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von GoldenProjectile
'Q Branch' - MODERATOR
Mein Projekt, die gröbsten Lücken im Westerngenre zu schliessen, hat endlich Fahrt aufgenommen. Wo anfangen mit Western war nie die Frage: bei John Ford natürlich. Und wo anfangen bei John Ford? Mir sind sofort vier Filme eingefallen. Hier ein kurzer Abriss, was ich über die letzten zwei Wochen gesichtet habe:
Stagecoach (1939)
Wegweisender Western, der gedreht werden musste, um klassische Elemente des Genres erst zu etablieren - und um den Weg für bessere Filme zu ebnen. Von dieser Ford-Schau ist er nämlich klar der schwächste. Das Konzept der wild zusammengewürfelten Charaktere, die gemeinsam in einer Postkutsche reisen müssen, ist gut, hätte aber mitsamt der Charaktere noch besser ausgearbeitet werden können. Höhepunkt ist natürlich die gross angelegte Actionszene beim Indianerangriff, die handwerklich sehr gelungen ist. Sie verliert aber etwas an Wirkung weil sich das gesamte Kutschen-Konzept nach dieser Klimax auflöst und der Film sich noch sehr lang mit irgendeinem Duell von Waynes "The Kid" herumschlägt. Sehr ordentlicher Film, aber noch etwas holzschnittartig.
Wertung: 6 / 10
My Darling Clementine (1946)
Wo Stagecoach durch das enge und vollgestopfte Kutschensetting noch etwas steif ist blüht My Darling Clementine auf - nämlich im visuellen Bereich. Die Schwarz-weiss-Fotografie ist herrlich, die Bildgestaltung sieht richtig gut aus. Die mir zuvor noch unbekannte Geschichte von Wyatt Earp bietet Stoff für eine gute Dreiecksgeschichte zwischen den toll aufspielenden Henry Fonda, Cathy Downs und Victor Mature. Diese Geschichte beginnt sogleich packend in einer mal wieder eindrucksvoll festgehaltenen Regennacht und wird konsequent bis zum bittersüssen Schluss geführt.
Wertung: 8 / 10
The Searchers (1956)
The Searchers war der einzige dieser vier, den ich zuvor schon gesehen hatte, nämlich vor etwa vier oder fünf Jahren, und der Eindruck ist ziemlich genau der gleiche geblieben. Gedreht in Farbe und VistaVision sieht der Film einfach herrlich aus und bietet grandiose Bilder in Hülle und Fülle. Vor allem die Aufnahmen mit den Charakteren im Vorder- und weitläufigen Landschaften im Hintergrund sind exzellent, erst recht auf meiner neu angeschafften Blu. Auch der Score weiss zu gefallen und die Geschichte ist in ihrer bitteren Tragik etwas besonderes. Einer der allergrössten Western ist es für mich aber trotzdem nicht, dazu fehlt irgendwie das gewisse letzte Etwas, und auch einige tonale und erzählerische Umwege habe ich dieses Mal mit der gleichen Skepsis aufgenommen wie damals.
Wertung: 8 / 10
The Man Who Shot Liberty Valance (1962)
Auf Liberty Valance war ich irgendwie besonders gespannt, und kam gestern ganz zufrieden aus dem Film. Was ihm in der visuellen Pracht eines Clementine oder Searchers fehlt (in dieser Hinsicht ist Liberty wieder etwas nüchterner) macht er durch eine gut erzählte Geschichte wett, bei der die Charaktere im Zentrum stehen, ganz besonders Jimmy Stewart in einer zu ihm passenden bzw. für ihn typischen Hauptrolle, die den Nagel einfach auf den Kopf trifft. Grossartig auch der Duke in einer Art Mentor-Rolle, Lee Marvin als titelgebender Wüstling und Vera Miles, die zwischen den Männern steht, sich dabei aber auch behaupten kann. Die Klammergeschichte und die Erkundigung der Wurzeln eines anerkannten Politikers geben dem Ganzen einen mythischen Anstrich, überhaupt sind die Motive von Demokratie, Zivilisierung und Mystifizierung von Wildwest-Figuren hier wunderbar in der Geschichte umgesetzt. Mein knapper Favorit dieser Etappe.
Wertung: 8,5 / 10
We'll always have Marburg
Let the sheep out, kid.