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von AnatolGogol
Agent
Ich konnte Cincinnati Kid gestern schauen und hier ein paar Eindrücke dazu:
- die Milieu-Schilderung hat mir gut gefallen, also diese Zwischenwelt irgendwo zwischen Wohlhabend und Abgebrannt. Schön, wie der Film hier oftmals variiert, zB zwischen der protzigen Wohnung von Slade und der eher kargen Behausung von Kid sowie der Zwischenstufe von Shooter und irgendwie völlig aus der Welt des Films gefallen (aber dafür dramaturgisch umso sinnvoller) der Farm von Christians Eltern. Das hilft ungemein den Figuren mehr Hintergrund zu geben und sie generell schärfer zu zeichnen.
- Die Figuren sind ebenfalls gut getroffen und charakterisieren sich in erster Linie durch das, was sie tun (oder zuweilen nicht tun). Entsprechend kommt der Film auch weitgehend ohne große "Erklär-Szenen" aus, in welchen dem Zuschauer die Figuren kleinteilig erläutert werden.
- Das große Thema, zumindest so wie ich es verstehe, ist moralische Integrität. Hier ist es fast schon aberwitzig, dass der Film ausgerechnet in der moralisch eher fragwürdigen Welt des professionellen Kartenspielens nach moralischem Handeln seiner Figuren sucht, was die jeweiligen Handlungen aber nur um so deutlicher herausstellt. Es gibt die negativem Extreme wie Slade und und natürlich auch Melba, wunderbar verkörpert als die Sünde in Person von Ann-Margret. Und es gibt die Figuren, die sich trotz ihres fragwürdigen Berufs eine gewisse Moral bewahrt haben wie Shooter und auch Lady Fingers. Die Hauptakteure Kid und Lancey bleiben lange diesbezüglich undurchschaubar, was sich im letzten Drittel dann aber ändert. Der sich lange ebenfalls ein Stück seiner Moral bewahrende Kid (der nicht durch Betrug gewinnen und nicht mit der Frau seines Freundes ins Bett will) verliert im Laufe des großen Spiels mehr und mehr seine Grundsätze und steht am Ende entsprechend vor den Scherben seiner Existenz (obwohl ihm der Film am Ende zumindest etwas Hoffnung zugesteht in Person der auf ihn wartenden Christian). Lancey erscheint den ganzen Film über ebenfalls als jemand, der nach gewissen moralischen Richtlinien agiert, was ihn jedoch nicht hindert andere Menschen skrupellos finanziell und moralisch zu ruinieren. Wie der Filme dieses Hinabgleiten in den moralischen Verfall seziert und mehr und mehr forciert ist schon sehr stark gemacht und sicher auch die größte Stärke des Films.
- nicht so stark ist hingegen, dass der Film ein eher gemächliches Tempo anschlägt, was ihn trotz seiner vergleichsweise geringen Laufzeit auch ein bisschen unbeweglich wirken lässt. Hinzu kommt ein über weite Teile eher biedere Inszenierung, was aber bei Jewison so oder ähnlich in vielen seiner Filmen zu finden ist.
Macht in Summe dann ordentlich 7 Punkte, auch dank des tollen Darstellerensembles. Dass der Film in den 30ern spielen soll hätte ich übrigens nicht mal gemerkt, wenn nicht die Zeitung auf Christians Farm so plakativ darauf hingewiesen hätte.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"