Re: Zuletzt gesehener Film

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und wieder ein 90er den ich noch nicht kannte:

Jennifer Eight, 1992, Regie: Bruce Robinson, mit Andy Garcia, Uma Thurman, John Malkovich, Lance Henrikson

In Folge des großen Erfolgs von Schweigen der Lämmer 1991 entstand eine Vielzahl von Serienkiller Filmen in den 90ern. Diese Schiene bedient auch Jennifer Eight wobei hier weniger die kriminalistische Arbeit und Suche nach dem Killer im Vordergrund steht, als vielmehr die Beziehungen zwischen den Hauptcharakteren. Überhaupt gibt sich der Film viel Mühe die Charaktere zu zeichnen, allen voran die des Ermittlers gespielt von Andy Garcia und der Zeugin gespielt von Thurman. Insbesondere Thurman liefert eine großartige Leistung ab in der Rolle der blinden Helena. Für mich hat der Film eigentlich nur über sie funktioniert. Ihr Spiel ist sehr glaubhaft, und sie gibt der Rolle eine Verletzlichkeit, so dass man 100% nachempfinden kann, warum der Polizist sie unbedingt beschützen will und sich auch in sie verliebt. Weite Teile seiner Spannung zieht der Film eigentlich auch nur aus der Tatsache, dass die Hauptfigur blind ist und man mit ihr mitfiebert, wenn der Killer sie zB beim Baden aus nächster Nähe beobachtet.

Ansonsten: Einige Cop Klischees, die üblichen soliden 90er Darsteller in Nebenrollen, aber doch ein relativ lahmer Kiminalfall bei dem man zu keinem Zeitpunkt mitraten kann
"It's been a long time - and finally, here we are"

Re: Zuletzt gesehener Film

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Babylon – Im Rausch der Ekstase (Damien Chazelle, 2023)

Mich hat lange kein Film mehr so verwirrt zurückgelassen, und das nicht auf eine gute Weise. Diese überlange Collage an lose zusammenhängenden Einzelmomenten ist eine Mischung aus unterhaltsamen, nahezu brillanten Sequenzen und albern-bescheuerten Szenen, deren Sinn sich mir bis zum Ende nicht wirklich erschließen wollte. Chazelle will hier eine große Liebeserklärung an den Film inszenieren und gleichzeitig die ausbeuterischen und zerstörerischen Mechanismen Hollywoods anprangern, was schon konzeptuell problematisch ist und für einen sehr unausgegorenen Film sorgt. Jedes Mal, wenn die Charaktere von der Magie und der übermenschlichen Kraft des Kinos schwärmen, wirkt das angesichts der breit ausgemalten Demütigungen, die die Protagonisten im Zuge der Filmdrehs hinnehmen müssen, wie der ärgste Zynismus. Seinen Höhepunkt erreicht der Film in dieser Hinsicht ganz am Ende, was in einem der ärgerlichsten Filmenden resultiert, die ich je erdulden musste. Wenn Chazelle hier die ganz große Hommage an die bewegten Bilder auspackt, verpasst das dem Vorhergesehenen einen üblen Nachgeschmack. Chazelles Liebeserklärung an den Film besteht letztlich in der Feststellung, dass das filmische Endprodukt bedeutender ist als jegliches menschliche Leiden, das während des Produktionsprozesses entsteht, und letzteres so rechtfertigt. Vermutlich ist das nicht das, was der Film eigentlich erzählen wollte, aber genauso wirkt „Babylon“ am Ende.
Und das ist sehr schade, weil der Film einen tollen Cast versammelt hat, der sein Bestes gibt, und manche Szenen wirklich berauschend inszeniert sind und viel Spaß machen. Das Gesamtprodukt ist jedoch eine halbgare Aneinanderreihung von Szenen, welches in seinen besten Momenten wirklich großartig ist, in seinen schwächsten Momenten dann aber auch wirklich grässlich.
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(Joseph Wiseman in Dr. No)

Re: Zuletzt gesehener Film

10668
So trifft man den Nagel auf den Kopf, lieber 00T, meine Hochachtung! Ich kann jedes Wort unterschreiben. Das grässliche "Babylon"-Ende war einer der blödesten Kinomomente der letzten Jahre, und ich habe es so wahrgenommen, wie du es auch schreibst: Chazelle wird da zum ganz großen Apologeten der Kinogeschichte. Sicher hat er das nicht so gemeint (unterstelle ich ihm jetzt mal), aber bei mir kam auch exakt das an: "Ist doch egal, wie sehr die Menschen leiden mussten, müssen und noch leiden werden, aber ohne all diese ausbeuterischen Umstände hätten wir nie Filme wie 'Jurassic Park' oder 'Psycho' bekommen." – Na, schönen Dank …

Es sind brillante Szenen in "Babylon", aber sie wechseln sich ab mit Szenen, die so selbstverliebt, so aufgeblasen und teilweise so bestürzend dumm sind, dass mir der Film als ganzes wahnsinnig unsympathisch war.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10671
Genghis Khan (1965) - Henry Levin

Ich bin durch Zufall über dieses mir bislang gänzlich unbekannte Monumentalabenteuer aus der Blüte des Genres gestossen und das war tatsächlich ein schöner Spass. Die erste Überraschung war dabei, dass die Mongolei hier ausschaut wie die Jagdgründe der Apachen. Kein Wunder, wurde der Film doch in den Winnetou-erprobten Schauplätzen in Kroatien gedreht und das ist dann schon witzig, wenn in schöner Regelmäßigkeit die Mongolen am Nugget Tsil, am Silbersee, im Geierschen Berglager oder beim Apachen-Pueblo ihre Abenteuer bestreiten. Die zweite Überraschung war die Besetzung. Die ist zum einen ziemlich prominent und zum anderen ziemlich skurril. Die entzückende und leider viel zu frühe verstorbene Francoise Dorleac und Ben-Hur-Baddie Stephen Boyd sind dabei noch weitgehend typgerecht besetzt und auch Omar Sharif in der Titelrolle ist jetzt auch keine völlig überraschende Besetzung (wer als Berber, Deutscher, Russe oder Grieche durchgeht kann fraglos auch Mongole! :) ). Lustiger wird es schon bei Telly Savalas als mongolischem Hauptmann. Ganz kurios wird es dann aber, wenn Eli Wallach als persischer Shah, James Mason als chinesischer Edelmann oder Robert Morley als Kaiser von China munter aufspielen! Vor allem Mason gibt dabei als Klischee-Chinese eine derart absonderliche Performance, die man von diesem - völlig zurecht - als schauspielerisches Schwergewicht in die Filmgeschichte eingegangenen Edelmimen nie und nimmer erwarten würde. Da wird wirklich jedes Klischee bedient vom Dauergrinsen über das ge-ellte R hin zum immer gebückten Auftreten und sanft-philosophischen Gefasel. Ja, das ist kurios und erheiternd, aber tut dem Abenteuerspass dennoch keinen Abbruch (bzw. erhöht ihn eigentlich sogar noch). Denn die Story um den (weitgehend frei zusammengesponnenen) Aufstieg und die damit verbundenen Abenteuer und Kriegeleien des mongolischen Herrschers sind sehr kurzweilig und schön aufwändig in Szene gesetzt. Von dahel gebe ich gelne eine übeldulchschnittliche Beweltung:
7,5 / 10

"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Zuletzt gesehener Film

10672
Wurde hier mal was zu Ex Machina gesagt? Habe mir den jetzt mal angeschaut. Ist für mich aber ein typischer Fall von "viel verschenktes Potenzial". OK, das Setting ist nett in dieser abgeschotteten, ultra-modernen Villa, die Vikander ist in der Tat zum Verlieben. Ansonsten ging mir die Entwicklung im Film zu schnell und wenig wird erklärt. Der Nerd ist von Anfang an verliebt in die Androidin, außerdem ist der gesamte Turing Test im Grunde völlig gescheitert, da sie ja ständig sehr deutlich klar macht, dass sie kein Mensch ist. Die Dialoge zwischen IT Nerd und der Androidin sind auch alle recht seicht. So richtig viel Gehirnarbeit steckt da nicht im Drehbuch.

Das Ende fand ich ganz witzig und brutal.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10673
danielcc hat geschrieben: 3. Oktober 2023 18:02 Wurde hier mal was zu Ex Machina gesagt? Habe mir den jetzt mal angeschaut. Ist für mich aber ein typischer Fall von "viel verschenktes Potenzial". OK, das Setting ist nett in dieser abgeschotteten, ultra-modernen Villa, die Vikander ist in der Tat zum Verlieben. Ansonsten ging mir die Entwicklung im Film zu schnell und wenig wird erklärt. Der Nerd ist von Anfang an verliebt in die Androidin, außerdem ist der gesamte Turing Test im Grunde völlig gescheitert, da sie ja ständig sehr deutlich klar macht, dass sie kein Mensch ist. Die Dialoge zwischen IT Nerd und der Androidin sind auch alle recht seicht. So richtig viel Gehirnarbeit steckt da nicht im Drehbuch.

Das Ende fand ich ganz witzig und brutal.
Ja, den sehe ich ähnlich. Ich fand die Dialoge auch zu seicht für das Thema, und Alex Garland setzt auf einen Haufen Klischees, zum Beispiel wird natürlich der selige Oppenheimer bemüht. Spannend fand ich die Grundprämisse zwar schon, weil hier die Sci-Fi-KI-Debatte als erotisches Verfügrungsspiel umgedeutet wird, aber dafür blieb mir der Film dann insgesamt zu brav. Alicia Vikander ist aber großartig in der Rolle und zurecht ein Star geworden und ja, das Ende ist amüsant und vernünftig aufgebaut.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10674
Habe jetzt endlich Glass Onion sehen können nachdem ich letzte Woche noch mal Knives Out genossen habe.

Der Nachfolger enttäuscht leider auf weiter Flur. Der Protagonist wird teils zur Witzfigur und der eigentliche Fall kaum der Rede wert. Scheinbar hatte auch der Autor und Regisseur Probleme damit, seinem Benoit Blanc Charakter zu geben, und verliert sich daher in lustigen Klamotten und anderen Marotten.
Überhaupt wirkt der Film wie eine Homage zum Ustinov Klassiker "Das Böse unter der Sonne"
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Re: Zuletzt gesehener Film

10677
Ich mochte den, alleine schon deshalb, weil Fincher (für mich unerwartet) etwas wirklich Schräges und "Neues" gelungen ist, was man so auch noch nicht unbedingt gesehen hat. Dabei meine ich erstaunlicherweise vor allem die inhaltliche Ausrichtung. Es ist ein wirklich eigenwilliges, ungewöhnliches Biest. Ich muss ehrlich sein und sagen: Zu 100 Prozent begeistert hat mich der Film nicht, da die Herangehensweise von Fincher es nahezu unmöglich machte, mitzufiebern und emotional eine Bindung zum Plot und den Figuren aufzubauen. Es ist ein Film, in dem auf Handlungsbasis eigentlich fast nichts passiert, und es wirklich darum geht, das "sehr langweilige Alltagsgeschäft" eines Auftragsmörders so präzise wie möglich zu zeigen. Fincher lädt den Film aber mit tiefschwarzem Zynismus auf und spielt nicht nur mit dem Genre, sondern auch mit dem "Mythos" um seine eigene Filmografie, weshalb "The Killer" teilweise wirklich sehr lustig gerät. Irgendwas zwischen 7/10 und 8/10 meinerseits.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10678
Soeben:
A Haunting in Venice

Hammer! Locker und mit großem Abstand der Beste der drei Branagh Poirots!
Ich liebe ja ohnehin so atmospährische Gruselthriller. Insofern hat mich Haunting vor allem an einen meiner guilty pleasures "The Others" (mit Nicole Kidman) erinnert.

Hier stimmt die Story, die Auflösung, die (dieses mal für mich weniger bekannten) Darsteller, vor allem aber ist der FIlm viel "kleiner" und dafür authentischer was die Locations angeht. Hier fühlt sich Vendig "echt" an, keine sterilen CGI Umgebungen. Für die meiste Zeit ist man aber ohnehin mit den Figuren in dem Palazzo gefangen, was für echte Spannung sort.
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Re: Zuletzt gesehener Film

10679
Ja, das sehe ich ähnlich, das war der erste "gute" Poirot-Film von und mit Branagh und vor allem der erste, der nicht vollkommen überflüssig war, weil er eine bereits sehr ordentliche Verfilmung in beschissen nachahmt.
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