Re: Zuletzt gesehener Film

10561
Patrice hat geschrieben: 29. Januar 2023 01:14 Babylon (2023)
Absolut tolle Atmosphäre, klasse Gags, großartige Charaktere und einen eindringlichen Soundtrack.
Es gab im Film sehr viele Onetakes, die sich durchweg gut integriert haben, bspw. als wir das erste mal das Filmset besuchen.
Der Film ist ein audiovisuelles Meisterwerk, bei dem ich aber auch verstehen kann, wenn man nicht den Zugang dazu findet. Dafür ist er teils doch zu speziell. Bei mir jedoch hat er voll gezündet.

10/10
Wenn man die Punkte halbiert, nähert man sich der Wahrheit an. Ich fand den hochgradig anstrengend, obwohl viele schöne Szenen drin sind, aber sie bilden kein größeres Ganzes. Oft ist das eigentlich eine Aneinanderreihung wahnsinnig aufwendiger SNL-Sketche. Die Party-Exzesse sind irre und reißen mit, Margot Robbie ist wieder wunderbar, aber zugleich ist dann das angeklebte Epilog-Ende große manipulative Scheiße. Besonders die jetzt schon berüchtigte Montage, über die sich zurecht in den USA sehr viele Rezensenten lustig gemacht haben. Einer von ihnen (ich glaube bei der Variety) fand sogar, dieses Ende sei so daneben, dass er es jetzt einfach spoilern müsse, um andere davor zu warnen. :mrgreen: Obwohl er es so nicht gemeint hat, wird Chazelle da auf den letzten Metern zum großen Apologeten von ausbeuterischen Mechanismen in Hollywood, getreu dem Motto: "Mag sein, dass hier vieles auf die Kosten von Minderheiten geht und Menschen schamlos erniedrigt werden, aber wenn es nicht so wäre, dann hätten wir all die tollen Filme nie bekommen, die wir so lieben."

Das ist dann auch mein Hauptproblem mit Chazelle, schon vor "Babylon", hier aber dann besonders deutlich: Sein Film versucht sehr angestrengt, die ganz große Liebeserklärung an das Filmemachen und an Hollywood und an das Handwerk vor und hinter der Kamera zu sein, ist aber eigentlich wahnsinnig zynisch. Wie schrieb einer so schön? "It's a love letter to cinema that made me hate cinema."
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Re: Zuletzt gesehener Film

10562
Gut, die letzten 5 Minuten waren wirklich etwas wirr 😅 Ich frage mich auch, warum man hier teilweise nicht synchronisiert hat.
Aber insgesamt passt es irgendwie zum Film und diesem vermitteltem Rauschzustand. Die 5 Minuten vermiesen mir die restlichen 184 nicht. Ich denke auch, dass der Film 30-40 Minuten zu lang ist, aber ich wüsste nicht, was man hätte herausschneiden sollen. Es passt einfach so, wie es ist.
Die Partys im Film sind audiovisuell wirklich ganz großes Kino.
„Bei Ihnen alles in Ordnung?“
„Im Moment nicht, danke!“

Re: Zuletzt gesehener Film

10563
iHaveCNit: Plane (2023) – Jean-Francois Richet – Leonine
Deutscher Kinostart: 02.02.2023
gesehen am 02.02.2023
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 8 – Reihe 13, Platz 17 – 20:20 Uhr


Bevor es dieses Wochenende in etwas anspruchsvollere Arthouse-Regionen geht, ist erst einmal stumpfes Action-Kino angesagt mit „Plane“ von Jean-Francois Richet, in dem auch Gerard Butler mit von der Partie ist, dessen „Chase“ leider im letzten Jahr für mich eher zum Bodensatz des Jahres gehört hat. Bei „Plane“ wird dies jedoch nicht der Fall sein.

Captain Brodie Torrance steht ein letzter Flug bevor, bevor er nach Neujahr seine Tochter besucht. Mit wenigen Passagieren an Bord geht es von Singapur über Tokyo nach Honolulu. An Bord befindet sich auch der unter FBI-Beobachtung stehende Kriminelle Louis Gaspare. Während des Flugs gerät die Maschine in einen Sturm und muss nach einem Blitzeinschlag auf einer Insel notlanden. Was Brodie nicht weiß – die Insel wird von Separatisten nach eigenen Regeln regiert, so dass ihm nur wenige Zeit bleibt die Rettung für seine Passagiere zu organisieren, die leider dazu auch noch von den Separatisten als Geißeln genommen werden. Und hier kommt ihm natürlich die Hilfe des zwielichtigen, kampferprobten Kriminellen Louis Gaspare gerade recht.

„Plane“ macht Spaß, ist unterhaltsam, rasant, spannend und bietet ordentliche Action. Gerard Butler macht hier durchaus Spaß und die Kombi mit Mike Colters Louis Gaspare hat mir auch gut gefallen. Natürlich darf man in diesem Film vieles nicht logisch hinterfragen, aber die Action die geboten wird vom Nahkampf hin zu Schießereien, Verfolgungsjagden und einigermaßen ordentlichen Flugszenen kann sich sehen lassen. Als Liebhaber von Wortspielen ist mir eine phonetische Ähnlichkeit des Filmtitels zum englischen Begriff „Plain“ im Kopf geblieben. „Plain“ ist eine Bezeichnung für unter anderem einfach, flach, schlicht, anspruchslos – im Kontext zum Film passt die Ähnlichkeit perfekt.

„Plane“ – My First Look – 6/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10564
iHaveCNit: Aus Meiner Haut (2023) – Alex Schaad – Warner
Deutscher Kinostart: 02.02.2023
gesehen am 04.02.2023
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Petit – Reihe 1, Platz 5 – 20:45 Uhr

Im Arthouse-Sektor gibt es diese Woche auch aus Deutschland einen sehr interessanten Film von Alex Schaad in den Kinos zu sehen, den ich aus kurzfristigem Interesse auch gerne sehen wollte und nun auch gesehen habe. Und der Film wurde zu einer interessanten Erfahrung.

Das junge Paar Leyla und Tristan reist auf eine abgelegene Insel, auf der sich auch Leylas Freundin Stella aufhält. Auf dieser Insel bekommen alle Gäste die Möglichkeit für eine kurze Zeit, in den Körper einer anderen Person zu schlüpfen und die Welt aus dessen Augen sehen und fühlen zu können. Für Leyla ist diese Erfahrung angesichts ihres mentalen Zustands sehr wichtig, während Tristan eigentlich nur ihr zuliebe die Erfahrung mitmacht. Ihre Beziehung und die künftige Gestaltung wird auf die Probe gestellt, als beide in die Körper des Paares Mo und Fabienne wechseln.

„Aus Meiner Haut“ ist eine filmische Experiments- und Versuchsanordnung, die eine sinnliche und esoterische Erfahrung mit minimalistischem Science-Fiction verbindet und den Körpertausch als Mittel seiner Wahl heranzieht. Mit ein paar kleineren Ansätzen erinnerte mich „Aus Meiner Haut“ an zum Beispiel Ari Asters „Midsommar“ und Christopher Nolans „Inception“, hat aber seine komplett eigene Identität. Mit sehr einfachen visuellen Mitteln und einer klaren narrativen Struktur verliert man als Zuschauer trotz des eher komplexen und zu Unübersichtlichkeit neigenden Themas nie die Übersicht. Neben einem interessanten Set-Design und der visuellen Unterstützung des Kostümdesigns ist es vor allem das Ensemble des Films, die den Film zu einem Erlebnis machen und ihn mit Leben füllen. Mala Emde, Jonas Dassler, Maryam Zaree, Dimitrij Schaad, Edgar Selge und Thomas Wodianka, die hier den hauptsächlichen Teil des Ensembles ausmachen, geben hier im Rahmen der Körpertauschthematik sehr vielschichtige Leistungen ab, gerade weil die Darsteller hier mehrere Charakter verkörpern, die eben auch an unterschiedlichen Punkten der Entwicklung stehen und somit wirklich vielschichtige Charakterisierungen durch unterschiedlich eingenommene Perspektiven und erlebte Gefühle entstehen, die den Körpertausch selbst zu einem Erlebnis machen. Dabei macht „Aus Meiner Haut“ zum Teil auch das schwierige Thema Depressionen etwas greifbar, ist aber auch eine psychologische, philosophische, moralische und ethische Aufarbeitung des Themas Identität. Der Film ist trotz seiner recht komplexen Thematik sehr rasant und übersichtlich und regt durchaus zum Nachdenken an. Gerne hätte er auch noch tiefer gehen können. Das einzig für mich schwierige Manko des Films jedoch liegt in der Charakterisierung des Charakters Mo, der mit einer gewissen überzogenen, fast karikaturartigen Darstellung mit einer gewissen Komik die ernsthafte Thematik etwas unterlaufen kann.

„Aus Meiner Haut“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10565
Close (Belgien, 2022)

Spätestens seit der Oscar-Nominierung als bester nicht-englischsprachiger Film dürfte das belgische Jugenddrama „Close“ die gebotene Aufmerksamkeit erhalten haben. Die beiden 13-Jährigen Remi und Leo sind unzertrennliche Freunde, verbringen die Ferien miteinander, übernachten mal beim einen, mal beim anderen, vertraute Gesten und Umarmungen sind so selbstverständlich wie unschuldig. Mit dem Wechsel auf eine neue Schule trifft ihre Freundschaft auf nicht einmal bösartige, sondern ganz naive Neugier: Ob die beiden ein Paar sind? Sind sie verliebt? Freunde plus? Diese Fragen, dieser „ungeheuerliche Verdacht“ treffen vor allem Leo ins Mark seiner seelisch hochempfindlichen Vorpubertät, und langsam stößt er Remi von sich, in kleinen Gesten, da wird plötzlich auf Distanz geachtet, der Kopf des anderen weggeschoben, das Bett gewechselt, nicht mehr auf Remi gewartet, der seinerseits gar nichts mehr versteht: Wieso verhält sich sein bester Freund plötzlich so abweisend, stößt ihn zurück? Was hat er ihm denn getan?

Über diesen Film lässt sich kaum sprechen, ohne über das Drama zu reden, das sich etwa in der Mitte des Film ereignet, daher folgen nun SPOILER: Am Ende eines Busausflugs, bei dem Remi fehlt, werden die Kinder überraschend von ihren Eltern abgeholt, es ist was passiert, „Remi ist nicht mehr bei uns“. Die zweite Hälfte dieses hochsensiblen und unfassbar traurigen Films beschäftigt sich mit Leos Unmöglichkeit, den Suizid seines Freundes, an dem er sich die Schuld gibt, zu verarbeiten.

„Close“ wird nahezu vollständig aus Leos Perspektive erzählt, weshalb viele Fragen offen bleiben, wir erfahren beispielsweise so gut wie nichts über den Selbstmord an sich, selbst während der Beerdigung bleibt die Kamera konsequent bei Leo, der Schmerz der Eltern kommt nur indirekt zum Ausdruck. Die Kehrseite dieser Herangehensweise ist, dass Remis Motive ein wenig im Unklaren bleiben, die Geschehnisse, die Entfremdung der Jungs voneinander, rechtfertigen einen solchen Schritt im Grunde kaum und lassen Remis Handlung wenig schlüssig wirken. Möglicherweise hätte der Film noch besser herausarbeiten können, was das alles mit Remi macht. Regisseur Lukas Dhont entscheidet sich für einen anderen Weg, das muss man akzeptieren. Die Tat bleibt eben für uns so unerklärlich wie für Remis Eltern, für Leo. Nachvollziehbar wäre Remis Verzweiflung, wenn zwischen den Jungs mehr gewesen wäre als nur ihre Freundschaft, namentlich ein homoerotisches Motiv, möglicherweise auch nur einseitig von Remi ausgehend. Hierfür bietet der Film die eine oder andere Andeutung, ohne die Frage aber – so habe ich das empfunden – eindeutig zu beantworten. Das Etikett „schwuler Film“ passt hier überhaupt nicht, auch wenn die Biographie und das Werk des Regisseurs es nahe legen, den Film unter Trend-Begriffen wie „hetero-normatives Umfeld“ und „Geschlechterrollen“ zu diskutieren. Ich finde, dass der Film für diese Lesart zu wenig hergibt, aber das kann man sicherlich auch anders sehen. Simpel ausgedrückt ist es ein Film über das Ende der Unschuld.

Ich gestehe, dass „Close“ mir wirklich das Herz zerrissen hat. Das ist sicherlich beabsichtigt, aber keineswegs manipulativ. „Close“ entwickelt seine emotionale Stärke aus den herausragenden Leistungen seiner Darsteller und der feinen Beobachtung der Kamera. Dem im tatsächlichen Sinne Mit-Leiden, zunächst mit dem zurückgestoßenen Remi, dann mit Leo, der das alles zu verarbeiten hat und ein halbes Jahr braucht, um sich Remis Mutter wieder anzunähern und ihr schließlich zu gestehen, dass er Schuld an Remis Selbstmord hat oder sich zumindest schuldig fühlt. „Ein Speer, der direkt ins Herz trifft“, wie es im Trailer heißt, das ist „Close“ tatsächlich, und vermutlich bereits jetzt mein Film des Jahres.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Zuletzt gesehener Film

10566
Ah, den fand ich ganz schön belanglos, obwohl er schön anfängt, aber der große Twist macht vieles kaputt.
Spoiler
Die ersten 40 Minuten sind wirklich gut, aber sobald der Selbstmord kommt, der den Film in eine ganz andere Bahn lenkt, macht es sich "Close" viel zu einfach und versinkt in Sentimentalitäten. Da fehlt mir eine schlüssige Psychologisierung und da wird es dann auch in der Inszenierung und Erzählweise beliebig, ein typisches schwerfälliges Trauer-Drama, das wenig Neues zu sagen hat und dessen Bemühungen zu offenkundig sind. Hat mich kalt gelassen, aber schön, wenn er anderswo berühren konnte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10567
Schade, dass er dich nicht berührt hat - belanglos und beliebig ist "Close" natürlich so wenig wie sentimental oder schwerfällig (fehlt nur noch "kitschig"), im Gegenteil. Dass er dir nicht gefällt, billige ich dir natürlich zu, aber über die zugeschriebenen Attribute müsstest du nochmal nachdenken.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Zuletzt gesehener Film

10569
Sperriger als "Wolke unterm Dach" oder "Lieber Kurt" ist er ganz bestimmt. An dieser Feststellung ist nichts gemein.
"Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen."

Re: Zuletzt gesehener Film

10570
iHaveCNit: Ein Mann Namens Otto (2023) – Marc Forster – Sony Pictures
Deutscher Kinostart: 02.02.2023
gesehen am 06.02.2023
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 7 – Reihe 13, Platz 14 – 19:45 Uhr


Die wohl relativ kurzfristige Entscheidung am aktuellen Kino-Wochenende war für mich ein noch unschlüssiger Besuch des Film „Ein Mann Namens Otto“ von Marc Forster mit Tom Hanks in der Hauptrolle. Hintergrund war, dass ich trotz meinem gewissen Sweet Spot für skandinavisches Kino noch keinen Berührungspunkt mit Hannes Holms „Ein Mann Namens Ove“ hatte und auch die Buchvorlage nicht gesehen habe. Zumindest „Ein Mann Namens Ove“ habe ich letztes Wochenende noch im Heimkino nachgeholt und da mich „Ein Mann Namens Ove“ durchaus begeistern konnte, nehme ich aus dem aktuellen Kino-Wochenende noch „Ein Mann Namens Otto“ mit, der die klassische Hollywood-Tradition fortführt, europäische Filme für den internationalen beziehungsweise US-Amerikanischen Markt neu zu verfilmen.

Otto Anderson lebt schon seit Jahrzehnten in ein und derselben Gegend. In seiner Nachbarschaft hält er viele für Idioten, pedantisch achtet er auf Recht und Ordnung und er möchte eigentlich nur seine Ruhe haben. Nach dem Tod seiner Frau gibt es auch nur noch sehr wenig, woran er Freude hat, am liebsten wäre er direkt bei seiner Frau. Bei einem Versuch seiner Frau wieder nahe zu sein, bekommt er mit, dass neue Nachbarn in der Siedlung einziehen und seiner Meinung nach alles falsch machen, was man nur falsch machen kann. Doch irgendwie scheint die lebensfrohe junge Familie um die schwangere Mutter Marisol etwas in Otto auszulösen.

Ich glaube an dieser Stelle muss ich einfach mal den „Otto“ beziehungsweise „Ove“ machen und ein wenig pedantisch vorgehen. Der Film reißt viele Themen nur oberflächlich an, eine Entscheidung mit dem Einsatz visueller Effekte hat mir eher weniger gut gefallen und irgendwie ist Tom Hanks zu nett, um wirklich unfassbar böse und unsympathisch zu wirken, auch wenn er das Grimmige und Wütende doch gut rüber bringt. Mit dem Wissen im Hintergrund, dass es sich bei „Ein Mann Namens Otto“ um ein Remake handelt und wenn man sich vorher „Ein Mann Namens Ove“ angesehen hat, mag sehr vieles im Film nicht neu und damit auch vorhersehbar sein. Dennoch gibt es hier und da ein paar Variationen im Detail zwischen beiden Filmen. Auch wenn Otto und Ove sich viel Mühe geben, unsympathisch zu sein, beide Filme sind mir absolut sympathisch. Die Mischung aus bisweilen sehr skurrilem, trockenem, lakonischen, bösen Humor und einer doch bitteren Tragik und warmherziger Wohlfühlatmosphäre hat mich emotional gut mitgerissen. Denn in seiner Narration, in der immer wieder wichtige Momente aus dem Leben von Ove beziehungsweise Otto in Form von Rückblenden eingestreut werden, schafft es der Film uns emotional sowohl an den Film als auch an Otto beziehungsweise Ove zu binden und Verständnis und Empathie aufzubauen. Denn hinter jedem grimmigen, pedantischen, alten, weißen Mann steckt vielleicht eine tragische, traurige Geschichte für die es sich lohnt eben Verständnis und Empathie aufzubauen.

„Ein Mann Namens Otto“ – My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10571
iHaveCNit: Die Aussprache (2023) – Sarah Polley – Universal
Deutscher Kinostart: 09.02.2023
gesehen am 09.02.2023
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Petit – Reihe 1, Platz 5 – 20:30 Uhr


Bei den kommenden Oscars 2023 ist „Women Talking“ von Sarah Polley für „Best Picture“ und „Best Adapted Screenplay“ nominiert. Natürlich ist es für mich daher klar gewesen, dass auch ich mir den Film, der hierzulande unter „Die Aussprache“ veröffentlicht wird auch anzusehen, da sowohl Thema des Films als auch sein Ensemble sehr interessant geklungen hat.

In einer isolierten mennonitischen Kommune werden die Frauen systematisch von den Männern betäubt und im Schlaf vergewaltigt. Nach einem Zwischenfall sind die Frauen für wenige Tage alleine und haben daher endlich die Möglichkeit über ihre Erfahrungen zu sprechen und auch über ihre Zukunft zu entscheiden.

Der Film ist eine Adaption des gleichnamigen Romans von Miriam Toews und inspiriert von tatsächlichen Begebenheiten in einer mennonitischen Gemeinde in Bolivien. Das Thema des Films mit der zum einen sehr stark patriarchal geprägten mennonitischen Kommune und dem damit verbundenen Machtmissbrauch und sexueller und häuslicher Gewalt gegenüber Frauen trifft natürlich in der Post-#metoo-Ära immer noch den Kern der aktuellen Zeit und ist auch wichtig, immer wieder darüber zu sprechen – vor allem vom Kreis der Betroffenen selbst. Alleine dafür und für ein durchaus großartiges Schauspiel des Ensembles rund um Rooney Mara, Claire Foy, Jessie Buckley, Ben Wishaw, Frances McDormand und einigen mehr, sowie einer doch sehr ansprechenden stimmigen Ausstattung lohnt es sich durchaus den Film anzusehen. Dennoch ist die Optik des Films in gewisser Art und Weise zu trist, grau und spröde. Die Dialoge im Film wirken mit ihren Aussagen zu vage und auch viel zu bedeutungsschwanger, so dass der Film mich eher kalt zurück gelassen hat und nicht wirklich berühren konnte.

„Die Aussprache“ - My First Look – 6/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10573
Ähnlich mühselig, dafür aber für meinen Geschmack mehr zuträgliches gab es aus Norwegen an diesem Wochenende !

iHaveCNit: War Sailor (2023) – Gunnar Vikene – DCM
Deutscher Kinostart: 09.02.2023
gesehen am 10.02.2023
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 4, Platz 9 – 17:45 Uhr


Mein optionaler Kinostart für diese Woche ist der norwegische Film „War Sailor“ bzw. „Krigsseileren“ von Gunnar Vikene, der in der langen Liste von Einreichungen für die Verleihung des Oscars für den besten internationalen Film der norwegische Beitrag gewesen ist und es leider nicht in die Shortlist und letztendlich auf die Nominiertenliste geschafft hat. Norwegen hat mich als Filmland bereits letztes Jahr mit „The Innocents“ und „Der Schlimmste Mensch der Welt“ begeistern können und „War Sailor“ macht hier keine Ausnahme. Er ist zwar nicht ganz so gut wie die beiden anderen Filme, aber so bin ich mir sicher der beste Film aus dem aktuellen Kino-Wochenende.

Die beiden befreundeten Matrosen Alfred und Sigbjörn arbeiten vor der Beteiligung Norwegens am zweiten Weltkrieg auf Werften und Handelsschiffen. Bis auch sie in den Krieg hereingezogen werden und es für Alfred heißt, Abschied von seiner Frau Cecilia und seinen Kindern zu nehmen. Ein Ereignis, dass an allen nicht spuren- und folgenlos vorbeiziehen wird.

„War Sailor“ ist mit 150 Minuten ein Brocken von einem Film, der durch seine ausgedehnte, lange Erzählung durchaus eine Geduldsprobe darstellen könnte. Er nimmt einen mit auf eine sehr sprunghafte, leicht bruchstückhafte Reise über die Jahre und einschneidende Momente von sowohl Alfred und Sigbjörn auf See mit ihrem Kampf ums Überleben und auch vom Leben Cecilias in Ungewissheit. Das ist vom Trio Kristoffer Joner, Pal Sverre Hagen und Ine Marie Willmann sehr gut und intensiv gespielt worden. Dabei wird der Film audiovisuell durch einen starken Soundtrack von Volker Bertelmann und noch viel mehr durch die Kameraarbeit von Sturla Brandt Grovlen atemberaubend intensiv in Szene gesetzt. Trotz großer Bilder und partiell lauter Musik bleibt der Film aber dennoch ein sehr leiser und intimer zwischenmenschlicher Film über Unsicherheit, Ungewissheit, Angst, Ohnmacht und auch Entfremdung mit einer gewissen Nähe und Wahrhaftigkeit.

„War Sailor“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10574
Special für 2022 in 2023:
iHaveCNit: Eo (2022) – Jerzy Skolimowski – Rapid Eye Movies
Deutscher Kinostart: 22.12.2022
gesehen am 11.02.2023 in OmU
Mal Sehn Kino Frankfurt – Reihe A, Platz 7 – 16:00 Uhr


Im Rahmen meiner persönlichen Vorbereitung auf die Oscars in diesem Jahr habe ich noch einmal die letzte für mich mögliche Gelegenheit nutzen können, den polnischen und nominierten Oscarbeitrag „Eo“ im Kino zu sehen. „Eo“ ist eine Hommage des bereits über 80-jährigen Regisseurs Skolimowski an Bressons „Zum Beispiel Balthasar“, den ich noch nicht gesehen habe, womit ich unvoreingenommen an „Eo“ herangehen und diesen Film genießen konnte.

Der Esel „Eo“ fristet ein Dasein im Zirkus an der Seite der Artistin Kassandra, die ihn liebevoll pflegt. Als der Zirkus in Zahlungsschwierigkeiten kommt und allgemein die Haltungsbedingungen für Tiere in Zirkussen in öffentliche Kritik geraten, wird „Eo“ schweren Herzens auf eine Reise geschickt, bei der „Eo“ sehr viele unterschiedliche Menschen kennenlernt, die ihn mal mehr oder weniger gut behandeln.

„Eo“ ist mit knappen 90 Minuten ein unglaublich kompakter Film, der auch unglaublich kurzweilig und rasant geworden ist. Der Film schafft es sehr gut, die Sicht auf die Welt und auch die Gefühlswelt eines Esels greif- und erlebbar zu machen. Gepaart mit einer unfassbar starken audiovisuellen Gestaltung hat der Film auf mich eine unglaublich faszinierende Sogwirkung entfalten können. Im Laufe des Films bekommen wir viele kleine, einzelne Momente in der Reise von „Eo“ zu sehen, die viel über die Menschen und auch ihren Umgang mit Tieren aussagt. Dabei zeigt der Film herzliche Momente, aber auch brutale, harte und tragische Momente und ist im Kern ein Plädoyer dafür, dass Tiere sehr intelligente und fühlende Lebewesen sind, die einen respektvollen und auch herzlichen Umgang verdienen. Denn durch die Zeichnung der Momente in diesem Film schafft man es, dass sich aus dem Esel Emotionen wie Angst, Eifersucht, Wehmut, Sehnsucht, Freude, Trauer und Unsicherheit herauslesen lassen. Ich hätte dem Treiben des Films gerne weiter zusehen können, so hat er mir gefallen, auch wenn natürlich die kleinen Momente auch größer hätten ausgespielt werden können, wohingegen ein Moment gegen Ende des Films unverständlicherweise den Fokus von der Reise des Tiers genommen hat.

„Eo“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10575
iHaveCNit: In der Nacht des 12. (2023) – Dominik Moll – Ascot Elite
Deutscher Kinostart: 12.01.2023
gesehen am 16.02.2023 in OmU
Caligari Filmbühne Wiesbaden – Parkett – Reihe 6, Platz 13 – 17:30 Uhr


Am 12.01.2023 habe ich es zum Kinostart mangels passender Zeiten leider nicht geschafft, Dominik Molls „In der Nacht des 12.“ zu sehen. Umso schöner, dass ich dann doch noch Mitte Februar eine Vorstellung ins Auge fassen konnte, die ich nun heute auch abhaken konnte. Denn irgendwie hat mich das Interesse an dem interessanten Crime-Drama seitdem ich von ihm Notiz genommen habe verfolgt.

In einer Kleinstadt nahe Grenoble wird in der Nacht des 12. Oktober 2016 die junge Clara Royer auf dem Nachhauseweg von einem maskierten Mann mit Benzin überschüttet und in Flammen gesetzt. Dem Fall nehmen sich die beiden Kripo-Beamten Yohan, Marceau und ihr Team an. Inmitten einer Vielzahl an Verdächtigen verlieren sich Yohan und Marceau immer mehr in den Fall bis Yohan irgendwann nicht mehr davon loskommt wie viele Ermittler, die in ihrem Leben einen ungelösten Fall haben, der diese nicht mehr loslässt.

Sehr nüchtern und zurückhaltend inszeniert Dominik Moll hier ein Crime-Drama, bei dem weniger der Whodunit im Fokus steht – das wird einem auch direkt zu Beginn des Films klar gemacht – auch wenn sich ein Teil der Spannung aus der Hoffnung zieht, es könnte doch so sein. Hier steht viel eher die charakterliche, emotionale Komponente im Fokus. Vor allem, was ein Verbrechen mit Mord und den daraus folgenden, mühsamen, frustrierenden Ermittlungsarbeiten und Misserfolgen mit den Ermittlern macht. Und mit dem von Bastien Bouillon gespielten Yohan sowie dem von Bouli Lanners gespielten Marceau bekommen wir zwei unterschiedliche emotionale Ausprägungen im Umgang zu sehen. Während Yohan eher zurückhaltend Frust, Misserfolg „in sich rein frisst“ bricht es bei Marceau förmlich aus ihm heraus. Ein wenig oberflächlich aber einigermaßen interessant ist die auch im Film eingebettete Thematik der Geschlechterverhältnisse wenn es um Gewaltverbrechen geht – sowohl auf Seiten des Verbrechens als auch auf Seiten der Ermittlungen. Gerade hier jedoch ist der Film in seiner Struktur und Aufmachung nicht daran interessiert durchaus wichtige Fragen zu stellen wie „Warum der Täter tut, was er tut ?“, denn das gibt der Film leider nicht her. Zur etwas nüchternen und zurückhaltenden Inszenierung gesellt sich auch ein etwas undynamisches Tempo, dass den Film für mich etwas ausbremst und durchaus eine größere Sogwirkung verhindert.

„In der Nacht des 12.“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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