Re: Der Steve McQueen Thread

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Nun denn, ich hab zum allerersten Mal Thomas Crown gesehen. Die DVD steht seit Jahren im Regal, aus unerfindlichen Gründen habe ich das Remake dem Original immer vorgezogen.

Langatmig kam mir TC jetzt nicht vor. Extrem spannend fand ich ihn bis auf den genialen Überfall zu Beginn und die Frage
"schnappt sie ihn oder nicht?" aber irgendwie auch nicht. Dafür hat der Fim aber unglaublich Stil, einen Steve McQueen in Bestform, vielen bildgewaltigen stimmungsvollen Bildern (Segelflug, Buggyszenen, bei Thomas Crown im Büro) und ein Ende mit Augenzwinkern.

Punkte: (stabile) 7,5/10 mit Luft nach oben.
"Warum hast du ihn geheiratet? - "Er hat mir gesagt er liebt mich." - "Das klingt immer gut."

Tomorrow never dies (1997)

Re: Der Steve McQueen Thread

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Er ist weder langatmig noch spannend, er ist auch kein Thriller und auch kein Heist-Movie. Es ist ein Film über einen gelangweilten, aber sehr intelligenten Mann, der aus dem Korsett der Angepasstheit und der Konventionen ausbrechen will. Eine Rolle wie gemacht für McQueen.

Dass er selbst aus einfachsten Verhältnissen kam und auch mit dem Schick der Hollywood-Elite nie etwas anfangen konnte, ist hier kein Hindernis. Auch Connery - der ja eigentlich die Rolle spielen sollte - hat eine Snobverwandllung vor Dr. No durchgemacht und wie bei dann auch McQueen hatte er einen ausgezeichneten Berater (Terence Young) in Stilfragen.

Beide Darsteller haben eine solch natürliche Lässigkeit (McQueen noch mehr, denn Connery musste seinen Gang erst "lernen"), dass sie die sündteuren Anzüge überzeugend spazieren führen. Dennoch schimmert immer etwas Animalisches, Ursprüngliches durch, was ihre Gefährlichkeit oder ihr Rebellentum oder ihre Verachtung gegenüber Autoritäten durchscheinen lässt. Witzigerweise sagt Vesper genau das zu Craig-Bond, aber bei ihm stimmt es nicht, denn er wirkt anders als McQueen und Connery nie wirklich elegant oder versnobt, sondern bleibt immer das Rauhbein aus der Hafenkneipe.
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Re: Der Steve McQueen Thread

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Wer noch mal zu einem der bereits gesehenen Filme was beitragen möchte, gerne. Können wir ja immer einschieben. Diskussionen sind ja das Interessante hier.

Was den nächsten Film betrifft, muss man nicht mehr viel sagen. Steves berühmteste Rolle die auch einem bestimmte Auto bzw. einer bestimmten Automarke nicht geschadet hat, wie man auch vor nicht allzu langer Zeit wieder feststellen konnte. ;) Ob es auch sein bester Film ist, werden wir bestimmt und hoffentlich ausführlich besprechen.

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Schach, Jazz und Split-Screen

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Thomas Crown ist nicht zu fassen

Beide setzen einen Läufer in die Mitte des Spielbretts. Jeder lässt abwechselnd einen Springer folgen. Sie sehen sich an, erlauben sich ein Schmunzeln. Dann aber: Herausfordernde Blicke. Er beginnt zu schwitzen, blick auf, sieht, wie sie mit ihren langen, lackierten Fingernägeln ihr Abendkleid ein wenig lockert. Wieder sucht er die Konzentration, vergeblich. Ratlos setzt er den König ein Feld nach rechts. Die Kamera zeigt die Gesichter in einer Großaufnahme. Dann nur die Augen. Dann ihre Lippen. Sie fasst an den Läufer, umspielt ihn mit den Fingern. Auf und ab. Während er sich auf seinen nächsten Zug konzentriert, schiebt sie unter dem Tisch ihr Bein vor, schmiegt ihr Knie an seinem Schoß. Schließlich sagt sie laut: „Schach.“ Er ist geschlagen, steht auf, scheint über das Spiel zu grübeln. Dann geht er zu ihr, hebt sie aus ihrem Stuhl, spricht: „Wir spielen etwas anderes.“ Ihre Lippen berühren sich, es folgen Küsse im Gegenlicht. Fünfundfünfzig Sekunden lang küssen sie sich, weiß der Filmexperte. Denn dieser Kuss war 1968 der bis dato längste Kuss in der Geschichte des Kinos – die Darsteller Steve McQueen und Faye Dunaway brauchten dafür acht Stunden, über drei Drehtage verteilt.

Famos ist, wie Regisseur Norman Jewison die Szene auflöst: Während sich die zwei Akteure ganz ineinander verlieren, ihre Küsse immer schneller, ihre Bewegungen wilder werden, verschwimmt die Szenerie in bunten Farben, bis auch McQueen und Dunaway in den Farben verschwinden, in einem psychedelischen Ornament, wie es damals parallel auf der Leinwand auch in „2001: Odyssee im Weltraum“ von Stanley Kubrick zu sehen war. Bei Kubrick symbolisierte der Rausch aus Licht und Kolorierung die Reise eines Astronauten über die Grenzen der menschlichen Vorstellungskraft hinaus, bei Jewison sind die verschmelzenden Farbtöne leichter zu begreifen: Sie simulieren den Orgasmus beim Liebesspiel. „In Filmen ist Stil der Inhalt“, definierte Jewison sein Credo, und mit der Kriminalkomödie „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ machte er dieses Prinzip zur obersten Maxime. Sein Klassiker, der unlängst als Prototyp eines ganzen Genres angesehen wird, ist aus moderner Sicht ganz als Zeitgeist-Wiedergabe zu verstehen. Er entführt in die Swinging Sixties, filmisch und modisch.

Für Letzteres reicht es, die Garderobe zu begutachten, mit der Faye Dunaway für den Film eingekleidet wurde. Erst ein Jahr zuvor war sie durch ihre Hauptrolle im Gangsterdrama „Bonnie und Clyde“ berühmt geworden, doch „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ machte sie zur Stilikone. Schick und vor allem sexy verkörpert sie eine Versicherungsdetektivin, die nach einem perfekt orchestrierten Banküberfall den Drahtzieher ermitteln soll. Ihr Verdacht führt sie zu Thomas Crown, einem angesehenen Millionär mit Gentleman-Attitüde. Und weil schon ihr erster Auftritt im Film an einem Flughafen, an dem sie den Kommissar der örtlichen Polizei von der ersten Sekunde an felsenfest im Griff hat, zeigt, wie selbstsicher und furchtlos diese brillante Ermittlerin sich durchzuschlagen weiß, konfrontiert sie Crown bei der ersten Gelegenheit mit ihrer Vermutung. Wie er darauf reagiert? Abstreiten tut er es nicht.

Norman Jewison hatte noch ein Jahr zuvor mit dem Rassismusdrama „In der Hitze der Nacht“ fünf Oscars gewonnen, u.a. in der Hauptkategorie als ‚Bester Film‘. Für sein nächstes Projekt engagierte er Alan Trustman, einen Quereinsteiger in der Filmwelt, um ein Drehbuch für ein Heist-Movie, einen Film mit einem Raubüberfall im Zentrum, zu schreiben, wie sie zu dieser Zeit besonders beliebt waren. Doch Trustmans Script unterscheidet sich stark von anderen Genre-Vertretern: Der große Banküberfall, der minutiös geplante und reibungslos durchgeführte Coup, ist an den Anfang gestellt. Fünf verschiedene Gauner werden von einem geheimnisvoll-unbekannten Auftraggeber instruiert, und begehen das perfekte Verbrechen, ohne sich vorher je begegnet zu sein.

Um das ideale Zusammenspiel der Kriminellen zu veranschaulichen, setzte Jewison auf die sogenannte Split-Screen-Technik. Soll heißen: Der Bildschirm teilt sich in verschiedene kastenförmige Segmente, in denen unterschiedliche Handlungen gezeigt werden. Die Virtuosität, mit der so eine der spannendsten Montage-Sequenzen des 60er-Jahre-Kinos erzeugt wurde, ist nahezu berauschend. Die Auftrennung der verschiedenen Aktionen auf Teileinheiten des Gesamtbildes entwickelt einen fulminanten Rhythmus, war ihrer Zeit voraus. Erst 2001 erlebte diese filmische Rhetorik ihre Renaissance, als sie durch die actionreiche TV-Serie „24“ zu neuer Berühmtheit kam.

Darauffolgend widmet sich „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ dem Beziehungsspiel seiner Protagonisten. Für den oft als ‚King of Cool‘ bezeichneten Steve McQueen wurde die Titelrolle zu einer seiner populärsten Darbietungen, und zurecht, denn mit seiner wunderbar sensiblen Performance spielt er kräftig gegen sein Image: Die eiskalte Coolness ist ihm natürlich ins Gesicht geschrieben, doch selten sieht man McQueen so oft sowohl grübelnd und nachdenklich als auch ausgelassen lachend wie in diesem Film. Ursprünglich hatte Trustman beim Schreiben noch Sean Connery für den Part vor Augen, schrieb manche Szenen später um, machte sie für McQueen passend. Besonders prägnant für die Zeichnung der Figur ist eine Szene nach dem geglückten Raubüberfall, als er sich breit grinsend im Spiegel selbst zuprostet. Der deutsche Verleih lag deshalb ganz richtig damit, den eher banalen Originaltitel „The Thomas Crown Affair“, also: „Die Thomas Crown Affäre“, durch den schwungvolleren „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ zu ersetzen.

So ganz greifen lässt sich die Crown-Figur nämlich nicht. Einem echten Motiv für den Banküberfall bleibt er schuldig. Purer Nervenkitzel treibt ihn an, er ist ein Mann, der von seinem Leben in Extravaganz und Wohlstand gelangweilt ist. Er fährt einen schmucken Rolls-Royce, trägt die teuersten Sonnenbrillen, raucht die luxuriösesten Zigaretten, doch es fehlt ihm Befriedigung. Einmal kreist er mit seinem Segelflugzeug ziellos durch die Lüfte. Ursprünglich sollte diese Szene mit „Strawberry Fields Forever“ von den Beatles unterlegt werden, erst spät entschied man sich für den eigens komponierten Song „Windmills of your Mind“, gesungen von Noel Harrison, der schon in der anfänglichen Titelsequenz zu hören war und einen Oscar für das ‚Beste Filmlied‘ erhielt. Der melancholische Text gibt die Leere in Thomas Crown hervorragend wieder: „Rund wie eine Uhr, deren Zeiger über die Minuten ihres Ziffernblatts fegen. Und die Welt ist wie ein Apfel, der lautlos im Raum wirbelt, wie die Kreise, die du in den Windmühlen deines Geistes findest!“

Wenn er und Faye Dunaway, deren gemeinsame Chemie vor sexueller Spannung geradezu prickelt, gemeinsam in einem Buggy über den Strand jagen, ergötzt und verliebt sich die formal exzellent geführte Kamera von Haskell Wexler in den zur Schau gestellten Luxus, so wie auch Dunaways Charakter sich von Crown mehr und mehr verführen lässt. Genial also die Besetzung der Frau, die durch „Bonnie und Clyde“ zu einer Identifikationsfigur der damals rebellierenden Jugend wurde: In „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ ergibt sie sich nun dem Prunk des Establishments. Die soziale Realität wird ausgeblendet, der schnöde Alltag ist vergessen, und der Eskapismus formvollendet. Der Stil wird ganz zum Inhalt, wie Jewison es anstrebte.

Die zeitgenössische Kritik warf dem 102-minütigen Film wohl auch deshalb seine Oberflächlichkeit vor, seinen Hochglanz, aber aus einem Missverständnis heraus. Jewison drehte keinen Hochspannungsthriller, kein so gern herauf beschworenes fintenreiches Katz-und-Mausspiel. In Wahrheit gibt die lässige, Piano-lastige Filmmusik von Michel Legrand den Takt vor: „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ ist kinematografischer Jazz. So mag es ungestüm, selbstzweckhaft erscheinen, wenn die Split-Screen-Technik in einer Szene bei einem Polospiel einzelne Aufnahmen verzigfacht, dasselbe Bild sechzigmal zugleich gezeigt wird, es ist jedoch Ursprung der filmisch gewünschten Attitüde: Dynamik wird wo immer möglich forciert, rasante, beinahe improvisiert-wirkende Tempiwechsel erzeugen Aufmerksamkeit, die Dialoge sind frivol, verwegen. Das Drehbuch sucht nicht immer nach der inneren Logik, dem tieferen Sinn. Dieser Film will erlebt und gefühlt werden. Ein intellektueller Zugang ist fehl am Platz, schließlich wird symbolträchtig selbst Schach, das edle Spiel der Könige, das Kräftemessen großer Denker und Strategen, zum erotischen Duell umfunktioniert.

Und wie so oft beim Jazz endet auch Jewisons Film auf einer bitteren letzten Note. Beim Versuch, dem von ihr mittlerweile verehrten Millionär eine Falle zu stellen, ist Dunaways Figur in seine getappt. Sie endet weinend, betrogen, ausgetrickst. Anders als in der ironischer angelegten Neuverfilmung von 1999, in den zentralen Rollen mit Pierce Brosnan und Rene Russo besetzt, wartet man dementsprechend vergeblich auf die glückliche Auflösung für das Filmpaar. „Die Thomas Crown Affäre“, eine Liaison mit dem Gentleman-Ganoven, davon durfte geträumt werden, der deutsche Filmtitel aber triumphiert, wie auch die Protagonistin einsehen muss: Dieser Mann ist wirklich nicht zu fassen.
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Re: Der Steve McQueen Thread

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Wahnsinn. Meinen allergrößten Respekt für so einen Text. So möcht ich eine Filmkritik auch schreiben können. Schön dass du dich beteiligst. 🙂

Als nächstes: Bullitt.
Ich freu mich schon massiv drauf, viele Jahre ist die letzte Sichtung her.
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Tomorrow never dies (1997)

Re: Schach, Jazz und Split-Screen

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Casino Hille hat geschrieben: 20. November 2023 13:33 Die zeitgenössische Kritik warf dem 102-minütigen Film wohl auch deshalb seine Oberflächlichkeit vor, seinen Hochglanz, aber aus einem Missverständnis heraus. Jewison drehte keinen Hochspannungsthriller, kein so gern herauf beschworenes fintenreiches Katz-und-Mausspiel. In Wahrheit gibt die lässige, Piano-lastige Filmmusik von Michel Legrand den Takt vor: „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ ist kinematografischer Jazz. So mag es ungestüm, selbstzweckhaft erscheinen, wenn die Split-Screen-Technik in einer Szene bei einem Polospiel einzelne Aufnahmen verzigfacht, dasselbe Bild sechzigmal zugleich gezeigt wird, es ist jedoch Ursprung der filmisch gewünschten Attitüde: Dynamik wird wo immer möglich forciert, rasante, beinahe improvisiert-wirkende Tempiwechsel erzeugen Aufmerksamkeit, die Dialoge sind frivol, verwegen. Das Drehbuch sucht nicht immer nach der inneren Logik, dem tieferen Sinn. Dieser Film will erlebt und gefühlt werden. Ein intellektueller Zugang ist fehl am Platz, schließlich wird symbolträchtig selbst Schach, das edle Spiel der Könige, das Kräftemessen großer Denker und Strategen, zum erotischen Duell umfunktioniert.
Ganz genau. Und so etwas erleben wir im Mainstream-Kino, denn das war Crown seinerzeit, leider nicht mehr. Liegt aber auch an der stark veränderten Hauptzielgruppe, die sich im Vergleich zu den 1960er noch einmal deutlich verjüngt hat. In den modernen Blockbustern darf man nicht mehr fühlen, erleben, erfahren. Hier darf man nicht einmal mehr denken, denn wirklich alles wird einem über Dialoge oder völlig eindeutige Bildsprache erklärt. Geht dann doch einmal ein Film in eine andere Richtung dann kommt solch Quark wie Refns Walhalla Rising raus. Der nicht nur die Hauptzielgruppe völlig verfehlt, sondern auch meilenweit an einem zahlenmäßig einigermaßen relevanten Erwachsenenpublium vorbei geht.
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Re: Der Steve McQueen Thread

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Hannes007 hat geschrieben: 20. November 2023 15:52 Wahnsinn. Meinen allergrößten Respekt für so einen Text. So möcht ich eine Filmkritik auch schreiben können.
Ich muss sagen, dass grenzt schon an Wettbewerbsverzerrung, was Hille und einige andere hier manchmal liefern. Wer so schreibt muss sich dafür bezahlen lassen, alles andere wäre vergeudetes Talent.
❤️☮️🧘🏻‍♂️

Re: Der Steve McQueen Thread

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Ich mach mal den Anfang:

Der Copthriller wird cool - Peter Yates BULLITT

Es gab einmal eine Zeit, da definierte sich der Polizeifilm durch Ökonomie, Präzision und Stringenz. Da mussten nicht schon in den Anfangsminuten Explosionen, Schießereien und Karambolagen in schrillen Lettern „Action“ proklamieren, um den Zuschauer für sich einzunehmen. Auch im weiteren Verlauf der Handlung war es nicht nötig durch pausenlose Stunts und allerlei sonstiges Getöse von der eigentlichen Geschichte abzulenken, denn es gab eine. Und für die brauchte es Aufmerksamkeit, Konzentration und die Bereitschaft auch mental am Gebotenen teilzunehmen. Dass diese Filme dem Polizeialltag deutlich näher kamen als ihre High-Octane-Epigonen ist nicht mal ihr größter Verdienst, vielmehr setzten sie Maßstäbe für die Neo-Noir-Werdung des Genres, in dem fortan negativ konnottierte Werte und Haltungen wie Zynismus, Desillusioniertet oder Ambivalenz Einzug hielten und bis heute auch in A-Produktionen prägend sind. SERPICO (1973), FRENCH CONNECTION und vor allem DIRTY HARRY (beide 1971) gehören zu den bekanntesten Ausformungen dieser Neuorientierung, bei der die blank polierte Polizeimarke nicht mehr quasi symbolisch für ihren ebenfalls strahlenden Träger steht. Vielmehr ist sie lediglich noch ein ramponiertes Stück Blech, das die jeweiligen Gesetzeshüter gerade noch so davor bewahrt in den Abgrund zu taumeln, mit dem sie tagtäglich konfrontiert werden.

Auch wenn Clint Eastwood und Don Siegel mit dem ikonischen Harry Calahan die Galionsfigur des modernen Noir-Cop schufen, so war der eigentliche Trendsetter SFPD-Kollege Frank Bullitt. Drei Jahre vor DIRTY HARRY konzipierten der Brite Pater Yates (Regie) und Steve McQueen (Titelrolle) mit BULLITT die Blaupause für die Neujustierung des amerikanischen Polizei-Thrillers. Sämtliche klassischen Zutaten sind hier bereits vorhanden: Eine betont nüchterne, beinahe spröde Inszenierung. Ein nur spärlich eingesetzter, lakonischer Score. Eine vermeintlich simple Krimi-Handlung, die unter der Oberfläche gespickt ist mit zynischen Kommentaren zu Gesellschaft, Politik und Gesetz. Eine zwar langsam, aber sehr gezielt aufgebaute Spannungskurve, die sich zusehends verdichtet. Dazu auf ein Minimum reduzierte Dialoge, die keinerlei unnötiges Geschwafel enthalten oder gar die heute so beliebte Erklärfunktion bedienen. Schließlich ein lakonischer Antiheld, an dem all der Schmutz und die Gewalt der großstädtischen Polizeiarbeit nur scheinbar abprallen, der aber mangels persönlicher Alternativen und der eigenen Expertise daran festhält.

Im Zentrum der Geschichte steht SFPD-Lieutenant Frank Bullitt, ein erfahrener und von Vorgesetzten geschätzter Polizist. Aus diesem Grund wird er auch von dem aalglatten US-Senator Walter Chalmers (Robert Vaughn) ausgewählt, um den Kronzeugen John E.- Ross in einem Mafiaprozess bis zu seiner Anhörung zu bewachen. Doch schon am ersten Abend fliegt das sichere Versteck auf und Ross wird angeschossen. Als er im Krankenhaus seinen Verletzungen erliegt, hält Bullitt dessen Tod geheim um die Mörder heraus zu locken und sich Zeit für weitere Ermittlungen zu verschaffen. Der lediglich auf seine Politkarriere fixierte Chalmers dringt auf die Herausgabe seines Zeugen und will Bullitt ablösen lassen. Doch der wittert, dass der Fall noch mehrere Unbekannte enthält und überzeugt seinen Boss, ihm noch einen Tag den Rücken frei zu halten …

BULLITT verdankt seinen Klassiker-Status gar nicht mal so sehr Yates bahnbrechender Neuinterpretation des Polizeithrillers, sondern vor allem einer 10-minütigen Action-Sequenz in der Mitte des Films. Die Autoverfolgungsjagd zwischen einem grünen Ford Mustang Fastback und einem schwarzen Dodge Charger hat Filmgeschichte geschrieben und gilt seither als Mutter aller Car Chases. Die Sequenz ist auch heute noch überaus beindruckend, nicht wegen ihrer Geschwindigkeit, sondern wegen ihrer bis ins kleinste Detail durchdachten Inszenierung, die eine eigene Dramaturgie innerhalb der filmischen Gesamtdramaturgie verfolgt. Zwei Mafiakiller heften sich hier an die Fersen - beziehungsweise die Hinterräder - Bullitts, der während der wilden Fahrt durch die hügeligen Straßen San Franciscos einfach den Spieß umdreht.
Die völlig dialogfreie Szene ist famos geschnitten, ständig wechselt die Perspektive zwischen den beiden Autos, mal sieht man das Geschehen aus Fahrersicht, dann wieder in der Totalen, dazwischen fokussiert die Kamera die angespannten Gesichter der Beteiligten. Dass der passionierte Fahrer und bekennende Autofreak McQueen teilweise selbst am Steuer saß und man erkennbar am Originalschauplatz gedreht hatte, dürfte viel zum Kultcharakter beigetragen haben. Ein Kult, der sich gewissermaßen verselbstständigte. So zehrt Ford bis heute vom Bullitt-Mythos und legte nicht nur mehrere
Sondermodelle auf, sondern ließ u.a. auch Werbespots mit einem digital eingefügten McQueen drehen.

Dieser wurde mit BULLITT endgültig zur Stilikone und seine von Peter Yates persönlich ausgewählte Garderobe zum Must-Have des modebewussten Mannes der späten 1960er (u.a. sandfarbener Trench-Coat sowie braunes Tweed-Sakko mitsamt blauem Rollkragenpullover). Dabei hatte er die Rolle zunächst gar nicht übernehmen wollen, da er ein eher ambivalentes Verhältnis zum Job des Gesetzeshüters pflegte. Ob dieses durch ein Trainee-Programm mit echten Polizisten ausgeräumt wurde ist nicht erwiesen, jedenfalls spielte er dermaßen überzeugend, dass seine bewusst reduzierte Darstellung zum Vorbild für zahlreiche filmische Cop-Nachfolger werden sollte.

Ob der pessimistisch-lakonische Schluss, die bewusst authentische und gegen filmische Konventionen verstoßende Herangehensweise an den Polizistenalltag, oder die in großen Teilen durch präzise Bilder und Gesten erzählte Handlung, BULLITT fand viele Nachahmer und rief auch noch Jahrzehnte später zitierfreudige Bewunderer wie Michael Mann auf den Plan. Das Finale von HEAT (1995) auf dem Flughafen von Los Angeles, ist eine beinahe ehrfürchtige Vorbeugung vor BULLITT, dessen Schlussakt Mann thematisch, optisch und dramaturgisch aufgreift. Auch heute noch, mehr als 50 Jahre nach seiner Entstehung, steht Yates Film quasi monolithisch in der Polizei-Thriller-Landschaft und lässt den V8 unter der auf den ersten Blick unscheinbaren Inszenierungs-Karosserie bedrohlich blubbern. Mit BULLITT hat die Coolness Genre-Einzug gehalten, womit beide Wortbedeutungen gemeint sind: Kühle und Lässigkeit.

(zuerst veröffentlicht 25.10.2020)
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Re: Der Steve McQueen Thread

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Es gibt schlechte Cops und es gibt gute Cops - und dann gibt's noch Bullitt. So steht es auf der Vorderseite meiner DVD geschrieben.

Irgendwann, vor vielen vielen Jahren tief in der Nacht nach dem x-ten Mal Fortgehen und Nachhausekommen, lief Bullitt auf Kabel1. Sofort bin ich hängen geblieben, unmittelbar hat mich bei dieser ersten Sichtung die Kombination Steve McQueen-Ford Mustang Fastback-Lalo Schifrin Musik in ihren Bann gezogen. Was genau es letztlich war kann ich nicht sagen, sicher wars ein Stück weit die Sehnsucht so sein zu wollen und ein ähnliches Leben zu führen wie Frank Bullitt. Mit Anfang Zwanzig war ich dafür sehr empfänglich. Von da an habe ich Bullitt in all den Jahren sicher genauso oft gesehen wie diverse Bondfilme. Wars als Inspiration in Sachen Kleidung (der blaue Rollkragenpullover, das dunkelbraune Jackett mit den braunen Chukka Boots und die dunkle Hose 😍 oder der helle Mantel) oder wie entspannt Steve McQueen aka Frank Bullitt in angespannten Situationen bleibt - ich hab ihn damals oft zum Vorbild genommen, wie ich das auch bei 007 getan habe. Beide Filmfiguren haben mein Leben, meinen Lebensstil, meine Art zu Kleiden, meine Kulinarik definitiv beeinflusst.

Nun zum Film selbst.
Ich mag die nur auf den ersten Blick unspannende Story, den Wechsel zwischen bunten Bildern am Tag und dunklen finsteren Bildern in der Nacht, die nur zurückhaltend eingesetzte Musik fängt alles perfekt stimmungsvoll ein, es gibt Szenen die man so wohl seltener sieht, erst recht in einem solchen Film. Sei es Bullitt, der bis tief in der Nacht auf den Beinen war (nennen wir es mal so) und durch seinen Kollegen Delgetti viel zu früh aus dem Bett geklingelt wird, wie er seine Zeitung 'kauft' oder seine bildhübsche Freundin aus der Arbeit abholt welche noch voll im Arbeitsmodus ist - ich liebe das. Jaqueline Bisset ist für mich bis Heute optisch eine Wucht, sie ist einfach bildhübsch. Den Dialog am Wasser nachdem sie fassungslos festgestellt hat welche Arbeit ihr abgebrühter Freund da eigentlich macht spielt sie für mich richtig gut.

Und, natürlich komme auch ich nicht umhin: DIESE Verfolgungsjagd. Ohne jegliche Dialoge auskommend und nur spärlich Musik eingesetzt, fasziniert sie bis heute unter anderem dadurch dass sie vollständig vor Ort gedreht wurde und Steve McQueen teilweise selbst am Steuer saß. Der Wechsel zwischen den Kameras, mal den Blick ins Gesicht der Fahrer - es funktioniert einfach perfekt für mich.

Bullitt fasziniert mich wie eh und je, die Sichtung am gestrigen Abend habe ich sehr genossen. Der Film bleibt einer meiner Allzeit-Favoriten.

EDIT: Einmal mehr eine richtig feine Kritik, vodka! 💪
Zuletzt geändert von Hannes007 am 30. November 2023 09:14, insgesamt 1-mal geändert.
"Warum hast du ihn geheiratet? - "Er hat mir gesagt er liebt mich." - "Das klingt immer gut."

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Re: Der Steve McQueen Thread

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Das hast du sehr schön beschrieben. Bullitt ist ein Film, den man nicht nur schaut, sondern auch fühlt. Das ist perfektionierte Lakonie. Die Car-Chase mag nicht mehr dem heutigen Krach, Bumm, Bäng und der pseudoauthentischen Wackelkamera entsprechen. Aber was für eine Montage. Und wer schon mal in SF war weiß, dass hier auch die Stadt bzw. ihre Straßen umgemein authentisch eingefangen wurden. Ansonsten mal wieder ein Film wie gemalt für Steve, denn er spricht kaum, so wie er es in seinen besten Rollen am liebsten tat.
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Re: Der Steve McQueen Thread

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1. ihr beiden habt 100% treffend beschrieben
2. bei der Stylebewertung geht der weinrote Cardigan (!!!) zu unrecht immer unter
3. Frisco ist die geilste Stadt der Welt
4. Ich liebe das Ingenieur-Osterei: Bullit darf in der Reynoldstabelle die Rohreibungsverluste für seine Liebste raussuchen (#Strömungslehre 3tes Semester Maschinenbau)
❤️☮️🧘🏻‍♂️

Re: Der Steve McQueen Thread

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Ganz vergessen etwas über Bullitt zu schreiben.
Der Film hat mir definitiv besser gefallen als Thomas Crown.
Es ist ein klasse 60-er Action-/Krimifilm der auf vielen Ebenen abliefert. An manchen (wenigen) Stellen wirkt er etwas zäh, aber nicht so, dass es stören würde.
Dann die große Verfolgungsjagd… Ganz zünden konnte sie bei mir nicht. Dafür ist es zu offensichtlich, dass ein und die selbe Szene 4 mal hintereinander nur mit anderer Perspektive gezeigt wird (der grüne Käfer lässt grüßen). Zudem hatte man wohl nur 1-2 Blocks zur Verfügung - vereinzelt sieht man, auch mit großem Abstand einzelner Sequenzen, manche Drehorte mehrfach. So gedrungen und fast perfekt wie in der Stadt funktioniert die Jagd ab der Autobahn/Landstraße nicht mehr. Die Inszenierung ist zu unaufgeregt, zu glatt und fast uninteressant. An dieser Stelle hätte es gutgetan Soundtrack einzubinden, um die Spannung aufrecht zu halten. Insgesamt definitiv eine ikonische Actionszene, aber für die beste Verfolgungsjagd der Kinogeschichte halte ich sie nicht.

Als Wertung gebe ich dem Film 7,5/10 mit leichter Tendenz nach oben.

Dann geht’s jetzt mit Le Mans weiter 🚗🏁
"Are you looking for shells?"
"No, I'm just looking."