Gestern konnte ich Ferrari sehen und bin doch sehr, sehr angenehm überrascht worden. Nach den diversen in meinen Augen doch eher misslungenen Mann-Filmen der letzten zwei Jahrzehnte zeigt das Biopic über Ferrari-Commendatore Enzo Ferrari ihn erfreulicherweise wieder zu großer Form auflaufen. Dabei bin ich mir noch nicht mal so sicher, über die Sparte Biopic hier so zutreffend ist. Denn in erster Linie ist Ferrari eine grossangelegte Charakterstudie im Gewand eines Dramas. Sicher also kein typisches by-the-numbers-Biopic, bei dem pflichtschuldig wichtige Stationen im Leben des Protagonisten abgearbeitet werden und ebenso auch kein typischer Rennfahrerfilm, wie man vielleicht auf den ersten Blick vermuten könnte - wobei auch letzteres so ganz nicht stimmt. Denn eigentlich ist der Film durchaus ein Rennfahrerfilm, der sich aber eben konsequent der dieses Subgenres ansonsten so üblichen Spielregel verweigert, grosse Rennen ins Zentrum der Handlung zu stellen. In Ferrari nimmt die in einer Tragödie endende Mille Miglia von 1957 zwar ebenfalls einen recht grossen Raum ein, aber eben als lediglich eine von vielen Facetten in der Charakterstudie des Enzo Ferrari. Mann zeigt Ferrari als den zwischen Ehefrau, totem Sohn und seiner Geliebten samt Sohn hin-und hergerissenen Familienmenschen, zeigt ihn als Rennfahrerversteher und -Manipulator in der Beziehung zu den Fahrern seines Rennstalls, zeigt ihn als ehrgeizigen Konstrukteur im Wetteifer mit seinen alten Rivalen von Maserati, zeigt ihn als Firmenlenker bei der Bemühung Ferrari finanziell zu retten - gerade durch die sich anbahnende Beziehung zu Fiat. Das alles ist derart kleinteilig und durchdacht miteinander verzahnt, dass der Film sich vom Zuschauer lange Zeit nicht wirklich in die Karten schauen lässt, worauf er eigentlich hinaus will, nur um im finalen Akt dann die diversen Stränge alle logisch und elegant zusammenzuführen. Besonders stark fand ich - wieder einmal - Adam Driver, der trotz seines vergleichsweise jungen Alters den fast 60jährigen Ferrari absolut überzeugend und facettenreich darstellt. Kurz: ein richtig guter Film, den ich Mann in dieser Qualität nicht mehr zugetraut hatte. Für mich vielleicht sogar sein zweitbester nach Der letzte Mohikaner.
Wertung: irgendwo zwischen 8 und 8,5 Punkten.
Der Michael Mann Thread
- AnatolGogol
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Ja, das sehe ich ganz ähnlich, bis auf das Ranking als zweitbester Film
(davor kommen immer noch Collateral, Heat, Insider, Miami Vice). Eine kluge, toll gespielte und geschickt arrangierte Charakterstudie, die ein sehr erhellendes Schlaglicht auf den Mann wirft. Driver und Cruz sind fantastisch, aber auch Ausstattung, Locations und nicht zuletzt die Rennszenen sind auf höchstem Niveau. Wie Mann einem im Finale mit dem Ausgang der Mille Miglia den Boden unter den Füßen wegzieht ist großes Kino. Offenbar hat er aus seinen auf hohem Niveau misslungen "Biopics" "Ali" und "Public Enemies" gelernt und einen anderen Ansatz gewählt, nicht nur erzählerisch, auch optisch. Jetzt hoffe ich sehr, dass er seine Karriere mit Heat 2 würdig abschießt, welches Projekt wäre dafür besser geeignet? Eben.

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Aber du bist ja auch Michael Mann-Fan und ich - um Black Rain zu zitieren - nur interessierter Beobachter.vodkamartini hat geschrieben: ↑31. März 2024 09:04 bis auf das Ranking als zweitbester Film(davor kommen immer noch Collateral, Heat, Insider, Miami Vice).


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Ich habe den Roman schon seit Monaten in meinem Amazon-Warenkorb liegen, bisher aber noch nicht bestellt. Weiss man schon, wie Mann gedenkt die Tatsache umzusetzen, dass die Figuren des ersten Teils wieder auftauchen in jüngeren bzw. unwesentlich älteren Versionen? Gibt es hier Neu-Besetzungen (schwer vorstellbar) oder CGI-Getrickse (noch schwerer vorstellbar)?vodkamartini hat geschrieben: ↑31. März 2024 09:04 Jetzt hoffe ich sehr, dass er seine Karriere mit Heat 2 würdig abschießt, welches Projekt wäre dafür besser geeignet? Eben.
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Roman hat drei Zeitebenen, die Hauptcharaktere tauchen in den 80ern auf. Gerüchteweise ist Driver für De Niro vorgesehen. Aber Mann hält sich dazu bisher bedeckt, will den Film aber unbedingt inszenieren.
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Ich bin kein Michael-Mann-Experte und kenne gar nicht so viele Filme von ihm, finde "Ferrari" aber auch herausragend, sogar noch etwas höher bepunktet als bei Anatol. Das ist hinsichtlich inhaltlicher Tiefe und ästhetisch-stilistischer Konzeption ein richtig großes Brett, das der Mann da im hohen Alter nochmal hingestellt hat.
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Und ich stehe total auf Manhunters kühle postmoderne 80er Ästhetik. Dieser Film ist ein oft unterschätztes Juwel. Dennoch ist die Lecter-Rolle, so sehr Sir Anthony Hopkins sie ab Hannibal überzeichnet, in dessen Händen besser aufgehoben als in Coxs - popular Opinion, ich weiß. Demmes Silence of the Lambs ist ohnehin eine Klasse für sich, aber da sticht vor allem der exquisite Ted Levine trotz weniger Minuten Screentime als Serienmörder Jame Gumb hervor.
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Ja, Manhunter ist stilistisch ein Fest und hat bereits all die später zu Mann-Trademarks gewordenen Zutaten. Die sind aber auch schon im leider etwas in der Versenkung verschwundenen "Thief" ( https://www.ofdb.de/film/25449,688783,D ... er/review/ ) und natürlich auch in Miami Vice (der TV-Serie) zu bewundern.
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Vor etwa zehn bis zwölf Jahren hatte ich ja mal eine regelrechte Hannibal-Phase, als ein damaliger Kamerad mit den Harris-Romanen aufkreuzte und diese allen zum Lesen gab. Manhunter hat mich damals nicht beeindruckt, mir gefiel die zweite Verfilmung besser - womöglich einfach, weil sie näher an geläufigen Sehgewohnheiten und an Silence of the Lambs und Hannibal lag.
Aus Manhunter hat sich mir aber ein Song eingebrannt. So sehr eingebrannt, dass ich ihn erst gestern Abend wieder meinen Freunden aufgelegt habe. So sehr eingebrannt dass alleine der Song Lust auf Manhunter macht und den Film irgendwie als etwas besonderes erscheinen lässt, obwohl ich ihn über zehn Jahre lang nicht mehr gesehen habe und damals nicht einmal wirklich gut fand.
Aus Manhunter hat sich mir aber ein Song eingebrannt. So sehr eingebrannt, dass ich ihn erst gestern Abend wieder meinen Freunden aufgelegt habe. So sehr eingebrannt dass alleine der Song Lust auf Manhunter macht und den Film irgendwie als etwas besonderes erscheinen lässt, obwohl ich ihn über zehn Jahre lang nicht mehr gesehen habe und damals nicht einmal wirklich gut fand.
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Ja, das ist ein typischer 80er Knaller, von Red 7. Sind ansonsten aber unbekannt. Mann hatte immer schon ein großes Talent, Pop- und Rocksongs in seinen Filme einzubauen, damit Atmosphäre zu schaffen und Stimmungen (nicht nur der Protagonisten) zum Ausdruck zu bringen. Angestoßen und perfektioniert hat er das mit der TV Serie Miami Vice, damals war ja eine Konzept Idee der Macher "MTV-Cops". Im Kino hat man dann dieses Konzept Mitte der 1980er Jahre bei sehr vielen Mainstream-Produktionen übernommen.
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Der Song läuft auch bei Miami Vice in einer Folge - eine sehr stimmungsvolle Szene. Ich kann die Serie nur empfehlen.GoldenProjectile hat geschrieben: ↑1. April 2024 11:21Aus Manhunter hat sich mir aber ein Song eingebrannt. So sehr eingebrannt, dass ich ihn erst gestern Abend wieder meinen Freunden aufgelegt habe.

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Absolut. Ich schaue sie aktuell ab Staffel drei mal wieder komplett durch. Die ersten beiden Staffeln kenne ich fast auswendig, da warte ich wieder etwas. Mann hatte ja die komplette künstlerische Kontrolle und lies teilweise Hintergründe umdekorieren, neu streichen oder exakt so aussuchen, dass sie zur Garderobe der Akteure passten. Dazu gibt es sehr viele an der Realität angelehnte Geschichten, die auch sehr häufig nicht gut ausgehen. Bei über 100 Episoden sind natürlich auch ein paar ganz schwache dabei (v.a. die Comedy-Folgen in Staffel 4), aber insgesamt ist das noch immer eine herausragende Serie, konzeptionell, optisch, akustisch und im Hinblick auf ihre Trendsetter-Qualitäten.
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Ja, erste Season "Niemand lebt ewig". Da passt der Song phänomenal, glaube bei Manhunter läuft er nur im Abspann. Hat sich Mann wohl an die Folge erinnert.Martin007 hat geschrieben: ↑1. April 2024 13:12Der Song läuft auch bei Miami Vice in einer Folge - eine sehr stimmungsvolle Szene. Ich kann die Serie nur empfehlen.GoldenProjectile hat geschrieben: ↑1. April 2024 11:21Aus Manhunter hat sich mir aber ein Song eingebrannt. So sehr eingebrannt, dass ich ihn erst gestern Abend wieder meinen Freunden aufgelegt habe.![]()
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Ja, eine tolle Serie.
Man sollte die Serie allerdings, sofern man sie auf Deutsch guckt, nicht in den stark geschnittenen Fassungen anschauen, die unter anderem im TV, den alten deutschen DVDs und auf Amazon Prime zu sehen sind. Plaion respektive Koch Films veröffentlichte die Serie auf einer tollen Blu-ray, da gibt es wahlweise die längst mögliche synchronisierte Version oder die komplett ungeschnittene Version (nicht synchronisierte Stellen sind deutsch untertitelt).
Für viele sind die ersten beiden Staffeln natürlich das Nonplusultra - das waren auch die beiden Staffeln, bei welchen Mann am meisten involviert war. Ich finde aber auch Staffel 3 noch sehr stark - da sind einige Highlights dabei. Meiner Meinung nach hat die dritte Staffel unter dem Strich sogar die besseren Storys verglichen mit der allgemein beliebten zweiten Staffel.
Bei den letzten beiden Staffeln ist die Qualität dann leider etwas schwankend (auch wenn auch dort noch Highlights zu finden sind), gerade die vierte Staffel hat ein paar sehr seltsame Episoden und die letzte Staffel ist für meinen Geschmack insgesamt etwas zu düster - ausserdem fehlt mir dort der Score von Jan Hammer.
Welches sind deine Lieblingsfolgen?
Man sollte die Serie allerdings, sofern man sie auf Deutsch guckt, nicht in den stark geschnittenen Fassungen anschauen, die unter anderem im TV, den alten deutschen DVDs und auf Amazon Prime zu sehen sind. Plaion respektive Koch Films veröffentlichte die Serie auf einer tollen Blu-ray, da gibt es wahlweise die längst mögliche synchronisierte Version oder die komplett ungeschnittene Version (nicht synchronisierte Stellen sind deutsch untertitelt).
Für viele sind die ersten beiden Staffeln natürlich das Nonplusultra - das waren auch die beiden Staffeln, bei welchen Mann am meisten involviert war. Ich finde aber auch Staffel 3 noch sehr stark - da sind einige Highlights dabei. Meiner Meinung nach hat die dritte Staffel unter dem Strich sogar die besseren Storys verglichen mit der allgemein beliebten zweiten Staffel.
Bei den letzten beiden Staffeln ist die Qualität dann leider etwas schwankend (auch wenn auch dort noch Highlights zu finden sind), gerade die vierte Staffel hat ein paar sehr seltsame Episoden und die letzte Staffel ist für meinen Geschmack insgesamt etwas zu düster - ausserdem fehlt mir dort der Score von Jan Hammer.
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Miami Vice ist der Wahnsinn und Jan Hammer sowieso. Crockett's Theme ist eines der schönsten und nostalgischsten Stücke Musik, die mir einfallen, ganz groß.
"Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert."
"Doch wer sich bückt nach dem schmalen Taler, verpasst das große Bündel."
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