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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
"E.T." ist von dem Familien-Kitsch späterer Spielbergs wirklich Lichtjahre entfernt. Was er da alleine elf Jahre später in "Jurassic Park" für Geschütze auffährt, damit wir auch wirklich alle begriffen haben, dass es im Leben echtes Glück nur mit Frau und Kindern gibt, davon war in seiner Karrierephase vor "Hook" nichts zu spüren. In "Unheimliche Begegnung der dritten Art" sagt der olle Dreyfuss sogar "Tschö mit Ö" und erforscht lieber den Sternenhimmel, als sich weiter um die Ernährung der Blagen zu kümmern. Würde Spielberg den heute drehen, die Figur würde den Aliens vor die Füße spucken und ihnen erstmal eintrichtern, was ihnen einfällt, ihn von seiner geliebten Familie losreißen zu wollen. In "E.T." steht, wie Anatol korrekt sagt, eine dysfunktionale Familie im Vordergrund, natürlich stark geprägt durch Spielbergs eigene Kindheitserfahrungen. Auch hier: Würde Stevie den heute machen, den "E.T.", dann käme am Ende der Papa wieder zur Familie zurück, der versehentlich von den E.T.s entführt wurde und seine Familie natürlich nie absichtlich verlassen hätte – denn wie könnte er auch, der arme Narr.
In den Filmen vor "Hook" ist dieser moralinsäure Familienbohei in Spielbergs Karriere für mich kaum präsent. "Der Tempel des Todes" hat das eigentlich auch nicht wirklich, obwohl er den Playboy Indy natürlich schon in eine Art Familienkonstellation wirft. Die Beziehung zwischen Indy und Short Round finde ich dabei aber eigentlich meistens ganz süß (wenngleich der Junge zwei Spuren zu hyperaktiv ist). Nervig ist nur die alte Kreisch-Schwester, die vielleicht ganz knappe 7.000 mal zu oft ihre Stimmbänder und damit meinen guten Willen überreizt. Auch in "Der letzte Kreuzzug" merke ich von der späteren Spielberg-Propaganda (Häusle baue, Kinder mache) wenig. Da geht es sicherlich insgesamt darum, dass ein Vater und ein Sohn wieder zueinander finden, aber das ist hier keine Dauerwerbesendung für das gefüllte Eigenheim, sondern eben ein passendes emotionales Fundament für einen Actionfilm. Die Gralssuche wird damit auch die Suche nach sich selbst und das verknüpft sich alles sehr befriedigend und vor allem logisch.
Ansonsten ist doch bei Indy alles glasklar: "Der letzte Kreuzzug" ist der beste Film, vielleicht sogar (neben dem Haifisch) der beste Spielberg, auf jeden Fall mein liebster. Irgendwer hat es weiter oben ganz richtig gesagt: Da folgt Höhepunkt auf Höhepunkt, da ist jede Szene bis ins letzte Detail auf die Spitze getrieben, da wird jeder Gag, jede Actionszene, jede Konfrontation, einfach alles nochmal eine Spur weitergedacht als in anderen Filmen dieser Art. Und es ist der am besten gefilmte Spielberg. Douglas Slocombe ist für die visuelle Identität der Reihe mindestens so wichtig wie Spielberg selbst und ihm gelingen hier teils fantastische Einstellungen, die Kameraarbeit ist vorbildlich dynamisch, ein riesiger Spaß. Übrigens war kein John Williams Score je so gut wie dieser (knapper zweiter Platz geht an den zweiten weißen Hai).
"Jäger des verlorenen Schatzes" ist der Überklassiker und genau wie Indy 3 locker in der ewigen Spielberg-Top-Five. Diese raffinierte Verbindung aus alten Pulp-Serials mit dem damaligen Ton und Geist des Actionkinos ist (trotz ihrer damals nostalgischen Ausrichtung) bemerkenswert zeitlos. Harrison Ford ist von Sekunde 1 an Kult, der Ton ist in unter einer Minute glasklar gesetzt, und ansonsten ist das in handwerklicher Perfektion präsentiertes Actionkino mit Verve – hätte Spielberg sich den dummen Nazi-Affen gespart, wäre es sogar ein gänzlich perfekter Film. "Der Tempel des Todes" stinkt gegen seine zwei Kontrahenten etwas ab. Als Actionspektakel rockt der die Hütte wie kein anderer Spielberg und einige Momente gehören zu den Highlights seiner Filmografie (Indy befreit die Kinder aus der Mine – Hell yes!). Aber Szenen wie das "Dschungelcamp", in dem Willie im Rundgang einmal jedes Tier anschreit, das je im Dschungel gelebt hat, stechen negativ ins Auge und sind eine Spur zu albern für einen Film, der dann zwischendurch wieder unpassend düster werden will.
Außerdem hat Teil 2 am wenigsten von Indy bei der Arbeit zu bieten (sogar im Vergleich zum natürlich bislang schwächsten Teil "Das Königreich der Kristallschädel"). Er stolpert zufällig in das indische Dorf, reitet los zum Sultan, stolpert erneut versehentlich in den Tempel des Todes und von da an geht es eigentlich nur um die Steine und die Kindersklaven. Dass Indy eigentlich Archäologe und Geschichtsprofessor ist, muss man sich hier eher erraten (oder aus dem Vorgänger erinnern). Der oft gescholtene Teil 4 ist besser als sein Ruf, aber leider trotzdem nicht so richtig gut. Die Familien-Propaganda schlägt hier vollends zu buche, und Indy muss am Ende selbstredend in den Hafen der Ehe einfahren. Die künstlichen Tricks sehen oft mies aus, die Action ist merkwürdig unkreativ vielerorts, der Plot wird enorm wirr erzählt und irgendwie ist der Film besonders beschissen ausgeleuchtet. Alle Szenen wirken merkwürdig überstrahlt mit Licht, einiges sieht echt hässlich aus. Highlights sind die ersten tollen zwanzig Minuten (Area 51 und Atompilz) sowie die Ameisenszene und John Hurt als … verlotterte Version von John Hurt.
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Let the sheep out, kid.