Star Trek – Nemesis (2002) – Stuart Baird
Der neunten Kino-Inkarnation von Star Trek war es nicht wirklich gelungen das durch seinen Vorgänger Der erste Kontakt erzeugte Momentum zu nutzen und verlor sowohl umsatzseitig als auch in Bezug auf die kritische Ressonanz deutlich an Boden. Grund genug für Studio und Produzenten eine weitere Kurskorrektur für den anstehenden zehnten Teil vorzunehmen, zumal seinerzeit mit George Lucas Star Wars Prequels der große SciFi-Konkurrent wieder im Spiel um die Zuschauergunst mitmischte. Daher lag es nahe den Fokus mehr in Richtung Action- und Effektspektakel zu verschieben und sich damit weg vom in typischer Serientradition eher verkopft-philosophisch angehauchten Pfad des Vorgängers zu bewegen. Denn was konnte schon schief gehen mit einer Mischung, die bei George Lucas trotz zum Teil heftiger Kritik letztlich an der Kinokasse so formidabel funktionierte?
Ein deutlicher Fingerzeig für den intendiert massentauglicheren Ansatz des letztlich als „Nemesis“ betititelten ST X war die Verpflichtung von Stuart Baird für den Regiesessel. Baird, einer der Top-Cutter Hollywoods, hatte sich mit seinen beiden ersten Regiejobs „Einsame Entscheidung“ und dem Auf der Flucht-Sequel „Auf der Jagd“ als solider Mainstreamregisseur empfohlen, dessen Filme (dem zweiten mehr als dem ersten) zwar das besondere etwas fehlten, die aber zielsicher die Erwartungen des Publikums bedienten. Scheinbar also der ideale Mann für die gewünschte Neuausrichtung des ST-Franchise, nur hatte man dabei offenbar übersehen, dass Bairds Filme in ihrer kommerziellen Oberflächlichkeit quasi den Gegenentwurf zum sich oftmals betont intellektuell gebenden Star Trek war. Und so kann man Bairds Inszenierung von Nemesis unter diesen Gesichtspunkten eigentlich auch nur wenig vorwerfen, da sie genau die aus seinem Vorwerk bekannten und zu erwartenden Eigenschaften erfüllt. Denn so kompetent und hochglänzend Bairds Regie auch ist, so leer und konturlos ist der Film unter der Oberfläche leider auch. Zumal der Spagat zwischen der gewünschten Prioritätenverschiebung in Richtung Actionspektakel bei gleichzeitiger Beibehaltung von charakterinternen Konflikten nicht wirklich gelingt, was teilweise Bairds Regie, in erster Linie aber dem von John Logan verfassten Drehbuch anzulasten ist.
Genau wie in seinen späteren Arbeiten für die Bondfilme SF und SP liegt Logans Interesse auch beim Drehbuch zu Nemesis eindeutig auf charakterlichen Konflikten und weniger am diese ummantelnden externen Szenario. Dies wäre prinzipiell noch kein Problem, wird im Falle von ST X aber zu einem solchen, da die nominelle Haupthandlung (Romulanische Extremisten wollen mit Hilfe eines Picard-Klons die Erde angreifen und damit die Föderation besiegen) nicht nur schwach motiviert sondern noch schwächer entwickelt ist. Tatsächlich dient sie nur als Rahmen und Katalysator, um Logans eigentlichen Schwerpunkt (die Frage, wie bzw. ob der Charkater eines Menschen durch äussere Rahmenbedingungen sich grundlegend ändert sowie die daraus gezogene Erkenntnis, dass jede Entscheidung persönlich zu verantworten ist, ungeachtet der Umstände) in die gewünschte Position zu befördern. Das wird vor allem daran deutlich, dass Nemesis in seiner zweiten Hälfte sich inhaltlich kaum mehr weiterentwickelt, da diese praktisch komplett für eine großangelegte Raumschlacht verwendet wird. Zwar gibt es in mitten des Schlachtengetöses einige kleinere Subplots, die in bewährter Manier (Der erste Kontakt lässt grüßen) parallel verlaufen (etwa Rikers Verfolgung von Shinzons remanischem Stellvertreter durch die Innereien der Enterprise), wodurch der Film zumindest ansatzweise noch etwas Bewegung hat, aber streng genommen ist die zweite Filmhälfte nichts anderes als ein gleichzeitiges Aufeinandertreffen von Raumschiffen und den Egos ihrer Kapitäne.
Wobei es Logans Drehbuch wie allen seinen Arbeiten sicherlich nicht an Ambition mangelt. Die Idee des „bösen“ Picard-Klons wie auch das sich durch den ganzen Film ziehende Thema von Spiegelbildern (Picard/Shinzon, Data/Bevor, Riker/remanischer Stellvertreter Shinzons) sind vielversprechend und ansatzweise auch gut herausgearbeitet, erweisen sich unterm Strich aber als zu dünn, um den mangelnden Inhalt der Haupthandlung komplett auffangen zu können. Unangenehm fallen zudem diverse vom Drehbuch sehr bequem intergrierte Elemente auf, die allzu offensichtlich nur für spätere „Überraschungen“ eingebaut sind, etwa die ungewöhnlich breiten Korridore auf Shinzons Schiff, die Übertragung von Datas Gedächtnis auf Bevor oder der geistige Missbrauch von Troi. Wobei gerade letzteres für sich genommen eine der besten Szenen des Films ist, allerdings wirkt ihre spätere Bedeutung für die Weiterentwicklung der Handlung dann allzu konstruiert.
Vor allem die Einbindung von Bevor lässt den finalen „Coup“ des Films dann auch weit weniger überraschend erscheinen.
Zwar unverkennbar angeleht an den vermutlich größten Moment der ST-Geschichte, Spocks Tod in ST II, ist Datas aufopferungsvolles Ende glücklicherweise dann aber doch eigenständig genug, um nicht als kompletter Rehash zu erscheinen. Im Gegensatz zu Spocks Ende ist Datas Tod kein langsames Dahinscheiden und entsprechend kein schmerzhaftes Abschiednehmen. Durch die Kürze des Moments entsteht dann trotz der diversen zuvor gewunkenen Zaunpfähle immerhin noch ein kurzer „Oh“-Moment, durch den auch der Verlust der beliebten Figur sehr spürbar wird. Da hätte es den teilweise etwas aufgesetzt wirkenden Epilog mit der trauernden Crew eigentlich gar nicht bedurft, wobei man die „Wake of Death“ mit Rikers sentimentaler Erinnerung aber auch nicht missen möchte. Es ist zwar verständlich, dass man den Film mit einer positven Note beenden will und daher Data quasi in Bevor weiterleben lässt, allerdings ist gerade dies eine der „bequemen“ Lösungen des Drehbuchs und „entwertet“ Datas Ende auch etwas (da er in gewisser Weise einfach durch eine Replik ersetzt wird).
Die Action in Nemesis ist aufwändig und großangelegt, bleibt oftmals aber auch merkwürdig oberflächlich und teilnahmslos. Wobei das eigentlich nicht allzu merkwürdig ist, da wie bereits erwähnt die Inszenierung hier doch sehr Bairds Vorwerk ähnelt (vor allem Auf der Jagd). Auch hilft es hier wenig, dass mit Ausnahme der frühen (recht offensichtlich den Mad Max-Filmen entliehenen) Autoverfolgung die gesamte Action des Films sich aus dem Zusammenstoss der Raumschiffe in der zweiten Hälfte rekrutiert. Hier gibt es dann auch sehr viel CGI-Einsatz zu bewundern, der zumeist überzeugend getrickst ist, im Vergleich mit der überlegenen, früheren Modellarbeit aber auch seinen Beitrag zur empfundenen Oberflächlichkeit des Films beiträgt. Denn Detaillierungsgrad und Auflösung der Raumschiffe sind erkennbar niedriger als bei ihren analogen Vorgängern, was sie zwar nicht daran hindert immer noch gut auszuschauen, aber eben weit weniger realistisch. Die Unterlegenheit der digitalen Effekte wird vor allem in der Raumdock-Szene überdeutlich, die der über zwei Jahrzehnte älteren Passage in TMP in keiner Weise das Wasser reichen kann. Auch leiden die Schlachtszenen darunter, dass ihre Dramaturgie nicht überzeugend genug ist (u.a. das bereits erwähnte Dilemma der konstruiert wirkenden Einbindung von Troi) wodurch die fortwährenden Angriffe auf ein Raumschiff (noch dazu ein getarntes und beschildetes) dann nur bedingt spektakulär und kaum abwechslungsreich sind.
Was dem Film zudem fehlt – gerade angesichts seiner Konzeption als charakterlicher Spiegel – ist ein wirklich starker Antagonist. Der junge Tom Hardy spielt seinen Picard-Klon dabei zwar durchaus ordentlich, seine Darstellung leidet aber unter der Eindimensionalität seiner Figur. Sein Shinzon ist durchgängig böse und sinister und darüberhinaus (was eigentlich das größere Problem darstellt) weitgehend konturlos. Kein Over-the-Top-Gehabe eines Khan, keine theatralische Manerismen eines Chang, keine emotionale Intensität eines Ru’afo. Und so bleibt von Shinzon trotz seiner gemessen an anderen Franchise-Beiträgen vergleichsweise üppigen Screentime nur wenig in Erinnerung. In diesem Zusammenhang ist es umso bedauerlicher, dass ein charismatischer Charakterkopf wie Ron Perlman als Shinzons Stellverteter aufgrund der massiven Maskierung praktisch unkenntlich bleibt. Im Gegensatz zum großartigen MakeUp des Vorgängers Der Aufstand, unter welchem Mimik und Gesichtscharakteristik nachwievor erhalten blieben, verschlucken die „Nosferatu-meets-Ork“-Masken der Remaner jegliche darstellerische Nuancen.
Auch wenn ST X mehr noch als seine Vorgänger eine Picardsche One-Man-Show ist, so bemüht sich der Film aber dennoch redlich dem Rest der bewährten Crew ihre jeweils eigenen Momente zuzugestehen. Dabei kommen Geordie und Worf zwar dennoch etwas kurz, aber vor allem durch die Hochzeit von Troi und Riker gelingt es Nemesis einige schöne „intime“ Momente im zwischenmenschlichen Bereich zu erzeugen. Und selbst mit dem ungeliebten Kadetten Wesley Crusher gibt es ein kurzes Wiedersehen.
Das erhoffte Ziel der Kurskorrektur von ST X, das Franchise massenkompatibler zu gestalten, ging zumindest wenn man die Kinokasse als Maßstab heranzieht komplett in die Hose. Gerade mal etwas mehr die Hälfte seines ja auch schon eher kühl aufgenommenen Vorgängers spielte Nemesis ein, ein für Paramount inakzeptables Ergebnis und das Ende der „Next Generation“
, welches inhaltlich durch Datas Ableben und den Abschied von Riker und Troi aber ja ohnehin bereits vorbereitet wurde
. Der daraus zu ziehende Schluss ist wohl der, dass das Star Trek-Stammpublikum dem Film die actionlastigere Ausrichtung krumm genommen hat, während das damit hofierte Mainstreampublikum den Film dennoch links liegen liess. Wenn man so will eine Lose-Lose-Situation. Aufgrund des im Ansatz zwar ambitionierten, in der Umsetzung aber schwächelnden Drehbuchs, das zudem zu Gunsten von Charakterorientierung die Hauptstory allzu stiefmütterlich behandelt sowie einer gleichermaßen glattpolierten wie konturlosen Inszenierung gelingt es Nemesis nie dauerhaft zu überzeugen. Dabei hat der Film durchaus einige äusserst gelungene Momente wie etwa das Attentat auf den romulanischen Senat oder der (wörtlich zu verstehende) Zusammenstoss der Enterprise mit Shinzons Schiff, welche durch die zähe bzw. zeitweise kaum vorhandene Handlungsentwicklung aber immer wieder ausgebremst werden. Dank der gewohnt überzeugenden Enterpise-Crew und einem harmonischen Ende sowie des sich immerhin dauerhaft auf solidem Niveau bewegenden Unterhaltungswertes erreicht der Film dann zumindest noch soliden Durchschnitt.
Wertung: 5,5 / 10