt es dem Thema des Spielfilms definitiv nicht. Der Film der bei der diesjährigen Berlinale seine Weltpremiere feierte wird sicher auf Grund seiner brisanten Thematik (und Umsetzung) noch für reichlich Zündstoff sorgen. Seid gespannt!

Der hier gezeigte Überraschungsfilm wird auch später von mir bei seinem regulären Kinostart gesichtet und ausführlich besprochen. Der Film hat mir sehr gut gefallen, auch wenn er sich in kleineren Bereichen angreifbar macht und sicherlich aufgrund seiner Thematik spalten könnte.

+++ Spotlight-Auflösung vom 08.09.2021 +++
Hier gab es aufgrund Mangel an Personal und Zeit keine direkte öffentliche Auflösung des Films mit Notenschnitt.

Bei der Spotlight vom 22.09.2021 wurde das Ergebnis im Ranking angezeigt.

Der Film war Christian Schwochows „Je Suis Karl“ mit einer Durchschnittsnote von 2,4.

Das Ranking sieht nun nach 5 Filmen wie folgt aus:

1. The Father (1,4)
2. Promising Young Woman (1,9)
3. Minari (2,3)
4. Je Suis Karl (2,4)
5. Falling (2,5)

Bei der Spotlight-Sneak vom 22.09.2021 gab es im Vorfeld keine Hinweise auf den sozialen Netzwerken.

Den Film, der hier gezeigt worden ist, habe ich bereits im August im Freiluftkino Frankfurt gesehen und es gab diesen in der dänischen Originalfassung mit Untertiteln zu sehen.

+++ Spotlight-Auflösung vom 22.09.2021 +++
In der gestrigen Spotlight-Sneak haben wir euch die neue dänische "Komödie" Helden der Wahrscheinlichkeit von Anders Thomas Jensen (IN CHINA ESSEN SIE HUNDE, ADAMS ÄPFEL, MEN & CHICKEN) gezeigt. Eine schwarze Komödie über einen Trupp von Freaks und Nerds auf Rachefeldzug gegen eine Bikergang.
Eure Bewertung = 2,1
Note 1 =12x
Note 2= 22x
Note 3 = 9x
Note 4= 3x
Note 5 & 6 = 0x
Die kommende Spotlight-Sneak findet dann wieder am 6. Oktober in der Harmonie statt. Wir freuen uns auf euch!

Nun sieht das Ranking nach 6 Filmen wie folgt aus:

1. The Father (1,4)
2. Promising Young Woman (1,9)
3. Helden der Wahrscheinlichkeit – Riders Of Justice (2,1)
4. Minari (2,3)
5. Je Suis Karl (2,4)
6. Falling (2,5)

Wie habe ich gewertet ?

Da ich „Je Suis Karl“ eine 9/10 und „Riders Of Justice“ eine 8/10 gegeben habe und mich bei der Notenvergabe auch an dem IHK-Notenschnitt orientiere gab es von mir für „Je Suis Karl“ eine 1 und für „Riders Of Justice“ eine 2.

„Überraschungsfilm 08.09.2021“ - My First Look – 9/10 Punkte.

„Überraschungsfilm 22.09.2021“ - My Second Look – 8/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

9877
iHaveCNit: Schachnovelle (2021) – Philipp Stölzl – Studiocanal
Deutscher Kinostart: 23.09.2021
gesehen am 26.09.2021
Arthouse Kinos Frankfurt – Cinema Lumiere – Reihe 5, Sitz 12 – 19:45 Uhr


An die Schachnovelle habe ich ein paar besondere Erinnerungen. Die Novelle von Stefan Zweig war Unterrichtsbestandteil des Deutschunterrichts, während ich meinen staatlich geprüften Betriebswirt gemacht habe. Damals wurde sowohl Aufbau und Struktur der Novelle als auch die Charaktere untersucht. In der abschließenden Klausur gab es damals eine 2+ und auch die Verfilmung von 1960 mit Curd Jürgens und Mario Adorf wurde seinerzeit gesichtet. Vor der Sichtung der Neuverfilmung habe ich noch einmal die Novelle mit begleitendem Hörbuch gelesen, den Film gesehen und die Unterlagen von damals überflogen. Die Neuverfilmung hat mir sehr gut gefallen und ich glaube, der Film hat eine ähnliche Wertung wie ich damals in der Klausur verdient.

Auf einer Schifffahrt von Europa nach Amerika ist der österreichische Anwalt Dr. Josef Bartok unter den Fahrgästen. Dr. Josef Bartok birgt ein dunkles Geheimnis, dass scheinbar seinen Verstand trübt. Nach der Machtergreifung der Deutschen in Österreich ist der Anwalt in die Gewalt der Gestapo gekommen und inhaftiert worden, mit dem Ziel ihm wichtige Daten zu entlocken. In dieser Haft findet er mithilfe eines Schachbuchs ein Ventil, seiner Haft einen Sinn zu geben – ohne zu ahnen, welche Folgen es für seinen Verstand haben kann.

Rückblickend mit meiner Retrospektive auf Stefan Zweigs Novelle komme ich zu dem Schluss, dass Zweig bei seiner Novelle durchaus auch vor allem wenn es um einzelne Charaktere geht einige kreative Freiräume gelassen hat – und natürlich ist es auch interessant für Verfilmungen, worauf der jeweilige Fokus von Drehbuchautor und Regisseur liegt. Und da finde ich es sehr gut, wie sich Philipp Stölzl von unter anderem auch der Verfilmung aus 1960 abgrenzt und auch als eigenständige moderne Version und Verfilmung des Stoffes gesehen werden kann. Und hier hat mir vor allem ein fast vollständiger Fokus auf den von Oliver Masucci großartig gespielten „Dr. B.“ gefallen und wie durch ihn quasi die Handlungsebenen der Buchvorlage miteinander auf interessante Art und Weise verwoben werden und auch dem Zuschauer gegenüber die Situation von „Dr. B.“ immersiv spürbar werden lassen. Neben dem Ensemble, in dem an Masuccis Seite Albrecht Schuch, Birgit Minichmayr, Samuel Finzi und auch Rolf Lassgard zu sehen sind, unterstützt auch das gesamte Produktionsdesign für eine stimmige und hochwertige Atmosphäre.

„Schachnovelle “ - My First Look – 9/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

9878
iHaveCNit: Toubab (2021) – Florian Dietrich – Camino Filmverleih
Deutscher Kinostart: 23.09.2021
gesehen am 27.09.2021
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 1 Platz 90 – 17:45 Uhr


Ich freue mich immer auch über ein wenig Lokalkolorit in meinem Filmkalender. Wie auch schon vor wenigen Jahren der Gangsterthriller „Nur Gott kann mich richten“ hat nun auch „Toubab“ den Raum Frankfurt als Dreh- und Handlungsort. Aber nicht nur das war für mich Stein des Anstoßes, in diesen Film zu gehen – der Trailer und das Thema des Films haben mich interessiert und angesprochen – zurecht.

Babtou kennt den Senegal eigentlich nur aus Erzählungen seines Vaters, seit über 25 Jahren lebt der in Deutschland Geborene im Raum Frankfurt, doch er soll in den Senegal abgeschoben werden, weil er direkt am Tag seiner Haftentlassung bei einer spontanen Straßensperre mit Willkommensparty seiner Jungs wieder straffällig geworden ist. Die einzige Möglichkeit dieser Abschiebung zu entgehen ist eine Eheschließung – und so bleibt irgendwann Toubab nur noch die Möglichkeit, seinen besten Freund Dennis zu heiraten. Ohne zu wissen, welche Folgen und Herausforderungen das für Beide hat haben sie alle Hände voll zu tun, ihre Scheinehe sowohl Geheim zu halten als auch glaubwürdig gegenüber den Behörden zu verkaufen.

„Toubab“ ist mit knapp über 90 Minuten erfrischend kurz und kurzweilig. Jedoch beraubt sich der Film damit der Möglichkeit seinen Themen eine gewiss größere Tiefe zu geben. Auch so ganz kann der Film Klischees und auch klischeehaft gezeichnete Charaktere vermeiden. Aber der Film macht unfassbar viel Spaß und funktioniert neben einer Milieustudie auch als Buddy-Komödie von 2 Jungs aus dem Frankfurter Raum, die mit ihrem Plan durchaus auf humoristische, natürliche, augenzwinkernde und auch ernste Art und Weise Themen wie Rassismus und Homophobie aufzudecken und anzuprangern. Dabei werden auch Themen wie Heimat, Freundschaft und freie Liebe auf sehr coole und moderne Art verarbeitet. Natürlich bietet der Film an der ein oder anderen Stelle auch sehr interessante und coole Ideen und auch dass der Film Konsequenzen in seiner Konklussion bietet gefällt mir sehr. Darüber hinaus war neben der Inszenierung von Florian Dietrich auch das darstellerische Dou aus Farba Dieng und Julius Nitschkoff großartig.

„Toubab“ - My First Look – 8/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

9879
Je suis Karl - Christian Schwochow

Die erste Hälfte war so elektrisierend brillant, daß ich schon dachte dies könnte der beste Film der letzten Jahre werden, die 2. Hälfte war gleichbleibend intensiv und hochspannend, aber doch nicht mehr so überragend, und ich bin mir noch nicht sicher wie ich das Ende bewerte, sowohl inhaltlich wie auch ästhetisch.

Sehr starker Film in nicht erwarteter Fulminanz.

Re: Zuletzt gesehener Film

9880
Sondervorstellung
iHaveCNit: Spotlight – Die Arthouse-Sneak (06.10.2021) – Überraschungsfilm
Deutscher Kinostart: ???
gesehen am 06.10.2021 in OmU
Arthouse Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 3, Sitz 9 – 21:00 Uhr


Wie immer gibt es hier einen Überraschungsfilm zu sehen, den man am Ende benoten kann und das Kino ein eigenes Ranking aufstellt für die Filme, die hier gespielt werden. Das aktuelle Ranking sieht wie folgt aus:

1. The Father (1,4)
2. Promising Young Woman (1,9)
3. Helden der Wahrscheinlichkeit – Riders Of Justice (2,1)
4. Minari (2,3)
5. Je Suis Karl (2,4)
6. Falling (2,5)

Für den Film gab es im Vorfeld keinen Hinweis auf den sozialen Netzwerken. Hier muss ich jedoch in Anbetracht einer Vielzahl an entsprechenden Kinostarts zum Startwochenende des Films, 14.10.2021 überlegen, ob ich ihn mir überhaupt ein zweites Mal im Kino ansehen werde.

+++ Spotlight-Auflösung vom 6.10.2021 +++
In der gestrigen Spotlight-Sneak haben wir euch das italienische Erzählerepos "Gli anni più belli - AUF ALLES WAS UNS GLÜCKLICH MACHT" (Start 14.10.) von Gabriele Muccino (THE LAST KISS) gezeigt. Ein Jahrzehnte umspannendes Drama über die Freundschaft, Liebe und persönliche Schicksalsschläge von vier Kindheitsfreunden aus Italien.
Eure Bewertung = 2,5
Note 1= 15x
Note 2 = 14x
Note 3 = 14x
Note 4 = 9x
Note 5 = 4x
Note 6 = 0x
Die nächste Spotlight-Sneak findet dann wieder am 20.10. statt.
#spotlightsneak

Nun sieht das Ranking nach 7 Filmen wie folgt aus:

1. The Father (1,4)
2. Promising Young Woman (1,9)
3. Helden der Wahrscheinlichkeit – Riders Of Justice (2,1)
4. Minari (2,3)
5. Je Suis Karl (2,4)
6. Falling / Auf alles, was uns glücklich macht (2,5)

Wie habe ich gewertet ?

Rein vom Gefühl sehe ich den Film auf einer 8/10 – umgerechnet auf einen Notenschnitt bleibt er mir aber auch eine 2 wert.

„Überraschungsfilm 06.10.2021“ - My First Look – 8/10 Punkte.

iHaveCNit: Auf alles, was uns glücklich macht (2021) – Gabriele Muccino - Studiocanal
Deutscher Kinostart: 14.10.2021
gesehen am 06.10.2021 in Italienisch mit deutschen Untertiteln in der Spotlight-Arthouse-Sneak der Arthouse-Kinos Frankfurt
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 3, Sitz 9 – 21:00 Uhr


Nach einem für mich sehr James-Bond-lastigen Wochenende war es mal wieder Zeit, den Kopf auch mit anderen Filmen wieder frei zu machen und da kam mir die Spotlight-Arthouse-Sneak ganz gelegen, die sich so langsam zum Standard in meiner Kinoplanung entwickelt. Da es im Arthouse-Sektor in den aktuellen 2 Wochen eine Vielzahl an interessanten Filmen gibt, war ich auf jeden Fall gespannt, welcher Film es sein wird. Und so kam es dann, dass der italienische Film „Auf alles, was uns glücklich macht“ von Gabriele Muccino gezeigt worden ist. Der melancholische Wohlfühlfilm war dann auch sehr unterhaltsam und hat mir gut gefallen.

In den 80er Jahren finden Paolo, Giulio, Riccardo und Gemma zueinander. Die Freundschaft scheint unzertrennlich, doch gesellschaftliche Umbrüche in Italien sowohl weltweit, unterschiedliche Karrierewege, unterschiedliche Weltanschauungen und auch Beziehungsprobleme sorgen über die Jahrzehnte immer wieder zur Entfremdung und Annäherung des Quartetts.

Der Film ist eine über mehrere Jahrzehnte erstreckende Betrachtung des Lebens des Quartetts, das im Erwachsenenalter von Pierfrancesco Favino, Micaela Ramazotti, Kim Rossi Stuart und Claudio Santamaria gespielt wird. Dabei beleuchtet der Film großartig ausbalanciert jeden der 4 unterschiedlichen Charaktere, deren Hintergründe und deren unterschiedlichen Lebensgeschichten als auch die Beziehung der ganzen Charaktere untereinander. Mit der Einbettung diverser wichtiger geschichtlicher Ereignisse für die Welt sowohl auch für Italien beleuchtet der Film nebenbei auch viele gesellschaftliche Themen und Ebenen. Das mag in seiner Gesamtheit für knackige und kurzweilige 135 Minuten schon etwas zu viel sein – und das ist es letztendlich auch, so dass vieles nur angerissen und oberflächlich bleibt. Klar spielt die Handlung des Films durchgehend in Italien, das Klima und die Atmosphäre ist warm und mediterran, jedoch stelle ich mir die Frage ob ein so warmer und sonniger Farbfilter überhaupt notwendig gewesen wäre. Aber das wären dann bereits die eher kritischeren Worte zum Film. Ich fand den Film sehr warmherzig, sehr unterhaltsam und kurzweilig. Darüber hinaus hat mir auch gefallen, wie der Film mit feinen Mitteln visuelle Bögen schlägt und dich auch durch das Durchbrechen der 4. Wand direkt als weiteren Teil des Freundeskreis mit in die Handlung zieht. Und vor allem erzählt er sehr viel über das Leben an sich. Insgesamt habe ich eine großartige Zeit beim Erlebnis dieses Films gehabt.

„Auf alles, was uns glücklich macht“ - My First Look – 8/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

9881
iHaveCNit: Titane (2021) – Julia Docournau - Koch Films
Deutscher Kinostart: 07.10.2021
gesehen am 08.10.2021
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 1, Sitz 9 – 18:15 Uhr

Angetrieben von einem interessanten Trailer und einer interessanten Filmidee habe ich mir den aktuellen Gewinner der Goldenen Palme der internationalen Filmfestspiele von Cannes angesehen. Julia Docournaus „Titane“ ist ein interessanter und überraschender Genremix geworden.

Alexia hat seit Ihrer Kindheit nach einem Autounfall eine Titanplatte im Kopf und ein interessantes Verhältnis zu Autos. Zu Menschen findet sie kein Vertrauen, so dass sich ihr Verhältnis zu Menschen als tödlich bezeichnet werden könnte. Als sie jedoch aufgrund dessen flüchten und untertauchen muss, steht sie dem einsamen, trauernden Vincent und vielen weiteren Herausforderungen gegenüber.

„Titane“ ist richtig stylish inszeniert worden und erinnert mich von seinem Stil an Werke von Nicolas Winding Refn. Bei dem Film möchte ich mich auch ein wenig kürzer halten, da das Erlebnis dieses Films, sofern man sich darauf einlässt viele überraschenden und unerwartete Dinge zu bieten hat. Zu bieten hat der Film nicht nur großartiges Schauspiel der Schauspieler*in Agathe Rousselle, die als Alexia eine Tour de Force abliefert und von Schauspieler Vincent Lindon, dessen Vincent ein sehr interessanter Charakter ist. Darüber hinaus bietet der Film die Mischung aus Horrorelementen eines Slashers und Bodyhorror sowie ein interessant herausgearbeitetes Familiendrama. Auch setzt sich der Film mit Weiblichkeit, Männlichkeit und genderfluiden Grenzen auseinander und kann dahingehend auch als politisches Statement verstanden werden. Insgesamt hat mich das Erlebnis des Films gepackt und überrascht – und auch daran erinnert, dass ich mir auch mal Docournaus vorheriges Werk „Raw“ ansehen sollte.

„Titane“ - My First Look – 9/10 Punkte.

Kleiner sprachlicher Disclaimer: Da sich Agathe Rousselle als nichtbinär identifiziert, wurden alle Bezeichnungen in Bezug auf Agathe Rousselle gegendert.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Zuletzt gesehener Film

9882
iHaveCNit: Hinterland (2021) – Stefan Ruzowitzky - Paramount
Deutscher Kinostart: 07.10.2021
gesehen am 10.10.2021
Arthouse-Kinos Frankfurt –Cinema Petit – Reihe 4, Sitz 1 – 18:00 Uhr


In meiner Post-Bond-Phase gibt es ja auch durchaus den ein oder anderen interessanten Film, den die Kinostarts zu bieten haben. Einen davon habe ich bereits auf der Liste gehabt, ohne zu wissen, was mich überhaupt erwarten wird – rein von der Besetzung des Österreichers Murathan Muslu, der mich bisher schauspielerisch und auch musikalisch überzeugt hat. Und als ich die ersten bewegten Bilder des Films in Form eines Trailers gesehen habe, wusste ich, dass mich eine sehr interessante Reise im Kino erwarten wird.

Es ist das Jahr 1920. Der Wiener Peter Perg war nach dem ersten Weltkrieg in russischer Kriegsgefangenschaft und kehrt sowohl traumatisiert als auch desillusioniert in die Heimat zurück. Doch kurz nach der Heimkehr ist der ehemalige Polizist wieder gefragt, da ein bestialischer Mord geschieht und das Opfer mit ihm in Verbindung stand.

Neben einer unglaublich starken Performance von Murathan Muslu, der seinen Peter Perg sehr düster, vielschichtig und desillusioniert darstellt, bietet der Film vor allem optisch sehr starke Schauwerte, die das düstere und desillusionierte unterstreichen. Häuser, Straßen, Fenster, Türen, Innenbereiche von Häusern – alles ist verschoben, verzerrt und schief. Mit diesem expressionistischen Look gibt das dem Film eine ganz eigene Atmosphäre. Verbunden wird der Film mit einer doch interessant konstruierten Mordserie eines Serienkillers, dessen Tableaus (bzw. Tatorte) schon durchaus sehr brutal und morbide anmuten. Die Auflösung des Falls ist dann auch interessant, aber durchaus vorhersehbar konstruiert. Des weiteren schildert der Film auch auf sehr interessante Art und Weise, wie die überlebenden Kriegsheimkehrer nach ihrer Kriegsgefangenschaft vollkommen als Ausgestoßene behandelt werden – auch in Bezug etwaiger dadurch bedingter politischer und ideologischer Differenzen, die aufkommen können und es wird angedeutet, was sie in der Gefangenschaft erleiden und durchleben mussten, was dem Film etwas zeithistorisches und noch bedrückenderes gibt.

„Hinterland“ - My First Look – 8/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Ein Blechpirat sieht rot

9883
Feuerstoß

Ein Anruf bringt den Arzt Dr. Tracer dazu, den geplanten gemeinsamen Abend mit seiner Frau abzusagen und stattdessen sofort zum College zu fahren, in welchem er unterrichtet. Eine seiner Schülerinnen ist bei einer Feier zusammengebrochen. Dort angekommen, holt er sofort Medizin aus seiner Tasche. In einer Nahaufnahme ist das Bild zweigeteilt: Die rechte Seite zeigt das nervöse Gesicht einer Lehrerin, mit großen Augen beobachtet sie wie in der linken Bildhälfte die Hand des Arztes das Medikament öffnet. Eine bizarre Einstellung, die später noch einmal wichtig wird. Diese Szene ereignet sich nämlich zu Beginn des italienisch-kanadischen Kriminalfilms „Feuerstoß“ und Dr. Tracer wird bald der Hauptverdächtige einer Mordermittlung sein.

Nachdem er der Studentin Louise nämlich das Mittel verabreicht hat, offenbart sich ihr Zusammenbruch als kleiner Scherz, mit welchem der Arzt auf die Studentenfeier gelockt werden sollte. Schon einmal dort, beschließt er, mitzufeiern – ehe kurz darauf Louise erneut zusammenbricht. Dieses Mal wirklich. Und tödlich. Die Obduktion ergibt: Sie wurde vergiftet. Sofort beginnt der Polizist Tony Saitta die Ermittlungen. Louise war nämlich niemand geringeres als seine eigene Schwester. Die wollte am Tag ihres Todes noch mit ihm telefonieren, doch er war gerade zu beschäftigt damit, fliehende Bankräuber zu verfolgen und ganz im Stil von „Dirty Harry“ über den Haufen zu schießen.

Nun also ermittelt Saitta gegen Dr. Tracer, dem eine Affäre mit Louise nachgesagt wird. Der filmkundige Cineast wird Dr. Tracer von Beginn an kritisch beäugen, spielt ihn doch Martin Landau, der sich einst als mörderischer Leonard in „Der unsichtbare Dritte“ von Alfred Hitchcock seinen Platz in den Annalen der Filmgeschichte sicherte. 1976 verschlug es ihn nach Montréal, in diesen Poliziottesco, der in Deutschland zuerst unter dem Titel „Tod im College“ erschien, mittlerweile aber „Feuerstoß“ genannt wird. Die Italiener kennen ihn unter „Una Magnum special per Tony Saitta“ (zu deutsch: „Eine spezielle Magnum für Tony Saitta“), ein Titel, der absichtlich nach einem Cop-Film mit Clint Eastwood klingt.

Statt dem übernimmt Stuart Whitman den Part des nach Rache düsternden Ermittlers. Seine Karriere lief der von Eastwood entgegengesetzt: Hatte der erst in Italowestern Fuß gefasst und dann in den USA eine große Karriere begonnen, war Whitman in den 1960ern noch in „Die Comanchen“ an der Seite von John Wayne und in der mit Stars gefüllten Komödie „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ zu sehen, verdingte sich aber ein Jahrzehnt später in Filmen der zweiten Liga. Ein Spezialist für solche war Regisseur Alberto De Martino. Als fleißiger Trash-Filmer drehte er legendäre Gurken wie „Der Puma Mann“, „Mord im schwarzen Cadillac“ sowie den skurrilen „Operation ‚Kleiner Bruder‘“, eine italienische Kopie der frühen „James Bond“-Filme, mit Sean Connerys Bruder Neil Connery als Superspion und anderen „originalen“ Mitgliedern der Bond-Reihe, darunter Lois Maxwell, Bernard Lee und Daniela Bianchi.

„Feuerstoß“ filmte er unter seinem Pseudonym Martin Herbert, ein Name, der für das US-amerikanische Publikum leichter auszusprechen war. Die Drehbuchautoren hießen laut Vorspann Vincent Mann und Frank Clark, dahinter verbergen sich jedoch Vincenzo Mannino und Gianfranco Clerici. Letzterer schrieb wenige Jahre später das Drehbuch zum berühmt-berüchtigten Exploitations-Schocker „Nackt und zerfleischt“, besser bekannt als „Cannibal Holocaust“. Sie trugen dazu bei, dass „Feuerstoß“ zurecht als der beste Film von Alberto De Martino gilt. Zahlreiche Szenen zeichnen sich durch schöne kleine Ideen aus, wie die beschriebene Einstellung, in der Dr. Tracer vor den Augen einer Kollegin seine Medikamente auspackt – die wieder aufgegriffen wird, als jene Kollegin bezeugen soll, dass die Packung des Medikaments noch ungeöffnet war, als Dr. Tracer es verwendete.

Schon gleich der anfängliche Banküberfall ist kompetent und spannend inszeniert, wenn auch ordentlich brutal. Das Lexikon des internationalen Films nennt dieses Werk deswegen gar „gewaltverherrlichend“, nicht unbedingt zurecht. Die Handlung hat nämlich einige Wendungen parat, die auch das Gebaren der Action betreffen. Je näher Saitta der Lösung des Falls kommt, umso klarer wird ihm, dass er den Fall deutlich schneller hätte aufklären können, hätte er seine harte Vorgehensweise ein wenig früher abgelegt.

So entstehen nahezu alle Actionszenen daraus, dass Saitta einen Verdächtigen aufsucht und dieser entweder flieht oder von Saitta so aggressiv angegangen wird, dass es zu einer Auseinandersetzung kommt. Einmal führt ihn etwa eine Spur an die Dachkante eines Hochhauses, wo er auf mehrere Transvestiten trifft – und sich sofort mit ihnen prügelt. Da fliegen Perücken durch die Luft, Blumenkübel werden geworfen, ein heißer Lockenstab sorgt für Bedrängnis, kurz hängt Saitta sogar in schwindelerregender Höhe, stürzt fast in die Tiefe. Außer einer nebensächlichen Information durch den eigentlichen Gesuchten bringt den Ermittler die Schlägerei kaum weiter.

„Feuerstoß“ setzt nicht ausschließlich auf aggressive Gefechte. In einigen Sequenzen gelingen De Martino schöne Spannungsmomente, wie eine effektive Szene mit Louises blinder Mitbewohnerin Julie. Sie wird allein in ihrer Wohnung gezeigt, spürt aber die Anwesenheit einer zweiten Person. Zaghaft sagt sie: „Ich weiß, dass hier noch jemand im Raum ist.“ Als keine Antwort kommt, geht sie vorsichtig jeden Meter ihrer Räumlichkeiten ab, ohne Ergebnis. Auch die Kamera zeigt uns nie den mutmaßlichen Einbrecher. Als aber plötzlich ihre Zimmertür laut knallt, haben wir und sie Gewissheit. Sie schreitet auf den Flur hinterher, unwissentlich, dass dort gebaut wird – und ein Teil der Außenfassade ohne Absperrung offensteht, auf den sie zuschreitet.

Solche Augenblicke der Antizipation nutzt De Martino für mehrere spekulativ inszenierte Mordszenen, die so effektiv sind, dass „Feuerstoß“ in einigen Nachschlagwerken gar als Giallo geführt wird – obwohl der Film sich im Vergleich zu den Werken anderer Gialli-Regisseure wie Sergio Martino, Mario Bava oder Dario Argento mit der Explizität der Tötungen stark zurückhält. Immerhin: Eine der Mordszenen fand später ihren Weg erneut auf die Leinwand, als Argento sie 2005 für seinen „Do You Like Hitchcock?“ beinahe Bild für Bild nachstellte. Die blinde Julie wird dem ein oder anderen Filmkenner übrigens bekannt vorkommen. Ihre Schauspielerin Tisa Farrow sieht ihrer Schwester Mia Farrow ziemlich ähnlich. Natürlich war Mia der größere Star, spätestens seit sie 1968 unter der Regie von Roman Polański „Rosemaries Baby“ bekam.

Der absolute Höhepunkt des Films ist derweil eine exzellente Autoverfolgungsjagd, die überdeutlich große und legendäre Vorbilder wie „Bullitt“, „Die Seven-Ups“ und „Die Blechpiraten“ zitiert, selbst aber ein Musterbeispiel für gelungene Stuntarbeit darstellt. Kein Wunder, war für sie doch der Franzose Rémy Julienne verantwortlich, der bei über 400 Kinofilmen an den Auto-Stunts mitwirkte. Sechsmal fuhr er für „James Bond“, legendär zudem seine Beteiligung an zahlreichen Filmen mit Louis de Funès, insbesondere „Fantomas“ und „Die Abenteuer des Rabbi Jacob“. In „Feuerstoß“ liefert er eine famose zehnminütige Blechschaden-Oper, in der ein Mustang und ein Buick ineinander krachen, in Zeitlupe über fahrende Züge springen und meterweit auf der Seite über den Asphalt schleifen. Eine beeindruckende Szene, für die De Martino und Julienne mehrere viel befahrene Straßen in Montréal sperren ließen.

Die kanadische Millionenstadt liefert eine prächtige Kulisse für die zwanghaft unmoralisch-nymphomanische Welt, in der alles einen doppelten Boden hat. Bald erfährt Saitta, dass seine Schwester keinesfalls ein Unschuldslamm war – in mehrfacher Hinsicht. Die eigentliche Auflösung des Mordfalls gerät sogar erstaunlich pfiffig und sorgt für einen rasanten Abschluss. Besonders rasant wirkt der Film auf das deutsche Publikum, denn es bekam nur 88 Minuten des Films zu sehen, zwölf Minuten wurden für die deutsche Fassung geschnitten. Dafür bietet die Synchronisation aus deutschen Landen einen unschätzbaren Vorteil: Der engagierte Einsatz von Sprecher Horst Schön weiß zu kaschieren, wie lustlos sich Stuart Whitman durch seine Hauptrolle langweilt. Außerdem ist die höchst eigenwillige Kombination, Martin Landau durch Synchron-Urgestein Lothar Blumhagen vertonen zu lassen ein Grund für sich, der deutschen Fassung eine Chance zu geben.

Unbedingt erwähnenswert ist noch die stimmungsvolle Filmmusik von Armando Trovajoli, dessen Jazz-Instrumentationen in Richtung des Soundtracks schielen, den Lalo Schifrin für „Dirty Harry“ komponierte, aber auch geprägt sind durch Trovajolis viele Arbeiten für Filme der Commedia all’italiana, einem Genre italienischer Filmkomödien, die mit satirischem Unterton die kleinbürgerliche Spießigkeit persiflierten. Durch seine rotzigen Melodien ist „Feuerstoß“ mit einem zwingenden, durchgängigen Augenzwinkern versehen, die ihm seine Durchschlagkraft sichern. Man könnte sagen: Wenn im bleihaltigen Finale der harte Hund Tony Saitta mit seiner „Magnum special“ aus dem Originaltitel einen Hubschrauber vom Himmel schießt, ist das bierernst gemeinte Ironie, für die ihn Genre-Fans lieben. Sein wohl berühmtester Bewunderer ist dabei kein Geringerer als der mehrfach mit dem Oscar prämierte Filmemacher Quentin Tarantino.
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Zuletzt gesehener Film

9884
Schön geschrieben! Bist du generell ein Freund des Poliziotteschi-Genres? Dafür, dass Feuerstoß ja durchaus als Genre-Geheimtipp gilt fand ich ihn eher mittelprächtig. So arg viel hab ich da gar nicht mehr in Erinnerung, nur dass ich die Story unnötig kompliziert fand und Hauptdarsteller Whitman sehr blass blieb. Gerade im Vergleich zu Genre-Ikonen wie Merli, Nero, Milian oder Silva fehlt da dann schon viel. Aber nach deiner auführlichen Würdigung sollte ich dem Film wohl doch noch mal ne 2. Chance geben, vielleicht falscher Fuss und so.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Zuletzt gesehener Film

9885
AnatolGogol hat geschrieben: 11. Oktober 2021 06:45 Schön geschrieben! Bist du generell ein Freund des Poliziotteschi-Genres?
Danke! Ich habe glaube ich zu wenig Poliziotteschi (und zu meiner Schande auch zu wenig Gialli) gesehen, um mich als Freund des Genres zu bezeichnen, aber da es ja nix gibt, was ich über Gebühr nicht gucke oder nicht mag, bin ich da für alles offen. :) Den "Feuerstoß" haben sie gestern in meinem Lieblingskino auf der schönen weiten Welt gezeigt, im Metropolis, auf einer Originalkopie. Ein Ex-Kollege von mir hat vorab eine kleine Anmoderation geleistet, die war aufschlussreich und voller Details (er ist da voll drin im Italo-Metier, insbesondere im 70er Jahre Giallo Bereich).
AnatolGogol hat geschrieben: 11. Oktober 2021 06:45 So arg viel hab ich da gar nicht mehr in Erinnerung, nur dass ich die Story unnötig kompliziert fand und Hauptdarsteller Whitman sehr blass blieb.
Ja, Whitman stampft mir einer demonstrativen Bocklosigkeit durch den Film, die ist schon fast beispiellos. :mrgreen: Aber ich fand's amüsant und es war kein Dealbreaker, dafür war er insgesamt zu charmant und – wie ich finde – auch effektiv inszeniert. Als Nächstes wollte ich mir mal auf Blu-ray "Leichen muss man feiern wie sie fallen" von Corbucci ansehen, über den ich nicht viel weiß, außer, dass er weitaus mehr ins (beabsichtigt) Komödiantische vorstoßen wird.

Solltest du dem "Feuerstoß" (welch herrlich generischer Titel!) eine neue Chance geben, bin ich auf deine Ansichten gespannt. Allein die tolle Autojagd ist es auf jeden Fall wert!
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.