dernamenlose hat geschrieben: 22. August 2020 14:58
Casino Hille hat geschrieben: 22. August 2020 14:23
Die Hypnoseforschung kennt vier Trance-Stufen, und tatsächlich lassen sich hier nicht nur jeweils Unterschiede bei Messungen der Gehirnströme feststellen, auch wird der Proband je nach Trance-Tiefe eine andere Vorstellung davon haben, wie lange er in dem Zustand verweilte.
Das wusste ich nicht und glaube ich dir deshalb einfach mal, nur bin ich mir ziemlich sicher, dass die Unterschiede dieser Vorstellungen der Trance Tiefen nicht exponentiell ansteigen. Zumal es da eben noch den unterschied gibt zwischen Dinge einfach nur erleben und selbst handeln.
Ja, das ist richtig, exponentiell geht das nicht von Statten. Diese Abstufungen gibt es (namentlich: Somnolenz, Hypotaxie, Somnambulanz) und seit einigen Jahren weiß man dank modernerer Wissenschaft (und Messgeräten wie einem EEG) auch, dass es da einen messbaren Unterschied bei den Gehirnwellen gibt (zum Beispiel eine Abnahme der Frequenz der Beta-Wellen zu Gunsten der Alpha-Wellen, was für Laien formuliert bedeutet: Die rechte Gehirnhälfte gewinnt gegenüber der linken immer mehr an Dominanz. Und tatsächlich haben diese unterschiedlichen Entspannungsabstufungen auch einen direkten Zusammenhang mit der Wahrnehmung zeitlicher Dauer. Logischerweise ist das was in Inception gezeigt wird schon noch mal ein bisschen anders, aber mein Punkt war eher: In jedem anderen vergleichbaren Film wäre es nicht mal so nah dran, korrekt den Umständen unseres Unterbewusstseins zu entsprechen. Allein dafür gebührt Nolan viel Anerkennung, auch wenn man dann aus persönlichen Gründen feststellt, dass einem das immer noch nicht real genug ist.
dernamenlose hat geschrieben: 22. August 2020 14:58
Es wurde ja auch nie gesagt, dass es schwierig sei, einen Traum in einem Traum zu konstruieren. Eine dritte Ebene wäre das komplizierte. Und ich stelle eben die Frage, weshalb man nicht den Limbus als dritte Ebene nutzt, weil man damit die Gefahr des unabsichtlichen hineinfallens eliminieren würde. Oder wenn der Limbus automatisch Ebene vier ist, hätte man eben noch eine weitere einbauen müssen.
Du verstehst mich – oder den Film – glaube ich miss (nicht, dass irgendwas hier von letztlich wichtig wäre, immerhin mögen wir den Film beide sehr --> andersrum macht es aber auch Spaß, so ins Detail zu gehen). Den Limbus kannst du zwar als Traumebene nutzen, solltest es aber nicht, denn die Traumebenen sind Abstufungen des Unterbewusstseins, die von einem Architekten bewusst gesteuert werden. Wir müssen das mit einer Trance-Stufe vergleichen: Das Unterbewusstsein hat zwar den Ton angebenden Teil übernommen, dennoch ist ein Rest Bewusstsein da, inklusive dessen was man im NLP den "Kritischen Faktor" nennt (in Inception herrlich schlüssig durch schießende Bodyguards visuell interpretiert). Je tiefer die Traumebene, umso mehr übernimmt das Unterbewusstsein, dennoch ist das Bewusstsein irgendwo immer noch aktiv (denn pures Unterbewusstsein ist unförmig, unkontrollierbar, darin könnte ein Architekt keine Welten bauen). Der Limbus hingegen ist das Gegenteil: Hier gibt es nur noch Unterbewusstsein und somit keinen Kritischen Faktor mehr. Mal ist genau das passiert, als sie mit Cobb lange Zeit im Limbus war: Sie hat jeden Sinn für die Realität verloren, weil ihr Bewusstsein nicht aktiv war, und sie um die Echtheit (oder Nicht-Echtheit) ihres Zustandes nicht mehr klar war. Bei Cobb lief es anders, aber kontrollierbar ist es nicht. Die Inception des Films im Limbus durchzuführen, wäre für sämtliche Team-Mitglieder ein gewaltiges Risiko, da ihnen dasselbe passieren könnte, was Mal passiert ist. Deshalb basteln sie eine andere Möglichkeit, tief genug ins Unterbewusstsein vorzudringen, ohne in den Limbus geraten zu müssen.
WENN hier tatsächlich etwas gewaltig unlogisch ist, aber vielleicht magst du mich da korrigieren: Die visuelle Darstellung des Limbus ist grob vereinfacht und vor allem etwas widersinnig, da optisch meines Erachtens viel zu ähnlich zum Limbus, in dem sich Mal und Cobb aufhalten – was nicht sein dürfte, denn sie müssten die ganze Zeit im Traum von Cilian Murphy sein, damit die Inception funktioniert oder nicht?
Erneut gilt für mich: Es ist okay, wenn einem das noch zu weit von der Realität weg ist oder zu abwegig oder zu Sci-Fi. Andersrum sehe ich es aber so, dass mir kein anderer Film einfällt, der ein so komplexes Sci-Fi-Szenario so dicht an der Wirklichkeit orientiert und darin so enorm schlüssig ist. Sämtliche "Unschlüssigkeiten" (ob sie nun welche sind oder nicht), die wir hier diskutieren, sind winzige Einschränkungen in der Glaubwürdigkeit des Konzepts, die Nolan machen muss, um eine vernünftige, spannende, klimaktische Geschichte zu erzählen (die exponentielle Verrückung der Zeit etwa dient einer Art Quasi-Countdown auf verschiedenen Ebenen und bietet reichhaltige Möglichkeiten für interessantes Erzählen). Das muss man ihm nicht verzeihen, aber bei jedem anderen Regisseur hätte man bei Inception wesentlich mehr Augen zudrücken müssen.