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iHaveCNit: Argylle (2024) – Matthew Vaughn – Universal
Deutscher Kinostart: 01.02.2024
gesehen am 01.02.2024 in Dolby Atmos
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 1 – Reihe 14, Platz 20 – 20:00 Uhr


Natürlich war an diesem Wochenende auch der neue Film von Matthew Vaughn bei mir angesagt und so habe ich die neue Spionageactionkomödie gerade aufgrund meines Soft Spots für Spionage, Action und Komödien auch hinter mich gebracht.

Die Schriftstellerin Elly Conway ist mit ihrer Romanreihe um den Agenten „Argylle“ sehr erfolgreich, doch privat lebt sie in der Abgeschiedenheit Colorados mit ihrer Katze Alfie. Während einer Reise zu einer Vorlesung kommt es jedoch zu mysteriösen Zwischenfällen, bei denen sie noch nicht ahnt, dass sie in ihren Romanen tatsächliche Ereignisse in der Welt der Spionage wiedergegeben hat und damit in den Fokus einer mysteriösen Geheimorganisation gerät.

Das was „The Lost City“ mit Sandra Bullock, Channing Tatum, Daniel Radcliffe und Brad Pitt für den Abenteuerfilm geliefert hat, liefert nun Matthew Vaughns „Argylle“ für den Spionagefilm. Eine harmlose Meta-Actionkomödie, bei der sich eine Schriftstellerin letzten Endes selbst in einem Abenteuer wiederfindet. In „Argylle“ kommt der Cast durchaus mit interessanten und auch großen Namen daher, wenn wir von Bryce Dallas Howard, Sam Rockwell, Henry Cavill, Dua Lipa, John Cena, Ariane DeBose, Bryan Cranston, Catherine O´Hara, Samuel L. Jackson und Sofia Boutella sprechen. Ich war von den Einfällen und dem Ideenreichtum bei „Argylle“ auf eine gewisse Art und Weise unterhalten worden, selbst wenn natürlich der gesamte Handlungsverlauf und die Twists des Films etwas verrückt und wirr sind und der Film seine dahingehenden Möglichkeiten nicht ausschöpfen kann. Hinzu kommt natürlich ein gewisser künstlicher Look und auch in manchen Momenten hat mich auch im Bereich von sowohl Kostümdesign als auch Make-Up und Hairdesign der Film verloren, was auch für vor allem die Darstellung von unter anderem Bryce Dallas Howards Charakter ab einem Moment der Fall ist und auch im Hinblick auf Henry Cavill. Die Frage ob der Film „Ah Geil“ ist, stellt sich hier nicht, der Film ist eher „Arg“ für mich gewesen.

„Argylle“ - My First Look – 6/10 Punkte
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Special – Fantasy Filmfest White Nights 2024
Festivalzeitraum: 03.02.2024 und 04.02.2024
Gesehen im Festivalzeitraum in jeweils OmeU und OV
03.02.2024
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 5, Platz 13, ab 13:00 Uhr bis 21:45 Uhr
04.02.2024
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 7, Platz 12, ab 13:00 Uhr bis 21:15 Uhr


Ich habe mir am aktuellen Wochenende gleichermaßen einen kleinen Traum erfüllt als auch einen Punkt auf meiner Kino-Bucketliste abhaken können. Das „Fantasy Filmfest“, dass seit einigen Jahrzehnten bereits viele Genre-Perlen im Bereich Horror, Thriller, Fantasy, Science-Fiction und vielen weiteren Bereichen zu bieten hat und auch neben dem Hauptfestival auch noch mit den „White Nights“ als auch den „Nights“ zwei kleinere Festivals zu bieten hat, hat sich da für mich angeboten, gerade auch, weil es im Arthouse-Kino meines Vertrauens, dem Harmonie in Frankfurt-Sachsenhausen auch veranstaltet wird. Da ich jedoch beruflich weder mit Film noch mit Kino zu tun habe und den Anspruch habe, bei einem Filmfestival jeden Film des Programms sehen zu wollen, ist für mich die planbar kurzfristige Teilnahme an sowohl dem Hauptfestival als auch der kleineren „Nights“-Ausgabe für mich eher nicht drin, weil damit auch entsprechender Erholungsurlaub extra genommen hätte werden müssen. Da freue ich mich, dass die „White Nights“ im Zeitraum von einem Wochenende stattfinden und ich mit freiem Samstag und Sonntag die Möglichkeit frei gehalten habe, als ich mir dann auch den Festivalpass geholt habe. Für mich als jemanden, der gerne vorbereitet ins Kino geht, war diese sehr schlanke, fast formlose, unkomplizierte Abwicklung auch dann beim Einlass extrem entspannend – genau wie das gesamte Programm des Wochenendes.

iHaveCNit: Amelias Children (2024) – Gabriel Abrantes
13:00 Uhr

Den entspannten Einstieg lieferte Gabriel Abrantes „Amelias Children“, in dem sich ein Mann namens Edward gemeinsam mit seiner Freundin Ryley auf die Spuren seiner familiären Vergangenheit macht und ihn dies auf ein Familienanwesen in Portugal führt, dass einige dunkle und auch mythische Familiengeheimnisse birgt, die sowohl Edward als auch Ryley in Gefahr bringen können. Routiniert, fies, kompakt hat der Film einen schon gut auf das Wochenende einstimmen können.
Amelias Children – My First Look – 7/10 Punkte

iHaveCNit: Hundreds Of Beavers (2024) – Mike Cheslik
15:00 Uhr

Der zweite Spot auf zum Beispiel einer Wrestlingcard im Rahmen einer Show ist ja dazu gedacht, ein weniger gutes Match in der vergessenswerten zweiten Position schnell abhandeln zu können. Bei Mike Chesliks „Hundreds Of Beavers“ wird jedoch der Second-Match-Spot auf der Card zum absoluten Showstealer des gesamten Wochenendes, wenn ein kanadischer Apfelschnapsbrenner nachdem ihm alles genommen worden ist im kanadischen Winter in den Wäldern erst ums Überleben kämpft und dann einen Weg sucht, sich an den Biebern zu rächen und zeitgleich um die Hand der Tochter des Händlers anzuhalten. Als Stummfilm in Schwarz/Weiß liefert der Film mit seinem kreativen Ideenreichtum und seiner Gagdichte ein absolutes Feuer- und Meisterwerk ab, dass so gesehen irgendwie absolut einmalig wirkt in der Filmgeschichte.
Hundreds Of Beavers - My First Look – 10/10 Punkte

iHaveCNit: Alienoid: Return To The Future (2024) – Choi Dong-Hoon
17:15 Uhr

Danach gab es zum Runterkommen die Fortsetzung des koreanischen Sci-Fi-Actionabenteuers „Alienoid“, bei dem es eine Gruppe von Personen gleichermaßen versucht wieder ein Portal in die Zukunft zu öffnen und entflohene Aliens zu bekämpfen, ehe es zu einer gewissen Apokalypse kommt. Entspannter, spannender und unterhaltsamer Film, bei dem ich sicherlich noch ein bisschen mehr Spaß gehabt hätte, hätte ich seinen Erstling bereits gekannt.
Alienoid: Return To The Future - My First Look – 7/10 Punkte

iHaveCNit: Dream Scenario (2024) – Kristoffer Borgli
19:45 Uhr

Nachdem Kristoffer Borgli in seinem letzten Film eine toxische, stets konkurrierende Beziehung und die Auswirkung von damit verbundener Aufmerksamkeit und den öffentlichen Geltungsdrang bereits seziert hat, hat er sich mit Nicolas Cage in der Hauptrolle ein Szenario geschaffen, in dem ein langweiliger Uniprofessor irgendwann in den Fokus gerät, als er zunächst als unbeteiligter Teil in den Träumen von Menschen auftritt, deren Träume dann im weiteren Verlauf immer extremere Züge annehmen und dies natürlich einen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung des von Nicolas Cage gespielten Professors Paul und auch seine Familie nimmt. Skurril, witzig, absurd, bissig und vielleicht ein wenig braver, wenn man es mit der grafischen Darstellung wie in Borglis Vorgängerfilm „Sick of Myself“ vergleichen möchte.
Dream Scenario - My First Look – 8/10 Punkte

iHaveCNit: Nightwatch: Demons Are Forever (2024) – Ole Bornedal
21:45 Uhr

30 Jahre nach dem ersten Teil, der mitunter auch ein Durchbruch des dänischen Schauspielstars Nicolaj Coster-Waldau gewesen ist und auch ein internationales Remake mit Ewan McGregor mit sich zog, gibt es nun mit „Nightwatch: Demons Are Forever“ eine späte Fortsetzung, in dem Ole Bornedal diesmal seine Tochter die Hauptrolle spielen lässt, die als Tochter von Nicolaj Coster-Waldaus Martin den gleichen Weg wie ihr Vater geht und mit ihrem Interesse an dem Fall, der bei ihren Eltern ein Trauma ausgelöst hat, erneut die Dämonen der Vergangenheit hoch holt. Düster, atmosphärisch und spannend stellt man sich bei dieser Fortsetzung, die durchaus ähnliche Plotpoints bedient wie sein Vorgänger die Frage, ob diese überhaupt notwendig gewesen wäre. Verbunden mit bereits 4 vorigen Filmen an diesem Tag war der Film auch bei entsprechender Erschöpfung auch etwas träge.
Nightwatch: Demons Are Forever - My First Look – 7/10 Punkte

iHaveCNit: Daaaaaali! (2024) – Quentin Dupieux
13:00 Uhr

Vor gar nicht mal einem halben Jahr kam von Regisseurin Mary Harron eine eher durchaus biederere Filmbiographie „Daliland“ mit Ben Kingsley in die Kinos. Doch der für mich bessere „Daliland“ ist hier Quentin Dupieuxs „Daaaaaali!“, den man als filmische, sehr witzige Daliception bezeichnen könnte, in dem eine junge Journalistin unbedingt ein Interview mit Salvador Dali machen möchte, sich jedoch mit dessen Exzentrik, multiplen Persönlichkeiten und auschweifenden Erzählungen auseinandersetzen muss. Für den Opener des zweiten Tages war der Film großartig.
Daaaaaali! - My First Look – 8/10 Punkte

iHaveCNit: The Last Stop in Yuma County (2024) – Francis Gallupi
14:45 Uhr

Der zweite Stop des Tages ist „The Last Stop in Yuma County“ von Francis Gallupi gewesen, bei dem ein Familienvater und Messervertriebler aufgrund eines leeren Tanks und einem ausbleibenden Tanklaster mitten auf dem Weg zum Geburtstag seiner Tochter auf einem Rastplatz strandet und sich in der Hitze des Tages durch einige windige Gestalten, die nach und nach auf dem Rastplatz ankommen die Hitze und Spannung bis zur Eskalation aufstaut. Ein kleines, feines und spannendes Kammerspiel, dass vor allem Fans von zum Beispiel Tarantinos „The Hateful Eight“, den ich sehr mag, überzeugen kann.
The Last Stop in Yuma County - My First Look – 8/10 Punkte

iHaveCNit: Red Rooms (2024) – Pascal Plante
16:45 Uhr

Das große Highlight an Tag 2 des Festivals war dann für mich genau zur Mitte des Tages angesagt, als Pascal Plantes „Red Rooms“ gezeigt wurde. In diesem effektiven und intensiven, frankokanadischen Psychothriller verfolgen wir aus vorwiegend den Augen der von Juliette Gariepy gespielten Kelly-Anne den Prozess um Ludovic Chevalier, der drei minderjährige Mädchen entführt, missbraucht, gefoltert und getötet haben soll – vor laufenden Kameras in den Red Rooms des Darknets, was vor allem bei Kelly-Anne zu einer sehr brisanten, extremen, abgründigen, ambivalenten, gefährlichen und nicht immer nachzuvollziehenden Obsession zum Angeklagten und seiner Tat führt.
Red Rooms - My First Look – 9/10 Punkte

iHaveCNit: When Evil Lurks (2024) – Demian Rugna
19:15 Uhr

Nach dem Psychothriller stand dann auch der nächste Thriller im Anschlag, der argentinische Horror-Thriller „When Evil Lurks“ von Demian Rugna, indem zwei Brüder und ein Freund der beiden Brüder entgegen jeglicher Warnung den verfaulenden, abnormal gezeichneten, besessenen Körper eines Menschen abtransportieren und noch nicht ahnen, welche fatale Folgen ein Zwischenfall haben wird. Ein fieser, teils ekelhafter Horror-Thriller, dessen Idee eingangs auch noch durch sein gekonntes Spiel mit der Erwartungshaltung super funktioniert, sich aber in seinen losen Enden gegen Ende hin verfängt und verliert.
When Evil Lurks - My First Look – 8/10 Punkte

iHaveCNit: I´ll Crush Y´All (2024) – Kike Narcea
21:15 Uhr

Zum Abschluss gab es einen weiteren Thriller, den ich auch als perfekten Rausschmeißer bezeichnen würde. In Kike Narceas „Os Reviento“ beziehungsweise „I´ll Crush Y´All“ aus Spanien lässt er den von Mario Mayo aus der Bewährung kommenden Gabriel „Tarado“ richtig brutal freidrehen, als es ein paar lokale Gangster auf das Anwesen seines erst verstorbenen Vaters treibt und er sich den Horden entgegenstellt. Teils etwas unentschlossen in seiner Tonalität kann sich dieser „Rausschmeißerfilm“ dennoch sehr sehen lassen und unterhalten. Leider wurde die Vorstellung in seiner Stimmung etwas getrübt, weil sich ein betrunkener „Klischeefrankfurter“ in das Kino und die Vorstellung verirrt hat und für den Rücksichtsnahme ein Fremdwort gewesen ist.
I´ll Crush Y´All - My First Look – 8/10 Punkte
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iHaveCNit: Night Swim (2024) – Bryce McGuire – Universal
Deutscher Kinostart: 08.02.2024
gesehen am 08.02.2024
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 4 – Reihe 9, Platz 18 – 20:20 Uhr


Bevor es an die besseren Starts des aktuellen Wochenendes geht, hake ich vorher noch das Horror-Drama „Night Swim“ aus dem Hause Blumhouse und des Regisseurs Bryce McGuire ab.

Der einstige Baseballstar Ray Waller ist mittlerweile nach seiner Erkrankung an multipler Sklerose ein Schatten seiner selbst. Zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Kindern steht somit auch ein Umzug in eine neue Gegend an. Die Wahl fällt auf ein Haus mit einem alten, verfallenen Pool, den die Familie restauriert und dessen Nutzung bei Ray neue Kräfte freisetzt. Noch ahnt die Familie nichts von dem dunklen, mysteriösen Geheimnis, dass diesen Pool umgibt.

„Night Swim“ hat durchaus ein stimmiges, passendes Familiendrama als Aufhänger für seine Geschichte ausgewählt. Die Stimmung und Atmosphäre wirkt routiniert düster und auch die Spannungs- und Schockeffekte haben für mich einigermaßen gepasst. Jedoch war das alles auf einer sehr planschenden, plätschernden Ebene und ich habe mich stellenweise irgendwie an eine Variation von Shining erinnert gefühlt, den man statt in einem riesigen Hotel nur ein einem auf Wish beziehungsweise Temu bestellten aufblasbaren Pool stattfinden lässt, womit das Potential von „Night Swim“ wohl eher baden geht.

„Night Swim“ - My First Look – 5/10 Punkte
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iHaveCNit: Green Border (2024) – Agnieszka Holland – Piffl Medien GmbH
Deutscher Kinostart: 01.02.2024
gesehen am 10.02.2024
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 5, Platz 7 – 10:30 Uhr


Gerade wenn es ums Kino an einem Wochenendtag geht ist eigentlich 10:30 Uhr für mich durchaus zu früh und eigentlich gar nicht meine Zeit. Dafür muss aufgrund mangelnder zeitlicher und lokaler Alternativen dann der jeweilige Film entscheidend sein und das ist bei Agnieszka Hollands „Green Border“ der Fall gewesen, den ich mir aufgrund einiger guten Kritiken und auch einem interessanten Trailer vorab noch auf meine Liste gesetzt habe. Und danach muss ich sagen, dass sich das frühe Aufstehen gelohnt hat – selbst wenn hartes, politisches Kino zum „Frühstück“ vermutlich nicht jedermanns Sache ist.

Der Syrer Bashir, seine Familie und weitere Insassen sitzen gerade noch hoffnungsvoll durch Versprechen von Präsident Lukaschenko im Flieger in die belarussische Landeshauptstadt Minsk. Bashir und seine Familie möchten von dort über Polen aus die weitere Route zu einem Verwandten in Schweden aufnehmen. Noch ahnen sie nicht, auf welchen Spießroutenlauf sie sich damit begeben haben, denn die Grenzbeamten sowohl auf belarussischer als auch polnischer Seite werden die Flüchtlinge am dortigen Grenzstreifen hin- und hertreiben und festhalten. Inmitten dieser gefährlichen Zone müssen sich die im polnischen Grenzgebiet Lebenden, der Grenzbeamte Jan und die Psychotherauptin Julia sowie eine Gruppe von Menschenrechtsaktivisten, die sich für die Flüchtlinge einsetzen, behaupten.

„Green Border“ arbeitet sein filmisches und politisch komplexes Thema in sowohl düsterer schwarz/weiß-Optik als auch einer vielschichtigen, mehrseitigen Perspektive auf. Bei dem komplexen Thema, das durchaus viele Graustufen bietet, gibt es jedoch im Bereich der politischen Haltung nur Schwarz und Weiß. Mit einer gewissen Immersion, deren Sogwirkung sich nicht immer bei mir einstellen wollte, zieht uns der Film direkt ins Geschehen an die Seite einer fiktiven, syrischen Flüchtlingsfamilie und lässt uns an ihrer Gefühlswelt und dem Märtyrium teilhaben, in das sie unfreiwillig geraten sind und mit welchen Grausamkeiten und Schrecken sie dort konfrontiert werden. Wir erleben einen polnischen Grenzbeamten, der aus privaten Gründen heraus irgendwann an seiner durch Propaganda bestimmten Tätigkeit zweifelt. Wir erleben wie sich mutige Aktivisten im gefährlichen Grenzbereich der Hilfe gegenüber den Flüchtlingen verschrieben haben und auch wie unbeteiligte Zivilisten im Grenzgebiet Teil der Flüchtlingshilfe werden. Immer sehr nah am Geschehen, dass man durchaus auch aushalten können muss, könnte man dem Film durchaus wenig Subtilität und eine Spur Prätentiösität vorwerfen, wenn es um seine Bilder und die dargestellten Horror-Szenarien geht. Dennoch lässt er kein gutes Haar an der gesamten Situation, in der am Ende gerade im Hinblick auf den polnischen Umgang mit der Flüchtlingssitation mit der Ukraine, bei der wir es gefühlt mit zweierlei Maß zu tun haben. Gerade aber die gezeigte Menschlichkeit inmitten dieser sehr gefährlichen, hoffnungslosen, verzweifelten Situation und eine feine Spur Humor ist genau der Lichtblick am Ende des Tunnels, auf den wir uns fokussieren sollten. Und auch darauf zu hinterfragen, wie gut es uns eigentlich geht, wenn wir einen Blick auf diese Lebens- und Fluchtumstände werfen.

„Green Border“ - My First Look – 9/10 Punkte
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iHaveCNit: The Holdovers (2024) – Alexander Payne – Universal
Deutscher Kinostart: 25.01.2024
gesehen am 27.12.2023 in der Spotlight-Sneak OmU
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 4, Platz 9 – 21:00 Uhr
gesehen am 10.02.2024
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema – Studio – Reihe 3, Platz 1 – 20:50 Uhr


Bevor ich filmisch im Kino für mich den Monat Januar 2024 abschließe gibt es noch einen Film, der übrig geblieben ist. Als letztes „Überbleibsel“, wenn man es so sagen möchte. Denn die englische Übersetzung dieses Begriffs „Überbleibsel“ ist „Holdover“, den ich auch frei für mich selbst als Platzhalter interpretiert habe. Ein Platzhalter in dem Sinne, dass ich diesen Film bereits Ende letzten Jahres in der absolut passenden Saison in einer Sneak gesehen habe, dieser Film direkt auf Platz 1 für 2024 geschossen ist, aber tragischerweise nur ein Platzhalter bleibt für noch größere Filmtitel, die an ihm vorbeischießen können. Genauso tragisch ist es auch, dass „The Holdovers“ leider keine Veröffentlichung im deutschsprachigen Raum in der Weihnachtszeit 2023 bekommen hat, denn da gehört er eigentlich absolut hin. „The Holdovers“ wird sich dennoch für Liebhaber von Weihnachtsklassikern absolut in die Riege von Filmklassikern einordnen, die man sich gerne an den Feiertagen auch jährlich ansehen wird.

1970: Im privaten Jungeninternat Barton Academy in Neuengland werden reiche privilegierte Kotzbrocken von reichen privilegierten Kotzbrocken unterrichtet. Doch sowohl der griesgrämige, unsympathische, strenge Professor Paul Hunham als auch der sehr trotzige, unruhige, talentierte Angus Tully scheinen wie Fremdkörper in der Schule zu wirken. Wie jedes Jahr gehen die Schüler und Lehrer über die Weihnachtsfeiertage zu ihren Familien. Nur ein kleiner Kreis der Schüler, der nicht zu den Familien kann, muss die Feiertage im Internat verbringen. Von diesen Schülern wird am Ende nur Angus übrig bleiben, der sich mit der als Aufsichtsperson beauftragten Lehrkraft Hunham rumschlagen muss. Ohne zu ahnen, welche Wirkung die gemeinsame Zeit, in der auch die um ihren im Vietnamkrieg verschollen Sohn trauernde Küchenchefin der Internatskantine Mary Lamb auf das ungleiche Trio trifft, auf Ebenselbiges haben wird.

Wenn es für mich um das filmische Werk von Alexander Payne geht, habe ich das bisher nur sehr stiefmütterlich behandelt. Klar habe ich vor einigen Jahren „Downsizing“ gesehen und vielleicht auch sehr dunkel sehr viel früher auch „Election“, aber sonst ist Payne bei mir ein unbeschriebenes Blatt, womit ich auch unvoreingenommen „The Holdovers“ sehen konnte, der genau die Antwort darauf liefert, welchen Film man von Alexander Payne sehen sollte. „The Holdovers“ ist zum einen „Nostalgy done right“ in einem unfassbaren Detailreichtum der Sets, der Kostüme, des historisch eingebetteten Kontexts und auch der Filmkörnung und der Wärme, die bei den eingefangenen Bildern auch noch weiter passend die Atmosphäre unterstützt. Ein typisches Phänomen, was ich gerne bei einigen Kritikern und Zuschauern höre ist das Argument, „dass in Film XY doch nichts passiert“. Ich halte dieses Argument oder diese allgemeine These für grundsätzlich falsch, selbst wenn in einem Film sich einfach nur Person A mit Person B unterhält, passiert doch genau das, so dass in jedem Film etwas passiert. Man muss nur genau hinsehen und hinhören. Dieses Argument und diese These könnte man ja auch bei „The Holdovers“ anbringen, es würde ja in diesem Film nichts passieren, aber da würden alle die dieses Argument liefern in meinen Augen falsch liegen. Denn bei diesen gemeinsam verbrachten Feiertagen vor, während und nach Weihnachten bishin zum Jahreswechsel passiert genug Großartiges, Warmherziges und auch das ein oder andere Tragische. Mit einem so feinen zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Gespür nähern wir uns ähnlich wie das Trio untereinander dem Trio an und lernen dabei Schritt für Schritt immer mehr sowohl Paul Giamattis Paul Hunham, Dominic Sessas Angus Tully und Da´Vine Joy Randolphs Mary Lamb kennen, entwickeln ein tieferes Verständnis für vor allem die Eigenarten von Paul und Angus und ein sich daraus entwickelnder Zusammenhalt und gar Freundschaft. Das macht den Film bei all den durchaus intelligenten philosophischen und teils auch unterhaltsam schlagfertigen Dialogen so unglaublich warmherzig. Das ist von den drei Darstellern so großartig gespielt, dass ich ihnen alle bereits gewonnen und noch ausstehenden Preise gönne und dem Film großen Erfolg dabei wünsche. Mich hat dieses kleine und feine Meisterwerk blendend unterhalten und es konnte mich auch zu Tränen rühren. Nicht zu vergessen die tolle Stimmung, die ich in beiden Kinovorstellungen mitnehmen konnte und die beide Beweis genug sind, dass ich mit dieser Meinung nicht allein stehen werde, wenn ich „The Holdovers“ mit meiner Höchstwertung belohne.

"The Holdovers" – My Second Look – 10/10 Punkte
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iHaveCNit: Reality (2024) – Tina Satter – Grandfilm
Deutscher Kinostart: 08.02.2024
gesehen am 12.02.2024 in OmU
Mal Sehn Kino Frankfurt – Reihe A, Platz 7 – 19:45 Uhr


Die ersten Monate in diesem Jahr könnten vor allem ganz im Zeichen von Sydney Sweeney stehen und ihr im filmischen Bereich mit einer vielseitigen Palette von filmischen Beteiligungen sowohl in Neben- als auch Hauptrollen den Durchbruch bescheren. Von Rom-Coms wie „Anyone But You“ (hierzulande „Wo die Lüge hinfällt) über Superhelden-Action-Kino wie „Madame Web“ bishin zu Horror wie „Immaculate“ gehören auch Thriller zu dieser vielseitigen Palette – Thriller wie Tina Satters „Reality“, der irgendwie thematisch zeitlich gut gelegen kommt – gerade weil sich Geschichte wiederholen könnte.

Es ist die Nachmittagszeit des 3. Juni 2017 in einer Stadt im US-Bundesstaat Georgia. Die Linguistin, Geheimdienstmitarbeiterin und Air-Force-Veteranin Reality Winner ahnt nach ihrem Einkauf noch nicht, dass vor ihrem Haus einige Männer, darunter die FBI-Agenten Garrick und Taylor auf sie warten und eine Vernehmung und Hausdurchsuchung vornehmen werden. Warum ? Das wissen beide Seiten ganz genau ! Dennoch entbrennt sich ein brisantes, verbales, einengendes Schachspiel über die Hintergründe.

„Reality“ ist ein biographischer True-Crime-Thriller, der auf den aufgezeichneten Audioprotokollen und Mitschriften der echten Vernehmung von Reality Winner basiert, die in der Zeit nach dem Wahlkampf zur Administration des damals gewählten US-Präsidenten Donald Trump an brisante Informationen zur Manipulation des Wahlkampfs durch Russland gelangt ist und diese an die Öffentlichkeit weitergegeben hat. Der Film ist bis auf wenige Ausnahmen wie ein psychologisches Kammerspiel konzipiert, dass sich hauptsächlich auf das kleine Haus von Reality Winner begrenzt und den grundsätzlichen Fokus auf sowohl die von Sydney Sweeney großartig gespielte Reality Winner und die beiden FBI-Agenten Garrick und Taylor, gespielt von Josh Hamilton und Marchánt Davis, die mit ihren Dialogen allein ein extrem spannendes Katz- und Maus-Spiel erzeugen, dass durch die Inszenierung der Enge, dem Rücken zur Wand, der Musik und auch einer gewissen Symbolik ein sich stetig aufbauender Thriller wird, der gleichermaßen fies und unangenehm wird in seinen kompakten 82 Minuten und durchaus viel ambivalenten Zünd- und Diskussionsstoff mitbringt. Mit dem Einbetten der echten Aufzeichnungen ergibt sich sogar eine gewisse semidokumentarische Ebene des Films.

„Reality“ - My First Look – 8/10 Punkte
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iHaveCNit: All Of Us Strangers (2024) – Andrew Haigh – Searchlight Pictures
Deutscher Kinostart: 08.02.2024
gesehen am 13.02.2024
Arthouse-Kinos Frankfurt – Harmonie – Kleine Harmonie – Sitz 5, Platz 9 – 20:45 Uhr


Mit ein paar sehr überschwänglichen und positiven Stimmen im Vorfeld war es für mich klar, dass ich mir auch aufgrund der involvierten Darsteller ein Bild von Andrew Haighs „All Of Us Strangers“ machen wollte. Und das lange, bevor ich erst Mitte Januar mit ersten bewegten Bildern aus dem Trailer konfrontiert wurde, die mein Interesse am Film wesentlich steigern konnten. Nun da ich ihn gesehen habe, kann ich aus meiner Perspektive sagen, dass dieser Film für mich zumindest der beste Film des aktuellen Wochenendes ist.

Der Drehbuchautor Adam lebt einsam und distanziert in einem Neubau-Hochhauskomplex in London. Dort lernt er den jüngeren, ebenfalls im Haus lebenden Harry kennen. Beide sind homosexuell und spüren eine gewisse Anziehung zueinander. Aus der Beziehung schöpft vor allem Adam einen neuen Tatendrang zur Arbeit an einem neuen Drehbuch, für das er sich mit seiner eigenen Vergangenheit mit seinen Eltern in einem Vorort Londons auseinandersetzt und noch nicht ahnt, was diese emotionale Reise für ihn bereithält.

„All Of Us Strangers“ ist ein zweischneidiges Schwert. Warum das so ist? Darauf komme ich noch. Vorab gesagt hat mich der Film in einigen Elementen wie eine Mischung aus „Aftersun“, „Call Me By Your Name“ und „Petite Maman“ erinnert. Der Film, der in gewisser Art und Weise neben einem Coming-Out auch Coming-Of-Age verhandelt, befasst sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen für Homosexuelle und Queere und spiegelt in Ansätzen die Lebensrealität auf natürliche Art und Weise wieder, bei denen natürlich trotz einem größtmöglichen Ansatz einer natürlichen und authentischen Darstellung des Themas gewisse diskussionswürdige Klischees und auch teils homophobe Elemente im Film enthalten sind und nicht umschifft werden könne, die jedoch in meinen Augen für die filmische Aufarbeitung und die charakterliche Entwicklung wichtig sein können. Selbst wenn ich mich persönlich nicht als queer und homosexuell identifiziere, kann ich mich mit Andrew Scotts Adam dennoch sehr wohl identifizieren. Denn seine Trauer, sein Trauma und seine Ängste sowie seine Coping Mechanismen sind mir persönlich bei mir nicht fremd, so dass ich eine tiefe charakterliche Verbindung zu Scotts Rolle aufbauen und mich hineinfühlen konnte. Die Art, wie der Film hier Versöhnung, Trost und die Möglichkeiten der Verarbeitung von Unverarbeitetem einbettet, ergibt mit der zärtlichen, herzlichen und tragischen Liebesgeschichte zwischen Adam und dem von Paul Mescal gespielten Harry einen regelrechten Sog und Rausch durch Zeit und Raum, der einen nicht mehr loslassen möchte. Vor allem, wenn auch das „Loslassen“ und der Verlust eine große Rolle im Film und seiner Konklussion darstellt, bei der ich mir die Frage stelle, ob die Geschichte, die sich wiederholen könnte nicht etwas zu redundant ist – genau wie die Einbindung von musikalischen Klassikern der Pet Shop Boys mit „Always On My Mind“ und Frankie Goes To Hollywoods „The Power of Love“ nicht etwas zu symbolisch, prätentiös und kitschig melodramatisch ist.

„All Of Us Strangers“ – My First Look – 9/10 Punkte.
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Special – Disharmonie
iHaveCNit: Der Kleine Horrorladen (1987) – Frank Oz - Warner
Deutscher Kinostart/Wiederaufführung: 14.02.2024
gesehen am 14.02.2024 in OV im Extended Cut
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 5, Platz 11 – 21:00 Uhr

Zum Valentinstag hat sich das Team der Arthouse-Kinos-Frankfurt für die auf diesen Tag fallende Disharmonie-Vorstellung eine Wiederaufführung von Frank Oz´ Remake des Musicals ausgesucht, der in der Originalversion und vor allem seiner ursprünglichen Version gezeigt worden ist, der einst beim regulären Kinostart mit einem anderen alternativen Ende veröffentlicht wurde. Insgesamt macht dieses trashig skurrile kompakte Horror-Komödien-Musicals sehr viel Spaß.
„Der Kleine Horrorladen“ - My First Look – 8/10 Punkte
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iHaveCNit: Bob Marley – One Love (2024) – Reinaldo Marcus Green – Paramount
Deutscher Kinostart: 15.02.2024
gesehen am 15.02.2024 in Dolby Atmos
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 9 – Reihe 9, Platz 17 – 20:00 Uhr


Für Liebhaber von filmischen Musiker-Biographien gab es in den letzten Jahren schon sehr viel filmisches Futter, dass man mal mehr und mal weniger genießen konnte. Zu diesem filmischen Futter gesellt sich nun auch die Geschmacksrichtung von „Entspanntem, revolutionären Ganja“ hinzu, wenn man einen Blick auf „Bob Marley – One Love“ von Reinaldo Marcus Green wirft. Da wollte einfach mal unvoreingenommen den Geschmack testen und schauen, ob das was für mich ist.

1976 kommt es zur Unabhängigkeit von Jamaika. Während das Land im Bürgerkrieg versinkt und mitten in einem politischen Wahlkampf steckt plant der Singer und Songwriter Bob Marley ein Friedenskonzert, in dessem Zuge er auch so in den Fokus gerät, dass er ins Exil nach London flüchtet. Hier wird Marley mit den Wailers sein legendäres Album „Exodus“ produzieren und die Welt mit seiner Musik begeistern, ohne zu ahnen, welchen Einfluss er damit auch in seiner jamaikanischen Heimat haben wird.

„Bob Marley – One Love“ ist ein durchaus sehr klassisches und typisches Musiker-Biopic mit Blick auf die Biopics der letzten Jahre, die durchaus auch wesentlich mehr Laufzeit bekommen haben als hier mit 107 Minuten und da liegt für mich ein essentielles Problem des Films, weil er zwar gute darstellerische Leistungen von Kingsley Ben-Adir und Lashana Lynch bietet und viele wichtige Elemente aus Bob Marleys Leben und Werk beinhaltet, aber keine Zeit hat zu wirken und in die Tiefe zu gehen, womit diese filmische Reise ins Lebenswerk von Marley etwas oberflächlich bleibt und nur zeigt, welches Potential ein episches Filmerlebnis über Bob Marley gehabt hätte. Aber dennoch bietet der Film in der deutschen Fassung eine tolle Idee für ein Trink- oder Kifferspiel, bei dem man immer bei „Ja Mann“ einen Zug oder Schluck nehmen kann.

„Bob Marley – One Love“ - My First Look – 6/10 Punkte
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Re: iHaveCNit – Der HCN-Review-Sammelthread

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iHaveCNit: Schock (2024) – Daniel Rakete Siegel und Denis Moschitto – Filmwelt
Deutscher Kinostart: 15.02.2024
gesehen am 19.02.2024
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 12 – Reihe 16, Platz 15 – 21:00 Uhr


Ich mag deutsches Genrekino. Und ich mag auch dänisches Kino in Richtung der Filmographie eines Nicolas Winding Refn. In solche Gefilde treibt es nun den deutschen Schauspieler Denis Moschitto, der gemeinsam mit Daniel Rakete Siegel einen astreinen deutschen Genrethriller namens „Schock“ inszeniert hat.

Bruno ist Arzt. Seine Approbation hat er verloren, doch er geht weiterhin seinem Job unter der Hand nach, wenn er nachts durch die Straßen Kölns in den kriminellen Milieus der Stadt streift – bis er einen riskanten, komplexen und vielversprechenden Job bekommt, bei dem er noch nicht ahnt, dass ihn das zwischen die Fronten und in den Abgrund ziehen könnte.

„Schock“ ist als Thriller im Stil eines Nicolas Winding Refn weniger einer, der sehr symbolisch rüberkommt wie zum Beispiel ein „Only God Forgives“, sondern mehr wie ein rougher, nihilistischer Reißer wie zum Beispiel „Pusher“ und auch ein Film, der in die Richtung wie Fenar Ahmads „Darkland“ mit Dar Salim in der Hauptrolle geht. Der Film ist sehr düster, er gibt uns auch nur das notwendigste an Charakterisierung und Zeichnung der Situationen an die Hand. Das mag zwar im Hinblick auf den Spannungsaufbau und die Dramaturgie etwas hinderlich sein, genauso wie beim Aufbau einer entsprechenden Sogwirkung der Handlung, aber das macht der Film durch seine immer sehr nahe an Denis Moschittos Bruno agierenden Kamera und seiner teils auch sehr physischen Darstellung, die auch in den Gewaltspitzen etwas Härte und Brutalität bietet, wieder wett. Mir hat dieser sehr düstere, roughe, nihilistische Thriller auf jeden Fall sehr gefallen, auch wenn wie bereits geschildert für mich ein wenig die Sogwirkung gefehlt hat.

„Schock“ - My First Look – 8/10 Punkte
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Re: iHaveCNit – Der HCN-Review-Sammelthread

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iHaveCNit: Colonos (2024) – Felipe Gálvez – Mubi
Deutscher Kinostart: 15.02.2024
gesehen am 20.02.2024 in OmU
Mal Sehn Kino Frankfurt – Reihe H, Platz 10 – 19:45 Uhr


An dieser Stelle geht mal wieder ein aufrichtiges Dankeschön an zum einen die Kinos meines Vertrauens und auch an meine Leidenschaft, gerne die Kinos meines Vertrauens aufzusuchen. So komme ich immer wieder auch in den Genuss von Trailern von Filmen, die ich vielleicht nicht auf meinem Schirm gehabt hätte. Einer davon war der von Felipe Gálvez´ inszenierte Western „Colonos“, bei dem ich wirklich froh darüber bin, ihn nun gesehen zu haben, weil ich ihn bis auf eine kleine Kleinigkeit sehr gut gefunden habe.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommen 3 Männer auf dem Gelände des chilenischen Großgrundbesitzers Jose Menendez an der Grenze zu Argentinien zusammen. Der britische Soldat Alexander McLennan darf gemeinsam mit dem amerikanischen Redneck Bill und dem halb-indigenen Segundo entlang der Grenze in den Süden reisen, um dort das Feuerland zu erkunden. Nach und nach eröffnet sich für Segundo der wahre Grund dieser Mission.

„Colonos“ ist mit 97 Minuten ein sehr kleines, kompaktes und feines, den Umständen entsprechendes, filmisches Vergnügen. Mit seiner Inszenierung im visuellen Bereich sieht der Film einfach großartig aus und er macht auch viel aus seinen Bildern, die er einfach auch mal für sich selbst stehen lässt, um die Brutalität und den Schrecken darzustellen, den die Verbrechen des Kolonialismus in Chile mit sich gebracht haben und auch die unheilvolle, gefährliche, zwielichtige Dynamik des Trios aus dem von Camilo Arancibia gespielten Segundo sowie Mark Stanleys Alexander McLellan und Benjamin Westfalls Bill, die durchaus trotz manch wortkargen Situationen sehr viel Tiefe um Ambivalenz der Charaktere offenbart. Der Film schafft damit eine sehr starke, spannende und faszinierende Atmosphäre und Sogwirkung, die jedoch gegen Ende hin etwas gebrochen wird, wenn es zu notwendigen Elementen in der Aufarbeitung des Themas geht, die jedoch wie ein tonaler Umbruch wirken. Dennoch trübt das den Eindruck nur minimal und „Colonos“ ist auf jeden Fall einen Blick wert – am Besten auf der Kino-Leinwand im Hinblick auf die dort erlebbaren Bilder.

„Colonos“ - My First Look – 9/10 Punkte
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iHaveCNit: Alle Hassen Johan (2024) – Hallvar Witzö – Kairos Film
Deutscher Kinostart: 14.03.2024
gesehen am 21.02.2024 in OmU in der Spotlight-Sneak
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 6, Platz 12 – 21:00 Uhr


Ab und an überrascht mich die Sneak-Reihe meines Vertrauens und präsentiert mir einen Film, den ich nicht auf dem Schirm gehabt habe und für den es im Nachgang keine weitere Möglichkeit geben könnte, ihn auf der großen Leinwand sehen zu können. So ist es zum Beispiel mit dem norwegischen Film „Alle Hassen Johan“ von Hallvar Witzö mit Pal Sverre Valheim Hagen und Ingrid Bolsö Berdal, mit dem ich einen überraschend unterhaltsamen Abend mit guter Stimmung erleben konnte.

Der junge Johan erlebt schon in sehr jungen Jahren das skurrile Hobby seiner Eltern Johan und Ella, die mit wachsender Begeisterung Dinge in die Luft jagen, womit sich seine Eltern jedoch in der Nachbarschaft auf der norwegischen Insel Froya keine Freunde machen und den Hass auf sich ziehen. Noch ahnt der junge Johan nichts davon, dass sich dieser Hass auch auf ihn übertragen wird, nachdem seine Eltern bei einem Sprengunfall ums Leben kommen. Der Waise scheint danach kaum noch einen Halt in der Nachbarschaft zu haben, wäre da nicht die junge Solvor, die ihm genau diesen liebevollen Halt gibt, wäre da nicht noch seine eigene Faszination fürs Sprengen, die zu einem für beide schicksalhaften Ereignis führen wird.

Gegen Ende des letzten Jahres kam mit „Ein Ganzes Leben“ eine österreichische Romanverfilmung in die Kinos, die das Leben eines Bergbauers in Tirol erzählt. Mal angenommen, wir verfrachten die Handlung des Films nach Norwegen in die inselreiche Gegend um Froya und statt einem Bergbauer haben wir es hier mit einem Sprengmeister zu tun, dann könnte man es bereits mit „Alle Hassen Johan“ zu tun haben. Wäre da nicht dieser unglaublich stumpfe, schwarze und teils makabre Humor, der hier das Ganze eher als eine schwarze Komödie statt einem schweren Drama inszeniert.  Diese schwarze Komödie ist skurril, witzig und ein unterhaltsames Vergnügen geworden, dass man einfach nur „Bombe“ finden kann. Und dann bringt der Film auch noch ein bisschen was für ein warmherziges Gefühl mit, was kann da noch schief gehen? Ein Blindgänger ist dieser Film auf jeden Fall nicht.

„Alle Hassen Johan“ - My First Look – 8/10 Punkte
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iHaveCNit: Good Boy (2024) – Viljar Böe – 24 Bilder
Deutscher Kinostart: 22.02.2024
gesehen am 22.02.2024 in OmU
Arthouse-Kinos Frankfurt – Kleine Harmonie – Reihe 5, Platz 2 – 20:45 Uhr


Im Line-Up des letzten Fantasy Filmfest White Nights 2023 sollte Viljar Böes „Good Boy“ eigentlich Ende Dezember des letzten Jahres noch regulär veröffentlich werden, bis es dann zu einer Verschiebung in den Februar gekommen ist. Nun konnte ich ihn mir auch ansehen und war gespannt, was mich bei „Good Boy“ erwarten sollte.

Die junge Studentin Sigrid lernt bei einem Tinderdate den stillen, kontrollierten und durchaus attraktiven Christian kennen. Das erste gemeinsame Date endet dann auch bei Christian zuhause. Nach der gemeinsamen Nacht offenbart sich für Sigrid, dass Christian nicht alleine lebt, sondern mit Frank zusammen. Frank agiert in einem Hundekostüm ausschließlich als Hund und will auch grundsätzlich so behandelt werden. Nun stellt sich für Sigrid nach dem ersten Date die Frage, ob es zu einer Fortsetzung kommt und ob sie dem Geheimnis um Christian und Frank nachgehen oder ob sie es bleiben lassen soll – bis sie eine folgenschwere Entscheidung treffen wird.

„Good Boy“ ist für mich nun der zweite norwegische Film in Folge. „Good Boy“ ist ein sehr wildes Filmerlebnis. Dieser mit 76 Minuten sehr knappe, kurze und kompakte Film könnte in erster Linie als sehr spannendes Kammerspiel und Psychothriller bezeichnet werden. Im November des letzten Jahres kam ja mit „Cat Person“ ein Film über die Tücken der Kommunikation und unterschiedlichen Erwartungshaltungen beim Dating zwischen Frauen und Männern in die Kinos. „Good Boy“ ist nun die norwegische Variante des Films und kann als Pendant auch gerne „Dog Person“ genannt werden. Mit der Thematik und einigen übereinstimmenden Elementen würde ich ihn auch gerade im Hinblick auf einen reichen, geheimnisvollen Christian mit verrückten Fetischen und Kinks, auf den eine junge Literaturstudentin trifft „50 Shades of Woof“ nennen. Gerade die thematische Einbindung von Fetischen und Kinks und hier insbesondere Petplay beziehungsweise Puppyplay ist ja durchaus interessant – auch wegen einer durchaus interessanten gesellschaftlichen Einordnung dieser Thematik im Hinblick auf Normalität zum Beispiel, jedoch nutzt der Film hier dieses gesellschaftskritische Potential dieser Thematik nicht und bleibt dann letzten Endes auch beim gesamten Handlungsverlauf etwas undurchsichtig und das fiese Ende wirkt auch mit Blick auf das Thema etwas inkonsequent und nicht immer nachvollziehbar, so dass ich mir denke, dass der Film mit wesentlich längerer Laufzeit sicherlich sein Potential hätte besser entfalten könnten.

„Good Boy“ - My First Look – 6/10 Punkte
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iHaveCNit: The Zone Of Interest (2024) – Jonathan Glazer – A24
Deutscher Kinostart: 29.02.2024
gesehen am 02.03.2024
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema – Lumiere – Reihe 7, Platz 17 – 20:15 Uhr


An diesem aktuellen Wochenende werden wir von richtig guten Filmen verwöhnt. Natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen neben „Dune Part Two“ an diesem Wochenende auch den neuen, in der Awardsaison ebenfalls eine Rolle spielenden „The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer anzusehen, der ein weiteres großes Highlight des Jahres 2024 ist.

Rudolf und Hedwig Höß leben mit ihren Kindern ein normales, spießbürgerliches Leben in einem großen Anwesen mit Haus und Garten, für den vor allem Hedwig eine Leidenschaft hegt. Ihr Leben scheint sehr idyllisch und banal sein, wäre Rudolf Höß nicht der Leiter des Konzentrationslagers in Auschwitz, das direkt an ihrem Anwesen grenzt.

Ist „The Zone Of Interest“ ein weiterer Film über den bereits sehr oft filmisch aufgearbeiteten Holocaust ? Nicht nur ! Ist „The Zone Of Interest“ eine filmische Biographie über Rudolf und Hedwig Höß ? Nicht nur ! „The Zone Of Interest“ ist eine freie Verfilmung des gleichnamigen Romans von Martin Amis und eine experimentelle, voyeuristische, herausfordernde, dokumentarische, zur Selbstreflexion mahnende Kino-Erfahrung. Vordergründig präsentiert uns der Film ja das idyllische, banale, spießbürgerliche Leben der Familie Höß, dem wir als stiller Beobachter folgen. Würden wir nur den Blick und unseren Fokus darauf legen, wäre das Filmerlebnis doch ein recht nüchternes, biederes und langweiliges, weil ja grundsätzlich nichts passiert. Aber das ist der ganz große wirkungsvolle Effekt des Films. Das Bild der Familie Höß eingerahmt in das Setting des Holocausts direkt angrenzend an den Horror des Holocausts im Konzentrationslager Auschwitz ergibt durch viele kleine feine Momente und auch Bemerkungen in den Gesprächen im Hause und Leben der Familie Höß, bei denen vor allem Sandra Hüller und Christian Friedel exzellent aufspielen, sowie einem herausragenden Sounddesign und auch hier vielen kleinen visuellen Elementen einen extrem effektiven Horrorfilm, bei dem der Horror im Kopf entsteht und dafür nicht viel braucht. Und genau das ergibt sich aus „The Zone Of Interest“, wenn man genauer hinsieht und hinhört und sich nicht nur auf das vordergründig Präsentierte fokussiert. Damit ist „The Zone Of Interest“ nicht nur ein Film, der allgemeingültig aufgrund seines Settings auf den Holocaust anzuwenden ist, sondern auch auf viele weitere Verbrechen der Menschheit, vor denen man gerne durch vordergründig Präsentiertes nicht den Fokus darauf legt, genau hinhört und eine Spur Ignoranz und Distanz dazu entwickelt. Der Film ist eine mahnende Selbstreflexion alles im Blick zu haben und genau hinzusehen und hinzuhören. Und genau dahingehend könnte man selbst wenn die Phrase und der Begriff abgedroschen wirkt, bei „The Zone Of Interest“ von einem unfassbar wichtigen Film sprechen, der sich sicherlich einen Namen in der Filmgeschichte machen wird.

„The Zone Of Interest“ - My First Look – 10/10 Punkte
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Special – Best of Cinema
iHaveCNit: Donnie Darko (2001) – Richard Kelly – Studiocanal
Deutscher Kinostart/Wiederaufführung: 05.03.2024
gesehen am 05.03.2024
Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 7 – Reihe 13, Platz 15 – 20:00 Uhr

Jake Gyllenhaal gehört zu einem meiner Lieblingsschauspieler, doch eine filmische Lücke habe ich mir bewusst oder unbewusst immer offen gelassen – quasi den Durchbruch in seiner Karriere „Donnie Darko“, der im März im Rahmen der „Best-Of-Cinema“-Reihe wiederaufgeführt worden ist. Und die filmische Erfahrung dieser Psycho-Horror-Charakterstudie war durchaus eine interessante, bei der ich jedoch nach der ersten Sichtung noch nicht genau sagen kann, ob sich diese für mich zu einem einfach nur guten Film oder einem All-Time-Favoriten entwickeln könnte.
„Donnie Darko“ - My First Look – 8/10 Punkte
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