Re: B-Action und DTV-Kloppereien

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Geschätzter vodka, ich habe auf IMDb ja schon reihenweise Reviews von dir konsumiert, und allesamt zeichnen sich sowohl inhaltlich als auch sprachlich durch feine, humorvolle Rhetorik und Liebe zum Medium aus.
Zudem bin ich bei über 90 % deiner von mir bislang gelesenen Filmbesprechungen auch nah bei dir, was die Bewertung der einzelnen Werke betrifft – mit Ausnahme einiger B-Actioner und namentlich sei hier insbesondere diese Perle genannt: Death Kiss (2018).

Du weißt schon, das Ding mit dem Charles Bronson – Verschnitt. Und da ich an Bronsons Schaffen eigentlich immer einiges an Spaß hatte und du "Death Kiss" mit 6/10 – in Worten: SECHS von ZEHN – Punkten bewertet hattest, hab ich einen Blick riskiert...tragischerweise.

Denn, was ich da sehen musste, hat so ziemlich alles in den Schatten gestellt, was ich jemals in bewegten Bildern auf Leinwänden oder im TV miterleben durfte. Das war wirklich schlimm und ich weiß gar nicht, wo ich hier mit meiner Kritik ansetzen sollte?! Denn vom strunzdämlichen Drehbuch angefangen, über die Auswahl der (Laien)Darsteller bis hin zur praktisch nicht wahrnehmbaren "Inszenierung" ist das eine einzige Katastrophe. Selbst die eingesetzte Technik ist derart miserabel, dass bspw. die Riesen - Wumme des Helden wie eine schallgedämpfte 22er klingt. Auch die Auswahl der Schauplätze oder die Kameraführung sind an Dilettantismus nicht zu überbieten. In diesem Zusammenhang sei etwa die "Action-Szene" und Schießerei am Schrottplatz – oder was das auch war – zu nennen, die so unfassbar mies gefilmt und geschnitten ist, dass es einem die Tränen in die Augen treibt – ich bin mir nur nicht mehr sicher, ob vor Lachen oder vor Weinen.

Selbst ein Verbrechen an der Filmkunst, wie Steven Seagals "Halb Tot – Half Past Dead" von 2002, in welcher der mittlerweile zur 130 kg Kampfwurst mutierte ehemalige Martial – Artist bei jeder Action – Szene gnadenlos gedoubelt werden musste, wirkt im Vergleich zu "Death Kiss" wie ein Oscar-Kandidat. Und egal, wie minimal die finanziellen Mittel, die für diesen "Film" aufgewendet werden mussten auch gewesen sein mögen, nichts aber auch gar nichts rechtfertigt es, diesen Murks auf die Öffentlichkeit loszulassen. Da wäre es noch sinnvoller gewesen, das investierte Geld einem afrikanischen Diktator zu spenden. :mrgreen:

Um auf den Punkt zu kommen: Lieber vodka, mir ist bis zum heutigen Tag absolut unbegreiflich, wie du zu der 6/10 – Bewertung dieser cineastischen Offenbarung im negativsten Sinn gekommen bist, denn selbst deine offen eingestandene Vorliebe für das B-Film Action – Genre kann das nicht im Ansatz erklären. Und deshalb hoffe ich, du nimmst es mir nicht allzu übel, wenn sich bei mir heute und zukünftig nach der Lektüre einer deiner Filmbesprechungen inkl. der dazugehörigen Bewertung von B – Actionern, ein Hauch von Skepsis einstellt. :wink:
Lieber in der Kaiserin als Imperator.

Re: B-Action und DTV-Kloppereien

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Zu Grant:

Der erste Film in dem ich Hugh Grant bewusst wahrgenommen habe war Bitter Moon. "Bewusst wahrnehmen" heisst in diesem Fall dass ich wusste, dass er dabei war, aber ich habe den ganzen Film über gedacht Peter Coyote sei Hugh Grant. Damals lief gerade der Gentlemen-Trailer rauf und runter (und der war eigentlich das erste, worin ich Grant bewusst wahrgenommen habe) und ich fand dass Peter Coyote in Bitter Moon viel mehr aussah wie Hugh Grant in Gentlemen als Hugh Grant in Bitter Moon. :D
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: B-Action und DTV-Kloppereien

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@Doppelnull
Ich verstehe das mit Death Kiss, das ist wirklich grenzwertig. Aber der ist insgesamt gar nicht so schlecht bewertet (ofdb, Blurayrezensionen, selbst die imo immer recht obeflächlichen und massenkompatiblen Filmstarts geben 2,5 von 5). Ich mag die Bronson-Filme der Cannon-Ära und genau für jene Fans ist das Ganze gemacht. Klar, sieht ein wenig nach Laientheater aus, aber das hat einen ganz besonderen Charme der zumindest in unser damaligen Nerd-Runde gefunkt hat. Die richtigen Leute, zur richtigen Zeit, in der richtigen Stimmung. Oft ist es so simpel.

Die Ähnlichkeit zu Bronson ist schlicht verblüffend und der Tonfall angemessen derb. Klar, Handlung, Darsteller und Regie sind alle Wumpe, aber zumindest ich verspürte da echten Elan und Liebe zum Original (das ja ebenfalls schon Trash-Züge trägt). Das ist keine billige Auftragsarbeit um schnell Kohle zu machen, da sind Fans am Werk gewesen und davor habe ich Respekt und dafür empfinde ich Sympathie.
Und der Vergleich mit den späten Schandtaten des Aikido-Moppelchens war ein bißchen unfair. :)

Den Adkins kann ich dir aber bedenkenlos empfehlen, der ist in jeder Hinsicht "wertiger", wenn natürlich auch in jedem Sinne "B".
Zuletzt geändert von vodkamartini am 8. April 2021 12:01, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: B-Action und DTV-Kloppereien

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@Goldie
Grant erst durch Bitter Moon kennen zu lernen ist eine gar nicht zu unterschätzende Leistung. Schließlich war der Mann gefühlt 2 Jahrzehnte der King of RomCom. :) Dazwischen hat er aber immer schon mal sein etwas "dunkleres" Talent aufblitzen lassen und inzwischen - als definitiv zu alt für den Scheiß - lässt er es so richtig krachen. Freue mich jedes Mal wenn er auf der Besetzungsliste steht und mit Ritchie hat er jemanden gefunden, der seine Bandbreite zu schätzten und zu nutzen weiß. Vor Gentlemen hat er ja auch schon Codename UNCLE aufgewertet.
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Re: B-Action und DTV-Kloppereien

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Und schon wieder Scott, also Adkins. Der Mann ist ein Workaholic und zum Glück auch ein Punchaholic. Mit Jesse hat er offenbar genau den richtigen Kompagnon gefunden.

Auf BluRay / Stream: The Debt Collectors /The Debt Collector 2

Pulp Conviction - The "Kick him!" dreamteam

John Ford und John Wayne haben es satte 21 Mal getan, Martin Scorsese und Robert De Niro immerhin 8 Mal und Tim Burton und Johnny Depp kommen auf 7 gemeinsame Filme. Nicht jeder ein Klassiker, aber fast alle klasse. Kurz vor der glorreichen siebten Zusammenarbeit stehen auch Scott und Jesse. Also der Adkins Scott und der Johnson Jesse. Kennt ihr nicht? Solltet ihr aber. Denn auch die beiden sind ein Dreamteam. Manche würden sagen, aber in deutlich maueren, wir Sympathisanten ihrer Kunst würden dagegenhalten, in etwas raueren Gefilden ...

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Re: B-Action und DTV-Kloppereien

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The Debt Collector aka Pay Day (Jesse V. Johnson, 2018)

„A moral compass in this business is like pines hand grenade“

Für den bedingungslosen Anhänger der Adkins-Diät beginnt der Tag wie immer. Scott hat sich mühsam sein eigenen kleines Dojo aufgebaut und ist keineswegs gewillt, es sich von der halbseidenen Konkurrenz abluchsen zu lassen. Also schickt er deren arrogantes Kampfsport-Schlägertrio mit einer beindruckenden MMA-Absage auf die Bretter und anschließend wohl in die nächst-gelegene Notaufnahme. „Abgefrühstückt“ nennt man so was auch und der erste Haken kann gesetzt werden. Dass der Rest des Films schwerer verdaulich erscheint, ist langfristig gesehen ein Gewinn, wer den partout nicht sehen will, kann auch mal einen Cheat Day vertragen ...

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Re: B-Action und DTV-Kloppereien

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Der Wassermann ist auch auf der Erde kein ruhiges Gewässer. Und wer er mal wieder in B-Gefilden wildert, dann geht man gern mit auf die Jagd.

Als Stream: Sweet Girl (2021)

(Charme-)Bolzengewähr

Präsenz gepaart mit Wucht ist im Actionfilm mehr als die halbe Miete, leider trifft man diese Kombination viel seltener an, als gemeinhin angenommen. Die von Arnold Schwarzenegger hinterlassene Lücke ist mindestens so groß wie sein Bizeps. Nachdem Bodybuilder heute eher grotesken Luftballon-Skulpturen gleichen, kommen inzwischen die allermeisten relevanten Epigonen aus der Wrestlingszene. Hier sind die Körperformen noch erkennbar humanen Ursprungs und ein rudimentäres Showtalent von großem Nutzen. Dass diese Mixtur mit zunehmenden Einsätzen auch auf der Leinwand funktioniert, beweisen selbst Baumstamm-Mimiker wie John Cena oder Dave Bautista. Kommen nur ein wenig Schauspieltalent und Humor dazu, dann kann es sogar zum Superstar-Status reichen. Aus dem eigenen Lager droht Dwayne „The Rock“ Johnson also wenig Gefahr, aber seit Ex-Model Jason Momoa seine Baywatch-Silhouette sukzessive in eine Conan-Statur transformiert hat, ist die Haudrauf-Liga wieder spannend geworden ...

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Re: B-Action und DTV-Kloppereien

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Ich packs mal hier rein, weil dieses Subgenre per se hie rau Hause ist und auch keine Kinoaauswertung vorliegt:

Im Stream: KATE (2021)

Gig in Japan

Es ist schon etwas länger als 96 Stunden her, dass der Revenge-Thriller wieder salonfähig wurde. So gesehen alles richtig gemacht, Liam. Seit der rüstige Ire der ganzen Pariser Unterwelt auf der Suche nach seiner entführten Tochter das Fürchten lehrte, ist das lange Zeit im reaktionären Giftschrank weggesperrte Subgenre wieder voll da. Ob im Independent-, Mainstream-, oder Pantoffel-Kino, ob im Arthouse-Gewand- oder als Action-Ballett, ob als Sozialdrama oder Groschenheft-Interpretation, ob wegen Verrat, Vergewaltigung, Verdammnis oder Vierbeinern, der Rache-Film ist in zig Spielarten, Subtexten und Sehformaten unterwegs. Längst sehen auch nicht mehr nur alte weiße Männer rot, auch das vermeintlich schwache Geschlecht hat den Vigilantismus zum Frustabbau für sich entdeckt. Quentin Tarantino hat hier sicherlich Pionierarbeit geleistet, wovon ein gewisser Bill ganze Arien singen würde, wenn er denn noch könnte ...

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Re: B-Action und DTV-Kloppereien

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Liam geht wieder aufs Eis - und das ist kurz vor dem Einbrechen. Was für ein Meta-Spaß. :)

Im Kino: The Ice Road (2021)

Dünnes Eis

In einer kanadischen Diamanten-Mine gibt es eine Explosion. Die Männer werden verschüttet. Zur Rettung bedarf es riesiger Bohrköpfe aus North Dakota.. Die tonnenschwere Last kann aber nur mit Trucks transportiert werden. Dazwischen liegt ein zugefrorener Ozean und das Tauwetter hat bereits eingesetzt. Genau die richtige Herausforderung für „Ice Driver“ Mike McCann.

Vor 40 Jahre hätte man sich keinen anderen als Charles Bronson hinterm Steuer vorstellen können. Ein Glück dass die Kandidatenliste heute ähnlich kurz ist. Seit er vor 15 Jahren in der Pariser Unterwelt aufgeräumt hatte, ist der hemdsärmelige Ire Liam Neeson die Traumbesetzung für alle letzten echten Kerle des actionreichen Abenteuer- und Thrillerkinos. Wie sein Vorgänger Bronson hat er auch im Charakterfach begonnen und im reifen Alter den wortkargen Einzelkämpfer kultiviert. Dass er dabei trotz ähnlicher Härte und Kompromisslosigkeit nicht wie John Rambo wirkt, ist die eigentliche Leistung hinter dieser Wandlung ...

https://ssl.ofdb.de/review/349230,862198,The-Ice-Road
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Re: B-Action und DTV-Kloppereien

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iHaveCNit: The Ice Road (2021) – Jonathan Hensleigh - Wild Bunch
Deutscher Kinostart: 14.10.2021
gesehen am 18.10.2021
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kinosaal 11 – Reihe 16, Platz 16 – 21:15 Uhr


Natürlich gibt es auch mal eine gewisse Portion Action, die man sich im Kino geben kann. Da passte Jonathan Hensleighs „The Ice Road“ mit Liam Neeson ganz gut, auch wenn er trotz einigermaßen guter Action doch etwas kalt gelassen hat.

In einem Bergbau im kanadischen Nord-Manitoba kommt es zu einem Unfall bei dem Mitarbeiter verschüttet werden. Die einzige Möglichkeit fürs Überleben dieser Mitarbeiter sind spezielle Bohrgestänge, die dorthin über den beschwerlichen, gefährlichen Weg über die „Ice-Roads“ transportiert werden müssen. Für die Rettungsaktion und das Himmelfahrtskommando stellt der Trucker Jim Goldenrod ein kleines Team zusammen mit unter anderem Mike McCann und seinem Bruder Gurty.

Wenn ich bei „The Ice Road“ für eine Sache unglaublichen Respekt entwickelt habe sind es die erfahrenen Trucker, die unter Einsatz ihres Lebens Transporte über die „Ice Roads“ vornehmen. Genau dieser Job und das Setting dieses Jobs eignet sich natürlich perfekt für einen Actionfilm. Bei „The Ice Road“ liefert der Film natürlich genau das und alles was passieren kann, wird auch passieren. Die gebotene Action kann sich auch einigermaßen sehen lassen. Jedoch wirken Effekte und letztendliche handwerkliche Umsetzung an manchen Stellen nicht ganz so gelungen und gut. Bei den Charakteren und auch auftretenden Konsequenzen wird das ganze etwas flach aufgelöst – so flach, dass es einen auch wirklich kalt lässt und der Film eher wie eine kleine Schneeverwehung wirkt statt wie eine riesige Lawine.

„The Ice Road“ - My First Look – 5/10 Punkte.
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: B-Action und DTV-Kloppereien

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Ich packs mal hire rein, denn 250 Millionen Budget hin oder her, hier ist der Platz des grauen Mannes. ;) Denn:

Netflix hat es wieder getan. Im Stile des Neureichen hat man viel Kohle verprasst, ohne dabei Stil zu haben. Aber im vorliegenden Fall ist das kein Manko, wenn auch ungewollt:

Commando B(allermann)

Ja, das waren noch Zeiten, als ein österreichischer Einwanderer ins gelobte Filmland kam und dort ein neues Spaßprodukt etablierte: den wertigen B-Kracher. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Story pfui, Action hui. Filme wie „Commando“, „Raw Deal“, „Red Heat“ oder „Running Man“ gelten heute als Kultklassiker, vor allem vor dem Hintergrund der traurigen Entwicklung, die dieses einst so glänzend da stehende Spartenprodukt genommen hat. Zunächst ging es in die schummrigen Niederungen der DTV-Releases und später dann in den ähnlich morastigen Streaming-Sumpf. Die Budgets sanken merklich, die „Stars“ mussten mangels jeglicher Form von Charisma nicht um eine spätere A-Karriere fürchten und die fähigen Action-Handwerker waren sich für solche Discount-Ware inzwischen zu schade.
Aber siehe da, plötzlich haben die Nachfahren der Videotheken wieder richtig prall gefüllte Festgeldkonten. Und um die Couchpotatoe-Masse bei Laune zu halten ist man durchaus zu der ein oder anderen Schandtat äh Investition bereit ...

https://www.ofdb.de/review/361495,88031 ... YdaUoRnzfI
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Drachenfliegen leicht gemacht

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Auf der Fährte des Adlers

Wer an die 1970er denkt, denkt an Clogs, Schlaghosen, Lavalampen, die Bee Gees und … Drachenflieger? Na klar! Der Luftsport, bei dem ein Pilot unter einem Hängegleiter, auch Deltasegler oder Drachen genannt, mit etwa elf Metern Spannweite hängt und durch die Lüfte segelt, war im Disco-Jahrzehnt – wie man damals sagte – „hipp“. Die Erfindung des gefährlichen Freizeitvertriebs geht auf den Aerodynamiker Francis Rogallo zurück. Er erschuf im Auftrag der NASA nach dem Zweiten Weltkrieg einen zusammenklappbaren, flexiblen Flügel, der für die Rückkehr von ausgebrannten Raketenstufen zur Erde dienen sollte. Mitte der 60er wurden die Geräte als Rogallo-Gleitschirme bekannt, doch die NASA verzichtete letztlich auf ihren Einsatz. Seine Erfindung machte dennoch Schule und inmitten der Flower-Power-Bewegung etablierte sich das Drachenfliegen in den Küstenregionen der USA.

Auch in Deutschland löste der Sport einen Medienrummel aus, als 1973 der junge Kalifornier Mike Harker mit einem Gleiter von der Zugspitze abflog. Drachenfliegen war damit in Europa angekommen – und wenig verwunderlich griff es kurz darauf die Filmwelt auf. Noch im selben Jahr sah man Roger Moore in seinem ersten Einsatz als „James Bond 007“ im Film „Leben und sterben lassen“ unter einem Hängegleiter, ein paar Jahre später griff die Reihe den Sport in „Moonraker“ erneut auf. Der kultige satirische Actionkracher „The Man from Hong Kong“ warb 1975 ebenfalls groß mit seinen spektakulären Drachenflieger-Szenen. Das kinematografische Potenzial der motorlosen Fluggeräte erkannte auch der Produzent Sandy Howard und beschloss, einen ganzen Film um das Drachenfliegen herum zu konstruieren: „Auf der Fährte des Adlers“.

Worum es in diesem Film abseits vom Luftsport geht, ist flott erklärt: In Athen überfallen bewaffnete Männer mit Eishockeymasken das Haus des Millionärs Jonas Bracken. Seine Frau Ellen und ihre zwei Kinder werden entführt, sämtliche Hausangestellte erschossen. Bracken selbst ist zu dem Zeitpunkt bei einem Geschäftstermin. Nun soll er sich über Funk bereithalten, und ein saftiges Lösegeld an die Entführer zahlen. Die Polizei aber bittet ihn, auf Zeit zu spielen, um die Terroristen in die Finger zu bekommen, die sich als anti-imperialistische Revoluzzer zu erkennen geben. Doch die Polizei erweist sich als unfähig: Bei einem ersten Versuch, die Terroristen zu orten, geraten sie in eine Falle, bei der drei blaue Engel ihr Leben lassen, darunter der Neffe des leitenden Inspektors Nikolidis.

Welch Glück für Jonas Bracken, dass Ellens Ex-Mann Jim McCabe ein echtes Raubein ist! Sobald der Gelegenheitskriminelle von der Entführung seiner ehemaligen Gattin hört, beschließt er, auf eigene Faust die Gangster ausfindig zu machen. Tatsächlich findet er heraus, dass Ellen und die Kinder auf einem abgelegenen Bergkloster festgehalten werden. Nur: Wie kommt man da jetzt rauf, um die Geiseln freizuschießen? Kurzerhand heuert McCabe professionelle Drachenflieger an und macht einen Hängegleiter-Schnellkurs. Kann doch so schwer nicht sein. Und schon finden er und seine neuen Freunde sich in einer Nacht- und Nebelaktion erst in luftiger Höhe und dann im Kugelhagel wieder …

Da wirklich einzig und allein die Luftszenen der Grund sind, warum „Auf der Fährte des Adlers“ je gedreht wurde, versucht Regisseur Douglas Hickox möglichst schnell zum Punkt zu kommen. Nur 91 Minuten kurz ist sein Actionfilm, wobei die große Rettungsmission in Minute 54 beginnt. Dementsprechend hoch ist das Tempo: Keine fünf Minuten dauert es, ehe die mit Sturmgewehren bewaffneten Terroristen die Familie entführen, danach werden rasch alle Figuren in Stellung gebracht. Den knallharten Haudegen McCabe mit James Coburn zu besetzen, kann gar als Abkürzung betrachtet werden, denn der Western-Star aus „Die glorreichen Sieben“ und „Pat Garrett jagt Billy the Kid“ spielt hier von der ersten Sekunde erkennbar schlicht seine bekannte Leinwand-Persona: Immer Herr der Lage, unbestreitbar cool und verwegen, ein Macher eben.

Die illustre Besetzung kann sich auch abseits von ihm sehen lassen: Die entführte Gattin gibt Susannah York, die damals spätestens dank des Tanzfilms „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“ zur A-Liga im europäischen Kino gehörte, ihren besorgten Mann spielt Robert Culp, berühmt als Serienstar neben Bill Cosby in „Tennisschläger und Kanonen“. Wirklich köstlich ist der bewusst diktatorisch angelegte Auftritt des armenisch-französischen Komponisten und Schauspielers Charles Aznavour als Inspektor der Polizei von Athen, der im Originalton übrigens gar nicht erst versucht, einen griechischen Akzent zu behaupten.

Auf Seiten der aalglatten Schurken gibt es in einem skurrilen Part die Model-Ikone Zouzou und den Österreicher Werner Pochath als Anführer der Terroristen zu sehen. Pochath war oft auf Bösewicht-Rollen abonniert (etwa im Western „Die rote Sonne der Rache“ oder in der Prügelkomödie „Plattfuß in Afrika“) und liefert auch hier in seinen wenigen Szenen ab. Eher unscheinbar als einer der Drachenflieger ist außerdem John Beck mit an Bord, der nur wenige Jahre später den Mark Graison im TV-Hit „Dallas“ spielte – und schon in „Auf der Fährte des Adlers“ seinen charakteristischen dicken Schnurrbart trägt.

Dank ihnen allen weht ein Eau de Fleur von Hollywood durch die mit einem Budget von 350.000 Dollar günstige Produktion, wobei noch insbesondere der großartige Komponist Lalo Schifrin („Dirty Harry“, „Bullitt“) mit seiner beschwingt-fröhlichen Titelmusik für Stimmung sorgt. Das eigentliche Interesse des Films liegt aber in seinen Bildern: Nicht nur dürfte Griechenland als Handlungsort bei den US-Zuschauern für einen Hauch von Exotik gesorgt haben, die Aufnahmen von Drachenfliegern sind schlicht und ergreifend spektakulär. Acht echte Hängegleiter-Piloten (Chris Wills, Bob Wills, Susie Wills, Kurt Kiefer, Dix Roper, Carol Price, Chris Price & Dean Tanji) flogen für die Produktion durch das enge griechische Metéora-Gebirge, gefilmt vom begnadeten Helikopterkameramann Greg MacGillivray.

Die Kamera hängt dabei teilweise mit den Piloten im Gleiter und sorgt für phänomenale Einstellungen. Als nach der Landung auf einem der vielen dort hochgelegenen Kloster gelandet und geballert wird, bietet Hickox eine Materialschlacht sondergleichen. Das aufwendige Feuergefecht, in dem sich noch die griechische Polizei und der besorgte Familienpapa Bracken mit Maschinengewehr einmischen, ist übersät mit Explosionen und endet mit einer waghalsigen letzten Jagd, in der die flüchtenden Drachenflieger von einem Helikopter verfolgt werden. An dessen Kufen hängt zu dem Zeitpunkt James Coburn höchstpersönlich und macht damit seinem Ruf als Actionheld alle Ehren. Die Aufnahmen dieser finalen halben Stunde sind so furios und mitreißend, dass sie kurz darauf wiederverwendet wurden: Im Intro der TV-Serie „Ein Colt für alle Fälle“ kann man unter anderem den am Helikopter hängenden Coburn erkennen.

Freilich nimmt es „Auf der Fährte des Adlers“ mit der Logik nicht allzu genau und ist einzig und allein als schnelles Spektakel konzipiert. Damit kann er aber auch als Wegbereiter gesehen werden: Im Rückblick wirkt Hickox runder Spaß wie ein Prolog auf das Actionkino der 80er Jahre, in dem Namen wie Arnold Schwarzenegger oder Sylvester Stallone den Ton angaben. Nicht bloß, weil die Action durch die absurden, körperlichen Höchstleistungen ihrer Akteure getragen wird, sondern auch weil McCabe als Hauptfigur selbst wie viele seiner Nachfolger als der personifizierte geheime Traum der vermeintlich spießigen Zivilgesellschaft auftritt: Er schreitet mit Waffe in der Hand und coolem Spruch auf den Lippen zur Tat, als der Staat gänzlich versagt. Ein weiterer Vergleich: Der zehn Jahre später erschienene 80s-Überhit „Top Gun“ tat letztlich auch nichts anderes, als seinen dünnen Plot um spektakuläre Flugsequenzen (dieses Mal im Kampfjet) herum zu konstruieren.

Man kann die unverhohlene Selbstjustiz-Geschichte negativ betrachten, und das wurde sie damals auch. Die Kritiken stürzten sich anno 1976 auf den kommerziell enttäuschenden Film. Das Lexikon des internationalen Films etwa urteilt: „Ganz nach Klischee inszeniert, nur mäßig spannend und von fragwürdiger ideologischer Tendenz.“ Dass wiederum „Auf der Fährte des Adlers“ auch seine Liebhaber fand und andere Filme inspirierte, lässt sich allzu leicht erkennen: Fünf Jahre später klauten der Produzent Albert R. Broccoli und der Regisseur John Glen bei dem Actionspektakel dreist für ihren „James Bond 007“-Film „In tödlicher Mission“. Auch dort muss Roger Moore im spannenden Finale unbemerkt die Festung der Bösewichte stürmen, die sich in einem Bergkloster im Metéora-Gebirge verstecken – allerdings nicht per Drachenflieger, sondern mit dem Kletterseil ausgerüstet.

Als launig-naiver und zügig erzählter Geheimtipp ist „Auf der Fährte des Adlers“ noch heute für einen gemütlichen Abend gut. Zumal dem Film ein ungewöhnliches Kompliment gemacht werden kann: Sein deutscher Titel ist international die tatsächlich beste Alternative. Im Original kennt man ihn unter dem banalen „Sky Riders“ (zu deutsch: „Himmelsreiter“), die Franzosen nennen ihn (übersetzt) „Die Delta-Intervention“, die Italiener „Die Falkenmänner“ und die Spanier gar „Der Angriff der Vogelmenschen“.
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