Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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vodkamartini hat geschrieben: 19. Mai 2023 15:12 Möglich, er war da schon auf dem Zenit. Und dass die fast alle noch sehr bekannt werden würden ist schon ein Glücksfall. Allerdings war der Film soweit ich weiß schon bei Veröffentlichung sehr erfolgreich. Zu seiner Legendenbildung hat dann aber sicher auch die inzwischen namhafte Besetzung beigetragen.
Kurioserweise lief er in den USA anscheinend sehr enttäuschend, war aber in einigen europäischen Ländern dafür um so erfolgreicher. Italien natürlich, aber auch Frankreich und Großbrittanien. Und laut Wiki hat er in der UDSSR sogar 67 mio Tickets verkauft, und wäre dabei der erfolgreichste US Film in der ehemaligen UDSSR. Die Russen mal wieder, machen immer alles verkehrt ...

Der Quasi Nachfolger The Professionals lief damals besser, und war auch in fast jeder Hinsicht der viel bessere Film.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Das wusste ich gar nicht, interessant. Hab gerade mal bei D nachgesehen, da waren es immerhin 3,6 Millionen Besucher. Überragend ist das natürlich nicht, hat auch nur zu Rang 9 in den Jahrescharts gereicht.

http://www.insidekino.de/DJahr/D1961.htm

The Professionals mag ich auch gerne, er ist weniger altmodisch als die 7 und daher auch besser gealtert.

In D lief der etwas schlechter als die 7.

http://www.insidekino.de/DJahr/D1966.htm
http://www.vodkasreviews.de

https://ssl.ofdb.de/view.php?page=poste ... Kat=Review

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Ha! Ich hatte recht. Das "3:10 to Yuma"-Remake hat ein ganz gruseliges Ende. Dieses letzte große Rumgeballer und die ultra dämliche abgeänderte Schlusspointe sind Blödsinn. Damit disqualifiziert der Film sich eigentlich komplett selbst. Aber nun gut: Russell Crowe ist wirklich stark (wenn auch nicht so stark wie Glenn Ford), Christian Bale spielt ziemlich gut, Ben Foster ist ein amüsanter Psycho-Scheißer und die Musik, die ein bisschen wie "Deadwood" klingt, ja, die ist auch gut. Insgesamt ist das aber wirklich kein Vergleich zum Original, denn eigentlich wird dieselbe Geschichte nur mit mehr Figuren aufgebläht, die dann in dazu erfundenen Actionszenen alle nach und nach wieder sterben, weil der Plot sie schließlich eh nicht braucht, nie gebraucht hat. Und dann eben dieses Ende, furchtbar, wer macht sowas, und wieso, keine Ahnung, geht gar nicht.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Mein Projekt, die gröbsten Lücken im Westerngenre zu schliessen, hat endlich Fahrt aufgenommen. Wo anfangen mit Western war nie die Frage: bei John Ford natürlich. Und wo anfangen bei John Ford? Mir sind sofort vier Filme eingefallen. Hier ein kurzer Abriss, was ich über die letzten zwei Wochen gesichtet habe:

Stagecoach (1939)
Wegweisender Western, der gedreht werden musste, um klassische Elemente des Genres erst zu etablieren - und um den Weg für bessere Filme zu ebnen. Von dieser Ford-Schau ist er nämlich klar der schwächste. Das Konzept der wild zusammengewürfelten Charaktere, die gemeinsam in einer Postkutsche reisen müssen, ist gut, hätte aber mitsamt der Charaktere noch besser ausgearbeitet werden können. Höhepunkt ist natürlich die gross angelegte Actionszene beim Indianerangriff, die handwerklich sehr gelungen ist. Sie verliert aber etwas an Wirkung weil sich das gesamte Kutschen-Konzept nach dieser Klimax auflöst und der Film sich noch sehr lang mit irgendeinem Duell von Waynes "The Kid" herumschlägt. Sehr ordentlicher Film, aber noch etwas holzschnittartig.
Wertung: 6 / 10

My Darling Clementine (1946)
Wo Stagecoach durch das enge und vollgestopfte Kutschensetting noch etwas steif ist blüht My Darling Clementine auf - nämlich im visuellen Bereich. Die Schwarz-weiss-Fotografie ist herrlich, die Bildgestaltung sieht richtig gut aus. Die mir zuvor noch unbekannte Geschichte von Wyatt Earp bietet Stoff für eine gute Dreiecksgeschichte zwischen den toll aufspielenden Henry Fonda, Cathy Downs und Victor Mature. Diese Geschichte beginnt sogleich packend in einer mal wieder eindrucksvoll festgehaltenen Regennacht und wird konsequent bis zum bittersüssen Schluss geführt.
Wertung: 8 / 10

The Searchers (1956)
The Searchers war der einzige dieser vier, den ich zuvor schon gesehen hatte, nämlich vor etwa vier oder fünf Jahren, und der Eindruck ist ziemlich genau der gleiche geblieben. Gedreht in Farbe und VistaVision sieht der Film einfach herrlich aus und bietet grandiose Bilder in Hülle und Fülle. Vor allem die Aufnahmen mit den Charakteren im Vorder- und weitläufigen Landschaften im Hintergrund sind exzellent, erst recht auf meiner neu angeschafften Blu. Auch der Score weiss zu gefallen und die Geschichte ist in ihrer bitteren Tragik etwas besonderes. Einer der allergrössten Western ist es für mich aber trotzdem nicht, dazu fehlt irgendwie das gewisse letzte Etwas, und auch einige tonale und erzählerische Umwege habe ich dieses Mal mit der gleichen Skepsis aufgenommen wie damals.
Wertung: 8 / 10

The Man Who Shot Liberty Valance (1962)
Auf Liberty Valance war ich irgendwie besonders gespannt, und kam gestern ganz zufrieden aus dem Film. Was ihm in der visuellen Pracht eines Clementine oder Searchers fehlt (in dieser Hinsicht ist Liberty wieder etwas nüchterner) macht er durch eine gut erzählte Geschichte wett, bei der die Charaktere im Zentrum stehen, ganz besonders Jimmy Stewart in einer zu ihm passenden bzw. für ihn typischen Hauptrolle, die den Nagel einfach auf den Kopf trifft. Grossartig auch der Duke in einer Art Mentor-Rolle, Lee Marvin als titelgebender Wüstling und Vera Miles, die zwischen den Männern steht, sich dabei aber auch behaupten kann. Die Klammergeschichte und die Erkundigung der Wurzeln eines anerkannten Politikers geben dem Ganzen einen mythischen Anstrich, überhaupt sind die Motive von Demokratie, Zivilisierung und Mystifizierung von Wildwest-Figuren hier wunderbar in der Geschichte umgesetzt. Mein knapper Favorit dieser Etappe.
Wertung: 8,5 / 10
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Hach ja, der Mann, der Liberty Valance erschoss und dabei The Dark Knight inspirierte ... lange nicht gesehen, aber ein sehr interessanter Western um Mystifizierung und Legendenbildung, obwohl er mir manchmal ein bisschen zu talky ist. Ich bevorzuge im Direktvergleich die "bildlastigeren" (doofes Wort) Western von Ford, allen voran "The Searchers" (aka "Der schwarze Falke") und auf jeden Fall auch "She Wore a Yellow Ribbon" (aka "Der Teufelshauptmann"), die mich selbst ganz ohne Ton umhauen würden.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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War nie so ein großer Fan von der Klementine. Fonda als Earp ist mir zu bieder (gerade verglichen mit meinen Favoriten Lancaster und Costner) und Mature ist halt steif wie es eigentlich nur Victor Mature sein konnte (und wenn ich ihn mit Kirk Douglas oder Val Kilmer vergleiche - oh je, oh je). Als Film ganz ok, in meinem Ford-Ranking aber eher unter ferner liefen. Dafür halte ich die Kutschfahrt nach Lordsburg ins hohen Ehren. Würde die Punkte von GP da gerade tauschen. Liberty ist eh mein Lieblings-Ford, den sehe ich glaube ich sogar noch ein bisschen besser als die 8,5. Klar, der Duke und Stewart-Jimmy sind viel-viel-viel zu alt für ihre Rollen. Aber das ist Kino: wen interessiert das, wenn man den Duke und den Stewart-Jimmy bekommen kann, das toppt doch eh jede altersgerechte Besetzung.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

279
Liberty mag vergleichsweise "talky" sein, aber er weitet die klassischen Westernmotive ja auch noch mal eine ganze Ecke aus, indem er die national bedeutende politische Karriere vom Stewart Jim mit einfliessen lässt, da ist es klar, dass der Film etwas anders angelegt ist als ein eher visuell orientiertes Frontier-Abenteuer wie z.B. The Seacrhers.

Spoiler alert: Mein filmischer Wildwest-Tschutschu-Zug wird später noch einmal ins Fordland zurückkehren, da werden dann auch gelbe Bänder getragen.

Fun Fact: Die 8,5 Punkte und das Sätzchen "Mein knapper Favorit dieser Etappe" standen beim Verfassen des Posts noch bei der Klementine und wurden erst kurz vor dem Absenden noch verschoben, das war also eine knappe Bauchentscheidung.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

280
Was Ford betrifft, so ist My Darling Clementine einer seiner schönsten und poetischsten Western. Beim letzten Anschauen hat er genau wie The Searchers noch dazu gewonnen. Aber Fords faszinierendster Western ist Wagonmaster, da kommen sein Stil und seine Themen am besten zur Geltung. Den stufe ich mittlerweile als 10er ein, ein emotional mitreißender Film, aber über die Regie.

Dagegen hat Liberty Valance bei mir eher verloren. Er ist eigentlich nur inhaltlich interessant, aber inszenatorisch und atmosphärisch bleibt er etwas bieder. Und das ist alles viel zu theaterhaft geschrieben, und von vielen zu chargierend gespielt. Dazu viel Sentimentalität (die immerhin trotzdem funktioniert) und zu viel von Fords albernen Sinn für Humor, der michhier mehr stört als in anderen Filmen. Natürlich sind die beiden Stars viel zu alt, aber Stewart passt trotzdem gut, während Wayne mit seiner Präsenz zwar die mythische Dimension im Film verstärkt, aber schauspielerisch zu limitiert um der Rolle mehr zu geben als im Drehbuch steht, da ist er etwas überfordert. Trotzdem noch 7/10

1. Wagonmaster 10
2. My Darling Clementine 9
3. Fort Apache 9
4. The Searchers 9
5. Stagecoach 8
6. 3 Bad Men 7,5
7. 3 Godfathers 7
8. The Iron Horse 7
9. The Horse Soldiers 7
10. The Man Who Shot Liberty Valance 7
11. Drums Along the Mohawk 7
12. She Wore a Yellow Ribbon 7
13. Two Rode Together 7
14. Straight Shooting 7
15. Rio Grande 6,5
16. Cheyenne Autumn 6
17. Sergeant Rutledge 5

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

281
Wo siehst du in Liberty Valance albernen Humor? Klar, Libertys beide Spiessgesellen (der LvC und irgendein anderer Horst) sind ein bisschen plump, was aber eigentlich wieder durch Lee Marvins sadistische Darbietung überschattet wird. Auch der Zeitungsmann und der feige Marshall werden etwas überzeichnet, aber insgesamt fand ich den Humor im Film weniger forciert als es beispielsweise an einigen Stellen in The Searchers der Fall ist.

Und warum sind Stewart und der Duke eigentlich (viel) zu alt? Das sind ja keine historischen Charaktere wie Pat Garrett und Billy the Kid oder Wyatt Earp und Doc Holliday. Klar, Stewart soll bei seiner Kutschenfahrt relativ frisch aus dem Studium kommen, aber das muss seine Rolle nicht zwingend zum jugendlichen Jungspund machen. Da finde ich es z.B. deutlich auffälliger, wenn Stewart zu Beginn von It's a Wonderful Life (also nach den Rückblenden in seine Kindheit) den Koffer abholt und Donna Reed auf dem Ball trifft, und George Bailey glaube ich etwa 20 sein soll. Und in Liberty Valance fiel mir auch der auf alt getrimmte Stewart in der Rahmengeschichte mehr auf.

Wagon Master behalte ich im Kopf.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

282
Der blöde Sheriff vor allem, den die Handlung kaum benötigt, aber alle Fords sind voll davon, und ja, in The Searchers stört das auch sehr. Ich habe das auch beim letzten Schauen wieder als sehr nervig empfunden.

Und eben, Stewart (damals 53) soll ein frisch studierter sein? Und Wayne ist ebenso alt. Aber damit komm ich klar, aber fast alle anderen übertreiben viel zu sehr, auch Lee Marvin. Und es wird überhaupt viel zu viel geredet. Das könnte auch ein Theaterstück sein.
Ok, die etwas künstliche Atmosphäre und die Studio Sets passen natürlich trotzdem zur entmythologisierenden Spätwestern Thematik, es fehlt durchaus passend die Weite der Landschaft, aber es sieht trotzdem eher nach TV als nach Kino aus.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Auch wenn ich einige Bepunktungen der Liste nicht teile, bin ich bei Liberty Valance im Schnitt näher bei Maibaum. Dieses Theaterhafte habe ich mit meinem "talky" gemeint. Das ist ein guter Film, und einer, der inhaltlich sehr spannend und interessant ist, aber mir fehlen ein bisschen die tollen Aufnahmen und visuellen Ideen. Ich liebe ja bekanntlich "Die zwölf Geschworenen", den findet Maibaum sicher auch eher Theaterhaft und der ist auch recht "talky", aber der hat darüber hinaus gestalterisch viele kleine subtile Momente, die richtig stark sind, und das ist bei Fords Valance für mich in Summe weniger gegeben.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Die 12 Geschworenen ist etwas anders gelagert, da sehe ich schon eine filmische Gestaltung, jedenfalls mehr als nur ein abgefilmtes Theaterstück. Aber die Art wie die einzelnen charakterisiert sind, bzw wie sich die Handlung aus den Konfrontationen entwickelt, überzeugt mich nicht so richtig. Die Theaterherkunft kann der Film nicht so ganz abschütteln.

Aber es gibt durchaus Filme die aus theaterhaften Stoffen großes Kino machen. Jedenfalls ist so ein Film wie die 12 Geschworenen nicht automatisch theaterhaft für mich.

Hmm ja, und She Wore a Yellow Ribbon, da sehe ich schon, warum der zu seinen berühmten Filmen gehört, aber bei mir funktioniert der nicht so gut, da ist mir zu viel Käse drin. Zu wenig teuflischer Hauptmann.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Casino Hille hat geschrieben: 5. April 2024 21:25 Das ist ein guter Film, und einer, der inhaltlich sehr spannend und interessant ist, aber mir fehlen ein bisschen die tollen Aufnahmen und visuellen Ideen.
Ich bin eh nicht der allergrößte Ford-Fan, vermutlich auch weil ich eben tolle Aufnahmen und visuelle Ideen zwar zu schätzen weiss, für mich Figuren und Geschichte aber immer einen höheren Stellenwert einnehmen. Das ist dann vermutlich auch der Grund, warum ich zB mit Hawks Western (noch) mehr anzufangen weiss als mit denen von Ford und warum eben Liberty bei mir im Ford-Ranking ganz vorne ist.

Zur Altersfrage: es ist ja nicht nur die Sache mit dem Studium, zudem haben wir Vera Miles als Anhaltspunkt, wie alt die Stewart- und Wayne-Figur eigentlich sein müssten. Und wir haben den Flashback-Rahmen, denn wenn sie bereits in der Kernhandlung ihr reales Alter hätten, dann wäre Stewart in der Rahmenhandlung fast 80, was ebenfalls nicht wirklich stimmig ist.
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